Nationalismus

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Der Nationalismus ist eine Idee und eine Bewegung, die davon ausgeht, dass die Nation mit dem Staat kongruent sein sollte. Als Bewegung neigt der Nationalismus dazu, die Interessen einer bestimmten Nation (wie einer Gruppe von Menschen) zu fördern, insbesondere mit dem Ziel, die Souveränität der Nation (Selbstverwaltung) über ihr Heimatland zu erlangen und zu erhalten, um einen Nationalstaat zu schaffen. Der Nationalismus vertritt die Auffassung, dass jede Nation sich selbst regieren sollte, frei von Einmischung von außen (Selbstbestimmung), dass eine Nation eine natürliche und ideale Grundlage für ein Gemeinwesen ist und dass die Nation die einzige rechtmäßige Quelle politischer Macht ist. Darüber hinaus zielt er darauf ab, eine einheitliche nationale Identität aufzubauen und zu bewahren, die auf gemeinsamen sozialen Merkmalen wie Kultur, ethnischer Zugehörigkeit, geografischer Lage, Sprache, Politik (oder Regierung), Religion, Traditionen und dem Glauben an eine gemeinsame, einzigartige Geschichte beruht, und die nationale Einheit oder Solidarität zu fördern. Der Nationalismus zielt also darauf ab, die traditionelle Kultur einer Nation zu bewahren und zu fördern. Es gibt verschiedene Definitionen von "Nation", was zu unterschiedlichen Formen des Nationalismus führt. Die beiden wichtigsten abweichenden Formen sind der ethnische Nationalismus und der staatsbürgerliche Nationalismus.

Unter Wissenschaftlern herrscht Einigkeit darüber, dass Nationen sozial konstruiert und historisch bedingt sind. Im Laufe der Geschichte haben sich die Menschen mit ihrer Verwandtschaft und ihren Traditionen, den territorialen Behörden und ihrem Heimatland verbunden gefühlt, aber der Nationalismus wurde erst gegen Ende des 18. Es gibt drei wichtige Sichtweisen des Nationalismus. Der Primordialismus (Perennialismus), der die volkstümlichen Vorstellungen von Nationalismus widerspiegelt, aber in der Wissenschaft weitgehend in Ungnade gefallen ist, geht davon aus, dass es schon immer Nationen gegeben hat und dass Nationalismus ein natürliches Phänomen ist. Der Ethnosymbolismus erklärt den Nationalismus als ein dynamisches, evolutionäres Phänomen und betont die Bedeutung von Symbolen, Mythen und Traditionen für die Entwicklung von Nationen und Nationalismus. Die Modernisierungstheorie, die den Primordialismus als vorherrschende Erklärung des Nationalismus abgelöst hat, verfolgt einen konstruktivistischen Ansatz und geht davon aus, dass der Nationalismus durch Modernisierungsprozesse wie Industrialisierung, Verstädterung und Massenbildung entstanden ist, die ein nationales Bewusstsein ermöglicht haben. Befürworter der letztgenannten Theorie beschreiben Nationen als "imaginierte Gemeinschaften" und Nationalismus als "erfundene Tradition", in der ein gemeinsames Gefühl eine Form kollektiver Identität schafft und die Individuen in politischer Solidarität zusammenhält. Die grundlegende "Geschichte" einer Nation kann auf einer Kombination von ethnischen Merkmalen, Werten und Prinzipien beruhen und eng mit Erzählungen über Zugehörigkeit verbunden sein.

Der moralische Wert des Nationalismus, die Beziehung zwischen Nationalismus und Patriotismus und die Vereinbarkeit von Nationalismus und Kosmopolitismus sind allesamt Gegenstand philosophischer Debatten. Der Nationalismus kann mit verschiedenen politischen Zielen und Ideologien wie dem Konservatismus (Nationalkonservatismus und Rechtspopulismus) oder dem Sozialismus (Linksnationalismus) kombiniert werden. In der Praxis wird der Nationalismus je nach Ideologie und Ergebnis als positiv oder negativ angesehen. Nationalismus ist ein Merkmal von Freiheits- und Gerechtigkeitsbewegungen, wird mit kulturellen Wiederbelebungen in Verbindung gebracht und fördert den Stolz auf nationale Errungenschaften. Er wurde aber auch dazu benutzt, rassische, ethnische und religiöse Spaltungen zu legitimieren, Minderheiten zu unterdrücken oder anzugreifen und Menschenrechte und demokratische Traditionen zu untergraben. Radikaler Nationalismus in Verbindung mit Rassenhass war ein Schlüsselfaktor für den von Nazi-Deutschland verübten Holocaust.

Nationalismus ist eine Ideologie, die eine Identifizierung und Solidarisierung aller Mitglieder einer Nation anstrebt und letztere in einem souveränen Staat verbinden will. Nationalismen werden (zunächst) von Nationalbewegungen getragen und in Nationalstaaten auch durch das jeweilige Staatswesen reproduziert. Je nach Entstehungsgeschichte des jeweiligen Nationalismus ist die durch ihn beförderte Identität der Nation unterschiedlich ausgefüllt. Unterscheidungsmarker können Staatsangehörigkeit, kulturelle, ethnische, religiöse und/oder Abstammungsmerkmale umfassen.

Das 19. Jahrhundert kannte den Begriff Nationalismus zunächst nicht, sondern lediglich den des Nationalstaatsprinzips (Eric Hobsbawm). Ziel nationaler Bestrebungen war es, zersplitterte Territorien zu vereinigen, großräumige Handelszonen zu schaffen, Kultur, Administration und die Verkehrssprache im Interesse einer Nationalökonomie zu vereinheitlichen. Die Nation im rechtlich-philosophischen Sinne ist das „Staatsvolk“. Zu diesem müssen nicht alle Bewohner eines Territoriums zählen, die Vereinigten Staaten von Amerika beispielsweise rechneten afrikanische Sklavinnen und Sklaven sowie indigene Indianervölker lange Zeit nicht dazu. Im 19. Jahrhundert erweiterten die meisten Nationalstaaten ihr „Staatsvolk“ um ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen und gewährten allen Bürgern umfangreichere Rechte. Insgesamt ist der Nationalstaatsgedanke untrennbar mit der modernen Idee von Staatlichkeit verbunden. Dementsprechend wurden Judenemanzipation, freies Wahlrecht, einheitliche Gesetzgebung, Gleichberechtigung aller Bürger im Rahmen des Nationalstaatsgedankens durchgesetzt.

Der Nationalismus als Massenideologie gewann im 19. Jahrhundert zunehmend an Kraft und vereinte heterogene Staatsvölker durch ein vereinheitlichendes Selbstverständnis. Historisch erreichten nationalistische Ideen erstmals im ausgehenden 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution politisch bedeutsame Auswirkungen. Im 19. Jahrhundert kam es zu europäischen Nationenbildungen, die ein im Vergleich zur französischen Staatsnation stärker ethnisches Nationenbild transportierten, so zum Beispiel die deutsche Kulturnation oder die Bulgarische Wiedergeburt (siehe auch: Bulgarophilie). Außerhalb Europas entstanden durch Unabhängigkeitsbestrebungen vom Kolonialismus neue Nationalstaaten. Spätestens seit der Etablierung des Selbstbestimmungsrechts der Völker auf völkerrechtlicher Ebene im 20. Jahrhundert sind Nationalismen eine hegemoniale Ideologie auf globaler Ebene.

Nationalismus ist nicht an ein bestimmtes politisches System gebunden: Herrschten zu Beginn des Erfolgs von Nationalismen aufklärerische Staatsmodelle vor, so verbanden sich später unterschiedliche Nationalismen auch unter anderem mit monarchistischen, postkolonialen, realsozialistischen und faschistischen Systemen bis hin zum Nationalsozialismus. Auch von Demokratien werden nationalistische Ziele verfolgt.

Nationalismen können – wie in den Jugoslawienkriegen – zum Zerfall von Staaten führen, oder aber – wie im italienischen Risorgimento – Staaten vereinen.

Terminologie

Titelblatt der zweiten Ausgabe (Amsterdam 1631) von De jure belli ac pacis

Die terminologische Verwendung von "Nationen", "Souveränität" und damit zusammenhängenden Begriffen wurde mit der Schrift De jure belli ac pacis von Hugo Grotius zu Beginn des 17. Da er in der Zeit des Achtzigjährigen Krieges zwischen Spanien und den Niederlanden und des Dreißigjährigen Krieges zwischen katholischen und protestantischen europäischen Nationen lebte (wobei das katholische Frankreich im protestantischen Lager stand), ist es nicht verwunderlich, dass Grotius sich intensiv mit Konflikten zwischen Nationen im Zusammenhang mit religiös bedingten Gegensätzen befasste. Das Wort Nation wurde vor 1800 in Europa auch sinnvollerweise für die Einwohner eines Landes sowie für kollektive Identitäten verwendet, die eine gemeinsame Geschichte, ein gemeinsames Recht, eine gemeinsame Sprache, politische Rechte, eine gemeinsame Religion und gemeinsame Traditionen umfassen konnten, und zwar in einem Sinne, der eher der modernen Auffassung entsprach.

Nationalismus, abgeleitet vom Substantiv "Nationen", ist ein neueres Wort; in der englischen Sprache stammt der Begriff aus dem Jahr 1798 und gewann erst im 19. Nach 1914 wurde der Begriff zunehmend negativ konnotiert. Glenda Sluga stellt fest: "Das zwanzigste Jahrhundert, eine Zeit tiefgreifender Desillusionierung gegenüber dem Nationalismus, war auch das große Zeitalter des Globalismus.

Akademiker definieren Nationalismus als ein politisches Prinzip, das besagt, dass Nation und Staat kongruent sein sollten. Lisa Weeden zufolge geht die nationalistische Ideologie davon aus, dass "das Volk" und der Staat kongruent sind.

Geschichte

Nationalismus ist ein Phänomen der Moderne. Vor allem im 19. Jahrhundert kam es zu nationalistischen Mythenbildungen, um die neugeschaffenen Nationen als vermeintliche oder tatsächliche Traditionsgemeinschaften zu verankern. In Europa bekam der Nationalismus einen erheblichen Schub durch die Ideen der Französischen Revolution. In ihrer Folge wurde die Idee der Volkssouveränität populär, welche sowohl einen demokratischen als auch einen nationalen Ansatz hat. Vorreiter dieser Mythenbildungen waren in Deutschland etwa Johann Gottfried Herder und Johann Gottlieb Fichte, in Italien Giuseppe Mazzini.

Als „Geburtsstunde des deutschen Nationalismus“ (Friedrich Meinecke), gelten gemeinhin die Befreiungskriege gegen Napoleon. Die Historikerin Ute Planert vertritt dagegen die Ansicht, dass bereits seit der Zeit des Siebenjährigen Krieges 1756–1763 das Vaterland (als das damals noch Preußen oder ein anderer Territorialstaat angesehen wurde) als „exklusive und homogene Gemeinschaft“ konstruiert worden sei, die den Anspruch erheben konnte, gegenüber anderen Gemeinschaften wie Religion oder Familie höherrangig zu sein und die fortan als oberste Legitimationsinstanz galt.

Als im Volke beliebt und den konservativen Kräften der Restauration entgegenstehend zeigten sich die national und demokratisch gesinnten Bewegungen der Revolutionen von 1848/1849. Beginnend mit der französischen Februarrevolution sprang der Funke auf fast ganz Europa über, auch auf die Fürstentümer des Deutschen Bundes, darunter die Monarchien Preußen und Österreich als dessen mächtigste Staaten (Märzrevolution).

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts radikalisierte sich in einigen Ländern der sonst fast überall vorherrschende inklusive Nationalismus. Der französische Publizist Charles Maurras prägte den Begriff des „Integralen Nationalismus“, der die Nation zum ausschließlichen Wert des Individuums erhöhen wollte. Der Nation wurde eine historische Sendung zugeschrieben, mit der sie auch andere Territorien quasi erlösen sollte. Der so verstandene Nationalismus wurde zur Legitimierung des Imperialismus – der Herrschaft auch über fremde Völker.

Gleichzeitig wurden Zweifel und Kritik an der Nation als Verrat verurteilt und bekämpft. Fazit: Der integrale Nationalismus war somit ein Unterdrückungsinstrument auch nach innen.

Im Zentrum der meisten Gruppenzugehörigkeiten standen in der Realität jedoch andere, meist persönliche oder regionale Bindungen (etwa an den Lehnsherren) – vor der Herausbildung moderner Nationen. Tatsächlich sind denn auch quasi-nationalstaatliche Institutionen eine Grundvoraussetzung zur Entstehung einer über den Personenverband hinausgehenden nationalen Identität.

Im Nationalismus wird die vormals personengebundene Loyalität, wie etwa im Königtum, in einer abstrakten überpersonalen Ebene verallgemeinert. Ein persönlicher Umgang miteinander, wie zuvor in einer Dorfgemeinschaft und am Fürstenhof alltäglich, wird nun auch auf Personen übertragen, die nicht in direkten Kontakt miteinander stehen konnten. Es wurde eine nationale Gemeinschaft errichtet, unter Bezugnahme auf tatsächliche und auch teils vermeintliche Gemeinsamkeiten in Geschichte, Sprache und Kultur.

Diese sind in vielen Fällen erst während der Nationenbildung entstanden. So etwa durch die Normierung der deutschen Sprache in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Diese Gemeinschaft reproduziert sich selbst, etwa durch nationalstaatliche Institutionen, wie Behörden und auch Schulen.

In den geschichtlichen Vordergrund getreten sind letztlich die nationalen Antagonismen, die nach dem rasanten technischen Fortschritt des 19. und 20. Jahrhunderts zu den verheerenden Ergebnissen moderner Kriegsführung – mit Millionen von Toten – führten. Aber auch der Zerfall von Machtstrukturen führt zum Ausbrechen nationalistischer Bestrebungen, etwa beim Zusammenbruch der Kolonialreiche in der Folge des Zweiten Weltkrieges.

Die nach Unabhängigkeit strebenden ehemaligen Kolonialvölker erreichten zum Teil in blutigen Befreiungskriegen ihre Selbstständigkeit. Dabei griffen sie – um den Kolonialismus zu delegitimieren – auf die bereits bekannten Prinzipien des Nationalismus zurück und setzten dessen emanzipatorisches Element, verbunden mit einem politischen Gleichheitsversprechen gegenüber allen zur Nation zählenden Menschen ein. Hier zeigt sich, dass Inklusion und Exklusion offenbar elementare Bestandteile des Nationalismus sind.

Während einerseits die politische Gleichheit der in einer Nation vereinten Gruppe betont wird, erfolgt andererseits der Ausschluss der als nicht zugehörig klassifizierten Gruppen. Dies kann von einer kommunikativen Betonung einer angeblichen Andersartigkeit dieser Ausgeschlossenen bis zu ihrem physischen Ausschluss (Deportierung) und auch im Extremfall zu ihrer körperlichen Vernichtung führen (ethnische Säuberung / Völkermord)

Eine Postkarte aus dem Jahr 1916 zeigt nationale Personifikationen einiger Alliierter des Ersten Weltkriegs, die jeweils eine Nationalflagge halten

In der Wissenschaft wird der Beginn des Nationalismus häufig in das späte 18. oder frühe 19. Jahrhundert mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung oder mit der Französischen Revolution gelegt. Es herrscht Einigkeit darüber, dass sich der Nationalismus als Konzept im 19. In der Geschichte des Nationalismus wird die Französische Revolution (1789) als wichtiger Ausgangspunkt angesehen, nicht nur wegen ihrer Auswirkungen auf den französischen Nationalismus, sondern vor allem wegen ihrer Auswirkungen auf die Deutschen und Italiener sowie auf die europäischen Intellektuellen. Die Vorlage für den Nationalismus als Methode zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung für einen neuen Staat auf der Grundlage der Volkssouveränität reichte weiter zurück als 1789: Philosophen wie Rousseau und Voltaire, deren Ideen die Französische Revolution beeinflussten, waren selbst vom Beispiel früherer konstitutioneller Befreiungsbewegungen beeinflusst oder ermutigt worden, vor allem von der Korsischen Republik (1755-1768) und der Amerikanischen Revolution (1775-1783).

Infolge der Industriellen Revolution entstanden eine integrierte, die ganze Nation umfassende Wirtschaft und eine nationale Öffentlichkeit, in der sich die Briten mit dem Land als Ganzem und nicht mit den kleineren Einheiten ihrer Provinz, Stadt oder Familie zu identifizieren begannen. Das frühe Aufkommen eines populären patriotischen Nationalismus fand Mitte des 18. Jahrhunderts statt und wurde von der britischen Regierung und den Schriftstellern und Intellektuellen der damaligen Zeit aktiv gefördert. Nationale Symbole, Hymnen, Mythen, Flaggen und Erzählungen wurden von den Nationalisten eifrig entwickelt und weithin übernommen. Der Union Jack wurde 1801 als Nationalsymbol eingeführt. Thomas Arne komponierte 1740 das patriotische Lied "Rule, Britannia!", und der Karikaturist John Arbuthnot erfand 1712 die Figur des John Bull als Personifizierung des englischen Nationalgeistes.

Die politischen Erschütterungen des späten 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der amerikanischen und der französischen Revolution steigerten die Anziehungskraft des patriotischen Nationalismus noch erheblich.

