Äthiopien

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Eidgenössische Demokratische Republik Äthiopien
Name in den Landessprachen
  • Amharisch:የኢትዮጵያ ፌዴራላዊ ዴሞክራሲያዊ ሪፐብሊክ
    Ye-Ītyōṗṗyā Fēdēralawī Dēmokirasīyawī Rīpebilīk
    Oromo:Rippabliikii Federaalawaa Dimokraatawaa Itiyoophiyaa
    Somali:Jamhuuriyadda Dimuqraadiga Federaalka Itoobiya
    Tigrinya:ፌዴራላዊ ዴሞክራሲያዊ ሪፐብሊክ ኢትዮጵያ
    Fēdēralawī Dēmokirasīyawī Rīpebilīki Ítiyop'iya
    Afar:Itiyoppiya Federaalak Demokraatik Rippeblikih
Flagge von Äthiopien
Flagge
Wappen von Äthiopien
Wappen:
Hymne: 
ወደፊት ገስግሺ ፣ ውድ እናት ኢትዮጵያ
(Englisch: "March Forward, Dear Mother Ethiopia")
Standort von Äthiopien
Hauptstadt
und größte Stadt
Addis Abeba
9°1′N 38°45′E / 9.017°N 38.750°E
Offizielle SprachenAfar
Amharisch
Oromo
Somalisch
Tigrinya
Regionale Sprachen
  • Harari
  • Sidama
  • Sprachen in Äthiopien
Ethnische Gruppen
(2007)
  • 34,5% Oromo
  • 26,9% Amhara
  • 6,2% Somali
  • 6,1% Tigrayanisch
  • 4,0% Sidama
  • 2,5% Gurage
  • 2,3% Welayta
  • 1,7% Hadiya
  • 1,7% Afar
  • 1,5% Gamo
  • 12,6% Andere
Religion
(2016)
  • 67,3% Christentum
  • -43,8% Äthiopische Orthodoxie
  • -22,8% P'ent'ay
  • -0,7% Andere Christen
  • 31,3% Islam
  • 0,6% Traditionelle Glaubensrichtungen
  • 0,8% Andere / Keine
Demonym(e)Äthiopisch
RegierungFöderale parlamentarische Republik
- Präsident
Sahle-Work Zewde
- Premierminister
Abiy Ahmed
LegislativeParlamentarische Bundesversammlung
- Oberhaus
Haus der Föderation
- Unterhaus
Haus der Volksvertreter (House of Peoples' Representatives)
Gründung
- Äthiopisches Reich
1270
- Zemene Mesafint
7. Mai 1769
- Wiedervereinigung
11. Februar 1855
- Zentralisierung
1904
- Besetzt und eingegliedert in Italienisch-Ostafrika
9. Mai 1936
- Anglo-äthiopisches Abkommen
31. Januar 1942
- Derg
12. September 1974
- Übergangsregierung
28. Mai 1991
- Aktuelle Verfassung
21. August 1995
Gebiet
- Gesamt
1.104.300 km2 (426.400 sq mi) (26.)
- Wasser (%)
0.7
Einwohnerzahl
- Schätzung 2021
117.876.227 (12.)
- Volkszählung 2007
73,750,932
- Siedlungsdichte
92,7/km2 (240,1/qm) (123.)
BIP (PPP)2022 Schätzung
- Gesamt
278 Mrd. $ (58.)
- Pro-Kopf
$3,407
BIP (nominal)2022 Schätzung
- Gesamt
122,591 Mrd. $ (65.)
- Pro-Kopf
$1,040
Gini (2015)Negative increase 35.0
mittel
HDI (2019)Increase 0.485
niedrig - 173.
WährungBirr (ETB)
ZeitzoneUTC+3 (EAT)
Fahrende Seiterechts
Anrufer-Code+251
ISO-3166-CodeET
Internet TLD.et

Äthiopien, offiziell die Demokratische Bundesrepublik Äthiopien, ist ein Binnenstaat am Horn von Afrika. Es grenzt im Norden an Eritrea, im Nordosten an Dschibuti, im Osten und Nordosten an Somalia, im Süden an Kenia, im Westen an den Südsudan und im Nordwesten an den Sudan. Äthiopien hat eine Gesamtfläche von 1 100 000 Quadratkilometern (420 000 sq mi). Mit 117 Millionen Einwohnern ist es das zwölftbevölkerungsreichste Land der Welt und nach Nigeria das zweitbevölkerungsreichste in Afrika. Die Hauptstadt und größte Stadt des Landes, Addis Abeba, liegt einige Kilometer westlich des Ostafrikanischen Grabens, der das Land in die Afrikanische und die Somalische tektonische Platte spaltet.

Der anatomisch moderne Mensch stammt aus dem heutigen Äthiopien und machte sich im mittleren Paläolithikum auf den Weg in den Nahen Osten und andere Regionen. Das Tieflandgebiet des heutigen Äthiopiens wurde als wahrscheinliche Urheimat der afroasiatischen Sprachfamilie vorgeschlagen, die noch vor dem Neolithikum von einer Bevölkerung in den Fruchtbaren Halbmond verschleppt wurde, die eine Lebensweise mit intensiver Pflanzensammlung und Weidewirtschaft entwickelt hatte, aus der sich die heute praktizierte einheimische Lebensweise mit Landwirtschaft und Weidewirtschaft entwickelte. Im Jahr 980 v. Chr. dehnte das Königreich D'mt sein Reich auf Eritrea und die nördliche Region Äthiopiens aus, während das Königreich Aksum 900 Jahre lang eine einheitliche Zivilisation in der Region aufrechterhielt. Das Christentum hielt 330 Einzug in das Königreich, und der Islam kam mit der ersten Hidschra im Jahr 615. Nach dem Zusammenbruch von Aksum im Jahr 960 gab es in Äthiopien eine Vielzahl von Königreichen, die größtenteils aus Stammesverbänden bestanden. Die Zagwe-Dynastie herrschte über die nördlichen und zentralen Teile des Landes, bis sie 1270 von Yekuno Amlak gestürzt wurde, der damit das Äthiopische Reich und die salomonische Dynastie begründete, die ihre Abstammung vom biblischen Salomo und der Königin von Saba unter ihrem Sohn Menelik I. behauptete. Bis zum 14. Jahrhundert wuchs das Ansehen des Reiches durch territoriale Expansion und Kämpfe gegen benachbarte Gebiete; vor allem der Äthiopisch-Adalische Krieg (1529-1543) trug zur Zersplitterung des Reiches bei, das schließlich Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem Namen Zemene Mesafint dezentralisiert wurde. Kaiser Tewodros II. beendete die Zemene Mesafint zu Beginn seiner Regierungszeit im Jahr 1855 und leitete damit die Wiedervereinigung und Modernisierung Äthiopiens ein.

Ab 1878 führte Kaiser Menelik II. eine Reihe von Eroberungen durch, die als Meneliks Expansionen bekannt sind und die zur Bildung der heutigen Grenzen Äthiopiens führten. Jahrhunderts verteidigte sich Äthiopien gegen ausländische Invasionen, u. a. aus Ägypten und Italien; infolgedessen bewahrten Äthiopien und Liberia ihre Souveränität während des "Scramble for Africa". Im Jahr 1935 wurde Äthiopien vom faschistischen Italien besetzt und zusammen mit den von Italien besetzten Gebieten Eritrea und Somaliland annektiert, die später das italienische Ostafrika bildeten. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Land 1941 von der britischen Armee besetzt und erhielt 1944 nach einer Zeit der Militärverwaltung seine volle Souveränität zurück. Die Derg, eine von der Sowjetunion unterstützte Militärjunta, übernahm 1974 nach der Absetzung von Kaiser Haile Selassie und der salomonischen Dynastie die Macht und regierte das Land fast 17 Jahre lang, was den äthiopischen Bürgerkrieg auslöste. Nach der Auflösung des Derg im Jahr 1991 regierte die Äthiopische Revolutionäre Demokratische Volksfront (EPRDF) das Land mit einer neuen Verfassung und einem ethnisch begründeten Föderalismus. Seitdem leidet Äthiopien unter anhaltenden und ungelösten interethnischen Konflikten und politischer Instabilität, die von demokratischen Rückschritten geprägt ist. Seit 2018 haben regionale und ethnische Gruppierungen in mehreren Kriegen in ganz Äthiopien bewaffnete Angriffe verübt.

Äthiopien ist ein multiethnischer Staat mit über 80 verschiedenen ethnischen Gruppen. Christentum und Islam sind die wichtigsten Glaubensrichtungen in Äthiopien. Dieser souveräne Staat ist Gründungsmitglied der UNO, der Gruppe der 24, der Bewegung der Blockfreien Staaten, der Gruppe der 77 und der Organisation für Afrikanische Einheit. Addis Abeba ist der Sitz der Afrikanischen Union, der Panafrikanischen Industrie- und Handelskammer, der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika, der Afrikanischen Bereitschaftstruppe und vieler globaler Nichtregierungsorganisationen, die sich mit Afrika befassen. Äthiopien gilt als aufstrebende Macht und Entwicklungsland, das aufgrund ausländischer Direktinvestitionen in den Ausbau der Landwirtschaft und des verarbeitenden Gewerbes das schnellste Wirtschaftswachstum der afrikanischen Länder südlich der Sahara aufweist. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen und am Index der menschlichen Entwicklung gilt das Land jedoch als arm, mit hohen Armutsraten, geringer Achtung der Menschenrechte und einer Alphabetisierungsrate von nur 49 %. Die Landwirtschaft ist der größte Wirtschaftszweig in Äthiopien, auf den im Jahr 2020 36 % des Bruttoinlandsprodukts des Landes entfallen werden.

