Oxymoron

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Eine Kombination aus widersprüchlichen Wörtern

Ein Oxymoron (üblicher Plural Oxymorons, seltener Oxymora) ist eine Redewendung, bei der Begriffe mit gegensätzlichen Bedeutungen in einem Wort oder Satz nebeneinander gestellt werden, wodurch ein scheinbarer Selbstwiderspruch entsteht. Ein Oxymoron kann als rhetorisches Mittel verwendet werden, um eine rhetorische Aussage zu verdeutlichen oder ein Paradoxon aufzudecken. Eine allgemeinere Bedeutung von "contradiction in terms" (nicht unbedingt für rhetorische Zwecke) wird im OED von 1902 aufgeführt.

Der Begriff wird erstmals als latinisiertes griechisches oxymōrum bei Maurus Servius Honoratus (ca. 400 n. Chr.) erwähnt; er leitet sich von dem griechischen Wort ὀξύς oksús "scharf, spitz, spitz" und μωρός mōros "stumpf, dumm, töricht" ab; sozusagen "scharf-dumpf", "spitz dumm" oder "spitz töricht". Das Wort Oxymoron ist autologisch, d. h. es ist selbst ein Beispiel für ein Oxymoron. Das griechische zusammengesetzte Wort ὀξύμωρον oksýmōron, das der lateinischen Bildung entsprechen würde, scheint in keinem bekannten altgriechischen Werk vor der Bildung des lateinischen Begriffs aufzutreten.

Das Antonym zu Oxymoron ist Pleonasmus („kohlpechrabenschwarz“).

Arten und Beispiele

Oxymorone im engeren Sinne sind ein rhetorisches Mittel, das vom Sprecher bewusst eingesetzt wird und vom Hörer als solches verstanden werden soll. Im weiteren Sinne wird der Begriff "Oxymoron" auch auf unbeabsichtigte oder zufällige Widersprüche angewandt, wie im Fall von "toten Metaphern" ("kaum bekleidet" oder "furchtbar gut"). Lederer (1990) geht im Sinne der "Freizeitlinguistik" sogar so weit, "logologische Oxymorone" zu konstruieren, wie z. B. die Lesart des Wortes "nook", das sich aus "no" und "ok" zusammensetzt, oder des Nachnamens "Noyes", der sich aus "no" und "yes" zusammensetzt, oder weit hergeholte Wortspiele wie "divorce court", "U.S. Army Intelligence" oder "press release". Es gibt eine Reihe von Ein-Wort-Oxymoronen, die aus "abhängigen Morphemen" gebildet werden (d. h. keine produktive Verbindung im Englischen mehr, sondern als Verbindung aus einer anderen Sprache entlehnt), wie z. B. pre-posterous (wörtlich "mit dem hinderlichen Teil davor", vgl. hysteron proteron, "upside-down", "head over heels", "ass-backwards" usw.) oder sopho-more (eine künstliche griechische Verbindung, wörtlich "weise-töricht").

Die häufigste Form des Oxymorons ist eine Adjektiv-Nomen-Kombination aus zwei Wörtern, aber sie kann auch in der Bedeutung von Sätzen oder Phrasen gebildet werden. Ein klassisches Beispiel für die Verwendung von Oxymoronen in der englischen Literatur findet sich in diesem Beispiel aus Shakespeares Romeo und Julia, in dem Romeo dreizehn Wörter aneinanderreiht:

Oh streitende Liebe! O liebender Hass!
  O alles von nichts erst erschaffen!
O schwere Leichtigkeit, ernste Eitelkeit!
  Missgestaltetes Chaos gut aussehender Formen!
Bleifeder, heller Rauch, kaltes Feuer, kranke Gesundheit!
  Stillwachender Schlaf, das ist nicht, was es ist!
Diese Liebe fühle ich, der ich keine Liebe in diesem fühle.

Weitere Beispiele aus der englischsprachigen Literatur sind: "hassenswertes Gut" (Chaucer, in der Übersetzung von odibile bonum) "stolze Demut" (Spenser), "sichtbare Dunkelheit" (Milton), "bettelarmer Reichtum" (John Donne), "verdammen mit schwachem Lob" (Pope), "ausdrucksvolles Schweigen" (Thomson, in Anlehnung an Ciceros lateinisches Wort: cum tacent clamant, wörtl. 'wenn sie schweigen, schreien sie'), "melancholische Heiterkeit" (Byron), "untreuer Glaube", "falsch wahr" (Tennyson), "konventionell unkonventionell", "verschlungene Spontaneität" (Henry James) "entzückter Kummer", "loyaler Verrat", "brühende Kühle" (Hemingway).