Der preußische Gelehrte Johann Gottfried Herder (1744-1803) prägte den Begriff 1772 in seiner "Abhandlung über den Ursprung der Sprache", in der er die Rolle einer gemeinsamen Sprache betonte. Er maß den Begriffen Nationalität und Patriotismus besondere Bedeutung bei - "wer seinen patriotischen Geist verloren hat, hat sich selbst und die ganze Welt um sich herum verloren" - und lehrte gleichzeitig, dass "in gewissem Sinne jede menschliche Vollkommenheit national ist".

Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, dass es bereits vor dem 18. Jahrhundert Varianten des Nationalismus gab. Der amerikanische Philosoph und Historiker Hans Kohn schrieb 1944, dass der Nationalismus im 17. Jahrhundert entstand. In Britons, Forging the Nation 1707-1837 (Yale University Press, 1992) untersucht Linda Colley, wie die Rolle des Nationalismus um 1700 aufkam und sich in Großbritannien bis in die 1830er Jahre entwickelte. Der populäre britische Autor H.G. Wells schrieb kurz nach dem Ersten Weltkrieg und verfolgte den Ursprung des europäischen Nationalismus bis in die Zeit nach der Reformation, als er die moralische Leere füllte, die der Niedergang des christlichen Glaubens hinterlassen hatte:

[A]ls die Idee des Christentums als Weltbruderschaft der Menschen wegen ihrer fatalen Verstrickung mit Priesterschaft und Papsttum einerseits und mit der Autorität der Fürsten andererseits in Misskredit geriet und das Zeitalter des Glaubens in unser heutiges Zeitalter des Zweifels und des Unglaubens überging, verlagerten die Menschen den Bezugspunkt ihres Lebens vom Reich Gottes und der Bruderschaft der Menschheit auf diese scheinbar lebendigeren Realitäten, Frankreich und England, das Heilige Russland, Spanien, Preußen.... **** Im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert war die allgemeine Bevölkerung Europas religiös und nur vage patriotisch; im neunzehnten Jahrhundert war sie gänzlich patriotisch geworden.

19. Jahrhundert

Senator Johan Vilhelm Snellman (1806-1881), der sich auch als Philosoph, Journalist und Schriftsteller betätigte, war einer der einflussreichsten Fennomannen und finnischen Nationalisten des 19.

Die politische Entwicklung des Nationalismus und das Streben nach Volkssouveränität erreichten ihren Höhepunkt mit den ethnisch-nationalen Revolutionen in Europa. Im 19. Jahrhundert wurde der Nationalismus zu einer der bedeutendsten politischen und sozialen Kräfte der Geschichte; er wird üblicherweise als eine der Hauptursachen für den Ersten Weltkrieg genannt.

Napoleons Eroberungen der deutschen und italienischen Staaten um 1800-1806 spielten eine wichtige Rolle bei der Förderung des Nationalismus und der Forderung nach nationaler Einheit.

So argumentiert der englische Historiker J. P. T. Bury:

Zwischen 1830 und 1870 hatte der Nationalismus also große Fortschritte gemacht. Er hatte große Literatur inspiriert, die Gelehrsamkeit beflügelt und Helden hervorgebracht. Er hatte seine Macht bewiesen, sowohl zu vereinen als auch zu spalten. In Deutschland und Italien hatte er zu großen politischen Aufbau- und Konsolidierungserfolgen geführt; für das Osmanische Reich und das Habsburger Reich, die im Wesentlichen multinational waren, stellte er jedoch mehr denn je eine Bedrohung dar. Die europäische Kultur war durch die neuen volkssprachlichen Beiträge wenig bekannter oder vergessener Völker bereichert worden, doch gleichzeitig war die Einheit, die sie besaß, durch Zersplitterung gefährdet. Darüber hinaus hatten die durch den Nationalismus geförderten Antagonismen nicht nur zu Kriegen, Aufständen und lokalem Hass geführt, sondern auch neue geistige Spaltungen in einem nominell christlichen Europa hervorgerufen oder verstärkt.

Frankreich

Ein Gemälde von Alphonse-Marie-Adolphe de Neuville aus dem Jahr 1887 zeigt französische Schüler, die über die verlorenen Provinzen Elsass-Lothringen unterrichtet werden, die 1871 von Deutschland erobert wurden.

Der Nationalismus in Frankreich fand schon früh Ausdruck in der französischen Revolutionsregierung. Im Jahr 1793 verkündete diese Regierung eine Masseneinberufung (levée en masse) mit einem Aufruf zum Dienst:

Von nun an, bis die Feinde aus dem Gebiet der Republik vertrieben sind, werden alle Franzosen ständig zum Militärdienst herangezogen. Die jungen Männer sollen in die Schlacht ziehen; die verheirateten Männer sollen in den Spitälern Waffen schmieden; die Kinder sollen altes Leinen zu Flusen verarbeiten; die alten Männer sollen sich auf die öffentlichen Plätze begeben, um den Mut der Krieger anzuspornen und die Einheit der Republik und den Hass auf die Könige zu predigen.

Dieser Nationalismus gewann nach dem Ende der Französischen Revolution an Fahrt. Die Niederlage im Krieg und die Gebietsverluste waren eine starke Kraft für den Nationalismus. In Frankreich waren die Rache und die Rückgabe von Elsass-Lothringen nach der Niederlage gegen Deutschland 1871 ein Vierteljahrhundert lang eine starke Triebfeder. Nach 1895 konzentrierten sich die französischen Nationalisten auf die Dreyfus-Affäre und die interne Subversion, und die Elsass-Frage geriet in den Hintergrund.

Die französische Reaktion war ein berühmter Fall von Revanchismus ("Rache"), der die Rückgabe des verlorenen Territoriums fordert, das dem nationalen Heimatland "gehört". Der Revanchismus schöpft seine Kraft aus patriotischem und vergeltendem Gedankengut und ist häufig durch wirtschaftliche oder geopolitische Faktoren motiviert. Extreme revanchistische Ideologen vertreten oft eine kämpferische Haltung und meinen, dass ihre gewünschten Ziele durch einen positiven Ausgang eines weiteren Krieges erreicht werden können. Sie ist mit dem Irredentismus verbunden, der Vorstellung, dass ein Teil der kulturellen und ethnischen Nation außerhalb der Grenzen des entsprechenden Nationalstaates "unerlöst" bleibt. Revanchistische Politik stützt sich häufig auf die Identifizierung einer Nation mit einem Nationalstaat und mobilisiert oft tief verwurzelte Gefühle des ethnischen Nationalismus, indem sie Gebiete außerhalb des Staates beansprucht, in denen Angehörige der ethnischen Gruppe leben, und gleichzeitig einen plumpen Nationalismus einsetzt, um Unterstützung für diese Ziele zu mobilisieren. Revanchistische Begründungen werden häufig mit der alten oder sogar autochthonen Besetzung eines Gebiets seit "ewigen Zeiten" begründet, eine Behauptung, die in der Regel untrennbar mit Revanchismus und Irredentismus verbunden ist und diese in den Augen ihrer Befürworter rechtfertigt.

Die Dreyfus-Affäre in Frankreich 1894-1906 machte den Kampf gegen Verrat und Illoyalität zu einem zentralen Thema für die konservativen katholischen französischen Nationalisten. Dreyfus, ein Jude, war ein Außenseiter, d. h. in den Augen der überzeugten Nationalisten kein echter Franzose, dem man nicht trauen konnte und dem man nicht trauen durfte. Die wahre Loyalität gegenüber der Nation war aus konservativer Sicht durch die liberalen und republikanischen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit bedroht, die das Land in die Katastrophe führten.

Russland

Das russische Millenniumsdenkmal wurde 1862 zur Feier von eintausend Jahren russischer Geschichte errichtet.

Vor 1815 war der russische Nationalismus nur schwach ausgeprägt und konzentrierte sich auf den loyalen Gehorsam gegenüber dem Zaren. Das russische Motto "Orthodoxie, Autokratie und Nationalität" wurde von Graf Sergej Uvarov geprägt und von Kaiser Nikolaus I. als offizielle Ideologie übernommen. Die drei Komponenten von Uvarovs Dreiklang waren:

  • Orthodoxie - orthodoxes Christentum und Schutz der russisch-orthodoxen Kirche.
  • Autokratie - bedingungslose Loyalität gegenüber dem Haus Romanow als Gegenleistung für den paternalistischen Schutz aller sozialen Stände.
  • Nationalität (Narodnost, wurde auch als Nationalgeist übersetzt) - Anerkennung der staatstragenden Rolle der russischen Nationalität.

In den 1860er Jahren entstand infolge der erzieherischen Indoktrination und des konservativen Widerstands gegen Ideen und Ideologien aus Westeuropa eine panslawistische Bewegung, die sowohl ein Gefühl des russischen Nationalismus als auch eine nationalistische Mission zur Unterstützung und zum Schutz des Panslawismus hervorbrachte. Diese slawophile Bewegung wurde im Russland des 19. Jahrhunderts populär. Jahrhunderts populär. Der Panslawismus wurde durch die zahlreichen Kriege Russlands gegen das Osmanische Reich genährt und war der Treibstoff für diese Kriege, deren angebliches Ziel es war, orthodoxe Völker wie Bulgaren, Rumänen, Serben und Griechen von der osmanischen Herrschaft zu befreien. Die Slawophilen lehnten die westeuropäischen Einflüsse in Russland ab und waren entschlossen, die russische Kultur und Tradition zu schützen. Aleksey Khomyakov, Ivan Kireyevsky und Konstantin Aksakov gelten als Mitbegründer der Bewegung.

Lateinamerika

Ein Aufschwung des Nationalismus in Lateinamerika in den 1810er und 1820er Jahren löste Revolutionen aus, die Spanien fast alle seine Kolonien dort kosteten. Spanien befand sich von 1798 bis 1808 im Krieg mit Großbritannien, und die britische Royal Navy brach die Kontakte zu ihren Kolonien ab, so dass der Nationalismus aufblühte und der Handel mit Spanien eingestellt wurde. Die Kolonien setzten provisorische Regierungen oder Juntas ein, die praktisch unabhängig von Spanien waren. Diese Juntas wurden als Folge des gescheiterten Widerstands Napoleons in Spanien eingesetzt. Sie dienten dazu, eine neue Führung zu bestimmen und schafften in Kolonien wie Caracas den Sklavenhandel und den indianischen Tribut ab. Die Spaltung zwischen den in Spanien geborenen Spaniern (den so genannten "peninsulares") und den in Neuspanien geborenen Spaniern spanischer Abstammung (den so genannten "criollos" auf Spanisch oder "creoles" auf Englisch) brach aus. Die beiden Gruppen rangen um die Macht, wobei die Criollos die Forderung nach Unabhängigkeit anführten. Spanien versuchte, mit seinen Armeen zurückzuschlagen, hatte aber keine Hilfe von europäischen Mächten. Vielmehr arbeiteten Großbritannien und die Vereinigten Staaten gegen Spanien und setzten die Monroe-Doktrin durch. Spanien verlor alle seine amerikanischen Kolonien, mit Ausnahme von Kuba und Puerto Rico, in einer komplexen Serie von Aufständen zwischen 1808 und 1826.

Deutschland

Revolutionäre in Wien mit deutschen Trikolore-Fahnen, Mai 1848

In den deutschen Staaten westlich von Preußen schaffte Napoleon viele der alten oder mittelalterlichen Relikte ab, wie etwa die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1806. Er führte ein rationales Rechtssystem ein und demonstrierte, dass dramatische Veränderungen möglich waren. Seine Organisation des Rheinbundes 1806 förderte das Nationalgefühl.

Die Nationalisten versuchten, die Männlichkeit in ihr Streben nach Stärke und Einheit einzubeziehen. Es war der preußische Kanzler Otto von Bismarck, der die deutsche Einigung durch eine Reihe äußerst erfolgreicher Kurzkriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich erreichte, die die pan-deutschen Nationalisten in den kleineren deutschen Staaten begeisterten. Sie kämpften in seinen Kriegen und schlossen sich eifrig dem neuen Deutschen Reich an, das Bismarck nach 1871 als eine Kraft des Gleichgewichts und des Friedens in Europa führte.

Im 19. Jahrhundert wurde der deutsche Nationalismus von hegelianisch orientierten akademischen Historikern gefördert, die Preußen als den wahren Träger des deutschen Geistes und die Macht des Staates als das Endziel des Nationalismus ansahen. Die drei wichtigsten Historiker waren Johann Gustav Droysen (1808-1884), Heinrich von Sybel (1817-1895) und Heinrich von Treitschke (1834-1896). Droysen ging vom Liberalismus zu einem intensiven Nationalismus über, der den preußischen Protestantismus, die Tüchtigkeit, den Fortschritt und die Reformen feierte, in auffälligem Gegensatz zum österreichischen Katholizismus, der Ohnmacht und Rückständigkeit. Er idealisierte die Hohenzollernkönige von Preußen. Seine groß angelegte Geschichte der preußischen Politik (14 Bände 1855-1886) war für nationalistische Studenten und Gelehrte von grundlegender Bedeutung. Von Sybel gründete und redigierte die führende akademische Geschichtszeitschrift, die Historische Zeitschrift, und veröffentlichte als Leiter des preußischen Staatsarchivs umfangreiche Kompilationen, die von den Gelehrten des Nationalismus verschlungen wurden.

Der einflussreichste der deutschen nationalistischen Historiker war Treitschke, der einen enormen Einfluss auf die Elitestudenten an den Universitäten Heidelberg und Berlin ausübte. Treitschke attackierte vehement den Parlamentarismus, den Sozialismus, den Pazifismus, die Engländer, die Franzosen, die Juden und die Internationalisten. Der Kern seiner Botschaft war die Notwendigkeit eines starken, geeinten Staates - eines geeinten Deutschlands unter preußischer Aufsicht. "Es ist die höchste Pflicht des Staates, seine Macht zu vergrößern", erklärte er. Obwohl er aus einer tschechischen Familie stammte, betrachtete er sich nicht als Slawe, sondern als Deutscher: "Ich bin 1000mal mehr Patriot als Professor."

year=2013

Der deutsche Nationalismus, wie er in der Ideologie des Nationalsozialismus zum Ausdruck kommt, kann jedoch auch als transnationaler Charakter verstanden werden. Dieser Aspekt wurde vor allem von Adolf Hitler vertreten, der später zum Führer der Nazipartei wurde. Diese Partei widmete sich dem, was sie als arische Rasse bezeichnete, die in verschiedenen europäischen Ländern beheimatet war, sich aber mitunter mit fremden Elementen wie den Juden vermischte.

Gleichzeitig lehnten die Nazis viele der in diesen Ländern ansässigen Bürger ab, wie z. B. die Roma (Zigeuner) und natürlich die Juden, die sie nicht als arisch ansahen. Eine zentrale Doktrin der Nazis war der "Lebensraum" (nur für Arier) oder "Lebensraum", ein riesiges Projekt zur Verpflanzung von Ariern in ganz Polen, in weiten Teilen Osteuropas und der baltischen Staaten sowie in ganz Westrussland und der Ukraine. Der "Lebensraum" war also ein riesiges Projekt zur Förderung der arischen Rasse weit über eine bestimmte Nation oder nationale Grenzen hinaus. Die Ziele der Nazis waren rassistisch und konzentrierten sich auf die Förderung der arischen Rasse, wie sie sie sahen, die eugenische Veränderung der menschlichen Rasse und die Ausrottung von Menschen, die sie für minderwertig hielten. Ihre Ziele waren jedoch länderübergreifend und sollten sich so weit wie möglich über die ganze Welt erstrecken. Obwohl der Nationalsozialismus die deutsche Geschichte verherrlichte, berief er sich auch auf die angeblichen Tugenden und Errungenschaften der arischen Rasse in anderen Ländern, darunter Indien. Das Ariertum der Nazis sehnte sich nach heute ausgestorbenen Arten überlegener Stiere, die einst von den Ariern als Nutztiere verwendet wurden, und nach anderen Merkmalen der arischen Geschichte, die nie innerhalb der Grenzen Deutschlands als Nation ansässig waren.

Italien

Jubelnde Menschen beim Einzug von Giuseppe Garibaldi in Neapel im Jahr 1860

Der italienische Nationalismus entstand im 19. Jahrhundert und war die treibende Kraft für die italienische Einigung oder das Risorgimento (d. h. die "Wiederauferstehung" oder "Wiederbelebung"). Es war die politische und intellektuelle Bewegung, die 1861 die verschiedenen Staaten der italienischen Halbinsel zu einem einzigen Staat, dem Königreich Italien, zusammenführte. Die Erinnerung an das Risorgimento ist für den italienischen Nationalismus von zentraler Bedeutung, aber sie war im liberalen Bürgertum verankert und erwies sich letztlich als etwas schwach. Die neue Regierung behandelte den neu annektierten Süden wegen seiner "rückständigen" und verarmten Gesellschaft, seiner geringen Kenntnisse des Standarditalienischen (da italo-dalmatinische Dialekte des Neapolitanischen und Sizilianischen im allgemeinen Sprachgebrauch vorherrschten) und seiner Traditionen als eine Art unterentwickelte Provinz. Die Liberalen waren schon immer starke Gegner des Papstes und der sehr gut organisierten katholischen Kirche gewesen. Die liberale Regierung unter dem Sizilianer Francesco Crispi versuchte, ihre politische Basis zu vergrößern, indem sie Otto von Bismarck nacheiferte und den italienischen Nationalismus mit einer aggressiven Außenpolitik anheizte. Das schlug teilweise fehl und seine Sache wurde zurückgeworfen. Über seine nationalistische Außenpolitik sagt der Historiker R. J. B. Bosworth:

[Crispi] verfolgte eine Politik, deren offen aggressiver Charakter bis zu den Tagen des faschistischen Regimes nicht mehr erreicht werden sollte. Crispi erhöhte die Militärausgaben, sprach fröhlich von einer europäischen Feuersbrunst und beunruhigte seine deutschen oder britischen Freunde mit diesen Vorschlägen von Präventivschlägen gegen seine Feinde. Seine Politik war ruinös, sowohl für den Handel Italiens mit Frankreich als auch, was noch demütigender war, für die kolonialen Ambitionen in Ostafrika. Crispis Gier nach Territorium in Ostafrika wurde durchkreuzt, als am 1. März 1896 die Armeen des äthiopischen Kaisers Menelik die italienischen Truppen bei Adowa niederwarfen [...], was als beispiellose Katastrophe für eine moderne Armee bezeichnet wurde. Crispi, dessen Privatleben und persönliche Finanzen [...] immer wieder Gegenstand von Skandalen waren, wurde unehrenhaft in den Ruhestand versetzt.