የኢትዮጵያ ፌዴራላዊ ዲሞክራሲያዊ ሪፐብሊክ

yä-Ityop̣p̣əya Federalawi Dimokrasiyawi Ripäblik
Demokratische Bundesrepublik Äthiopien
Flag of Ethiopia.svg
Coat of arms of Ethiopia.svg
Flagge Siegel
Amtssprache Amharisch
Hauptstadt Addis Abeba
Staats- und Regierungsform parlamentarische Republik
Staatsoberhaupt Präsidentin
Sahle-Work Zewde
Regierungschef Ministerpräsident
Abiy Ahmed Ali
Fläche 1.104.300 km²
Einwohnerzahl 112.079.000 (2019)
Bevölkerungsdichte 95 Einwohner pro km²
Bevölkerungs­entwicklung + 2,6 % (Schätzung für das Jahr 2019)
Bruttoinlandsprodukt
  • Total (nominal)
  • Total (KKP)
  • BIP/Einw. (nom.)
  • BIP/Einw. (KKP)
2019
  • 93 Milliarden USD (65.)
  • 263 Milliarden USD (61.)
  • 961 USD (169.)
  • 2.724 USD (168.)
Index der menschlichen Entwicklung 0,485 (173.) (2019)
Währung Birr (ETB)
Gründung 1995
National­hymne Wädäfit Gäsgeshi Wudd Ennate Ityop’ya
Nationalfeiertag 28. Mai
Zeitzone UTC+3
Kfz-Kennzeichen ETH
ISO 3166 ET, ETH, 231
Internet-TLD .et
Telefonvorwahl +251
ÄgyptenLibyenGuinea-BissauGuineaBeninÄquatorialguineaNamibiaEswatiniMosambikKeniaSomaliaDschibutiEritreaSudanRuandaUgandaBurundiSambiaMalawiSimbabweBotswanaÄthiopienSüdsudanNigerJemenOmanSaudi-ArabienIrakKuwaitKatarBahrainIsraelSyrienLibanonJordanienAfghanistanPakistanItalienFrankreichPortugalSpanienMauritiusRéunionMayotteKomorenSeychellenMadagaskarIndonesienBangladeschNepalBhutanMyanmarAntarktikaBolivienFrankreich (Französisch-Guayana)SurinameGuyanaKolumbienSchwedenIrlandNiederlandeBarbadosBelgienSlowenienLitauenLettlandEstlandAlbanienMontenegroRumänienGeorgienAserbaidschanKasachstanTadschikistanEthiopia on the globe (Africa centered).svg
Über dieses Bild
Äthiopien (Äthiopien)
Addis Abeba
Adama
Asaita
Awassa
Bahir Dar
Asosa
Dire Dawa
Dese
Gambela
Gonder
Harar
Jimma
Jijiga
Mek’ele
Shashemene
Ras Daschän
ROTES MEER
INDISCHER OZEAN
Golf von Aden
Tanasee
Abajasee
Turkana-See

Äthiopien ist mit über 80 ethnischen Gruppen und zahlreichen Sprachen ein Vielvölkerstaat und zugleich der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt. Ein großes Entwicklungshindernis ist das sehr schnelle Bevölkerungswachstum in einem traditionell ländlich geprägten Umfeld, in dem es oft an elementarer Infrastruktur mangelt. Die Hauptstadt Addis Abeba zählt hingegen zu den größten Metropolen Afrikas. Durch Urbanisierung wachsen auch weitere Städte wie Gonder, Mek’ele, Adama, Awassa, Bahir Dar und Dire Dawa.

Äthiopien gilt als eines der Herkunftsländer des modernen Menschen und als Ursprungsland des Kaffees. Es blickt auf rund 3000 Jahre ununterbrochener Geschichte zurück. Diese lange Zeitspanne einer von außen fast ungestörten Kultur- und Zivilisationsentwicklung macht das Land, das neun UNESCO-Welterbestätten aufweist, auch zu einem begehrten Tourismusziel. Nach der Schlacht von Adua 1896, bei der das kaiserliche Heer Äthiopiens eine italienische Kolonialarmee vernichtend besiegte, blieb Äthiopien neben Liberia zunächst der einzige unabhängige Staat Afrikas. Von 1935 bis 1941 folgte mit dem Abessinienkrieg ein brutaler Eroberungsversuch des faschistischen Italien, bei dem zwischen 330.000 und 760.000 Äthiopier getötet wurden.

Der BTI-Report von 2020 stellte erste Erfolge einer politischen und wirtschaftlichen Transformation fest.

Im August 2020 wurden von der Regierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed die Parlamentswahlen mit Verweis auf die COVID-19-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben, was zu innenpolitischen Konflikten führte. Ab November 2020 entwickelte sich der Konflikt der Zentralregierung mit der Regionalregierung von Tigray zum Bürgerkrieg in Tigray.

Etymologie

Der griechische Name Αἰθιοπία (von Αἰθίοψ, Aithiops, "ein Äthiopier") ist ein zusammengesetztes Wort, abgeleitet von den beiden griechischen Wörtern, von αἴθω + ὤψ (aithō "ich brenne" + ōps "Gesicht"). Nach dem Liddell-Scott Jones Greek-English Lexicon wird die Bezeichnung korrekt mit verbranntes Gesicht als Substantiv und rotbraun als Adjektiv übersetzt. Der Geschichtsschreiber Herodot verwendete die Bezeichnung, um die Teile Afrikas südlich der Sahara zu bezeichnen, die damals zur Ecumene (bewohnbaren Welt) gehörten. Da die Griechen den Begriff als "dunkelhäutig" verstanden, teilten sie die Äthiopier in zwei Gruppen ein: die in Afrika und die im Osten, von der Osttürkei bis nach Indien. Dieser griechische Name wurde als ኢትዮጵያ, ʾĪtyōṗṗyā ins Amharische entlehnt.

In griechisch-römischen Inschriften war Aethiopia ein spezifisches Toponym für das alte Nubien. Mindestens seit etwa 850 taucht der Name Aethiopia auch in vielen Übersetzungen des Alten Testaments in Anspielung auf Nubien auf. In den alten hebräischen Texten wird Nubien stattdessen als Kusch bezeichnet. Im Neuen Testament taucht jedoch der griechische Begriff Aithiops auf, der sich auf einen Diener der Kandake, der Königin von Kusch, bezieht.

In Anlehnung an die hellenischen und biblischen Überlieferungen weist das Monumentum Adulitanum, eine zum aksumitischen Reich gehörende Inschrift aus dem 3. Jahrhundert, darauf hin, dass der Herrscher von Aksum über ein Gebiet herrschte, das im Westen an das Gebiet von Äthiopien und Sasu grenzte. Der aksumitische König Ezana eroberte schließlich im folgenden Jahrhundert Nubien, und die Aksumiten übernahmen daraufhin die Bezeichnung "Äthiopier" für ihr eigenes Königreich. In der Ge'ez-Version der Ezana-Inschrift wird Aἰθίοπες mit dem unvokalisierten Ḥbšt und Ḥbśt (Ḥabashat) gleichgesetzt und bezeichnet erstmals die Hochlandbewohner von Aksum. Dieses neue Demonym wurde später als ḥbs ('Aḥbāsh) im Sabäischen und als Ḥabasha im Arabischen wiedergegeben.

Im Ge'ez-Buch von Axum aus dem 15. Jahrhundert wird der Name einer legendären Person namens Ityopp'is zugeschrieben. Er war ein außerbiblischer Sohn von Kusch, dem Sohn von Ham, der die Stadt Axum gegründet haben soll.

Im Englischen und allgemein außerhalb Äthiopiens war das Land historisch als Abessinien bekannt. Dieser Name wurde von der latinisierten Form des alten Habash abgeleitet.

Geschichte

Vorgeschichte

Hominidenschädel eines Homo sapiens idaltu
In Kibish befinden sich die ältesten Fossilien menschlicher Knochen, die auf ein Alter von 195.000 Jahren geschätzt werden, entlang des Omo-Flusses. Die Schädelreste sind 40.000 Jahre älter als in Herto, Äthiopien.

Mehrere wichtige Funde haben Äthiopien und die umliegende Region in den Blickpunkt der Paläontologie gerückt. Der älteste bisher in Äthiopien entdeckte Hominide ist der 4,2 Millionen Jahre alte Ardipithicus ramidus (Ardi), der 1994 von Tim D. White gefunden wurde. Der bekannteste Hominidenfund ist Australopithecus afarensis (Lucy). Das auch als Dinkinesh bekannte Exemplar wurde 1974 von Donald Johanson im Awash-Tal in der Afar-Region gefunden und ist eines der vollständigsten und am besten erhaltenen Fossilien eines erwachsenen Australopithecus, die je entdeckt wurden. Der taxonomische Name von Lucy bezieht sich auf die Region, in der der Fund gemacht wurde. Man schätzt, dass dieser Hominide vor 3,2 Millionen Jahren gelebt hat.