In literarischen Kontexten signalisiert der Autor die Verwendung eines Oxymorons normalerweise nicht, aber im rhetorischen Gebrauch ist es üblich geworden, die Verwendung eines Oxymorons ausdrücklich anzukündigen, um das Argument zu verdeutlichen, wie in:

"Voltaire [...] könnten wir, in einem Oxymoron, das viel Wahrheit in sich trägt, einen 'epikureischen Pessimisten' nennen." (Quarterly Review Bd. 170 (1890), S. 289)

In diesem Beispiel wäre "Epikureer-Pessimist" in jedem Fall als Oxymoron zu erkennen, da der Kerngedanke des Epikureismus der Gleichmut ist (was jede Art von pessimistischer Einstellung ausschließen würde). Die ausdrückliche Werbung für die Verwendung von Oxymorons eröffnete jedoch eine gleitende Skala von weniger offensichtlichen Konstruktionen, die in "Meinungs-Oxymorons" wie "Wirtschaftsethik" enden.

J. R. R. Tolkien interpretierte seinen eigenen Nachnamen als von der niederdeutschen Entsprechung von dull-keen (hochdeutsch toll-kühn) abgeleitet, was eine wörtliche Entsprechung des griechischen oxy-moron wäre.

"Komisches Oxymoron"

"Komisches Oxymoron" ist ein Begriff für die Behauptung, dass ein bestimmter Satz oder Ausdruck ein Oxymoron ist (von Lederer (1990) als "Meinungsoxymoron" bezeichnet), um einen komischen Effekt zu erzielen. Die Komik besteht darin, dass eine Annahme (von der man annehmen könnte, dass sie umstritten oder zumindest nicht selbstverständlich ist) so offensichtlich ist, dass sie zum Wortschatz gehört. Ein Beispiel für ein solches "komisches Oxymoron" ist das "Bildungsfernsehen": Die Komik ergibt sich allein aus der Behauptung, dass es sich um ein Oxymoron handelt, indem impliziert wird, dass "Fernsehen" so trivial ist, dass es von Natur aus mit "Bildung" unvereinbar ist. In einem Artikel aus dem Jahr 2009 mit dem Titel "Daredevil" beschuldigte Garry Wills William F. Buckley, diesen Trend populär gemacht zu haben, und zwar aufgrund des Erfolgs von dessen Behauptung, dass "ein intelligenter Liberaler ein Oxymoron ist".

Zu den Beispielen, die 1975 von dem Komiker George Carlin populär gemacht wurden, gehören "militärische Intelligenz" (eine Anspielung auf die lexikalische Bedeutung des Begriffs "Intelligenz", die impliziert, dass "militärisch" das Vorhandensein von "Intelligenz" von vornherein ausschließt) und "Wirtschaftsethik" (was ebenfalls impliziert, dass der gegenseitige Ausschluss der beiden Begriffe offensichtlich ist oder allgemein verstanden wird, und nicht die parteipolitische Anti-Korporations-Position).

In ähnlicher Weise wird der Begriff "Bürgerkrieg" manchmal scherzhaft als "Oxymoron" bezeichnet (in Anspielung auf die lexikalische Bedeutung des Wortes "zivil").

Weitere Beispiele sind "ehrlicher Politiker", "natürlich handeln", "erschwinglicher Kaviar" (1993), "glücklich verheiratet" und "Microsoft Works" (2000).