Italien schloss sich im Ersten Weltkrieg den Alliierten an, nachdem es Gebietsversprechen erhalten hatte, aber seine Kriegsanstrengungen wurden nach dem Krieg nicht honoriert, was den Liberalismus diskreditierte und Benito Mussolini den Weg für eine von ihm selbst geschaffene politische Doktrin ebnete, den Faschismus. Mussolinis 20 Jahre währende Diktatur war von einem äußerst aggressiven Nationalismus geprägt, der zu einer Reihe von Kriegen mit der Gründung des Italienischen Reiches, einem Bündnis mit Hitler-Deutschland und der Demütigung und dem Elend des Zweiten Weltkriegs führte. Nach 1945 kehrten die Katholiken an die Regierung zurück und die Spannungen ließen etwas nach, aber die beiden ehemaligen Sizilien blieben arm und teilweise unterentwickelt (im Vergleich zu Industrieländern). In den fünfziger und frühen sechziger Jahren erlebte Italien jedoch einen wirtschaftlichen Aufschwung, der seine Wirtschaft auf den fünften Platz unter den Weltnationen brachte.

Die Arbeiterklasse wählte in jenen Jahrzehnten mehrheitlich die Kommunistische Partei, die sich eher von Moskau als von Rom inspirieren ließ und aus der nationalen Regierung herausgehalten wurde, auch wenn sie einige Industriestädte im Norden kontrollierte. Im 21. Jahrhundert sind die Kommunisten zu einer Randerscheinung geworden, aber die politischen Spannungen blieben hoch, wie Umberto Bossis Padanismus in den 1980er Jahren (dessen Partei Lega Nord im Laufe der Jahre teilweise eine gemäßigte Version des italienischen Nationalismus vertrat) und andere separatistische Bewegungen im ganzen Land zeigten.

Der griechische Unabhängigkeitskrieg begann 1821 als Rebellion griechischer Revolutionäre gegen das herrschende Osmanische Reich.

Griechenland

Im frühen 19. Jahrhundert führte der griechische Nationalismus, inspiriert von der Romantik, dem Klassizismus, früheren Bewegungen des griechischen Nationalismus und gescheiterten griechischen Aufständen gegen das Osmanische Reich (wie dem Orlofika-Aufstand in Südgriechenland 1770 und dem Epirus-Mazedonischen Aufstand in Nordgriechenland 1575), zum griechischen Unabhängigkeitskrieg. Das griechische Streben nach Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich in den 1820er und 1830er Jahren fand im gesamten christlichen Europa, insbesondere in Großbritannien, Anhänger, was auf die westliche Idealisierung des klassischen Griechenlands und die Romantik zurückzuführen war. Frankreich, Russland und Großbritannien trugen entscheidend dazu bei, den Erfolg dieser nationalistischen Bestrebungen zu sichern.

Serbien

Zerfall von Jugoslawien

Die christlich-orthodoxen Serben standen jahrhundertelang unter der Herrschaft des muslimischen Osmanischen Reiches. Der Erfolg der serbischen Revolution gegen die osmanische Herrschaft im Jahr 1817 war die Geburtsstunde des Fürstentums Serbien. Es erlangte 1867 de facto seine Unabhängigkeit und wurde schließlich 1878 international anerkannt. Serbien strebte die Befreiung und Vereinigung mit Bosnien und Herzegowina im Westen und Altserbien (Kosovo und Vardar-Mazedonien) im Süden an. Nationalistische Kreise sowohl in Serbien als auch in Kroatien (das zu Österreich-Ungarn gehörte) begannen in den 1860er Jahren für eine größere südslawische Union einzutreten und beanspruchten Bosnien als ihr gemeinsames Land auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache und Tradition. Im Jahr 1914 ermordeten serbische Revolutionäre in Bosnien Erzherzog Ferdinand. Österreich-Ungarn versuchte 1914 mit deutscher Unterstützung, Serbien zu zerschlagen, und löste damit den Ersten Weltkrieg aus, in dem sich Österreich-Ungarn in Nationalstaaten auflöste.

1918 geriet die Region Banat, Bačka und Baranja unter die Kontrolle der serbischen Armee, später stimmte die Große Nationalversammlung der Serben, Bunjevci und anderer Slawen für den Anschluss an Serbien; das Königreich Serbien trat am 1. Dezember 1918 der Union mit dem Staat der Slowenen, Kroaten und Serben bei, und das Land erhielt den Namen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Das Land wurde in Jugoslawien umbenannt, und es wurde eine jugoslawische Identität gefördert, die jedoch letztlich scheiterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten die jugoslawischen Kommunisten eine neue sozialistische Republik Jugoslawien. Dieser Staat löste sich in den 1990er Jahren wieder auf.

Polen

Das Anliegen des polnischen Nationalismus wurde vor 1918 wiederholt vereitelt. In den 1790er Jahren fielen die Habsburgermonarchie, Preußen und Russland in Polen ein, annektierten es und teilten es anschließend auf. Napoleon gründete das Herzogtum Warschau, einen neuen polnischen Staat, der den Geist des Nationalismus entfachte. Russland übernahm es 1815 als Kongresspolen, wobei der Zar zum "König von Polen" ausgerufen wurde. In den Jahren 1830 und 1863-64 kam es zu groß angelegten nationalistischen Aufständen, die jedoch von Russland brutal niedergeschlagen wurden, das versuchte, die polnische Sprache, Kultur und Religion der russischen anzugleichen. Der Zusammenbruch des Russischen Reiches im Ersten Weltkrieg ermöglichte es den Großmächten, ein unabhängiges Polen wiederherzustellen, das bis 1939 Bestand hatte. In der Zwischenzeit stiegen die Polen in den von Deutschland kontrollierten Gebieten in die Schwerindustrie ein, doch ihre Religion wurde im Kulturkampf der 1870er Jahre von Bismarck angegriffen. Die Polen schlossen sich mit den deutschen Katholiken in einer gut organisierten neuen Zentrumspartei zusammen und besiegten Bismarck politisch. Er reagierte, indem er die Schikanen einstellte und mit der Zentrumspartei zusammenarbeitete.

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert vertraten viele polnische Nationalisten das Piast-Konzept. Jahrhunderts vertraten viele polnische Nationalisten das Piasten-Konzept, wonach es während der Piasten-Dynastie vor tausend Jahren eine polnische Utopie gab und moderne polnische Nationalisten die zentralen Werte Polens für die Polen wiederherstellen sollten. Jan Poplawski hatte das "Piast-Konzept" in den 1890er Jahren entwickelt, und es bildete das Kernstück der polnischen nationalistischen Ideologie, insbesondere in der von Roman Dmowski geführten Partei der Nationalen Demokratie, bekannt als "Endecja". Im Gegensatz zum Jagiellonen-Konzept gab es kein Konzept für ein multiethnisches Polen.

General Simón Bolívar (1783-1830), ein Führer der Unabhängigkeit in Lateinamerika

Das Piast-Konzept stand im Gegensatz zum "Jagiellon-Konzept", das den Multiethnizismus und die polnische Herrschaft über zahlreiche Minderheitengruppen wie die der Kresy zuließ. Das Jagiellon-Konzept war die offizielle Politik der Regierung in den 1920er und 1930er Jahren. Der sowjetische Diktator Josef Stalin lehnte 1943 in Teheran das Jagiellon-Konzept ab, weil es eine polnische Herrschaft über Ukrainer und Weißrussen vorsah. Stattdessen befürwortete er das Piast-Konzept, das eine massive Verschiebung der polnischen Grenzen nach Westen rechtfertigte. Nach 1945 übernahm das von der Sowjetunion unterstützte kommunistische Marionettenregime das Piast-Konzept mit ganzem Herzen und machte es zum Kernstück seines Anspruchs, die "wahren Erben des polnischen Nationalismus" zu sein. Nach all den Morden, einschließlich der deutschen Besatzung durch die Nazis, dem Terror in Polen und den Bevölkerungstransfers während und nach dem Krieg, wurde die Nation offiziell als zu 99 % ethnisch polnisch erklärt.

In der aktuellen polnischen Politik wird der polnische Nationalismus am offensten von den Parteien vertreten, die in der Koalition der Konföderation für Freiheit und Unabhängigkeit zusammengeschlossen sind. Im Jahr 2020 hatte der Bund, der sich aus mehreren kleineren Parteien zusammensetzt, 11 Abgeordnete (weniger als 7 %) im Sejm.

Bulgarischer Nationalismus

Der moderne bulgarische Nationalismus entstand unter osmanischer Herrschaft im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert unter dem Einfluss westlicher Ideen wie Liberalismus und Nationalismus, die nach der Französischen Revolution in das Land eindrangen.

Die bulgarische nationale Wiedergeburt begann mit dem Werk des Heiligen Paisius von Hilendar, der sich gegen die griechische Vorherrschaft in der bulgarischen Kultur und Religion wandte. Sein Werk Istoriya Slavyanobolgarskaya ("Geschichte der Slawen-Bulgaren"), das 1762 erschien, war das erste Werk der bulgarischen Geschichtsschreibung. Es gilt als Paisius' größtes Werk und als eines der größten Werke der bulgarischen Literatur. Darin interpretierte Paisius die mittelalterliche bulgarische Geschichte mit dem Ziel, den Geist seines Volkes wiederzubeleben.

Sein Nachfolger war der heilige Sophronius von Vratsa, der den Kampf für eine unabhängige bulgarische Kirche begann. In den Jahren 1870/1872 wurde ein autonomes bulgarisches Exarchat für die bulgarische Diözese eingerichtet, dem sich mindestens zwei Drittel der orthodoxen Christen anzuschließen bereit waren.

Im Jahr 1869 wurde die Interne Revolutionäre Organisation ins Leben gerufen.

Der Aprilaufstand von 1876 führte indirekt zur Wiederherstellung Bulgariens im Jahr 1878.

Jüdischer Nationalismus

Der jüdische Nationalismus kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf und wurde weitgehend mit der zionistischen Bewegung in Verbindung gebracht. Dieser Begriff leitet sich von dem Wort Zion ab, das in der Tora für die Stadt Jerusalem steht. Das Endziel der jüdischen Nationalisten und Zionisten war die Gründung eines Staates, vorzugsweise im Land Israel. Die bewegte Geschichte des Lebens in unterdrückenden, fremden und unsicheren Verhältnissen veranlasste die Anhänger der Bewegung dazu, eine Unabhängigkeitserklärung zu verfassen und Israel als Heimatland zu beanspruchen. Die erste und zweite Zerstörung des Tempels und die alten Prophezeiungen der Tora prägten weitgehend die Anreize der jüdischen Nationalisten. Viele bedeutende Theorien der jüdischen Theologie und Eschatologie wurden in dieser Zeit von Anhängern und Gegnern der Bewegung entwickelt.

Die Französische Revolution von 1789 löste in ganz Europa eine neue Welle des Denkens in Bezug auf Regierungsführung und Souveränität aus. Die Abkehr vom traditionellen hierarchischen System hin zu politischem Individualismus und Bürgerstaaten stellte die Juden vor ein Dilemma. Die Staatsbürgerschaft war nun von entscheidender Bedeutung, wenn es darum ging, grundlegende Rechts- und Wohnrechte zu gewährleisten. Dies führte dazu, dass sich immer mehr Juden für die Zugehörigkeit zu bestimmten Nationalitäten entschieden, um diese Rechte zu erhalten. Die Logik besagte, dass ein auf Nationen basierendes Staatssystem voraussetzen würde, dass die Juden selbst ihr Recht einfordern, aufgrund einer unterscheidbaren Sprache und Geschichte als Nation betrachtet zu werden. Dem Historiker David Engel zufolge ging es beim Zionismus eher um die Angst, dass die Juden am Ende zerstreut und schutzlos dastehen würden, als um die Erfüllung alter Prophezeiungen aus historischen Texten.

20. Jahrhundert

China

Das Erwachen des Nationalismus in ganz Asien hat die Geschichte des Kontinents mitgeprägt. Das wichtigste Ereignis war die entscheidende Niederlage Russlands gegen Japan im Jahr 1905, die den militärischen Vorsprung der Nichteuropäer in einem modernen Krieg demonstrierte. Diese Niederlage führte in China, der Türkei und Persien schnell zu einem neuen Interesse am Nationalismus. In China rief Sun Yat-sen (1866-1925) seine neue Partei, die Kuomintang (Nationale Volkspartei), ins Leben, um dem verfallenen Kaiserreich zu trotzen, das von Außenstehenden geführt wurde. Die Rekruten der Kuomintang gelobten:

[Von diesem Augenblick an werde ich das Alte zerstören und das Neue aufbauen und für die Selbstbestimmung des Volkes kämpfen und meine ganze Kraft für die Unterstützung der chinesischen Republik und die Verwirklichung der Demokratie durch die Drei Prinzipien einsetzen, ... für den Fortschritt einer guten Regierung, das Glück und den ewigen Frieden des Volkes und für die Stärkung der Grundlagen des Staates im Namen des Friedens in der ganzen Welt.

Bis zur Übernahme der Macht durch die Kommunisten im Jahr 1949 wurde China weitgehend von der Kuomintang regiert. Letztere waren jedoch auch stark von Suns Nationalismus sowie von der Bewegung des Vierten Mai 1919 beeinflusst worden. Es handelte sich dabei um eine landesweite Protestbewegung gegen die Rückständigkeit Chinas und wird oft als intellektuelle Grundlage des chinesischen Kommunismus bezeichnet. Die von der Vierten-Mai-Bewegung angeregte Neue-Kultur-Bewegung erlebte in den 1920er und 1930er Jahren einen starken Aufschwung. Die Historikerin Patricia Ebrey sagt:

Nationalismus, Patriotismus, Fortschritt, Wissenschaft, Demokratie und Freiheit waren die Ziele; Imperialismus, Feudalismus, Warlordismus, Autokratie, Patriarchat und blindes Festhalten an der Tradition waren die Feinde. Die Intellektuellen kämpften mit der Frage, wie man stark und modern und dennoch chinesisch sein konnte, wie man China als politische Einheit in der Welt der konkurrierenden Nationen erhalten konnte.

Griechenland

Nationalistische irredentistische Bewegungen, die Griechen, die für Enosis (Vereinigung ethnisch griechischer Staaten mit der Hellenischen Republik, um einen einheitlichen griechischen Staat zu schaffen) eintraten, wie es heute im Fall von Zypern der Fall ist, sowie die Megali-Idee, die griechische Bewegung, die für die Rückeroberung der griechischen angestammten Gebiete vom Osmanischen Reich eintrat (wie Kreta, Ionien, Pontus, Nordepirus, Kappadokien, Thrakien u. a.), die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert populär war, führte dazu, dass sich viele griechische Staaten und Regionen, die ethnisch griechisch waren, schließlich mit Griechenland vereinigten und es zum griechisch-türkischen Krieg von 1919 kam.

Das Regime des 4. August war eine faschistische oder faschistisch-nationalistische autoritäre Diktatur, die von Mussolinis faschistischem Italien und Hitlers Deutschland inspiriert war und von 1936 bis zu seinem Tod 1941 vom griechischen General Ioannis Metaxas geführt wurde. Sie setzte sich für eine dritte hellenische Zivilisation ein, eine kulturell überlegene griechische Zivilisation, die die Nachfolge der ersten und zweiten griechischen Zivilisation, des antiken Griechenlands bzw. des byzantinischen Reichs, antreten sollte. Sie förderte griechische Traditionen, Volksmusik und Tänze, Klassizismus und Mittelalter.

Afrika

Kenneth Kaunda, ein antikolonialer politischer Führer aus Sambia, bei einer nationalistischen Kundgebung im kolonialen Nordrhodesien (heute Sambia) im Jahr 1960

In den 1880er Jahren teilten die europäischen Mächte fast ganz Afrika auf (nur Äthiopien und Liberia waren unabhängig). Sie herrschten bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Kräfte des Nationalismus viel stärker wurden. In den 1950er und 1960er Jahren wurden die kolonialen Besitzungen zu unabhängigen Staaten. Dieser Prozess verlief in der Regel friedlich, aber es gab auch mehrere lange und blutige Bürgerkriege, wie in Algerien, Kenia und anderswo. In ganz Afrika machte sich der Nationalismus die organisatorischen Fähigkeiten zunutze, die die Einheimischen in den britischen, französischen und anderen Armeen in den Weltkriegen gelernt hatten. Er führte zu Organisationen, die weder von den Kolonialmächten noch von den traditionellen lokalen Machtstrukturen, die mit den Kolonialmächten kollaborierten, kontrolliert oder gebilligt wurden. Nationalistische Organisationen begannen, sowohl die traditionellen als auch die neuen kolonialen Strukturen herauszufordern und verdrängten sie schließlich. Die Führer der nationalistischen Bewegungen übernahmen die Kontrolle, als die europäischen Behörden abzogen; viele regierten jahrzehntelang oder bis zu ihrem Aussterben. Zu diesen Strukturen gehörten politische, erzieherische, religiöse und andere soziale Organisationen. In den letzten Jahrzehnten haben viele afrikanische Länder den Triumph und die Niederlage nationalistischen Eifers erlebt und dabei die Standorte der zentralisierenden Staatsmacht und des Patrimonialstaats verändert.