Äthiopien gilt auch als einer der frühesten Orte für die Entstehung des anatomisch modernen Menschen, Homo sapiens. Die ältesten dieser lokalen Fossilienfunde, die Omo-Überreste, wurden im südwestlichen Omo-Kibish-Gebiet ausgegraben und auf das mittlere Paläolithikum vor etwa 200.000 Jahren datiert. Außerdem wurden an einem Ort im mittleren Awash-Tal Skelette des Homo sapiens idaltu gefunden. Sie wurden auf die Zeit vor etwa 160 000 Jahren datiert und stellen möglicherweise eine ausgestorbene Unterart des Homo sapiens oder die unmittelbaren Vorfahren des anatomisch modernen Menschen dar. Archaische Homo-sapiens-Fossilien, die am Jebel Irhoud in Marokko ausgegraben wurden, wurden auf eine frühere Periode vor etwa 300.000 Jahren datiert, während Omo-Kibish I (Omo I) aus Südäthiopien das älteste derzeit bekannte anatomisch moderne Homo-sapiens-Skelett ist (196 ± 5 ka).

Einigen Sprachwissenschaftlern zufolge kamen die ersten afroasiatisch sprechenden Bevölkerungsgruppen in der darauffolgenden neolithischen Ära aus der vermuteten Urheimat der Familie im Niltal oder im Nahen Osten in die Region. Die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass sich die afroasiatische Sprachfamilie in Nordostafrika entwickelt hat, da es dort eine größere Vielfalt an Sprachlinien gibt - ein verräterisches Zeichen für den sprachlichen Ursprung.

Im Jahr 2019 entdeckten Archäologen an der Fundstelle Fincha Habera im Bale-Gebirge in 3 469 m Höhe einen 30 000 Jahre alten Felsunterschlupf aus der Mittelsteinzeit. In dieser Höhe ist der Mensch sowohl für Hypoxie als auch für extreme Wetterbedingungen anfällig. Laut einer in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie ist diese Behausung der Beweis für die früheste bisher entdeckte dauerhafte menschliche Besiedlung in großer Höhe. Es wurden Tausende von Tierknochen, Hunderte von Steinwerkzeugen und alte Feuerstellen entdeckt, die auf eine Ernährung mit riesigen Maulwurfsratten schließen lassen.

Belege für einige der frühesten bekannten Projektilwaffen aus Stein (ein charakteristisches Werkzeug des Homo sapiens), die steinernen Spitzen von Speeren oder Wurfspeeren, wurden 2013 an der äthiopischen Fundstätte Gademotta entdeckt, die auf die Zeit vor etwa 279 000 Jahren datiert werden. Im Jahr 2019 wurden in Aduma weitere Projektilwaffen aus der Mittelsteinzeit gefunden, die auf die Zeit vor 100 000 bis 80 000 Jahren datiert werden, und zwar in Form von Spitzen, die wahrscheinlich zu Pfeilen von Speerwerfern gehören.

Das östliche Afrika wird von der überwiegenden Mehrheit aller Paläoanthropologen als die Wiege der Menschheit bezeichnet. Lange bevor es Schrift gab oder eine Überlieferung, auf die wir uns heute beziehen können, gab es auf dem Gebiet des heutigen Äthiopiens Vormenschen und frühe Vertreter der Gattung Homo. Zahlreiche Überreste solcher Vormenschen (zum Beispiel Australopithecus afarensis) wurden in Äthiopien gefunden („Lucy“ 1974 in Hadar; DIK 1-1 (genannt „Selam“) 2000 in Dikika).

Antike

Der Obelisk von Axum stammt aus dem 4.

Im Jahr 980 v. Chr. wurde Dʿmt im heutigen Eritrea und in der Region Tigray in Äthiopien gegründet. Die Hauptstadt dieses Volkes befand sich in Yeha im heutigen Nordäthiopien. Die meisten modernen Historiker gehen davon aus, dass es sich um eine einheimische äthiopische Zivilisation handelte, obwohl früher viele davon ausgingen, dass sie unter dem Einfluss der Sabäer stand, da diese die Vorherrschaft über das Rote Meer hatten.

Andere Gelehrte betrachten Dʿmt als das Ergebnis einer Vereinigung afroasiatisch sprechender Kulturen des kuschitischen und des semitischen Zweigs, nämlich der lokalen Agaw-Völker und der Sabäer aus Südarabien. Es wird jedoch angenommen, dass sich Ge'ez, die alte semitische Sprache Äthiopiens, unabhängig von der sabäischen Sprache entwickelt hat. Bereits 2000 v. Chr. lebten andere semitische Sprecher in Äthiopien und Eritrea, wo sich Ge'ez entwickelte. Man geht heute davon aus, dass der sabäische Einfluss gering war, sich auf einige wenige Orte beschränkte und nach einigen Jahrzehnten oder einem Jahrhundert wieder verschwand. Es könnte sich um eine Handels- oder Militärkolonie gehandelt haben, die mit der äthiopischen Zivilisation von Dʿmt oder einem anderen proto-axumitischen Staat verbündet war.

Aksumitische Währung des aksumitischen Königs namens Endubis, 227-35, im Britischen Museum. Die Inschriften auf Altgriechisch lauten "ΑΧΩΜΙΤΩ ΒΑΣΙΛΕΥΣ" ("König von Axum") und "ΕΝΔΥΒΙΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ" ("König Endubis"), die griechische Sprache war zu dieser Zeit die Verkehrssprache, so dass ihre Verwendung auf Münzen den Außenhandel vereinfachte.

Nach dem Fall von Dʿmt im 4. Jahrhundert v. Chr. wurde die äthiopische Hochebene von kleineren Nachfolgekönigreichen beherrscht. Im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand das Königreich Aksum in der heutigen Region Tigray und Eritrea. Dem mittelalterlichen Buch von Axum zufolge wurde die erste Hauptstadt des Königreichs, Mazaber, von Itiyopis, dem Sohn von Kusch, erbaut. Später dehnte Aksum seine Herrschaft zeitweise bis in den Jemen auf der anderen Seite des Roten Meeres aus. Der persische Prophet Mani zählte Axum im 3. Jahrhundert zusammen mit Rom, Persien und China zu den vier Großmächten seiner Zeit. Es wird auch angenommen, dass es eine Verbindung zwischen ägyptischen und äthiopischen Kirchen gab. Es gibt kleine Hinweise darauf, dass die Aksumiten durch ihre königliche Inschrift mit der Königin von Saba in Verbindung gebracht wurden.

Um 316 n. Chr. begleiteten Frumentius und sein Bruder Edesius aus Tyrus ihren Onkel auf einer Reise nach Äthiopien. Als das Schiff in einem Hafen am Roten Meer anlegte, töteten die Einheimischen alle Reisenden bis auf die beiden Brüder, die als Sklaven an den Hof gebracht wurden. Sie erhielten vom Monarchen eine Vertrauensstellung und bekehrten Mitglieder des königlichen Hofes zum Christentum. Frumentius wurde der erste Bischof von Aksum. Eine Münze aus dem Jahr 324 zeigt, dass Äthiopien das zweite Land war, das offiziell das Christentum annahm (nach Armenien im Jahr 301), auch wenn die Religion zunächst auf den Hof beschränkt gewesen sein mag; es war die erste Großmacht, die dies tat. Die Aksumiten waren an die griechisch-römische Einflusssphäre gewöhnt, knüpften aber über die Seidenstraße bedeutende kulturelle Beziehungen und Handelsverbindungen zwischen dem indischen Subkontinent und dem Römischen Reich an, wobei sie vor allem Elfenbein, Schildpatt, Gold und Smaragde exportierten und Seide und Gewürze importierten.

Das Mittelalter

Das Königreich Aksum in seiner Blütezeit im 6.

Den Namen "Äthiopien" nahm das Königreich während der Herrschaft von Ezana im 4. Nach der Eroberung des Königreichs Kusch im Jahr 330 erreichte das aksumitische Territorium seinen Höhepunkt zwischen dem 5. und 6. Diese Periode wurde durch mehrere Einfälle in das südarabische Protektorat unterbrochen, darunter der jüdische Dhu Nuwas des Himyaritischen Königreichs und die aksumitisch-persischen Kriege. Im Jahr 575 belagerten die Aksumiten Sana'a und eroberten es nach der Ermordung seines Gouverneurs Sayf ibn Dhī Yazan zurück. Die Hafenstadt Adulis wurde im 8. Jahrhundert von arabischen Muslimen geplündert; zusammen mit unwiderruflicher Landverödung, behauptetem Klimawandel und sporadischen Niederschlägen von 730-760 verlor das Königreich wahrscheinlich seine Macht und wichtige Handelsroute, und das Rote Meer wurde 646 dem Raschidun-Kalifat überlassen.