Antonyme Paare

Die Aufzählung von Antonymen wie "gut und böse", "männlich und weiblich", "groß und klein" usw. führt nicht zu Oxymoronen, da nicht impliziert wird, dass ein bestimmtes Objekt die beiden gegensätzlichen Eigenschaften gleichzeitig aufweist. In einigen Sprachen ist es nicht notwendig, eine Konjunktion wie und zwischen die beiden Antonyme zu setzen; solche Verbindungen (nicht notwendigerweise von Antonymen) sind als dvandvas bekannt (ein Begriff aus der Sanskrit-Grammatik). Im Chinesischen zum Beispiel werden Verbindungen wie 男女 (Mann und Frau, männlich und weiblich, Geschlecht), 陰陽 (Yin und Yang), 善惡 (gut und böse, Moral) verwendet, um Paare, Bereiche oder die Eigenschaft anzugeben, die diese Extreme darstellen. Das italienische pianoforte oder fortepiano ist ein Beispiel aus einer westlichen Sprache; der Begriff ist eine Abkürzung für gravicembalo col piano e forte, sozusagen "Cembalo mit verschiedenen Lautstärken", was bedeutet, dass sowohl leise als auch laute (sowie dazwischen liegende) Töne gespielt werden können, nicht dass der erzeugte Klang irgendwie gleichzeitig "leise und laut" ist.

Eigenschaften

Der innere Widerspruch eines Oxymorons ist gewollt und dient der pointierten Darstellung eines doppelbödigen, mehrdeutigen oder vielschichtigen Inhalts, indem das Sowohl-als-auch des Sachverhaltes begrifflich widergespiegelt wird. Als Stilfigur ist das Oxymoron daher in der Lyrik und der dichterischen Prosa von Bedeutung, aber auch im politischen Diskurs und in der Werbung anzutreffen. Das Wort Oxymoron selbst ist bereits ein Oxymoron. Einen logischen Widerspruch, der ohne Absicht formuliert wird, nennt man lateinisch Contradictio in adiecto (dt. „Widerspruch in der Beifügung“).

Beispiele

  • „Beredtes Schweigen“
  • „ehemalige Zukunft“ (aus Ödön von Horváths Roman Jugend ohne Gott)
  • „Eile mit Weile“
  • Sachliche Romanze (von Erich Kästner)
  • „stummer Schrei“
  • „traurigfroh“ (aus Friedrich Hölderlins Ode Heidelberg)
  • „unsichtbar sichtbar“ (aus Goethes Faust I, V. 3450)
  • Das aus einer Aneinanderreihung von Oxymora bestehende Scherzgedicht Dunkel war’s, der Mond schien helle
  • „schwarze Milch der Frühe, wir trinken dich abends“ (aus Paul Celans Gedicht Todesfuge)
  • „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“ (aus George Orwells Roman 1984)
  • „Diese Fülle hat mich arm gemacht“ (Übersetzung von inopem me copia fecit aus Ovids Metamorphosen 3,466)
  • „¡Viva la muerte!“ („Es lebe der Tod!“, Wahlspruch der Falangisten im Spanischen Bürgerkrieg)

Abgrenzung des Oxymorons zum Paradoxon

Obgleich beide zunächst Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten aufweisen, sind die rhetorischen Stilmittel dennoch grundlegend verschieden. Gemeinsam ist beiden Stilmitteln bei oberflächlicher Betrachtung, dass sie Widersprüche kennzeichnen und darstellen. Im Falle des Paradoxons aber lösen diese sich wieder auf, es sind lediglich Scheinwidersprüche. Etwa in der Aussage „Weniger ist mehr“ scheinen sich die Wörter „weniger“ und „mehr“ zunächst grundsätzlich zu widersprechen. Bei näherer Reflexion offenbart sich ein hintergründiger Sinn in dem paradoxen Satz. Er findet Anwendung, wenn jemand im übertragenen Sinne „zu dick aufträgt“ oder „mit seiner Art beziehungsweise seinem Auftreten übertreibt“. In diesen Fällen kann es durchaus wertvoll sein, sich ein wenig zurückzunehmen. Dann beschriebe das „Weniger“ tatsächlich ein „Mehr“.

Ein solch tieferliegender, hintergründiger Sinn wird im Oxymoron hingegen vermisst. Hier geht es einzig um den vordergründigen Widerspruch und die sich daraus ergebene Mehrdeutigkeit. Zudem finden sich Paradoxa stets in einem vollständigen Satz, während ein Oxymoron nur aus einem Substantiv beziehungsweise einem Substantiv mit vorangestelltem Adjektiv, etwa „stummer Schrei“ besteht. Das Oxymoron ist eine Wortfigur im Gegensatz zum Paradoxon, bei dem es sich um eine Satzfigur handelt.