Südafrika, eine britische Kolonie, war insofern eine Ausnahme, als es 1931 praktisch unabhängig wurde. Ab 1948 wurde es von weißen afrikanischen Nationalisten kontrolliert, die auf Rassentrennung und die Herrschaft der weißen Minderheit setzten, die offiziell als Apartheid bezeichnet wurde und bis zu den Wahlen im Jahr 1994 andauerte. Die internationale Anti-Apartheid-Bewegung unterstützte die schwarzen Nationalisten, bis der Erfolg eintrat und Nelson Mandela zum Präsidenten gewählt wurde.

Naher Osten

Der arabische Nationalismus, eine Bewegung zur Befreiung und Stärkung der arabischen Völker des Nahen Ostens, entstand im späten 19. Jahrhundert, inspiriert von anderen Unabhängigkeitsbewegungen des 18. und 19. Mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches und der Aufteilung des Nahen Ostens durch die europäischen Großmächte strebten die Araber nach der Gründung eigener unabhängiger Nationen, die von Arabern und nicht von Ausländern regiert werden sollten. Syrien wurde 1920 gegründet; Transjordanien (das spätere Jordanien) erlangte zwischen 1921 und 1946 schrittweise seine Unabhängigkeit; Saudi-Arabien wurde 1932 gegründet; und Ägypten erlangte zwischen 1922 und 1952 schrittweise seine Unabhängigkeit. Die Arabische Liga wurde 1945 gegründet, um die arabischen Interessen und die Zusammenarbeit zwischen den neuen arabischen Staaten zu fördern.

Parallel zu diesen Bemühungen entstand im 19. Jahrhundert unter den europäischen Juden die zionistische Bewegung. Ab 1882 begannen Juden, vor allem aus Europa, in das osmanische Palästina auszuwandern mit dem Ziel, eine neue jüdische Heimat zu gründen. Die Bemühungen gipfelten in der Ausrufung des Staates Israel im Jahr 1948. Da dieser Schritt mit der Überzeugung arabischer Nationalisten kollidierte, dass Palästina Teil der arabischen Nation sei, starteten die benachbarten arabischen Nationen eine Invasion, um das Gebiet für sich zu beanspruchen. Die Invasion war nur teilweise erfolgreich und führte zu jahrzehntelangen Konflikten zwischen den arabischen und jüdischen nationalistischen Ideologien.

Zerfall von Jugoslawien

Nach den Revolutionen von 1989, die den Zusammenbruch des Kommunismus in den 1990er Jahren auslösten, kam es zu einem Anstieg des extremen Nationalismus. Der Zusammenbruch des Kommunismus ließ viele Menschen ohne Identität zurück. Die Menschen unter kommunistischer Herrschaft mussten sich integrieren, und sie hatten die freie Wahl. Angesichts der freien Wahl kamen lange schlummernde Konflikte wieder zum Vorschein und schufen Quellen für ernsthafte Konflikte. Als der Kommunismus in Jugoslawien fiel, kam es zu ernsthaften Konflikten, die zum Aufkommen eines extremen Nationalismus führten.

In seinem Artikel Jihad vs. McWorld aus dem Jahr 1992 schlug Benjamin Barber vor, dass der Fall des Kommunismus eine große Anzahl von Menschen dazu veranlassen wird, nach Einheit zu suchen, und dass Kleinkriege an der Tagesordnung sein werden; Gruppen werden versuchen, Grenzen, Identitäten, Kulturen und Ideologien neu zu ziehen. Der Untergang des Kommunismus hat auch dazu geführt, dass sich eine "Wir-gegen-die"-Mentalität herausbildete. Regierungen werden zu Trägern sozialer Interessen, und das Land wird versuchen, eine nationale Politik zu gestalten, die auf der Mehrheit basiert, z. B. auf Kultur, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit. In einigen neu entstandenen Demokratien gab es große Unterschiede in der Politik, die von Einwanderung und Menschenrechten bis hin zu Handel und Gewerbe reichten.

Nach Ansicht des Wissenschaftlers Steven Berg liegt die Wurzel nationalistischer Konflikte in der Forderung nach Autonomie und einer eigenen Existenz. Dieser Nationalismus kann starke Emotionen hervorrufen, die dazu führen können, dass eine Gruppe um ihr Überleben kämpft, zumal nach dem Fall des Kommunismus die politischen Grenzen nicht mit den ethnischen Grenzen übereinstimmten. Schwere Konflikte entstanden und eskalierten oft sehr schnell, wenn Einzelne und Gruppen nach ihren Überzeugungen handelten und Tod und Zerstörung verursachten. Wenn dies geschah, liefen die Staaten, die nicht in der Lage waren, den Konflikt einzudämmen, Gefahr, ihren Demokratisierungsprozess zu verlangsamen.

Jugoslawien wurde nach dem Ersten Weltkrieg gegründet und war ein Zusammenschluss dreier getrennter ethnischer Gruppen: Serben, Kroaten und Slowenen. Bei der Volkszählung in den zehn Jahren von 1971 bis 1981 wurde ein Anstieg der Bevölkerung, die sich als jugoslawisch bezeichnete, von 1,3 auf 5,4 % festgestellt. Dies bedeutete, dass das Land nach fast 50 Jahren fast vollständig durch unterschiedliche religiöse, ethnische oder nationale Loyalitäten geteilt war.

Innerhalb Jugoslawiens trennt Kroatien und Slowenien eine unsichtbare Linie, die auf frühere Eroberungen der Region zurückgeht, vom übrigen Jugoslawien. Kroatien und Slowenien im Nordwesten wurden von Katholiken oder Protestanten erobert und haben von der europäischen Geschichte profitiert: der Renaissance, der Französischen Revolution, der Industriellen Revolution, und sie sind eher der Demokratie zugeneigt. Das übrige jugoslawische Gebiet wurde vom osmanischen oder zaristischen Reich erobert, ist orthodox oder muslimisch, wirtschaftlich weniger fortschrittlich und weniger demokratieorientiert.

In den 1970er Jahren verfolgte die Führung der einzelnen Gebiete innerhalb Jugoslawiens ausschließlich territoriale Interessen auf Kosten der anderen Gebiete. In Kroatien war das Gebiet zwischen Serben und Kroaten nahezu gespalten, so dass jede politische Entscheidung zu Unruhen führte und die Spannungen auf die angrenzenden Gebiete Bosnien und Herzegowina übergreifen konnten. In Bosnien gab es keine Gruppe, die eine Mehrheit hatte; Muslime, Serben, Kroaten und Jugoslawen waren alle vertreten, so dass die Führung auch hier nicht vorankommen konnte. Politische Organisationen waren nicht in der Lage, mit einem so vielfältigen Nationalismus erfolgreich umzugehen. Innerhalb der Gebiete konnte die Führung keine Kompromisse eingehen. Ein solcher Kompromiss würde in einer ethnischen Gruppe einen Gewinner und in einer anderen einen Verlierer hervorbringen, was die Möglichkeit eines ernsthaften Konflikts mit sich bringen würde. Dadurch wurde die politische Haltung zur Förderung ethnischer Identitäten gestärkt. Dies führte zu einer intensiven und gespaltenen politischen Führung innerhalb Jugoslawiens.

Veränderungen der nationalen Grenzen in den postsowjetischen und postjugoslawischen Staaten nach den Revolutionen von 1989, gefolgt von einem Wiederaufleben des Nationalismus

In den 1980er Jahren begann Jugoslawien zu zersplittern. Die wirtschaftlichen Bedingungen innerhalb Jugoslawiens verschlechterten sich. Die Konflikte in den umstrittenen Gebieten wurden durch die Zunahme des Massennationalismus und der Feindseligkeiten zwischen den Volksgruppen angeheizt. Das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen im nordwestlichen Gebiet, das Kroatien und Slowenien umfasste, war im Gegensatz zum südlichen Gebiet um ein Vielfaches höher. In Verbindung mit der eskalierenden Gewalt von Albanern und Serben im Kosovo verschärfte dies die wirtschaftlichen Bedingungen. Diese Gewalt trug wesentlich zum Aufstieg des extremen Nationalismus der Serben in Serbien und innerhalb Jugoslawiens bei. Der anhaltende Konflikt im Kosovo wurde vom kommunistischen Serben Slobodan Milošević propagiert, um den serbischen Nationalismus weiter zu stärken. Wie bereits erwähnt, löste dieser Nationalismus starke Emotionen aus, die den serbischen Nationalismus durch stark nationalistische Demonstrationen in der Vojvodina, in Serbien, Montenegro und im Kosovo noch verstärkten. Der serbische Nationalismus war so stark, dass es Slobodan Milošević gelang, die Führer in der Vojvodina und in Montenegro zu entmachten, die Albaner im Kosovo weiter zu unterdrücken und schließlich vier der acht Regionen/Territorien zu kontrollieren. Slowenien, eine der vier Regionen, die nicht unter kommunistischer Kontrolle standen, befürwortete einen demokratischen Staat.

In Slowenien wuchs die Angst, weil Milošević die Miliz zur Unterdrückung der Kosovo-Albaner einsetzte, was würde er mit Slowenien machen. Die eine Hälfte Jugoslawiens wollte demokratisch sein, die andere wollte ein neues nationalistisches autoritäres Regime. Im Herbst 1989 spitzten sich die Spannungen zu, und Slowenien machte seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Jugoslawien geltend und spaltete sich ab. Im Januar 1990 kam es zum totalen Bruch mit Serbien im Bund der Kommunisten Jugoslawiens, einer von Milošević zur Stärkung der Einheit geschaffenen Institution, die zum Hintergrund für den Fall des Kommunismus innerhalb Jugoslawiens wurde.

Im August 1990 wurde eine Warnung an die Region ausgesprochen, als ethnisch gespaltene Gruppen versuchten, die Regierungsstruktur zu ändern. Die vom kommunistischen Regime in der Nachkriegszeit errichteten Republikgrenzen waren äußerst anfällig für Anfechtungen durch ethnische Gemeinschaften. Ethnische Gemeinschaften entstanden, weil sie die Identität nicht mit allen innerhalb der neuen postkommunistischen Grenzen teilten. Dies bedrohte die neuen Regierungen. Es brachen dieselben Streitigkeiten aus, die bereits vor Milošević bestanden und durch die Maßnahmen seines Regimes noch verschärft wurden.

Auch innerhalb des Gebiets konkurrierten die Kroaten und die Serben direkt um die Kontrolle der Regierung. Es wurden Wahlen abgehalten, die das Konfliktpotenzial zwischen serbischem und kroatischem Nationalismus erhöhten. Serbien wollte getrennt sein und über seine eigene Zukunft auf der Grundlage seiner eigenen ethnischen Zusammensetzung entscheiden. Dies würde jedoch den Kosovo dazu ermutigen, unabhängig von Serbien zu werden. Die Albaner im Kosovo waren bereits unabhängig vom Kosovo. Serbien wollte nicht, dass der Kosovo unabhängig wird. Die albanischen Nationalisten wollten ein eigenes Territorium, aber dafür müsste die Landkarte neu gezeichnet werden, und das würde die Nachbargebiete bedrohen. Als der Kommunismus in Jugoslawien fiel, kam es zu ernsthaften Konflikten, die zu einem Anstieg des extremen Nationalismus führten.

Der Nationalismus rief erneut starke Emotionen hervor, die in einigen extremen Fällen die Bereitschaft weckten, für das zu sterben, woran man glaubt, einen Kampf um das Überleben der Gruppe. Mit dem Ende des Kommunismus begann für die Region eine lange Zeit der Konflikte und Kriege. In den sechs Jahren nach dem Zusammenbruch starben 200.000 bis 500.000 Menschen im Bosnienkrieg. Alle drei großen Ethnien in Bosnien und Herzegowina (bosnische Muslime, Kroaten und Serben) litten unter der gegenseitigen Gewalt. Der Krieg wurde von muslimischen, orthodoxen und westlich-christlichen Gruppen sowie von staatlichen Akteuren unterstützt, die alle Seiten belieferten: Saudi-Arabien und der Iran unterstützten Bosnien, Russland unterstützte Serbien, mitteleuropäische und westliche Länder, einschließlich der USA, unterstützten Kroatien, und der Papst unterstützte Slowenien und Kroatien.

21. Jahrhundert

Jahrhundert begann der arabische Nationalismus zu schwinden und führte zu einem lokalisierten Nationalismus, der seinen Höhepunkt in einer Reihe von Aufständen gegen autoritäre Regime zwischen 2010 und 2012 fand, die als Arabischer Frühling bekannt wurden. Nach diesen Aufständen, die in den meisten Fällen nicht zu einer Verbesserung der Bedingungen in den betroffenen Ländern führten, gingen der arabische Nationalismus und sogar die meisten lokalen nationalistischen Bewegungen drastisch zurück. Eine Folge des Arabischen Frühlings sowie der Invasion des Irak im Jahr 2003 waren die Bürgerkriege im Irak und in Syrien, die sich schließlich zu einem einzigen Konflikt zusammenschlossen. Im Gefolge des Arabischen Winters hat sich jedoch eine neue Form des arabischen Nationalismus entwickelt, verkörpert durch den ägyptischen Präsidenten Abdel Fatteh el-Sisi, den saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman und den Führer der Vereinigten Arabischen Emirate Mohammed bin Zayed.

Der Aufstieg des Globalismus im späten 20. Jahrhundert führte zu einem Anstieg von Nationalismus und Populismus in Europa und Nordamerika. Dieser Trend wurde durch den zunehmenden Terrorismus im Westen (die Anschläge vom 11. September in den Vereinigten Staaten sind ein Paradebeispiel dafür), die zunehmenden Unruhen und Bürgerkriege im Nahen Osten und die Wellen muslimischer Flüchtlinge, die nach Europa strömten (2016 scheint die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreicht zu haben), weiter angeheizt. Nationalistische Gruppen wie Pegida in Deutschland, der Front National in Frankreich und die Independence Party im Vereinigten Königreich haben in ihren jeweiligen Ländern an Bedeutung gewonnen, da sie sich für Einwanderungsbeschränkungen zum Schutz der einheimischen Bevölkerung einsetzen.

Seit 2010 haben katalanische Nationalisten eine erneute katalanische Unabhängigkeitsbewegung angeführt und die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt. Diese Bewegung wurde von spanischen Nationalisten bekämpft. In den 2010er Jahren haben die griechische Wirtschaftskrise und die Einwanderungswellen zu einem erheblichen Anstieg des Faschismus und des griechischen Nationalismus in ganz Griechenland geführt, insbesondere unter der Jugend.

In Russland ermöglichte die Ausnutzung nationalistischer Gefühle Wladimir Putin die Konsolidierung seiner Macht. Diese nationalistischen Gefühle wurden bei der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und anderen Aktionen in der Ukraine genutzt. Auch in Mitteleuropa nahmen nationalistische Bewegungen allmählich zu, insbesondere in Polen unter dem Einfluss der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (unter der Führung von Jaroslaw Kaczynski). In Ungarn sind die einwanderungsfeindliche Rhetorik und die Ablehnung ausländischer Einflüsse ein starker nationaler Klebstoff, der die regierende Fidesz-Partei (unter der Führung von Viktor Orbán) fördert. Auch in Bulgarien, der Slowakei, Lettland und der Ukraine haben sich nationalistische Parteien an Regierungskoalitionen beteiligt.

In Indien hat der Hindu-Nationalismus mit dem Aufstieg der Bharatiya Janata Party, einer rechtsgerichteten Partei, die Indien seit 2014 auf nationaler Ebene regiert, an Popularität gewonnen. Der Anstieg des religiösen Nationalismus geht einher mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus in Indien, mit der Wahl und Wiederwahl des populistischen Führers Narendra Modi zum Premierminister, der wirtschaftlichen Wohlstand für alle und ein Ende der Korruption versprach. Militanter buddhistischer Nationalismus ist auch in Myanmar, Thailand und Sri Lanka auf dem Vormarsch.

In Japan haben sich im Laufe des frühen 21. Jahrhunderts nationalistische Einflüsse in der Regierung entwickelt, vor allem dank der rechtsextremen ultrakonservativen Organisation Nippon Kaigi. Die neue Bewegung setzt sich für die Wiederherstellung Japans als Militärmacht ein und fördert revisionistische Geschichtsdarstellungen, die Ereignisse wie das Massaker von Nanking leugnen.