Das Ende von Aksum kam im Jahr 960, als Königin Gudit den letzten König von Aksum besiegte. Gudits Herrschaft, die 40 Jahre dauerte, zielte darauf ab, das Christentum abzuschaffen (eine Religion, die zuerst von König Ezana aus der Dynastie der Axumiten angenommen worden war), indem sie Kirchen niederbrannte und Menschen kreuzigte, die der orthodoxen Tewahedo-Kirche treu blieben, die damals als Staatsreligion galt. Gudit versuchte, viele Menschen zum Religionswechsel zu zwingen, und zerstörte viel historisches Erbe der Axumite-Dynastie, was ihr den Beinamen Yodit Gudit (auf Amharisch: ዮዲት ጉዲት, ein Wortspiel, das in etwa Judith die Böse bedeutet) einbrachte. Die Verwüstung durch Gudit veranlasste den Rest der aksumitischen Bevölkerung, in die südliche Region zu ziehen und die Zagwe-Dynastie zu gründen, die ihre Hauptstadt nach Lalibela verlegte. Die Dynastie wurde ab etwa 912 von der Ethnie der Agaw regiert, obwohl die meisten einheimischen Quellen das Jahr 1137 angeben, als ihr Gründer Mara Takla Haymanot den letzten aksumitischen König Dil Na'od stürzte und dessen Tochter heiratete. Die Zagwe-Dynastie war für die Wiederbelebung des Christentums bekannt, und im 13. Jahrhundert erreichte das Christentum die Region Shewan.

Porträt des Kaisers Yekuno Amlak, angeblich aus dem 18.

Die Herrschaft von Zagwe endete, als sich ein adliger Amhara-Mann namens Yekuno Amlak gegen König Yetbarak auflehnte und das Äthiopische Reich (bekannt unter dem Namen "Abessinien") gründete. Er begründete die salomonische Dynastie, die angeblich auf den biblischen Salomon und die Königin von Saba zurückgeht. Die Behauptung, Menelik I. sei ihr Erstgeborener, führte zur Gründung der Dynastie und zum ersten Kaiser von Äthiopien im 10. Laut der mittelalterlichen äthiopischen Chronik Kebra Nagast, die 1321 ins Ge'ez übersetzt wurde, war sein Name Bäynä Ləḥkəm (aus dem Arabischen: ابن الحكيم, Ibn Al-Hakim, "Sohn des Weisen").

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts suchte Äthiopien zum ersten Mal seit der aksumitischen Ära diplomatische Kontakte zu europäischen Königreichen. Es ist ein Brief Heinrichs IV. von England an den äthiopischen Kaiser erhalten. Im Jahr 1428 schickte Yeshaq I. zwei Abgesandte zu Alfons V. von Aragonien, der seine eigenen Abgesandten schickte, die die Rückreise nach Aragonien nicht antraten. Die ersten kontinuierlichen Beziehungen zu den Europäern begannen 1508 mit Portugal unter Dawit II.

Abessinisch-Adalischer Krieg (1529-1543)

Der Sultan von Adal (rechts) und seine Truppen im Kampf gegen Kaiser Yagbea-Sion und seine Männer.

Das Äthiopische Reich begann seine territoriale Expansion mit Amda Seyon I., der im 14. Jahrhundert den ersten muslimischen Staat in der Region, das Ifat-Sultanat, eroberte, nachdem er um 1317 das Königreich Damot eingenommen hatte, und die Expansionsbestrebungen wurden von Kaiser Zara Yaqob fortgesetzt, der um 1465 Massawa und die Dahlak-Inselgruppe eroberte. Ifats Nachfolger, das Sultanat Adal, entstand 1415 mit seiner Hauptstadt Zelia, die im heutigen Somaliland liegt.

Kaiser Dawit II (Lebna Dengel), zeitgenössisches Porträt von Cristofano dell'Altissimo

Die Adal, die von den osmanischen Türken unterstützt wurden, versuchten zunächst, unter Imam Ahmad ibn Ibrahim al-Ghazi 1529 in das äthiopische Reich einzudringen, was den Äthiopisch-Adalischen Krieg auslöste. Nach mehreren Feldzügen überwältigte Al-Ghazi die äthiopischen Truppen 1531 in der Schlacht von Amba Sel. Cristóvão da Gama spielte eine herausragende Rolle in diesem Krieg und unterstützte das äthiopische Reich mit 400 Musketieren bei Massawa. Sein lebenswichtiger Einsatz führte schließlich zu seinem Tod in der Schlacht von Wofla im Jahr 1542. 1543 besiegten die abessinischen Truppen unter der Führung von Kaiser Gelawdewos die Adal-Truppen in der Schlacht von Wayna Daga entscheidend; der Imam wurde dabei tödlich verwundet, wobei die Überlieferung besagt, dass Ahmad von einem portugiesischen Musketier verwundet wurde, der allein in die muslimischen Linien gestürmt war und starb. Der verwundete Imam wurde dann von einem äthiopischen Kavalleriekommandanten namens Azmach Calite verfolgt und enthauptet. Als die Adal-Truppen von seinem Tod erfuhren, zogen sie sich sofort aus dem Gebiet zurück.

Gelawdewos wurde 1559 in der Schlacht von Fatagar enthauptet. Im Gegenzug plünderte der abessinische Ras Hamalmal die Adal-Hauptstadt Harar und tötete den Sultan Barakat ibn Umar Din. Diese Reihe von Konflikten ebnete den Weg für die Auswanderung der Oromo ins nördliche Hochland im 16.

Oromo-Migrationen (16. Jahrhundert)

Im 16. Jahrhundert zersplitterte eine Migrationswelle ethnischer Oromo in die nördlichen Teile der Region die Macht des Reiches, die als "Große Oromo-Expansion" bezeichnet wird. Die Oromos, die aus dem heutigen Guji und der Borena-Zone kamen, wurden vor allem durch verschiedene volkstümliche Vorstellungen motiviert - angefangen mit Moggaasaa und Liqimssa -, von denen sich viele auf ihre Raubzüge bezogen. Die frühe Expansion war durch schnelle Raubzüge gekennzeichnet, bei denen die Räuber das meiste Vieh und die meiste Beute erbeuteten und dann in ihr Heimatland zurückkehrten. Diese Methode wurde bis zur Gada von Meslé beibehalten. Laut Abba Bahrey erfolgte die früheste Expansion unter Kaiser Dawit II (luba Melbah), als sie bis nach Bale vordrangen, bevor sie in das Sultanat Adal einfielen.

Kaiser Sarsa Dengel versuchte erfolglos, die Invasion im Süden zu unterdrücken, nachdem sie 1572 Wej eingenommen hatten.

Einfluss der Jesuiten (1555-1632)

Kaiser Susenyos I. war der erste Kaiser, der 1622 zum römisch-katholischen Glauben konvertierte und damit die Einstellung der Bevölkerung zum orthodoxen Tewahedo-Christentum unterstrich

Ab dem 17. Jahrhundert kam es in Äthiopien zu wichtigen diplomatischen Kontakten mit Portugal, die hauptsächlich die Religion betrafen. Ab 1555 versuchten die portugiesischen Jesuiten, den römischen Katholizismus zur Staatsreligion zu machen. Nach mehreren Misserfolgen entsandten sie 1603 mehrere Missionare, darunter den einflussreichsten spanischen Jesuiten Pedro Paez. Die enthusiastische Beziehung von Paez hatte enorme positive Auswirkungen auf den politischen Bereich. Die Jesuiten, darunter Manoel de Almeida, Manoel Barradas und Jerónimo Lobo, schrieben ein halbes Dutzend Geschichten über die erste Begegnung mit den Äthiopiern. Ihr Buch war jedoch bis zum 20. Jahrhundert, als es vollständig veröffentlicht wurde, unbekannt. Unter Kaiser Susenyos I. wurde der römische Katholizismus im Jahr 1622 zur Staatsreligion des äthiopischen Reiches. Diese beispiellose Entscheidung löste sofort einen Aufstand der orthodoxen Bevölkerung aus.

Gondarine-Periode (1632-1769)

Kaiser Fasilides (reg. 1632-1667) war eine der Hauptfiguren der Gondarine-Periode

Im Jahr 1632 beendete Kaiser Fasilides erfolgreich die römisch-katholische Staatsverwaltung und stellte das orthodoxe Tewahedo als Staatsreligion wieder her. Die Herrschaft von Fasilides führte zu einer Festigung der kaiserlichen Macht und zur Verlegung der Hauptstadt nach Gondar im Jahr 1636, womit eine als "Gondarine-Periode" bekannte Übergangszeit begann. Er vertrieb die Jesuiten, indem er ihr Land zurückforderte und sie nach Fremona verbannte. Während seiner Herrschaft ließ er eine der berühmtesten königlichen Festungen, Fasil Ghebbi, errichten, vierundvierzig Kirchen bauen und die äthiopische Kunst wiederbeleben. Ihm wird auch der Bau von sieben Steinbrücken über den Blauen Nil zugeschrieben.

Die Rebellion der Agaw-Bevölkerung in Lasta hielt die Reformation auf. Fasilides führte Strafexpeditionen nach Lasta durch und schlug sie erfolgreich nieder, was der schottische Reisende James Bruce folgendermaßen beschrieb: "Fast die gesamte Armee kam inmitten der Berge um; ein großer Teil durch Hunger, aber ein noch größerer durch Kälte, ein sehr bemerkenswerter Umstand in diesen Breitengraden." Fasilides versuchte zwischen 1642 und 1647, feste Beziehungen zum jemenitischen Imam Al-Mutawakkil Isma'il aufzubauen, um eine Handelsroute durch das von den Osmanen gehaltene Massawa zu erörtern, was jedoch erfolglos blieb.

Kaiser Iyoas I. (reg. 1755-1769) wurde 1769 während seiner Herrschaft von Ras Mikael Sehul vorzeitig ermordet

Nach dem Tod von Iyasu I. im Jahr 1706 verfielen die Macht und das Ansehen Gondars, da die meisten Kaiser es vorzogen, ihr luxuriöses Leben zu genießen, anstatt sich der Politik zu widmen. Nach dem Tod von Iyasu II. im Jahr 1755 holte Kaiserin Mentewab ihren Bruder, Ras Wolde Leul, nach Gondar und ernannte ihn zum Ras Bitwaded, was zu einem Regierungskonflikt zwischen Mentewabs Quaregnoch und der von Wubit angeführten Wollo-Gruppe führte. 1767 eroberte Ras Mikael Sehul, ein Regent in der Provinz Tigray, Gondar und ermordete 1769 das Kind Iyoas I., der zu dieser Zeit Kaiser war, und setzte den 70-jährigen Yohannes II. ein, was den Beginn der dezentralisierten Ära der Zemene Mesafint markierte.

Zemene Mesafint (1769-1889)

Zwischen 1769 und 1855 erlebte Äthiopien eine Periode der Isolation, die als Zemene Mesafint oder "Zeitalter der Prinzen" bezeichnet wird. Die Kaiser wurden zu Galionsfiguren, die von regionalen Fürsten und Adligen wie Ras Mikael Sehul, Ras Wolde Selassie von Tigray und von der Yejju-Oromo-Dynastie der Wara Sheh, wie Ras Gugsa von Yejju, kontrolliert wurden. Vor dem Zemene Mesafint hatte Kaiser Iyoas I. am Hof die Oromo-Sprache (Afaan Oromo) anstelle des Amharischen eingeführt.

Kaiser Tewodros II. (reg. 1855-1868) beendete die Zemene Mesafint

Der äthiopische Isolationismus endete nach einer britischen Mission, die mit einem Bündnis zwischen den beiden Nationen endete, aber erst 1855 wurden die Amhara-Königreiche in Nordäthiopien (Gondar, Gojjam und Shewa) kurzzeitig vereinigt, nachdem die Macht des Kaisers ab der Regierungszeit von Tewodros II. wiederhergestellt worden war. Tewodros II. leitete einen Prozess der Konsolidierung, Zentralisierung und des Staatsaufbaus ein, der von den nachfolgenden Kaisern fortgesetzt werden sollte. In diesem Prozess wurde die Macht der regionalen Herrscher beschnitten, die Verwaltung des Reiches umstrukturiert und eine Berufsarmee geschaffen. Diese Veränderungen schufen die Grundlage für die Errichtung der tatsächlichen Souveränität und territorialen Integrität des äthiopischen Staates.

Umgekehrt hatte Tewodros mit mehreren Rebellionen innerhalb seines Reiches zu kämpfen. Nördliche Oromo-Milizen, tigrayanische Rebellionen und das ständige Eindringen des Osmanischen Reiches und ägyptischer Truppen in der Nähe des Roten Meeres schwächten Tewodros II. und brachten ihn schließlich zu Fall. Er tötete sich 1868 während seines letzten Kampfes mit der britischen Expedition nach Abessinien in der Schlacht von Magdala. Nach Tewodros' Tod wurde Tekle Giyorgis II. zum Kaiser ausgerufen, unterlag jedoch in den Schlachten von Zulawu (21. Juni 1871) und Adwa (11. Juli 1871).

Der siegreiche Mercha Kassai wurde am 21. Januar 1872 zu Yohannes IV. erklärt. In den Jahren 1875 und 1876 fielen osmanisch-ägyptische Truppen, die von zahlreichen europäischen und amerikanischen "Beratern" begleitet wurden, zweimal in Abessinien ein, wurden aber zunächst besiegt: einmal in der Schlacht von Gundit, wo sie 800 Mann verloren, und dann bei der zweiten Invasion in der Schlacht von Gura am 7. März 1875, wo die Invasionstruppen mindestens 3 000 Mann durch Tod oder Gefangennahme verloren.

Auf dem Konzil von Boru Meda im Jahr 1878 erließ Yohannes ein Dekret, wonach die äthiopischen Muslime entweder das Christentum annehmen oder verbannt werden mussten. Diejenigen, die sich weigerten, wurden auf der Stelle hingerichtet. Zehntausende wurden getötet, und noch mehr verließen ihr Land und ihr Hab und Gut und flohen nach Harar, Bale, Arsi, Jimma und sogar in den Sudan. Von 1885 bis 1889 beteiligte sich Äthiopien an dem mit Großbritannien, der Türkei und Ägypten verbündeten Mahdistenkrieg gegen den sudanesischen Mahdistenstaat. Im Jahr 1887 fiel Menelik II., König von Shewa, nach seinem Sieg in der Schlacht von Chelenqo in das Emirat Harar ein. Am 10. März 1889 wurde Yohannes IV. von der Armee des sudanesischen Khalifa Abdullah getötet, als er seine Armee in der Schlacht von Gallabat anführte.

Von Menelik II. bis Adwa (1889-1913)

Die Eroberungen von Kaiser Yohannes IV., Negus Menelik und General Ras Alula in den Jahren 1879-1889

Äthiopien in seiner heutigen Form entstand unter der Herrschaft von Menelik II., der von 1889 bis zu seinem Tod im Jahr 1913 Kaiser war. Von seiner Basis in der zentralen Provinz Shewa aus machte sich Menelik daran, Gebiete im Süden, Osten und Westen zu annektieren - Gebiete, die von den Oromo, Sidama, Gurage, Welayta und anderen Völkern bewohnt wurden. Dies gelang ihm mit Hilfe der Shewan-Oromo-Miliz von Ras Gobana Dacche, die Gebiete besetzte, die seit dem Krieg von Ahmad ibn Ibrahim al-Ghazi nicht mehr in Besitz genommen worden waren, sowie weitere Gebiete, die nie unter äthiopischer Herrschaft gestanden hatten. Während der Eroberung der Oromo verübte die äthiopische Armee Gräueltaten an der Oromo-Bevölkerung, darunter Massenverstümmelungen, Massentötungen und Sklaverei im großen Stil. Schätzungen zufolge ging die Zahl der im Zuge der Eroberung getöteten Menschen in die Millionen. Auch gegen das Volk der Dizi und das Volk des Königreichs Kaffa wurden in großem Umfang Gräueltaten begangen. Meneliks Feldzug gegen Oromos außerhalb seiner Armee war vor allem eine Vergeltung für den jahrhundertelangen Expansionsdrang der Oromo und die Zemene Mesafint, eine Periode, in der eine Reihe von Oromo-Feudalherren das Hochland beherrschten. An der Spitze dieser Dynastie stand die Yejju-Dynastie, zu der Aligaz von Yejju und sein Bruder Ali I. von Yejju gehörten. Letzterer gründete die Stadt Debre Tabor in der Amhara-Region, die zur Hauptstadt der Dynastie wurde.

Menelik II. war der Sohn von Haile Melekot, Negus von Shewa, und Ejegayehu Lema Adeyamo, einer Palastdienerin. Er wurde in Angolala in einem Oromo-Gebiet geboren und lebte seine ersten zwölf Jahre unter den Oromos von Shewan, mit denen er also viel gemeinsam hatte. Während Meneliks Herrschaft wurden der Straßenbau, die Elektrizität und das Bildungswesen vorangetrieben und ein zentrales Steuersystem entwickelt. Die Stadt Finfinne wurde wiederaufgebaut und in Addis Abeba umbenannt; 1889-1891 wurde sie zur neuen Hauptstadt des Äthiopischen Reiches.

Aufgrund seiner Führungsqualitäten wurde Menelik II. trotz des Widerstands der traditionelleren Teile der Gesellschaft als Nationalheld gefeiert. Er hatte im Mai 1889 den Vertrag von Wuchale mit Italien unterzeichnet, in dem Italien die Souveränität Äthiopiens anerkannte, solange es ein Gebiet nördlich von Äthiopien (heute Teil des modernen Eritrea) kontrollieren konnte. Im Gegenzug sollte Italien Menelik mit Waffen versorgen und ihn als Kaiser unterstützen. Die Italiener nutzten die Zeit zwischen der Unterzeichnung des Vertrags und seiner Ratifizierung durch die italienische Regierung, um ihre territorialen Ansprüche zu erweitern. Dieser Erste Italo-Äthiopische Krieg gipfelte in der Schlacht von Adwa am 1. März 1896, in der Italiens Kolonialtruppen von den Äthiopiern besiegt wurden. Im Jahr 1896 wurde der Vertrag von Addis Abeba unterzeichnet, der den Vertrag von Wuchale ersetzte und günstigere Bedingungen für Äthiopien enthielt.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung starb in der Großen Äthiopischen Hungersnot (1888 bis 1892).