Am 18. September 2014 fand ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich statt. Der Vorschlag wurde mit 55,3 % Nein-Stimmen abgelehnt. In einem Referendum 2016 stimmte die britische Bevölkerung für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (bekannt als Brexit). Das Ergebnis war weitgehend unerwartet und wurde als Sieg des Populismus gewertet. Da das Versprechen einer weiteren Mitgliedschaft in der Europäischen Union ein zentrales Element der Anti-Unabhängigkeitskampagne während des schottischen Referendums war, wurden Forderungen nach einem zweiten Referendum über die schottische Unabhängigkeit laut.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der manchmal als "tropischer Trump" bezeichnet wird, mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Donald Trump

Der Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den Vereinigten Staaten erlebte den beispiellosen Aufstieg von Donald Trump, einem Geschäftsmann ohne politische Erfahrung, der mit einer populistisch-nationalistischen Plattform antrat und Schwierigkeiten hatte, die Unterstützung der etablierten politischen Kräfte zu gewinnen, selbst innerhalb seiner eigenen Partei. Trumps Slogans "Make America Great Again" und "America First" verdeutlichten die Ablehnung des Globalismus und die entschiedene nationalistische Ausrichtung seiner Kampagne. Sein unerwarteter Wahlsieg wurde als Teil desselben Trends gesehen, der zum Brexit-Votum geführt hatte. Am 22. Oktober 2018, zwei Wochen vor den Zwischenwahlen, erklärte Präsident Trump auf einer Kundgebung in Texas vor einer jubelnden Menge, dass er ein Nationalist sei, um die Wiederwahl des Senators Ted Cruz zu unterstützen, der einst sein Gegner war. Am 29. Oktober 2018 setzte Trump Nationalismus mit Patriotismus gleich und sagte: "Ich bin stolz auf dieses Land, und ich nenne das Nationalismus.

Im Jahr 2016 wurde Rodrigo Duterte Präsident der Philippinen und führte eine ausgesprochen nationalistische Kampagne. Im Gegensatz zur Politik seiner Vorgänger distanzierte er das Land vom früheren Machthaber der Philippinen, den Vereinigten Staaten, und strebte engere Beziehungen zu China (und auch zu Russland) an.

Im Jahr 2017 verhalf der türkische Nationalismus Präsident Recep Tayyip Erdoğan in einem Referendum zu einer noch nie dagewesenen Machtfülle. Die Reaktionen der Staats- und Regierungschefs der Welt waren gemischt: Die westeuropäischen Staats- und Regierungschefs äußerten sich im Allgemeinen besorgt, während die Staats- und Regierungschefs vieler autoritärerer Regime sowie Präsident Trump ihre Glückwünsche aussprachen.

Politikwissenschaft

Viele Politikwissenschaftler haben Theorien über die Grundlagen des modernen Nationalstaates und das Konzept der Souveränität aufgestellt. Das Konzept des Nationalismus in der Politikwissenschaft stützt sich auf diese theoretischen Grundlagen. Philosophen wie Machiavelli, Locke, Hobbes und Rousseau begriffen den Staat als Ergebnis eines "Gesellschaftsvertrags" zwischen Herrschern und Individuen. Max Weber liefert die am häufigsten verwendete Definition des Staates: "Diejenige menschliche Gemeinschaft, die erfolgreich das Monopol der legitimen physischen Gewalt innerhalb eines bestimmten Territoriums beansprucht". Nach Benedict Anderson sind Nationen "vorgestellte Gemeinschaften" oder sozial konstruierte Institutionen.

Viele Wissenschaftler haben die Beziehung zwischen Staatsbildung, Krieg und Nationalismus festgestellt. Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Entwicklung des Nationalismus in Europa und später des modernen Nationalstaats auf die Bedrohung durch den Krieg zurückzuführen ist. "Äußere Bedrohungen wirken sich deshalb so stark auf den Nationalismus aus, weil die Menschen tiefgreifend erkennen, dass sie aufgrund dessen, was sie als Nation sind, bedroht sind; sie sind gezwungen zu erkennen, dass sie nur als Nation die Bedrohung erfolgreich besiegen können. Mit der zunehmenden Bedrohung von außen steigen auch die Extraktionskapazitäten des Staates. Jeffrey Herbst argumentiert, dass das Fehlen externer Bedrohungen für Länder in Subsahara-Afrika nach der Unabhängigkeit mit einem schwachen Nationalismus und schwachen staatlichen Kapazitäten zusammenhängt. Barry Posen argumentiert, dass Nationalismus die Intensität von Kriegen erhöht und dass Staaten bewusst Nationalismus fördern, um ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern. Die meisten neuen Nationalstaaten seit 1815 sind durch Dekolonisierung entstanden.

Adria Lawrence hat argumentiert, dass der Nationalismus in der kolonialen Welt durch das Versäumnis der Kolonialmächte, den Untertanen in den Kolonien gleiche politische Rechte zu gewähren, angefacht wurde, was diese dazu veranlasste, die Unabhängigkeit anzustreben. Michael Hechter hat in ähnlicher Weise argumentiert, dass sich "periphere Nationalismen" bildeten, als Imperien die Autonomie und lokale Herrschaft peripherer Regionen verhinderten.

Soziologie

Die soziologische oder modernistische Interpretation des Nationalismus und der Nationenbildung besagt, dass Nationalismus in modernen Gesellschaften entsteht und gedeiht, die über eine industrielle Wirtschaft verfügen, die in der Lage ist, sich selbst zu erhalten, über eine zentrale oberste Autorität, die in der Lage ist, Autorität und Einheit aufrechtzuerhalten, und über eine zentralisierte Sprache, die von einer Gemeinschaft von Menschen verstanden wird. Theoretiker der Moderne stellen fest, dass dies nur in modernen Gesellschaften möglich ist, während traditionellen Gesellschaften in der Regel die Voraussetzungen für Nationalismus fehlen. Sie verfügen nicht über eine moderne, sich selbst tragende Wirtschaft, haben geteilte Autoritäten und verwenden mehrere Sprachen, was dazu führt, dass viele Gruppen nicht in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren.

Zu den prominenten Theoretikern, die die modernistische Interpretation von Nationen und Nationalismus entwickelt haben, gehören: Carlton J. H. Hayes, Henry Maine, Ferdinand Tönnies, Rabindranath Tagore, Émile Durkheim, Max Weber, Arnold Joseph Toynbee und Talcott Parsons.

In seiner Analyse des historischen Wandels und der Entwicklung menschlicher Gesellschaften stellte Henry Maine fest, dass die wichtigste Unterscheidung zwischen traditionellen Gesellschaften, die als "Status"-Gesellschaften definiert werden und auf Familienverbänden und funktional diffusen Rollen für Einzelpersonen beruhen, und modernen Gesellschaften, die als "Vertrags"-Gesellschaften definiert werden und in denen die sozialen Beziehungen durch rationale Verträge bestimmt werden, die von Einzelpersonen zur Förderung ihrer Interessen abgeschlossen werden. Maine vertrat die Auffassung, dass sich die Entwicklung der Gesellschaften von traditionellen Statusgesellschaften zu modernen Vertragsgesellschaften bewegt.

In seinem Buch Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) definierte Ferdinand Tönnies eine Gemeinschaft als auf emotionalen Bindungen beruhend, wie sie traditionellen Gesellschaften zugeschrieben werden, während er eine Gesellschaft als eine unpersönliche Gesellschaft definierte, die modern ist. Obwohl er die Vorteile der modernen Gesellschaften anerkannte, kritisierte er sie auch wegen ihrer kalten und unpersönlichen Natur, die zu Entfremdung führe, während er die Intimität traditioneller Gemeinschaften lobte.

Émile Durkheim erweiterte Tönnies' Erkenntnis der Entfremdung und definierte die Unterschiede zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften als Unterschiede zwischen Gesellschaften, die auf "mechanischer Solidarität" und Gesellschaften, die auf "organischer Solidarität" beruhen. Durkheim bezeichnete die mechanische Solidarität als Gewohnheit, Gewohnheit und Unterdrückung, die zur Aufrechterhaltung gemeinsamer Ansichten notwendig sind. Durkheim bezeichnete Gesellschaften, die auf organischer Solidarität beruhen, als moderne Gesellschaften, in denen es eine Arbeitsteilung auf der Grundlage sozialer Differenzierung gibt, die Entfremdung verursacht. Durkheim behauptete, dass die soziale Integration in der traditionellen Gesellschaft eine autoritäre Kultur erfordere, die die Akzeptanz einer sozialen Ordnung einschließt. Durkheim behauptete, dass die moderne Gesellschaft die Integration auf den gegenseitigen Nutzen der Arbeitsteilung gründet, stellte jedoch fest, dass der unpersönliche Charakter des modernen städtischen Lebens Entfremdung und Gefühle der Anomie verursacht.

Max Weber behauptete, dass der Wandel, der die moderne Gesellschaft und die Nationen entwickelt hat, das Ergebnis des Aufstiegs eines charismatischen Führers an die Macht in einer Gesellschaft ist, der eine neue Tradition oder ein rational-rechtliches System schafft, das die höchste Autorität des Staates begründet. Webers Konzept der charismatischen Autorität ist als Grundlage vieler nationalistischer Regierungen bekannt.

Primordialistische evolutionäre Interpretation

Die primordialistische Perspektive basiert auf der Evolutionstheorie. Dieser Ansatz ist in der breiten Öffentlichkeit beliebt, wird aber von Experten in der Regel abgelehnt. Laland und Brown berichten, dass "die überwiegende Mehrheit der professionellen Akademiker in den Sozialwissenschaften evolutionäre Methoden nicht nur ... ignoriert, sondern in vielen Fällen extrem feindselig gegenüber den Argumenten ist", die aus eher begrenzten Beweisen weitreichende Verallgemeinerungen ziehen.

Die Evolutionstheorie des Nationalismus sieht den Nationalismus als das Ergebnis der Evolution des Menschen, der sich mit Gruppen identifiziert, z. B. mit ethnischen Gruppen oder anderen Gruppen, die die Grundlage einer Nation bilden. Roger Masters beschreibt in The Nature of Politics die ursprüngliche Erklärung für den Ursprung ethnischer und nationaler Gruppen als Anerkennung von Gruppenzugehörigkeiten, von denen man annimmt, dass sie einzigartig, emotional, intensiv und dauerhaft sind, weil sie auf Verwandtschaft beruhen und entlang gemeinsamer Abstammungslinien gefördert werden.

Die primordialistischen evolutionären Ansichten des Nationalismus beziehen sich häufig auf die Evolutionstheorien von Charles Darwin sowie auf die sozialdarwinistischen Ansichten des späten 19. Jahrhunderts. Denker wie Herbert Spencer und Walter Bagehot interpretierten Darwins Theorie der natürlichen Selektion "oft in einer Weise, die mit Charles Darwins Evolutionstheorie unvereinbar ist", indem sie unbegründete Behauptungen über biologische Unterschiede zwischen Gruppen, Ethnien, Rassen und Nationen aufstellten. Die moderne Evolutionswissenschaft hat sich von solchen Ansichten distanziert, aber die Vorstellung von langfristigen evolutionären Veränderungen ist nach wie vor grundlegend für die Arbeit von Evolutionspsychologen wie John Tooby und Leda Cosmides.

Betrachtet man die primordialistische Perspektive, so kann das Beispiel der Mobilisierung einer fremden militärischen Streitmacht an den Grenzen einer Nation die Mitglieder einer nationalen Gruppe dazu veranlassen, sich zu vereinigen und als Reaktion darauf zu mobilisieren. Es gibt unmittelbare Umgebungen, in denen Individuen nicht-unmittelbare reale oder imaginäre Situationen in Kombination mit unmittelbaren Situationen identifizieren, die Individuen mit einer gemeinsamen Situation aus subjektiven und objektiven Komponenten konfrontieren, die ihre Entscheidungen beeinflussen. Die unmittelbare Umgebung veranlasst Menschen dazu, Entscheidungen auf der Grundlage bestehender und erwarteter Situationen zu treffen.

Nationalistischer und liberaler Druck führte zu den europäischen Revolutionen von 1848

Kritiker argumentieren, dass Urmodelle, die sich auf die Evolutionspsychologie stützen, nicht auf historischen Beweisen, sondern auf Annahmen über unbeobachtete Veränderungen über Tausende von Jahren beruhen und von einer stabilen genetischen Zusammensetzung der in einem bestimmten Gebiet lebenden Bevölkerung ausgehen und nicht in der Lage sind, mit den Zufälligkeiten umzugehen, die jeden bekannten historischen Prozess kennzeichnen. Robert Hislope argumentiert:

[Die Formulierung der kulturellen Evolutionstheorie stellt einen theoretischen Fortschritt gegenüber der Soziobiologie dar, aber ihr Erklärungswert bleibt aufgrund der Rolle der Kontingenz in menschlichen Angelegenheiten und der Bedeutung nicht-evolutionärer, unmittelbarer Kausalfaktoren begrenzt. Auch wenn die Evolutionstheorie zweifellos die Entwicklung allen organischen Lebens erhellt, scheint sie am besten auf der Makroebene der Analyse, an "entfernten" Erklärungspunkten und aus der Perspektive der Langfristigkeit zu funktionieren. Daher weist sie zwangsläufig Unzulänglichkeiten bei Ereignissen auf der Mikroebene auf, die in hohem Maße kontingent sind.

1920 argumentierte der englische Historiker G. P. Gooch, dass "[w]ährend der Patriotismus so alt ist wie die menschliche Assoziation und seine Sphäre allmählich von der Sippe und dem Stamm auf die Stadt und den Staat ausgedehnt hat, trat der Nationalismus als operatives Prinzip und artikuliertes Glaubensbekenntnis erst in den komplizierteren intellektuellen Prozessen der modernen Welt in Erscheinung."

Marxistische Interpretationen

Im Kommunistischen Manifest erklärten Karl Marx und Friedrich Engels, dass "die arbeitenden Menschen kein Land haben". Wladimir Lenin unterstützte das Konzept der Selbstbestimmung. Joseph Stalins Marxismus und die nationale Frage (1913) erklärt, dass "eine Nation keine rassische oder stammesmäßige, sondern eine historisch begründete Gemeinschaft von Menschen ist"; "eine Nation ist keine zufällige oder flüchtige Ansammlung, sondern eine stabile Gemeinschaft von Menschen"; "eine Nation bildet sich nur als Ergebnis eines langen und systematischen Verkehrs, als Ergebnis des Zusammenlebens von Menschen von Generation zu Generation"; und, in seiner Gesamtheit: "Eine Nation ist eine historisch entstandene, stabile Gemeinschaft von Menschen, die sich auf der Grundlage einer gemeinsamen Sprache, eines gemeinsamen Territoriums, eines gemeinsamen Wirtschaftslebens und einer gemeinsamen psychologischen Struktur, die sich in einer gemeinsamen Kultur manifestiert, bildet."

Arten

Historiker, Soziologen und Anthropologen haben mindestens seit den 1930er Jahren über die verschiedenen Arten von Nationalismus diskutiert. Die gängigste Methode zur Klassifizierung des Nationalismus besteht darin, die Bewegungen entweder als "bürgerliche" oder "ethnische" Nationalisten zu beschreiben. Diese Unterscheidung wurde in den 1950er Jahren von Hans Kohn eingeführt, der den "bürgerlichen" Nationalismus als "westlich" und demokratischer bezeichnete, während er den "ethnischen" Nationalismus als "östlich" und undemokratisch darstellte. Seit den 1980er Jahren haben Nationalismusforscher jedoch auf zahlreiche Mängel in dieser starren Einteilung hingewiesen und spezifischere Klassifizierungen sowie zahlreiche Varianten vorgeschlagen.

Antikolonialer Nationalismus

Eine Menschenmenge demonstriert am 23. Oktober 1951 in Kairo gegen Großbritannien, als die Spannungen im Streit zwischen Ägypten und Großbritannien um die Kontrolle des Suezkanals und des anglo-ägyptischen Sudans weiter zunahmen.

Der antikoloniale Nationalismus ist ein intellektueller Rahmen, der dem Prozess der Entkolonialisierung Mitte der 1900er Jahre vorausging, ihn begleitete und ihm folgte. Benedict Anderson definierte eine Nation als eine sozial konstruierte Gemeinschaft, die von Individuen mitgestaltet wird, die sich selbst als Teil dieser Gruppe verstehen. Er verweist auf die Neue Welt als den Ort, an dem der Nationalismus ursprünglich als Konzept konzipiert wurde, das sich durch die Vorstellung einer ahistorischen Identität definiert, die den Kolonialismus per definitionem negiert. Dieses Konzept des Nationalismus wurde durch die Umwandlung von Siedlerkolonien in Nationen veranschaulicht, während der antikoloniale Nationalismus durch die Bewegungen gegen die Kolonialmächte in den 1900er Jahren veranschaulicht wird.

Die nationalistische Mobilisierung im französisch kolonialen Afrika und im britisch kolonialen Indien entwickelte sich, "als die Kolonialregime sich weigerten, ihren zunehmend besser ausgebildeten kolonialen Untertanen Rechte abzutreten", die indigene Eliten bildeten und nationalistische Taktiken strategisch annahmen und adaptierten. Neue nationale Identitäten können bereits bestehende ethnische oder sprachliche Trennungen überschreiten. Die antikolonialen Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika und Asien um 1900 wurden von Menschen angeführt, die über eine gemeinsame Identität verfügten und sich ein Heimatland ohne Fremdherrschaft vorstellten. Anderson vertritt die Auffassung, dass der Rassismus, der oft als Folge der Kolonialherrschaft erlebt und dem Nationalismus zugeschrieben wird, eher auf Klassentheorien zurückzuführen ist.