Ära Haile Selassie I. (1916-1974)

Haile Selassie in seinem Arbeitszimmer im Jubilee Palace (1942)

Das frühe 20. Jahrhundert war geprägt von der Herrschaft des Kaisers Haile Selassie (Ras Tafari). Haile Selassie I. wurde als Sohn von Eltern geboren, die ethnische Verbindungen zu drei afroasiatisch sprechenden Völkern Äthiopiens hatten: den Oromo und den Amhara, den beiden größten ethnischen Gruppen des Landes, sowie den Gurage. Er kam an die Macht, nachdem Lij Iyasu abgesetzt worden war, und führte ab 1916 eine landesweite Modernisierungskampagne durch, als er zum Ras und Regenten (Inderase) für die Kaiserin Regentin Zewditu ernannt wurde und de facto zum Herrscher des Äthiopischen Reiches aufstieg. Nach dem Tod von Zewditu am 2. November 1930 wurde er ihr Nachfolger als Kaiser. 1931 gab Haile Selassie Äthiopien seine erste Verfassung nach dem Vorbild der Verfassung des kaiserlichen Japans von 1890, mit der das mitteleuropäische Modell eines einheitlichen und homogenen ethnolinguistischen Nationalstaates für das äthiopische Reich übernommen wurde.

Besetzung durch das faschistische Italien (1936-1941)

Äthiopische Kavallerie während des Zweiten Italo-Äthiopischen Krieges im Jahr 1936

Die Unabhängigkeit Äthiopiens wurde durch den Zweiten Italo-Äthiopischen Krieg unterbrochen, der mit der Invasion durch das faschistische Italien Anfang Oktober 1935 begann und nach dem italienischen Sieg im Krieg die italienische Herrschaft über das Land (1936-1941) zur Folge hatte. Während dieser Zeit ging Haile Selassie ins Exil und wandte sich 1935 an den Völkerbund, wo er eine Rede hielt, die ihn weltweit bekannt machte und 1935 zum Time Man of the Year gekürt wurde. Da die Mehrheit der äthiopischen Bevölkerung in ländlichen Städten lebte, sah sich Italien während seiner Herrschaft über Äthiopien immer wieder mit Widerstand und Hinterhalten in städtischen Zentren konfrontiert. Haile Selassie floh ins Exil nach Fairfield House, Bath, England. Mussolini konnte Italienisch-Äthiopien und die Übernahme des Kaisertitels durch den italienischen König Vittorio Emanuele III. verkünden.

Im Jahr 1937 fand das italienische Massaker von Yekatit 12 statt, bei dem zwischen 1.400 und 30.000 Zivilisten getötet und viele andere inhaftiert wurden. Dieses Massaker war eine Vergeltungsmaßnahme für das versuchte Attentat auf Rodolfo Graziani, den Vizekönig von Italienisch-Ostafrika. Bei ihrer Invasion in Äthiopien setzten die Italiener erstickende chemische Waffen ein. Die Italiener warfen in ganz Äthiopien regelmäßig Bomben ab, die Senfgas enthielten und die äthiopischen Streitkräfte schwächten. Insgesamt warfen die Italiener etwa 300 Tonnen Senfgas sowie Tausende anderer Artilleriewaffen ab. Dieser Einsatz von Chemiewaffen kam einem ungeheuerlichen Kriegsverbrechen gleich.

Ras Seyoum Mengesha, Ras Getachew Abate und Ras Kebede Gubret mit Benito Mussolini am 6. Februar 1937 in Rom, Italien, nach der italienischen Besetzung Äthiopiens

Während ihrer Herrschaft über Äthiopien investierten die Italiener in die Entwicklung der äthiopischen Infrastruktur. Sie schufen die so genannte "Kaiserstraße" zwischen Addis Abeba und Massaua. Mehr als 900 km Eisenbahnstrecken wurden wiederhergestellt, Dämme und Wasserkraftwerke gebaut und zahlreiche öffentliche und private Unternehmen gegründet. Die italienische Regierung schaffte die Sklaverei ab, die in dem Land jahrhundertelang praktiziert worden war.

Nach dem Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg befreiten die Streitkräfte des britischen Empires zusammen mit den Arbegnoch (wörtlich "Patrioten", was sich auf bewaffnete Widerstandssoldaten bezieht) Äthiopien im Zuge des Ostafrika-Feldzugs 1941. Ein italienischer Guerillakrieg dauerte bis 1943. Das Land wurde unter britische Militärverwaltung gestellt. Mit der Unterzeichnung des anglo-äthiopischen Abkommens im Dezember 1944 erkannte Großbritannien die volle Souveränität Äthiopiens ohne britische Sonderrechte an, obwohl einige Regionen noch mehrere Jahre unter britischer Kontrolle blieben. Im Rahmen des Friedensvertrags von 1947 erkannte Italien die Souveränität und Unabhängigkeit Äthiopiens an.

Am 26. August 1942 erließ Haile Selassie eine Proklamation, mit der die Rechtsgrundlage für die Sklaverei aufgehoben wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Äthiopien zwischen zwei und vier Millionen Sklaven, bei einer Gesamtbevölkerung von etwa elf Millionen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1941-1974)

1952 rief Haile Selassie eine Föderation mit Eritrea ins Leben. Er löste diese 1962 auf und annektierte Eritrea, was zum eritreischen Unabhängigkeitskrieg führte.

General Mengistu (links) und Germame Neway (rechts) waren die beiden Täter des gescheiterten Staatsstreichs von 1960 gegen Kaiser Haile Selassie

Haile Selassie wurde 1960 durch eine Verschwörung der hauptsächlich progressiven Oppositionsgruppe unter der Führung der Brüder Germame und Mengistu Neway beinahe gestürzt, während Selassie sich auf einem Staatsbesuch in Brasilien befand. Am Dienstagabend, dem 13. Dezember, täuschte eine Gruppe die Minister der kaiserlichen Krone und wichtige Persönlichkeiten, um in den Nationalpalast einzudringen und sie als Geiseln zu nehmen. Am nächsten Tag begannen die Kämpfe vor allem zwischen der kaisertreuen Armee (Kebur Zebegna) und den von General Tsege und Oberst Warqenah angeführten Rebellen. Zu Beginn des Kampfes töteten Germame und seine Mitstreiter 15 der im Genetta-Leul-Palast festgehaltenen Geiseln. Darunter befanden sich Beamte wie der damalige Premierminister Ras Abebe Aregai, Makonnen Habte-Wolde und Generalmajor Mulugeta.

General Tsege wurde bei den Kämpfen getötet, Oberst Warqenah beging Selbstmord, und die Brüder Mengistu und Germame Neway waren am 24. Dezember in der Nähe von Mojo, die bald darauf durch Erhängen auf dem Kirchplatz in Addis Abeba hingerichtet werden sollten, doch Germame entzog sich durch Selbstmord. Der Staatsstreich galt als ernsthafte Bedrohung für Haile Selassie bis zur äthiopischen Revolution von 1974. Im Jahr 1963 spielte Haile Selassie eine führende Rolle bei der Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU).

Aufgrund der weltweiten Ölkrise von 1973, die ab dem 13. Februar 1974 zu einem drastischen Anstieg der Benzinpreise führte, wandte sich die Meinung in Äthiopien gegen Haile Selassie. Die hohen Benzinpreise veranlassten Taxifahrer und Lehrer, am 18. Februar 1974 in den Streik zu treten, und am 20. Februar 1974 begannen Studenten und Arbeiter in Addis Abeba gegen die Regierung zu demonstrieren. In der Folge kam es zu Lebensmittelknappheit, Ungewissheit über die Nachfolge, Grenzkriegen und einer durch die Modernisierung entstandenen Unzufriedenheit in der Mittelschicht. Das feudal-oligarchische Kabinett von Aklilu Habte-Wold wurde gestürzt, und es wurde eine neue Regierung mit Endelkachew Makonnen als Premierminister gebildet.

Die Derg-Ära (1974-1991)

Die Äthiopische Revolutionäre Volkspartei (EPRP) geriet während des Roten Terrors mit dem Derg aneinander.

Die Herrschaft von Haile Selassie endete am 12. September 1974, als er von der Derg abgesetzt wurde, einem unideologischen Komitee aus Militärs und Polizisten unter der Führung von Aman Andom. Nach der Hinrichtung von 60 ehemaligen Regierungs- und Militärbeamten, darunter auch Aman, im November 1974 schaffte der neue Provisorische Militärverwaltungsrat, der nun von General Tafari Benti geleitet wurde, im März 1975 die Monarchie ab und errichtete Äthiopien als marxistisch-leninistischen Staat mit sich selbst als Avantgardepartei in einer provisorischen Regierung. Die Abschaffung des Feudalismus, die Erhöhung des Alphabetisierungsgrades, die Verstaatlichung und eine umfassende Landreform, einschließlich der Umsiedlung und Besiedlung des äthiopischen Hochlandes, wurden zu Prioritäten.

Nach internen Konflikten, die im Februar 1977 zur Hinrichtung des Vorsitzenden Tafari Benti und mehrerer seiner Anhänger sowie im November 1977 zur Hinrichtung des stellvertretenden Vorsitzenden Atnafu Abate führten, übernahm Mengistu Halie Mariam unangefochten die Führung der Derg.