Gellners Nationalismustheorie besagt, dass Nationalismus dazu dient, eine Kultur oder Ethnie in einem Staat zu vereinen, was zum Erfolg dieses Staates führt. Für Gellner ist Nationalismus ethnisch, und staatliche politische Parteien sollten die ethnische Mehrheit im Staat widerspiegeln. Diese Definition des Nationalismus trägt auch zum antikolonialen Nationalismus bei, wenn man antikoloniale Bewegungen als Bewegungen einer bestimmten ethnischen Gruppe gegen eine außenstehende Regierungspartei versteht. Edward Said sah den Nationalismus ebenfalls als ethnisch an, zumindest teilweise, und argumentierte, dass nationalistische Narrative oft mit Rassismus einhergehen, da sich Gemeinschaften in Bezug auf den anderen definieren.

Der antikoloniale Nationalismus ist nicht statisch und wird je nach Standort durch unterschiedliche Formen des Nationalismus definiert. In der antikolonialen Bewegung auf dem indischen Subkontinent traten Mahatma Gandhi und seine Verbündeten in der indischen Unabhängigkeitsbewegung für einen gemischten Nationalismus ein und glaubten nicht, dass eine unabhängige indische Nation durch ihre religiöse Identität definiert werden sollte. Trotz des massiven Widerstands wurde der indische Subkontinent 1947 in zwei Staaten aufgeteilt: das mehrheitlich muslimische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Dominion of India.

Da der Kolonialismus Staats- und Ländergrenzen über ethnische, religiöse, sprachliche und andere historische Grenzen hinweg geschaffen hat, bezieht sich der antikoloniale Nationalismus in erster Linie auf Land. Nach der Unabhängigkeit gab es vor allem in Ländern mit besonders heterogenen Bevölkerungen, die historisch verfeindet waren, eine Reihe kleinerer Unabhängigkeitsbewegungen, die ebenfalls vom Antikolonialismus geprägt waren.

Der Philosoph und Wissenschaftler Achille Mbembe vertritt die Auffassung, dass Postkolonialismus ein widersprüchlicher Begriff ist, da der Kolonialismus stets präsent ist. Diejenigen, die sich an dieser intellektuellen Praxis beteiligen, stellen sich einen Postkolonialismus vor, obwohl er den Rahmen für die Welt definiert. Dies gilt auch für den Antikolonialismus. Der antikoloniale Nationalismus als intellektueller Rahmen hielt sich bis ins späte 20. Jahrhundert mit den Widerstandsbewegungen in den sowjetischen Satellitenstaaten und setzt sich mit den Unabhängigkeitsbewegungen in der arabischen Welt im 21.

Bürgerlicher Nationalismus und liberaler Nationalismus

Der bürgerliche Nationalismus definiert die Nation als einen Zusammenschluss von Menschen, die sich selbst als zur Nation gehörig bezeichnen, die gleiche und gemeinsame politische Rechte haben und sich ähnlichen politischen Verfahren unterwerfen. Nach den Grundsätzen des bürgerlichen Nationalismus beruht die Nation nicht auf gemeinsamer ethnischer Abstammung, sondern ist eine politische Einheit, deren Kernidentität nicht die ethnische Zugehörigkeit ist. Dieses bürgerliche Konzept des Nationalismus wird von Ernest Renan in seiner Vorlesung "Was ist eine Nation?" von 1882 veranschaulicht, in der er die Nation als ein "tägliches Referendum" (häufig mit "tägliches Plebiszit" übersetzt) definiert, das vom Willen der Menschen abhängt, weiterhin zusammenzuleben.

Der bürgerliche Nationalismus wird in der Regel mit dem liberalen Nationalismus in Verbindung gebracht, obwohl es sich um zwei unterschiedliche Strömungen handelt, die nicht immer deckungsgleich waren. Einerseits lehnten bis ins späte 19. und frühe 20. Jahrhundert Anhänger antiaufklärerischer Bewegungen wie der französische Legitimismus oder der spanische Carlismus häufig den liberalen, nationalen Einheitsstaat ab, identifizierten sich aber nicht mit einer ethnischen Nation, sondern mit einer nichtnationalen Dynastie und regionalen Feudalprivilegien. Fremdenfeindliche Bewegungen in den alteingesessenen westeuropäischen Staaten nahmen in der Tat häufig eine "bürgerlich-nationale" Form an, indem sie die Fähigkeit einer bestimmten Gruppe zur Assimilation an die Nation aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer grenzüberschreitenden Gemeinschaft ablehnten (irische Katholiken in Großbritannien, aschkenasische Juden in Frankreich). Andererseits wurden subnationale separatistische Bewegungen häufig mit ethnischem Nationalismus in Verbindung gebracht, was jedoch nicht immer der Fall war. So konnten Nationalisten wie die Korsische Republik, die United Irishmen, die Bretonische Föderalistische Liga oder die Katalanische Republikanische Partei die Ablehnung des einheitlichen bürgerlich-nationalen Staates mit dem Glauben an einen liberalen Universalismus verbinden.

Der liberale Nationalismus ist eine Art nicht-fremdenfeindlicher Nationalismus, von dem behauptet wird, er sei mit den liberalen Werten der Freiheit, Toleranz, Gleichheit und der individuellen Rechte vereinbar. Ernest Renan und John Stuart Mill werden oft als frühe liberale Nationalisten angesehen. Liberale Nationalisten verteidigen oft den Wert der nationalen Identität mit der Begründung, dass der Einzelne eine nationale Identität braucht, um ein sinnvolles, autonomes Leben zu führen, und dass liberal-demokratische Gemeinwesen eine nationale Identität brauchen, um richtig zu funktionieren.

Der bürgerliche Nationalismus steht in der Tradition des Rationalismus und des Liberalismus, wird aber als eine Form des Nationalismus gewöhnlich dem ethnischen Nationalismus gegenübergestellt. Der bürgerliche Nationalismus steht im Zusammenhang mit alteingesessenen Staaten, deren dynastische Herrscher nach und nach mehrere unterschiedliche Territorien erworben hatten, deren Grenzen sich kaum änderten, die aber historische Bevölkerungen mit unterschiedlichen sprachlichen und/oder konfessionellen Hintergründen enthielten. Da die in verschiedenen Teilen des Staatsgebiets lebenden Individuen kaum offensichtliche Gemeinsamkeiten haben, entwickelte sich der bürgerliche Nationalismus als eine Möglichkeit für die Herrscher, sowohl einen zeitgenössischen Grund für diese Heterogenität zu erklären als auch ein gemeinsames Ziel zu verfolgen (Ernest Renans klassische Beschreibung in What is a Nation? (1882) als eine freiwillige Partnerschaft für ein gemeinsames Vorhaben). Renan vertrat die Ansicht, dass Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Sprache, Religion, Wirtschaft, Geografie, Herrscherhaus und historische militärische Taten zwar wichtig, aber nicht ausreichend seien. Erforderlich sei eine spirituelle Seele, die ein "tägliches Referendum" unter den Menschen ermögliche. Bürgerlich-nationale Ideale beeinflussten die Entwicklung der repräsentativen Demokratie in multiethnischen Ländern wie den Vereinigten Staaten und Frankreich, aber auch in konstitutionellen Monarchien wie Großbritannien, Belgien und Spanien.

Die deutsche Philosophin Monika Kirloskar-Steinbach ist nicht der Meinung, dass Liberalismus und Nationalismus miteinander vereinbar sind, weist aber darauf hin, dass es viele Liberale gibt, die dies glauben. Kirloskar-Steinbach stellt fest:

Rechtfertigungen des Nationalismus scheinen in der politischen Philosophie auf dem Vormarsch zu sein. Seine Befürworter behaupten, dass Liberalismus und Nationalismus sich nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen und dass sie in der Tat miteinander vereinbar gemacht werden können. Liberale Nationalisten fordern dazu auf, den Nationalismus nicht als Pathologie der Moderne zu betrachten, sondern als eine Antwort auf deren Unbehagen. Für sie ist der Nationalismus mehr als eine Kinderkrankheit, mehr als "die Masern der Menschheit", wie Einstein sie einst bezeichnete. Sie argumentieren, dass Nationalismus eine legitime Art ist, die eigene Rolle und den eigenen Platz im Leben zu verstehen. Sie bemühen sich um eine normative Rechtfertigung des Nationalismus, die innerhalb liberaler Grenzen liegt. Die Hauptaussage, um die es hier zu gehen scheint, ist, dass ein Nationalismus, der Gewalt verabscheut und liberale Rechte und gleiche Bürgerrechte für alle Bürger seines Staates propagiert, als philosophisch fundiert gelten kann.

Ukrainische Nationalisten tragen Porträts von Stepan Bandera und Fahnen der Ukrainischen Aufständischen Armee

Kreolischer Nationalismus

Der kreolische Nationalismus ist eine Ideologie, die in den Unabhängigkeitsbewegungen der Kreolen (Nachkommen der Kolonisatoren), insbesondere in Lateinamerika, zu Beginn des 19. Er wurde begünstigt, als der französische Kaiser Napoleon die Herrschaft über Spanien und Portugal übernahm und die Kontrollkette von den spanischen und portugiesischen Königen zu den lokalen Gouverneuren durchbrach. Die Loyalität zu den napoleonischen Staaten wurde abgelehnt, und die Kreolen forderten zunehmend ihre Unabhängigkeit. Diese erlangten sie nach den Bürgerkriegen 1808-1826.

Ethnischer Nationalismus

Ethnischer Nationalismus, auch bekannt als Ethno-Nationalismus, ist eine Form des Nationalismus, bei der die "Nation" anhand der ethnischen Zugehörigkeit definiert wird. Das zentrale Thema der ethnischen Nationalisten ist, dass "Nationen durch ein gemeinsames Erbe definiert werden, das in der Regel eine gemeinsame Sprache, einen gemeinsamen Glauben und eine gemeinsame ethnische Abstammung umfasst". Dazu gehört auch die Vorstellung von einer gemeinsamen Kultur der Mitglieder der Gruppe und ihrer Vorfahren. Er unterscheidet sich jedoch von einer rein kulturellen Definition der "Nation", nach der Menschen durch kulturelle Assimilation Mitglieder einer Nation werden können, und von einer rein sprachlichen Definition, nach der "die Nation" aus allen Sprechern einer bestimmten Sprache besteht.

Während Nationalismus an sich nicht den Glauben an die Überlegenheit einer Ethnie oder eines Landes gegenüber anderen impliziert, unterstützen einige Nationalisten ethnozentrische Vorherrschaft oder Protektionismus.

Die Demütigung, Bürger zweiter Klasse zu sein, führte dazu, dass regionale Minderheiten in multiethnischen Staaten wie Großbritannien, Spanien, Frankreich, Deutschland, Russland und dem Osmanischen Reich Nationalismus als Loyalität gegenüber ihrer Minderheitenkultur, insbesondere der Sprache und Religion, definierten. Erzwungene Assimilierung war ein Gräuel.

Für die politisch dominante kulturelle Gruppe war die Assimilierung notwendig, um Illoyalität und Verrat zu minimieren, und wurde daher zu einem wichtigen Bestandteil des Nationalismus. Ein zweiter Faktor für die politisch dominante Gruppe war der Wettbewerb mit den Nachbarstaaten - Nationalismus bedeutete Rivalität, insbesondere in Bezug auf militärische Stärke und wirtschaftliche Kraft.

Wirtschaftlicher Nationalismus

Wirtschaftsnationalismus oder Wirtschaftspatriotismus ist eine Ideologie, die den staatlichen Interventionismus in der Wirtschaft befürwortet, mit einer Politik, die die inländische Kontrolle der Wirtschaft, der Arbeit und der Kapitalbildung betont, selbst wenn dies die Auferlegung von Zöllen und anderen Beschränkungen für die Freizügigkeit von Arbeit, Waren und Kapital erfordert.

Geschlechtsspezifischer und muskulärer Nationalismus

Feministische Kritik interpretiert den Nationalismus als einen Mechanismus, durch den sexuelle Kontrolle und Unterdrückung gerechtfertigt und legitimiert werden, oft durch eine dominante männliche Macht. Die Vergeschlechtlichung des Nationalismus durch sozial konstruierte Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit prägt nicht nur, wie die männliche und weibliche Beteiligung am Aufbau dieser Nation aussehen wird, sondern auch, wie sich die Nationalisten die Nation vorstellen. Eine Nation, die ihre eigene Identität hat, wird als notwendig und oft unvermeidlich angesehen, und diese Identitäten sind geschlechtsspezifisch. Das physische Land selbst wird oft als weiblich dargestellt (d. h. "Mutterland"), mit einem Körper, der ständig der Gefahr der Verletzung durch fremde Männer ausgesetzt ist, während Nationalstolz und der Schutz "seiner" Grenzen als männlich dargestellt werden.

Rekrutierungsplakat der Patriotischen Armee der Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg

Geschichte, politische Ideologien und Religionen ordnen die meisten Nationen auf einem Kontinuum des muskulösen Nationalismus ein. Der muskuläre Nationalismus geht davon aus, dass sich die Identität einer Nation aus muskulösen oder männlichen Attributen ableitet, die für ein bestimmtes Land einzigartig sind. Wenn die Definitionen von Nationalismus und Geschlecht als sozial und kulturell konstruiert verstanden werden, können beide zusammen konstruiert werden, indem eine Dichotomie von "wir" und "sie" zum Zweck des Ausschlusses des so genannten "Anderen" beschworen wird, der dazu dient, die einigenden Bande der Nation zu stärken. Die Stärkung eines Geschlechts, einer Nation oder einer Sexualität geht in der Regel auf Kosten und Entmachtung eines anderen Geschlechts oder einer anderen Nation; auf diese Weise kann der Nationalismus als Instrument zur Aufrechterhaltung heteronormativer Machtstrukturen eingesetzt werden. Die geschlechtsspezifische Art und Weise, in der der herrschende Nationalismus in den meisten Staaten der Welt imaginiert wurde, hat nicht nur wichtige Auswirkungen auf die Lebenserfahrung des Einzelnen, sondern auch auf die internationalen Beziehungen. Der Kolonialismus ist historisch stark mit dem muskulösen Nationalismus verflochten, von der Forschung, die hegemoniale Männlichkeit und den Aufbau von Imperien miteinander verbindet, bis hin zur intersektionellen Unterdrückung, die durch kolonialistische Bilder des "Anderen" gerechtfertigt wird, eine Praxis, die ein wesentlicher Bestandteil der Bildung der westlichen Identität ist. Dieses "Othering" kann in Form von Orientalismus auftreten, wobei der Osten vom Westen feminisiert und sexualisiert wird. Der imaginierte weibliche Osten oder "Andere" existiert im Gegensatz zum männlichen Westen.

Der Status der eroberten Nationen kann zu einem Kausalitätsdilemma werden: Die Nation wurde "erobert, weil sie verweichlicht war, und sie wurde als verweichlicht angesehen, weil sie erobert wurde". Im Falle einer Niederlage gelten sie als militärisch unbegabt, nicht aggressiv und somit nicht muskulös. Damit eine Nation als "anständig" gilt, muss sie die männlichen Eigenschaften der Männlichkeit besitzen, im Gegensatz zu den stereotyp weiblichen Eigenschaften der Unterwürfigkeit und Abhängigkeit. Der muskulöse Nationalismus ist oft untrennbar mit dem Konzept des Kriegers verbunden, das in vielen Nationen ideologische Gemeinsamkeiten aufweist; sie werden durch die männlichen Begriffe Aggression, Kriegsbereitschaft, Entschlossenheit und Muskelkraft definiert, im Gegensatz zu den weiblichen Begriffen Friedfertigkeit, Schwäche, Gewaltlosigkeit und Mitgefühl. Dieses maskulinisierte Bild des Kriegers wurde als "Höhepunkt einer Reihe geschlechtsspezifischer historischer und sozialer Prozesse" theoretisiert, die sich in einem nationalen und internationalen Kontext abspielen. Die Vorstellung eines kulturellen Dualismus - ein kriegerischer Mann und eine keusche Frau -, die im muskulösen Nationalismus impliziert ist, unterstreicht den rassischen, klassenmäßigen, geschlechtsspezifischen und heteronormativen Charakter der dominanten nationalen Identität.

Nationen und Geschlechtersysteme sind sich gegenseitig unterstützende Konstruktionen: Die Nation erfüllt die männlichen Ideale von Kameradschaft und Brüderlichkeit. Männlichkeit wurde als ein bemerkenswerter Faktor für die Entstehung politischer Militanz angeführt. Ein gemeinsames Merkmal nationaler Krisen ist eine drastische Veränderung der gesellschaftlich akzeptierten Art und Weise, ein Mann zu sein, was wiederum dazu beiträgt, die geschlechtsspezifische Wahrnehmung der Nation als Ganzes zu formen.

Integraler Nationalismus, Irredentismus und Pan-Nationalismus

Es gibt verschiedene Arten des Nationalismus, darunter den Risorgimento-Nationalismus und den Integralen Nationalismus. Während der Risorgimento-Nationalismus auf eine Nation zutrifft, die einen liberalen Staat gründen will (z. B. das Risorgimento in Italien und ähnliche Bewegungen in Griechenland, Deutschland und Polen im 19. Jahrhundert oder der bürgerliche amerikanische Nationalismus), entsteht der integrale Nationalismus, nachdem eine Nation ihre Unabhängigkeit erlangt und einen Staat gegründet hat. Das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland waren laut Alter und Brown Beispiele für einen integralen Nationalismus.