Der Derg litt unter mehreren Putschen, Aufständen, einer weit verbreiteten Dürre und einem großen Flüchtlingsproblem. 1977 fiel Somalia, das zuvor von der UdSSR Unterstützung und Waffen erhalten hatte, im Ogaden-Krieg in Äthiopien ein und eroberte einen Teil der Region Ogaden. Äthiopien eroberte die Region zurück, nachdem es begonnen hatte, massive Militärhilfe aus den Ländern des Sowjetblocks (UdSSR, Kuba, Südjemen, Ostdeutschland und Nordkorea) zu erhalten. Dazu gehörten auch rund 15.000 kubanische Kampftruppen.

Der äthiopische Führer Mengistu Haile Mariam (links) mit den Derg-Mitgliedern Tafari Benti (Mitte) und Atnafu Abate (rechts). Mengistu wurde in Äthiopien für die Verbrechen seiner Regierung, die bis zu 500.000 Menschen tötete, zum Tode verurteilt; er lebt seit 2018 im Exil in Simbabwe.

In den Jahren 1976-78 wurden bis zu 500.000 Menschen im Zuge des Roten Terrors getötet, einer gewalttätigen politischen Unterdrückungskampagne des Derg gegen verschiedene Oppositionsgruppen, insbesondere die marxistisch-leninistische Äthiopische Revolutionäre Volkspartei (EPRP). Der Rote Terror war eine Reaktion auf den so genannten "Weißen Terror", eine Kette von Gewalttaten, Attentaten und Morden, die von so genannten "kleinbürgerlichen Reaktionären" verübt wurden, die die Revolution von 1974 rückgängig machen wollten. 1987 löste sich der Derg selbst auf und gründete die Demokratische Volksrepublik Äthiopien (PDRE), nachdem die äthiopische Verfassung von 1987 nach dem Vorbild der Verfassung der Sowjetunion von 1977 mit geänderten Bestimmungen angenommen worden war.

Die Hungersnot in Äthiopien in den Jahren 1983-85 betraf rund acht Millionen Menschen und führte zu einer Million Toten. Es kam zu Aufständen gegen die autoritäre Herrschaft, insbesondere in den nördlichen Regionen Eritrea und Tigray. Die Tigray People's Liberation Front (TPLF) schloss sich 1989 mit anderen ethnisch begründeten Oppositionsbewegungen zusammen und bildete die Äthiopische Revolutionäre Demokratische Volksfront (EPRDF).

Gleichzeitig begann die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow, sich vom Aufbau des Weltkommunismus zurückzuziehen und eine Politik der Glasnost und Perestroika zu verfolgen, was eine drastische Kürzung der Hilfe der Länder des Sozialistischen Blocks für Äthiopien bedeutete. Dies führte zu weiterer wirtschaftlicher Not und zum Zusammenbruch des Militärs angesichts der entschlossenen Angriffe der Guerillakräfte im Norden. Der Zusammenbruch des Marxismus-Leninismus im Allgemeinen und in Osteuropa während der Revolutionen von 1989 fiel damit zusammen, dass die Sowjetunion 1990 ihre Hilfe für Äthiopien ganz einstellte. Um internationale Unterstützung zu erhalten, setzte Mengistu auf eine gemischte Wirtschaft und ein Ende der Einparteienherrschaft, aber es war zu spät, um sein Regime zu retten.

Die EPRDF-Truppen rückten im Mai 1991 auf Addis Abeba vor, und die Sowjetunion griff nicht ein, um die Regierung zu retten. Mengistu floh aus dem Land und erhielt Asyl in Simbabwe, wo er sich bis heute aufhält.

Im Jahr 2006 wurde Mengistu nach einem 12 Jahre dauernden Prozess vom Bundesgerichtshof in Addis Abeba in Abwesenheit des Völkermords für schuldig befunden. Zahlreiche andere führende Vertreter seiner Regierung wurden ebenfalls wegen Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Mengistu und andere, die aus dem Land geflohen waren, wurden in Abwesenheit vor Gericht gestellt und verurteilt. Zahlreiche ehemalige Beamte wurden zum Tode verurteilt, und Dutzende von ihnen verbrachten die nächsten 20 Jahre im Gefängnis, bevor sie zu lebenslangen Haftstrafen begnadigt wurden.

Demokratische Bundesrepublik (1991 bis heute)

Im Juli 1991 berief die EPRDF eine Nationalkonferenz ein, um die Übergangsregierung von Äthiopien zu bilden, die sich aus einem 87-köpfigen Repräsentantenrat zusammensetzte und sich auf eine nationale Charta stützte, die als Übergangsverfassung fungierte. Im Juni 1992 zog sich die Oromo-Befreiungsfront aus der Regierung zurück; im März 1993 verließen auch die Mitglieder der Demokratischen Volkskoalition Südäthiopiens die Regierung. Im April 1993 erlangte Eritrea nach einem nationalen Referendum die Unabhängigkeit von Äthiopien. Im Jahr 1994 wurde eine neue Verfassung verfasst, die eine parlamentarische Republik mit einer Zweikammer-Legislative und einem Justizsystem vorsieht.

Der ehemalige Premierminister Meles Zenawi auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums 2012

Im Mai 1995 fanden die ersten Mehrparteienwahlen statt, die von der EPRDF gewonnen wurden. Der Präsident der Übergangsregierung, EPRDF-Chef Meles Zenawi, wurde zum ersten Premierminister der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien und Negasso Gidada zum Präsidenten gewählt. In der Verfassung des Nach-Derg-Äthiopiens (die 1995 verkündet wurde) übernahm die EPRDF nicht nur das von der Sowjetunion inspirierte Versprechen der kulturellen und administrativen Autonomie für die über 80 ethnischen Gruppen des Landes, sondern auch das Recht auf Unabhängigkeit (Sezession) aus der sowjetischen Verfassung. Auf diese Weise wurde für Äthiopien ein ethnoterritoriales föderales Modell der Staatlichkeit übernommen (wie es ursprünglich im mitteleuropäischen Kaiserreich Österreich-Ungarn und in der Sowjetunion der Zwischenkriegszeit entwickelt wurde).

Im Mai 1998 führte ein Grenzstreit mit Eritrea zum eritreisch-äthiopischen Krieg, der bis Juni 2000 andauerte und beide Länder schätzungsweise 1 Million Dollar pro Tag kostete. Dies wirkte sich negativ auf die Wirtschaft Äthiopiens aus, stärkte jedoch die Regierungskoalition.

Die dritten äthiopischen Mehrparteienwahlen am 15. Mai 2005 waren sehr umstritten, da viele Oppositionsgruppen Betrug vorwarfen. Das Carter Center billigte zwar die Bedingungen vor der Wahl, äußerte aber seine Unzufriedenheit mit den Ereignissen nach der Wahl. Die Wahlbeobachter der Europäischen Union beanstandeten die staatliche Unterstützung der EPRDF-Kampagne sowie Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen und der Veröffentlichung der Ergebnisse. Die Oppositionsparteien errangen mehr als 200 Parlamentssitze, während es bei den Wahlen im Jahr 2000 nur 12 waren. Während die meisten Oppositionsvertreter ins Parlament einzogen, wurden einige Führer der CUD-Partei, die sich weigerten, ihre Parlamentssitze einzunehmen, der Anstiftung zur Gewalt nach den Wahlen beschuldigt und inhaftiert. Amnesty International bezeichnete sie als "Gefangene aus Gewissensgründen", und sie wurden später freigelassen.

2009 wurde eine Koalition aus Oppositionsparteien und einigen Einzelpersonen gegründet, um die Regierung der EPRDF bei den Parlamentswahlen 2010 zu stürzen. Meles' Partei, die seit 1991 an der Macht ist, veröffentlichte am 10. Oktober 2009 in Addis Abeba ihr 65-seitiges Manifest. Die Opposition erhielt die meisten Stimmen in Addis Abeba, doch die EPRDF hielt die Auszählung der Stimmen mehrere Tage lang auf. Nach der Auszählung erklärte sie die Wahl unter dem Vorwurf des Betrugs und der Einschüchterung für sich.

Mitte 2011 führten zwei aufeinanderfolgende Regenperioden zur schlimmsten Dürre in Ostafrika seit 60 Jahren. Eine vollständige Erholung von den Auswirkungen der Dürre trat erst 2012 ein, wobei langfristige Strategien der nationalen Regierung in Zusammenarbeit mit Entwicklungsorganisationen die nachhaltigsten Ergebnisse versprechen.

Der ehemalige äthiopische Premierminister Hailemariam Desalegn trifft sich mit dem ehemaligen stellvertretenden US-Verteidigungsminister Ash Carter in Addis Abeba.

Meles starb am 20. August 2012 in Brüssel, wo er wegen einer nicht näher bezeichneten Krankheit behandelt wurde. Der stellvertretende Premierminister Hailemariam Desalegn wurde bis zu den Wahlen 2015 zum neuen Premierminister ernannt und blieb es auch danach, da seine Partei alle Parlamentssitze kontrollierte.