Einige der Eigenschaften, die den integralen Nationalismus kennzeichnen, sind Anti-Individualismus, Etatismus, radikaler Extremismus und aggressiv-expansionistischer Militarismus. Der Begriff Integraler Nationalismus überschneidet sich oft mit dem Faschismus, obwohl es natürlich viele Punkte gibt, in denen man sich nicht einig ist. Integraler Nationalismus entsteht in Ländern, in denen sich durch den Unabhängigkeitskampf ein starkes militärisches Ethos herausgebildet hat, wenn man nach Erreichen der Unabhängigkeit glaubt, dass ein starkes Militär erforderlich ist, um die Sicherheit und Lebensfähigkeit des neuen Staates zu gewährleisten. Außerdem führt der Erfolg eines solchen Befreiungskampfes zu einem Gefühl der nationalen Überlegenheit, das zu extremem Nationalismus führen kann.

Der Pan-Nationalismus ist insofern einzigartig, als er ein großes Gebiet abdeckt. Der Pan-Nationalismus konzentriert sich eher auf "Gruppen" von ethnischen Gruppen. Der Panslawismus ist ein Beispiel für den Pan-Nationalismus. Sein Ziel ist es, alle slawischen Völker in einem Land zu vereinen. Dies gelang 1918 mit der Vereinigung mehrerer südslawischer Völker zu Jugoslawien.

Linksgerichteter Nationalismus

Ein politisches Wandgemälde in Caracas mit einer antiamerikanischen und antiimperialistischen Botschaft

Der Linksnationalismus, gelegentlich auch als sozialistischer Nationalismus bezeichnet, nicht zu verwechseln mit dem deutschen faschistischen Nationalsozialismus, ist eine politische Bewegung, die linke Politik mit Nationalismus verbindet.

Viele nationalistische Bewegungen haben sich der nationalen Befreiung verschrieben, da sie der Ansicht sind, dass ihre Nationen von anderen Nationen verfolgt werden und daher Selbstbestimmung ausüben müssen, indem sie sich von den beschuldigten Verfolgern befreien. Der antirevisionistische Marxismus-Leninismus ist eng mit dieser Ideologie verbunden. Praktische Beispiele sind Stalins frühes Werk "Marxismus und die nationale Frage" und sein Erlass "Sozialismus in einem Land", in dem erklärt wird, dass der Nationalismus in einem internationalistischen Kontext genutzt werden kann, um für die nationale Befreiung ohne Rassen- oder Religionsunterschiede zu kämpfen.

Weitere Beispiele für linken Nationalismus sind Fidel Castros Bewegung des 26. Juli, die 1959 die kubanische Revolution auslöste, Cornwalls Mebyon Kernow, Irlands Sinn Féin, Wales' Plaid Cymru, Galiziens Galizischer Nationalistischer Block, die Awami-Liga in Bangladesch, der Afrikanische Nationalkongress in Südafrika und zahlreiche Bewegungen in Osteuropa.

Nationaler Anarchismus

Zu den ersten Verfechtern des Nationalanarchismus gehörten Hans Cany, Peter Töpfer und der ehemalige National-Front-Aktivist Troy Southgate, Gründer der National Revolutionary Faction, einer inzwischen aufgelösten Organisation mit Sitz in Großbritannien, die Verbindungen zu bestimmten links- und rechtsextremen Kreisen im Vereinigten Königreich und in den postsowjetischen Staaten pflegte und nicht mit dem Nationalanarchismus der Black-Ram-Gruppe zu verwechseln ist. Im Vereinigten Königreich arbeiteten die Nationalanarchisten mit Albion Awake, Alternative Green (herausgegeben vom ehemaligen Redakteur der Green Anarchist, Richard Hunt) und Jonathan Boulter zusammen, um die Anarchist Heretics Fair zu entwickeln. Diese Nationalanarchisten führen ihre Einflüsse vor allem auf Michail Bakunin, William Godwin, Peter Kropotkin, Pierre-Joseph Proudhon, Max Stirner und Leo Tolstoi zurück.

Diese Position hat sich in den 1990er Jahren in Europa entwickelt. National-anarchistische Gruppen sind weltweit entstanden, vor allem in Australien (New Right Australia/New Zealand), Deutschland (Internationaler Nationaler Anarchismus) und den Vereinigten Staaten (BANA). Nationaler Anarchismus wird als rechtsradikale nationalistische Ideologie beschrieben, die für Rassentrennung und weiße Rassenreinheit eintritt. Nationale Anarchisten behaupten, den neotribalen ethnischen Nationalismus mit dem philosophischen Anarchismus zu synkretisieren, vor allem durch ihre Unterstützung einer staatenlosen Gesellschaft, während sie die anarchistische Sozialphilosophie ablehnen. Die wichtigste ideologische Neuerung des Nationalanarchismus ist sein antistaatlicher palingenetischer Ultranationalismus. Nationale Anarchisten treten für homogene Gemeinschaften anstelle des Nationalstaates ein. Nationale Anarchisten behaupten, dass sich Angehörige verschiedener ethnischer oder rassischer Gruppen in ihren eigenen Stammesgemeinschaften frei entwickeln können, wobei sie danach streben, politisch leistungsorientiert, wirtschaftlich nicht kapitalistisch, ökologisch nachhaltig und sozial und kulturell traditionell zu sein.

Obwohl der Begriff Nationalanarchismus bis in die 1920er Jahre zurückreicht, wird die heutige national-anarchistische Bewegung seit Ende der 1990er Jahre von dem britischen politischen Aktivisten Troy Southgate vertreten, der sie als "jenseits von links und rechts" positioniert. Die wenigen Wissenschaftler, die sich mit dem Nationalanarchismus befasst haben, kommen zu dem Schluss, dass er eher eine Weiterentwicklung des Denkens der radikalen Rechten darstellt als eine völlig neue Dimension im politischen Spektrum. Der Nationalanarchismus wird von Anarchisten als eine Neuauflage des totalitären Faschismus und als Oxymoron betrachtet, da die anarchistische Philosophie des Antifaschismus, der Abschaffung ungerechtfertigter Hierarchien, des Abbaus nationaler Grenzen und der universellen Gleichheit zwischen verschiedenen Nationalitäten mit der Idee einer Synthese zwischen Anarchismus und Faschismus unvereinbar ist.

Der nationale Anarchismus hat sowohl bei linken als auch bei rechtsextremen Kritikern Skepsis und offene Feindseligkeit hervorgerufen. Kritiker, darunter auch Wissenschaftler, werfen den Nationalanarchisten vor, nichts anderes als weiße Nationalisten zu sein, die eine kommunitaristische und rassistische Form des ethnischen und rassischen Separatismus propagieren, während sie den militanten Schick haben wollen, sich selbst als Anarchisten zu bezeichnen, ohne den historischen und philosophischen Ballast, der mit einem solchen Anspruch einhergeht, einschließlich der antirassistischen egalitären anarchistischen Philosophie und der Beiträge jüdischer Anarchisten. Einige Wissenschaftler sind skeptisch, dass die Umsetzung des nationalen Anarchismus zu einer Ausweitung der Freiheit führen würde, und beschreiben ihn als autoritären Antistaatismus, der zu Autoritarismus und Unterdrückung führen würde, nur in kleinerem Maßstab.

Nativistischer Nationalismus

Der nativistische Nationalismus ist eine Form des Nationalismus, die dem kreolischen oder territorialen Nationalismus ähnelt, bei dem die Zugehörigkeit zu einer Nation jedoch allein dadurch definiert wird, dass man auf ihrem Territorium geboren ist. In Ländern, in denen ein starker nativistischer Nationalismus herrscht, werden Menschen, die nicht in dem Land geboren sind, als minderwertige Staatsbürger angesehen und als Einwanderer bezeichnet, selbst wenn sie eingebürgert wurden. Dies ist kulturell bedingt, da die Menschen eine im Ausland geborene Person niemals als einen von ihnen ansehen werden, und es ist rechtlich bedingt, da diese Menschen lebenslang von bestimmten Stellen, insbesondere von Regierungsstellen, ausgeschlossen sind. In wissenschaftlichen Studien ist Nativismus ein Standardbegriff, auch wenn diejenigen, die diese politische Ansicht vertreten, diese Bezeichnung normalerweise nicht akzeptieren. "[N]ativisten ... betrachten sich nicht als Nativisten. Für sie ist es ein negativer Begriff und sie betrachten sich eher als 'Patrioten'."

Rassischer Nationalismus

Der rassische Nationalismus ist eine Ideologie, die eine rassische Definition der nationalen Identität befürwortet. Der rassische Nationalismus zielt darauf ab, eine bestimmte Rasse durch Maßnahmen wie das Verbot der Rassenvermischung und der Einwanderung anderer Rassen zu erhalten. Konkrete Beispiele sind der schwarze Nationalismus und der weiße Nationalismus.

Religiöser Nationalismus

Religiöser Nationalismus ist die Beziehung des Nationalismus zu einer bestimmten religiösen Überzeugung, einem Dogma oder einer Zugehörigkeit, wenn eine gemeinsame Religion zu einem Gefühl der nationalen Einheit, einem gemeinsamen Band zwischen den Bürgern der Nation, beiträgt. Der saudi-arabische, iranische, ägyptische, irakische, amerikanische, indische und pakistanisch-islamische Nationalismus (Zwei-Nationen-Theorie) sind einige Beispiele dafür.

Territorialer Nationalismus

Einige Nationalisten schließen bestimmte Gruppen aus. Manche Nationalisten definieren die nationale Gemeinschaft nach ethnischen, sprachlichen, kulturellen, historischen oder religiösen Gesichtspunkten (oder einer Kombination davon) und versuchen dann, bestimmte Minderheiten als nicht wirklich Teil der "nationalen Gemeinschaft", wie sie sie definieren, zu betrachten. Manchmal ist ein Heimatmythos für die nationale Identität wichtiger als das tatsächliche Territorium, das von der Nation besetzt wird.

Nationalistischer Slogan "Brasilien, liebe es oder verlasse es", verwendet während der brasilianischen Militärdiktatur

Territoriale Nationalisten gehen davon aus, dass alle Einwohner einer bestimmten Nation ihrem Geburts- oder Adoptivland Treue schulden. Die Nation und die von ihr hervorgerufenen Volkserinnerungen werden als sakral angesehen. Die Staatsbürgerschaft wird von territorialen Nationalisten idealisiert. Ein Kriterium des territorialen Nationalismus ist die Schaffung einer öffentlichen Massenkultur, die auf gemeinsamen Werten, Kodizes und Traditionen der Bevölkerung beruht.

Sportlicher Nationalismus

Sportspektakel wie die Fußballweltmeisterschaft ziehen ein weltweites Publikum an, wenn Nationen um die Vorherrschaft kämpfen und die Fans ihre Nationalmannschaft intensiv unterstützen. Immer mehr Menschen haben ihre Loyalität und sogar ihre kulturelle Identität an Nationalmannschaften gebunden. Die Globalisierung des Publikums durch das Fernsehen und andere Medien hat Werbekunden und Abonnenten Einnahmen in Milliardenhöhe beschert, wie die FIFA-Skandale von 2015 gezeigt haben. Jeff Kingston betrachtet Fußball, die Commonwealth Games, Baseball, Kricket und die Olympischen Spiele und stellt fest: "Die Fähigkeit des Sports, nationalistische Leidenschaften und Vorurteile zu entfachen und zu verstärken, ist ebenso außergewöhnlich wie seine Macht, zu trösten, zu vereinen, zu erheben und guten Willen zu erzeugen." Dieses Phänomen ist in den meisten Ländern der Welt zu beobachten. Das britische Empire legte bei seinen Soldaten und Agenten in aller Welt großen Wert auf Sport, und oft machten die Einheimischen begeistert mit. Es richtete 1930 einen prestigeträchtigen Wettbewerb ein, der von 1930-50 British Empire Games, von 1954-66 British Empire and Commonwealth Games, von 1970-74 British Commonwealth Games und seither Commonwealth Games genannt wurde.

Das französische Kaiserreich stand den Briten in Bezug auf die Nutzung des Sports zur Stärkung der kolonialen Solidarität mit Frankreich nicht viel nach. Die Kolonialbeamten förderten und subventionierten Gymnastik, Tischspiele und Tanz und trugen zur Verbreitung des Fußballs in den französischen Kolonien bei.

Kritik

Kritiker des Nationalismus haben argumentiert, dass es oft unklar ist, was eine Nation ausmacht oder ob eine Nation eine legitime politische Herrschaftseinheit ist. Nationalisten sind der Ansicht, dass die Grenzen einer Nation und eines Staates übereinstimmen sollten, weshalb der Nationalismus tendenziell gegen Multikulturalismus gerichtet ist. Er kann auch zu Konflikten führen, wenn mehr als eine nationale Gruppe Ansprüche auf ein bestimmtes Gebiet erhebt oder versucht, die Kontrolle über den Staat zu übernehmen.

Der Philosoph A. C. Grayling beschreibt Nationen als künstliche Konstrukte, "deren Grenzen mit dem Blut vergangener Kriege gezogen wurden". Er argumentiert, dass "es kein Land auf der Erde gibt, das nicht mehr als eine unterschiedliche, aber in der Regel koexistierende Kultur beherbergt. Das kulturelle Erbe ist nicht dasselbe wie die nationale Identität".

Nationalismus wird von seinen Kritikern als inhärent spaltend angesehen, da die Anhänger auf wahrgenommene Unterschiede zwischen den Menschen zurückgreifen und diese hervorheben können, indem sie die Identifikation des Einzelnen mit seiner eigenen Nation betonen. Sie halten die Idee auch für potenziell unterdrückerisch, da sie die individuelle Identität in einem nationalen Ganzen untergehen lässt und Eliten oder politischen Führern potenzielle Möglichkeiten zur Manipulation oder Kontrolle der Massen bietet. Ein Großteil des frühen Widerstands gegen den Nationalismus bezog sich auf dessen geopolitisches Ideal eines eigenen Staates für jede Nation. Die klassischen nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts lehnten die bloße Existenz der multiethnischen Reiche in Europa ab. Doch bereits in dieser frühen Phase gab es eine ideologische Kritik am Nationalismus, die sich zu verschiedenen Formen des Internationalismus und Antinationalismus entwickelt hat. Die islamische Wiedergeburt des 20. Jahrhunderts brachte auch eine islamistische Kritik am Nationalstaat hervor. (siehe Pan-Islamismus)

Ende des 19. Jahrhunderts verfassten Marxisten und andere Sozialisten und Kommunisten (wie Rosa Luxemburg) politische Analysen, die den damals in Mittel- und Osteuropa aktiven nationalistischen Bewegungen kritisch gegenüberstanden, obwohl eine Reihe anderer zeitgenössischer Sozialisten und Kommunisten, von Wladimir Lenin (einem Kommunisten) bis zu Józef Piłsudski (einem Sozialisten), dem nationalen Selbstbestimmungsrecht eher wohlwollend gegenüberstanden.

In seinem klassischen Essay zu diesem Thema unterscheidet George Orwell den Nationalismus vom Patriotismus, den er als Hingabe an einen bestimmten Ort definiert. Abstrakter ausgedrückt, ist Nationalismus "Machthunger, der durch Selbstbetrug gemildert wird". Für Orwell wird der Nationalist eher von irrationalen negativen Impulsen beherrscht als nicht:

Es gibt z.B. Trotzkisten, die einfach zu Feinden der UdSSR geworden sind, ohne eine entsprechende Loyalität zu einer anderen Einheit zu entwickeln. Wenn man sich das vor Augen führt, wird das Wesen dessen, was ich unter Nationalismus verstehe, sehr viel klarer. Ein Nationalist ist jemand, der ausschließlich oder hauptsächlich in Begriffen des Konkurrenzprestiges denkt. Er kann ein positiver oder negativer Nationalist sein, d.h. er kann seine geistige Energie entweder zur Förderung oder zur Verunglimpfung einsetzen, aber in jedem Fall drehen sich seine Gedanken immer um Siege, Niederlagen, Triumphe und Demütigungen. Er sieht die Geschichte, insbesondere die Zeitgeschichte, als endlosen Aufstieg und Niedergang von Großmächten, und jedes Ereignis erscheint ihm als Beweis dafür, dass seine eigene Seite aufsteigt und irgendein verhasster Rivale absteigt. Aber schließlich ist es wichtig, Nationalismus nicht mit bloßer Anbetung des Erfolgs zu verwechseln. Der Nationalist geht nicht nach dem Prinzip vor, sich einfach auf die Seite des Stärkeren zu schlagen. Im Gegenteil, nachdem er sich für eine Seite entschieden hat, ist er davon überzeugt, dass sie die stärkste ist, und er kann an seiner Überzeugung festhalten, selbst wenn die Fakten überwältigend gegen ihn sprechen.

In der liberalen politischen Tradition herrschte meist eine negative Einstellung gegenüber dem Nationalismus als gefährliche Kraft und Ursache für Konflikte und Kriege zwischen Nationalstaaten. Der Historiker Lord Acton vertrat 1862 die These vom "Nationalismus als Wahnsinn". Er argumentierte, dass der Nationalismus Minderheiten unterdrückt, das Land über moralische Prinzipien stellt und eine gefährliche individuelle Bindung an den Staat schafft. Acton war jedoch ein Gegner der Demokratie und versuchte, den Papst vor dem italienischen Nationalismus zu schützen. Seit dem späten 20. Jahrhundert sind die Liberalen zunehmend gespalten, wobei einige Philosophen wie Michael Walzer, Isaiah Berlin, Charles Taylor und David Miller betonen, dass eine liberale Gesellschaft in einem stabilen Nationalstaat verankert sein muss.

Die pazifistische Kritik am Nationalismus konzentriert sich auch auf die Gewalt einiger nationalistischer Bewegungen, den damit verbundenen Militarismus und auf Konflikte zwischen Nationen, die von Hurrapatriotismus oder Chauvinismus inspiriert sind. Nationale Symbole und patriotische Selbstbehauptung sind in einigen Ländern, insbesondere in Deutschland, durch ihre historische Verbindung mit vergangenen Kriegen diskreditiert. Der britische Pazifist Bertrand Russell kritisierte, dass der Nationalismus dem Einzelnen die Fähigkeit nimmt, die Außenpolitik seines Vaterlandes zu beurteilen. Albert Einstein sagte: "Nationalismus ist eine Kinderkrankheit. Er ist die Masern der Menschheit".

Ideologie

Analytische Konzepte

Ernest Gellner, Eric Hobsbawm, Benedict Anderson, Robert Miles und andere betonen, dass es sich bei einer Nation um eine „imaginierte Gemeinschaft“ handele. Für Gellner ist Nationalismus „keineswegs das Erwachen von Nationen zu Selbstbewusstsein: man erfindet Nationen, wo es sie vorher nicht gab“. Anderson versteht eine Nation als eine „vorgestellte politische Gemeinschaft“ (imagined communities), definiert aber imagined (vorgestellt) im Sinne von created (geschaffen), nicht im Sinne von false (falsch, künstlich). Nach Robert Miles geht der Nationalismus von der Existenz „naturgegebener Unterteilungen der Weltbevölkerung“ aus und verkörpert ein politisches Projekt, ein Territorium in Beschlag zu nehmen, „in dem das ‚Volk’ sich selbst regieren kann“.

Im Gegensatz zu modernistischen Theoretikern gestehen eine Reihe anderer Nationalismusforscher (z. B. Anthony D. Smith oder Clifford Geertz) ethnischen Nationen, die sich über Sprache, Religion, Verwandtschaftsnetzwerke, kulturelle Eigenarten oder quasi-rassische Gemeinsamkeiten definieren, ein Eigenleben ohne Nationalismus zu. Für diese Theoretiker ist Nationalismus zumindest teilweise eine Manifestation eines primordialen (uranfänglichen) Zusammengehörigkeitsgefühls. Ähnlich argumentiert auch Karl Raimund Popper bereits 1945 im zweiten Band seines Werkes Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Er sieht Nationalismus als ein Relikt eines ur-instinktiven Gefühls der Stammeszugehörigkeit, dominiert von Leidenschaft und Vorurteilen. Außerdem bedeutet Nationalismus für Popper ein nostalgisches Verlangen nach dem Ersatz von individueller durch kollektive Verantwortung. Für Popper ist der Nationalstaat an sich schon nur ein Mythos, der durch nichts zu rechtfertigen ist, sondern lediglich eine irrationale und romantische Utopie darstellt; er sei „ein Traum von Naturalismus und kollektivistischer Stammeszugehörigkeit.“

Abgrenzung

Ausgehend von der Nationalismusforschung im angelsächsischen Sprachraum werden unter Nationalismus alle Bewegungen verstanden, die die Nation als handlungsbestimmenden Wert ansehen. In der politischen Umgangssprache dagegen bezeichnet dieses Wort eine Ideologie der nationalen Intoleranz und der Aggressivität. In diesem Sinne steht Nationalismus im Gegensatz zum positiv zu wertenden Patriotismus. In der Sozialpsychologie und der Geschichtswissenschaft wird diese Unterscheidungsmöglichkeit aber auf empirischer Grundlage bestritten. Von der Extremismusforschung werden nicht alle Ausprägungen des Nationalismus als extremistisch betrachtet, sondern nur Varianten des Ultranationalismus, der generell dem Rechtsextremismus zugeordnet wird.

Die Gegenbewegung und -ideologie zum Nationalismus sind der Internationalismus oder Kosmopolitismus. Supranationalismus ist verbunden mit einer Aufweichung nationaler Orientierungen und entsprechender Reaktionen, zum Beispiel zu beobachten im Bereich der Europäischen Union.

Staatsbürgerlicher vs. ethnischer Nationalismus

Es werden (z. B. Hans Kohn, John Plamenatz) zwei Hauptformen des Nationalismus unterschieden: Der staatsbürgerliche („civic“) Nationalismus wird häufig dem Westen zugeschrieben (z. B. Frankreich, USA): Er definiert Nationen primär politisch und ein Ausschlusskriterium stellen lediglich die Grenzen des Territoriums dar. Während im staatsbürgerlichen Nationalismus die Angehörigen einer Nation eine willentliche Verbindung eingehen, stellt die ethnische Nation im ethnischen Nationalismus eine Schicksalsgemeinschaft dar. Der ethnische Nationalismus, dessen Nationskonzept auf Abstammung, Zugehörigkeit durch Geburt, Blut oder eben Ethnizität basiert, ist bis in die Gegenwart in Mittel- und Osteuropa (z. B. Deutschland, Ungarn) vorherrschend. Staatsbürgerlicher Nationalismus wird gewöhnlich mit Liberalismus und ethnischer Nationalismus mit Antiliberalismus, der zum autoritären Regime neigt, assoziiert. Der Soziologe Sammy Smooha prägte in diesem Zusammenhang den Begriff „ethnische Demokratie“ (ethnic democracy).

Inklusiver vs. exklusiver Nationalismus

Inklusive Nationalismen zielen auf eine Integration aller Teilgruppen einer Gesellschaft, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung und ihrer kulturellen Identität ab. Sie setzen sich für die Werte und Symbole der eigenen Nation ein und billigen dies auch anderen Nationen zu. Inklusive Nationalismen beziehen sich auf unterschiedliche Eigenschaften der Nation positiv: auf die republikanische Tradition, die demokratische Verfassung (Verfassungspatriotismus), Sozialstaatlichkeit, wirtschaftliche Erfolge oder das internationale Ansehen.

Als exklusiver Nationalismus oder Chauvinismus wird ein übersteigertes Wertgefühl bezeichnet, das auf die teilweise aggressive Abgrenzung von anderen Nationen zielt. Die Überhöhung der eigenen Nation mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Einheit von Volk und Raum geht oft einher mit der Ausgrenzung und Diskriminierung, im Extrem bis zu Vertreibung oder Vernichtung ethnischer und anderer Minderheiten, die als dem imaginierten Volkskörper fremd oder schädlich angesehen werden. Beispiele für exklusive Nationalismen sind der italienische Faschismus, der deutsche Nationalsozialismus und die ethnischen Säuberungen nach dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren. Der exklusive Nationalismus erhebt ein „Loyalitäts- und Deutungsmonopol“: Das Individuum soll nicht mehr seine Religion, seine Heimatregion oder die dort herrschende Dynastie als identitätsstiftenden Fokus des Denkens und Handelns ansehen, sondern allein die Nation. Dieser Anspruch kann in einem integralen Nationalismus bis zur Relativierung oder gar Abwertung des Individuums führen: „Du bist nichts, dein Volk ist alles.“ Daher wird dieser Nationalismus unter die politischen Religionen eingeordnet. Seit den 1970er Jahren wird der Begriff fast ausschließlich im Sinne von Chauvinismus verwendet.

Jüngere sozialpsychologische Studien haben gezeigt, dass sich exklusiver und inklusiver Nationalismus empirisch – sozusagen am lebenden Menschen – nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen und demnach eher selten in ihrer reinsten Ausprägung vorkommen. Ein besonders sichtbares Beispiel ist der „Fußballnationalismus“. Um den pejorativen Beigeschmack zu vermeiden, den der Begriff Nationalismus heute stets hat, wird laut Peter Alter dafür gelegentlich von „Vaterlandsliebe“ gesprochen.

Ultranationalismus

Türkische Ultranationalisten der MHP in Ankara (2015)

Der Begriff des Ultranationalismus (auch geschrieben Ultra-Nationalismus) ist vor allem für die Extremismusforschung und die Faschismusforschung relevant. Seine Bedeutung deckt sich inhaltlich in etwa mit jener der Begriffe radikaler Nationalismus, extremer Nationalismus, Hypernationalismus, illiberaler Nationalismus oder integraler Nationalismus. Gemeint ist ein Nationalismus, der sich unwiderruflich „jenseits“ (lateinisch ultra) des politischen Spektrums einer liberalen Demokratie begibt und somit mit dieser unvereinbar ist. Konsequenterweise lehnt er liberale Formen des Nationalismus vehement ab.

Im Ultranationalismus wird der Nation ideologisch der höchste gesellschaftliche Wert beigemessen, wobei ein „organisches“ Nationsverständnis vorherrschend ist: Ultranationalisten begreifen die Nation als einen eigenständigen lebendigen Organismus, der über einen eigenen Lebenszyklus und eine eigene kollektive Psyche als Schicksalsgemeinschaft verfügt. Nach diesem Verständnis ergibt das Leben eines Individuums nur dann Sinn, wenn es zum Wohle des nationalen Organismus beiträgt. Ultranationalisten streben dabei die völlige Hingabe- und Opferbereitschaft der einzelnen Nationsmitglieder an, da diese in ihren Augen die Voraussetzung für eine notwendige (Wieder-)Erlangung von nationalem Ruhm und nationaler Größe bilden. In der Konsequenz überragt die Nation in ihrer Bedeutung einerseits alle anderen Werte (z. B. die individuelle Freiheit), andererseits drängt sie auch die Loyalitäten gegenüber allen anderen Gemeinschaften zurück (z. B. der Familie auf niedrigerer Ebene oder der Menschheit auf höherer Ebene). Verbalen Ausdruck findet dieser verabsolutisierte Glaube an die eigene Nation in Ausrufen wie „Du bist nichts, Dein Volk ist alles!“ oder „Right or Wrong, my country!“, auf welche Ultranationalisten ihre Anhänger einschwören. Dabei nimmt die ultranationalistische Ideologie de facto die Funktion einer politischen Religion ein, die von offenen Gesellschaften angestrebte Balance zwischen unterschiedlichen Loyalitäten geht verloren.

In diesem Zusammenhang wird auch der Neologismus der Ultra-Nation verwendet, deren Schaffung Ultranationalisten anstreben. Hingegen werden „spezifische ethnische, kulturelle, oder religiöse Ausgrenzungskriterien verschärft, zu kollektiven Homogenitätsvorstellungen verdichtet und mit autoritären Politikmodellen verknüpft“. Die natürliche gesellschaftliche Vielfalt gerät unter einen ultranationalistischen Homogenisierungsdruck, welcher wiederum die Herausbildung von Feindbildern gegenüber Andersartigen begünstigt. Das „organische“ Nationsverständnis muss nicht notwendigerweise auf biologischen, genetischen oder eugenischen Kriterien basieren, wie sie für den Ultranationalismus der deutschen Nationalsozialisten charakteristisch waren. Allerdings umfassen auch ultranationalistische Nationskonzepte, die eher ethnisch oder kulturell geprägt sind, in jedem Fall auch eine rassistische Komponente, da sie stets von ihrer eigenen nationalen Überlegenheit ausgehen.

Porträt von Rumäniens nationalkommunistischem Diktator Nicolae Ceaușescu (1965–1989)

In typologischer Hinsicht wird der Ultranationalismus dem Rechtsextremismus zugeordnet, weshalb er auch als ultrarechter Nationalismus oder – verkürzt und unpräziser – als rechter Nationalismus bzw. Rechtsnationalismus bezeichnet wird. Rechtsextreme Ideologien müssen dabei nicht notwendigerweise ultranationalistische Ideen vertreten. Den gemeinsamen Nenner mit anderen Formen des Rechtsextremismus bildet die Ideologie einer radikalen Ungleichheit verschiedener Menschengruppen. Allerdings kann der Ultranationalismus auch in einer Verknüpfung mit linksextremen Ideologien auftreten, wie dem Kommunismus in seiner marxistisch-leninistischen Ausprägung, wobei dann von Nationalkommunismus gesprochen wird (z. B. Rumänien unter Nicolae Ceaușescu oder Nordkorea unter dem Kim-Regime).

Japanische Ultranationalisten bei einer Demonstration in Tokio (2014)

Von der Geschichtswissenschaft des modernen Japan wird die Ideologie des imperialistischen Japanischen Kaiserreiches, welches vor und während des Zweiten Weltkrieges eine aggressive Expansionspolitik betrieb, ebenfalls als „Ultranationalismus“ (japanisch: chō kokka shugi) bezeichnet. Der Ultranationalismus gilt außerdem als möglicher Analysebegriff, um eine trotz aller Unterschiede bestehende gemeinsame ideologische Basis von radikal-nationalistischen Bewegungen wie italienischem Faschismus, deutschem Nationalsozialismus, japanischem Ultranationalismus und den türkischen Grauen Wölfen zu beschreiben. So konstatiert der Soziologe Emre Arslan (2009):

„Eine ultranationalistische Weltanschauung, die die Idee der Nation als das zentrale und ursprüngliche Element für ihr politisches Konzept bestimmt, ist die grundlegendste Ähnlichkeit all dieser Bewegungen. Sie betrachten die Geschichte als Verhältnisse (Kriege und Allianzen) zwischen Nationen und nehmen ihre eigene Nation als überlegen und besonders wahr. […] Ideologisch gesehen kann man den Ultranationalismus vom Nationalismus anhand der Betonung der ‚Idee der Herrschernation‘ unterscheiden. Ultranationalisten beanspruchen für ihre Nation, dass sie überlegener als andere Nationen ist. Eine logische Konsequenz dieser Vorstellung ist zumeist die politische Forderung nach einer territorialen Expansion des vorhandenen Staatsgebiets. Ultranationalisten legitimieren ihre scheinbare Überlegenheit und die Politik der Expansion hauptsächlich mit mythischen Erzählungen.“

Reichsparteitag der NSDAP 1935: Der Ultranationalismus gilt als ein wichtiger Bestandteil der NS-Ideologie

Der Ultranationalismus als Dachbegriff wird allgemeiner und weitergehender verwendet als der Dachbegriff des Faschismus. Eine spezifische Form des Ultranationalismus gilt jedoch als entscheidender Kernbestandteil faschistischer Ideologie, wie ihn der britische Faschismusforscher Roger Griffin in seiner international einflussreichen Definition beschreibt. Laut Griffin (1991, 2016) ist Faschismus „eine Gattung politischer Ideologie, deren mythischer Kern in seinen diversen Varianten eine palingenetische Form von populistischem Ultranationalismus ist“. Gemeint ist, dass sich in der Vorstellung von Faschisten die eigene Nation in einem dekadenten Zustand des Verfalls befindet, aus dem sie nur errettet werden kann, wenn ihr durch revolutionäres Handeln zu einer ultranationalistischen Palingenese (von altgriechisch παλιγγενεσία Palingenesía „Wiedergeburt“) verholfen wird. Das faschistische Streben nach einer wiedergeborenen, utopischen „Ultra-Nation“ sowie die damit propagierte Schaffung eines „neuen Menschen“ erklärt laut Griffins Theorie einerseits den revolutionären, modernisierenden und antikonservativen Charakter des Faschismus, andererseits stellt ihmzufolge die Sehnsucht nach einer „totalen Erneuerung“ der Nation die hauptsächliche Triebkraft für den faschistischen Gewaltkult dar. Dieser faschistische Ultranationalismus soll das ideologische Bindeglied zwischen italienischem Faschismus und deutschem Nationalsozialismus bilden.

Dabei unterscheidet Griffin den revolutionären Ultranationalismus der Faschisten klar von einem autoritär-konservativen Ultranationalismus, wie er von reaktionären herrschenden Eliten oder Militärs vertreten werden könne. Im Gegensatz zu Faschisten würden reaktionäre Ultranationalisten eine Revolution in den Bereichen der Ethik und Sozialpolitik ablehnen. Stattdessen streben sie nach einer „Wiederherstellung von Stabilität und einer starken Regierung“, wobei die Grundlage der bestehenden Klassenstruktur und traditionellen Werte nicht angetastet werden sollen. Ein autoritär-konservativer Ultranationalismus könne insofern laut Griffin höchstens „parafaschistisch“ werden, indem er äußere Merkmale des Faschismus imitiert, jedoch nicht authentisch faschistisch sein. Als Beispiele für solche „parafaschistischen“ Regime (also autoritär-konservative Diktaturen, welche faschistische Merkmale äußerlich nachahmen) nennt Griffin z. B. Spanien unter Primo de Rivera und Franco, Portugal unter Salazar, Österreich unter Dollfuß oder Griechenland unter Metaxas.

Mobilisierungsstrategien

Besondere Unterscheidungsprobleme gibt es beim Nationalismus im Fußball, vor allem bei Spielen der Nationalmannschaft. Ausdifferenzierungen kann man zum Beispiel in Großbritannien sehen, wo die vier Home Countries England, Schottland, Wales und Nordirland mit eigenen Mannschaften im Fußball antreten, während sie bei den Olympischen Spielen als Vereinigtes Königreich und mit einer Mannschaft an den Start gehen. Während früher die englischen Fans auch mit dem Union Jack Großbritanniens an den Start gingen, haben sie seit der Weltmeisterschaft 2002 das Georgskreuz Englands als Fahne. Angela Daalmann zeigte in ihrer Dissertation an der Georg-August-Universität Göttingen, dass die Massenmedien den Nationalismus als Möglichkeit der Kundenbindung nutzen, da sie auf nationalistische Verhaltensmuster anspielen. Ähnliche Tendenzen gibt es in vielen Ländern.