Am 5. August 2016 brachen im ganzen Land Proteste aus, und Hunderte von Demonstranten wurden von der Polizei erschossen. Die Demonstranten forderten ein Ende der Menschenrechtsverletzungen, die Freilassung politischer Gefangener, eine gerechtere Umverteilung des durch mehr als ein Jahrzehnt Wirtschaftswachstum erwirtschafteten Reichtums und die Rückgabe des Bezirks Wolqayt an die Region Amhara. Die Ereignisse waren das gewaltsamste Vorgehen gegen Demonstranten in Subsahara-Afrika, seit die äthiopische Regierung bei Protesten in der Region Oromia im November und Dezember 2015 mindestens 75 Menschen getötet hat. Im Anschluss an diese Proteste verhängte Äthiopien am 6. Oktober 2016 den Ausnahmezustand. Der Ausnahmezustand wurde im August 2017 wieder aufgehoben.

Am 16. Februar 2018 verhängte die äthiopische Regierung nach dem Rücktritt von Premierminister Hailemariam Desalegn einen sechsmonatigen landesweiten Ausnahmezustand. Hailemariam ist der erste Machthaber in der modernen äthiopischen Geschichte, der zurücktritt; frühere Machthaber sind im Amt gestorben oder wurden gestürzt. Er sagte, er wolle den Weg für Reformen frei machen.

Abiy Ahmed und die Wohlstandspartei (2018-gegenwärtig)

Premierminister Abiy Ahmed erhält den Friedensnobelpreis 2019 in Oslo

Der neue Premierminister war Abiy Ahmed, der Eritrea 2018 einen historischen Besuch abstattete und den Konflikt zwischen den beiden Ländern beendete. Für seine Bemühungen zur Beendigung des 20-jährigen Krieges zwischen Äthiopien und Eritrea wurde Abiy Ahmed 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nach seinem Amtsantritt im April 2018 ließ der 46-jährige Abiy politische Gefangene frei, versprach faire Wahlen für 2019 und kündigte weitreichende Wirtschaftsreformen an. Am 6. Juni 2019 wurden alle zuvor zensierten Websites wieder zugänglich gemacht, über 13 000 politische Gefangene freigelassen und Hunderte von Verwaltungsangestellten im Rahmen der Reformen entlassen.

Mit den politischen Unruhen nahm auch die ethnische Gewalt zu. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Oromo, die die größte ethnische Gruppe im Land bilden, und den ethnischen Somalis, in deren Folge 2017 bis zu 400 000 Menschen vertrieben wurden. Die Zusammenstöße zwischen den Oromo und den Gedeo im Süden des Landes haben dazu geführt, dass Äthiopien 2018 mit 1,4 Millionen neu vertriebenen Menschen die weltweit größte Zahl von Menschen auf der Flucht hatte. Seit 2019 kommt es im Metekel-Konflikt zu Kämpfen in der Metekel-Zone der Region Benishangul-Gumuz in Äthiopien, an denen Berichten zufolge Milizen des Gumuz-Volkes gegen Amharas und Agaws beteiligt sind. Im März 2020 erklärte der Anführer einer Amhara-Miliz namens Fano, Solomon Atanaw, dass sie ihre Waffen erst dann ablegen würden, wenn die Metekel-Zone und die Bezirke Welkait und Raya in der Region Tigray wieder unter die Kontrolle der Region Amhara fielen. Im September 2018 wurden 23 Menschen bei ethnisch motivierten Gewaltakten gegen Minderheiten in der Sonderzone Oromia nahe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba getötet. Später wurden 35 Menschen in Addis Abeba und in der umliegenden Sonderzone Oromia bei Protesten gegen das, was viele als mangelnde Reaktion der Regierung auf die Gewalt ansehen, getötet. Einige von ihnen wurden von der Polizei getötet.

Am 22. Juni 2019 versuchten Fraktionen der Sicherheitskräfte der Region einen Staatsstreich gegen die Regionalregierung, bei dem der Präsident der Region Amhara, Ambachew Mekonnen, ermordet wurde. Ein Leibwächter, der auf der Seite der nationalistischen Gruppierungen steht, ermordete General Se'are Mekonnen, den Generalstabschef der äthiopischen Verteidigungskräfte, sowie seinen Adjutanten, Generalmajor Gizae Aberra. Das Büro des Premierministers beschuldigte Brigadegeneral Asaminew Tsige, den Chef der Sicherheitskräfte der Region Amhara, das Komplott angeführt zu haben, und Tsige wurde am 24. Juni in der Nähe von Bahir Dar von der Polizei erschossen.

Äthiopischer Bürgerkrieg (2018-heute) - Territoriale Kontrolle ab Februar 2022:
(Für eine detailliertere, aktuelle, interaktive Karte siehe hier).
Pro-föderale Regierungstruppen
  Äthiopische Zentralregierung und regionale Verbündete
  Eritreische Verteidigungsstreitkräfte
Anti-Bundesregierung-Rebellen
  Tigray-Verteidigungskräfte
  Oromo-Befreiungsarmee

Die Fano-Miliz ist eine Jugendgruppe der Amhara in Äthiopien, die entweder als Protestgruppe oder als bewaffnete Miliz wahrgenommen wird. Ein Bündnis zwischen Fano und Qeerroo, ihrem Oromo-Pendant, spielte eine entscheidende Rolle bei der Herbeiführung der politischen und administrativen Veränderungen im Zusammenhang mit der Präsidentschaft von Abiy Ahmed. Während des Tigray-Krieges unterstützte die Fano die föderalen und regionalen Sicherheitskräfte gegen die Rebellen der Tigray People's Liberation Front (TPLF). Den Fano-Einheiten wird vorgeworfen, an ethnischen Massakern beteiligt gewesen zu sein, darunter das Massaker an 58 Qemant in Metemma am 10. und 11. Januar 2019, sowie an bewaffneten Aktionen in Humera im November 2020.

Nach der Ermordung des Oromo-Musikers Hachalu Hundessa am 29. Juni 2020 brachen in ganz Äthiopien Proteste aus, denen mindestens 239 Menschen zum Opfer fielen.

Die Bundesregierung unter der Wohlstandspartei beantragte beim Nationalen Wahlamt Äthiopiens die Absage der Wahlen für 2020 aufgrund von Gesundheits- und Sicherheitsbedenken bezüglich COVID-19. Ein offizieller Termin für die nächsten Wahlen wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt, aber die Regierung versprach, dass die Wahlen stattfinden würden, sobald ein Impfstoff gegen COVID-19 entwickelt sei. Die tigrayanische Regierungspartei TPLF lehnte die Absage der Wahlen ab, und als ihr Ersuchen an die Bundesregierung, die Wahlen abzuhalten, abgelehnt wurde, hielt die TPLF die Wahlen am 9. September 2020 trotzdem ab. Sie arbeitete mit regionalen Oppositionsparteien zusammen und bezog internationale Beobachter in den Wahlprozess ein. Schätzungen zufolge nahmen 2,7 Millionen Menschen an den Wahlen teil.

Nach der Wahl verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der Regionalregierung von Tigray, und am 4. November 2020 begann Abiy als Reaktion auf Angriffe auf dort stationierte Armeeeinheiten eine Militäroffensive in der Region Tigray, die Tausende von Flüchtlingen zur Flucht in den benachbarten Sudan veranlasste und den Tigray-Krieg auslöste. Bei einem Massaker in der Stadt Mai Kadra wurden am 9. November 2020 mehr als 600 Zivilisten getötet. Im April 2021 bestätigte Eritrea, dass seine Truppen in Äthiopien kämpfen. Im März 2022 waren im Tigray-Krieg bis zu 500.000 Menschen durch Gewalt und Hungersnot gestorben.

Kontakte zum neuzeitlichen Europa

Äthiopien in Äthiopischer Schrift

Seit dem 14. Jahrhundert bemühten sich die äthiopischen Herrscher um Kontakte und Bündnisse mit den christlichen Reichen im spätmittelalterlichen Europa. Europäische Glücksritter gelangten wiederholt an den Hof des Negus, und europäische Kunst war in Äthiopien en vogue.

1493 erreichte dann der Portugiese Pêro da Covilhã den Hof des Negus. Er sollte für ein portugiesisch-äthiopisches Bündnis werben, da Portugal zu dieser Zeit begann, seine Herrschaft im Indischen Ozean aufzubauen. 1543 unterstützten portugiesische Hilfstruppen unter dem Sohn von Vasco da Gama, Cristóvão da Gama, die Äthiopier auf Hilferuf des Negus gegen die Truppen des Ahmed Graññ vom Sultanat Adal, denen sie eine vernichtende Niederlage beibrachten. Ihr Vorhaben, das Land zum Katholizismus zu bekehren, scheiterte jedoch.

Im Zuge des Kolonialismus hatte sich Äthiopien immer wieder der Einflussnahme europäischer Mächte zu erwehren, zunächst unter Kaiser Tewodros der britischen Äthiopienexpedition von 1868, dann am Ende des 19. Jahrhunderts des Einflusses der Italiener und ihrer Kolonie Eritrea. Trotz der modernen Waffen der italienischen Armee schlugen die Äthiopier 1896 unter Kaiser Menelik II. – der beizeiten für eine gleichfalls moderne Bewaffnung mit Gewehren und Artillerie gesorgt hatte – die italienischen Invasoren zurück (Schlacht von Adua). Dieses Ergebnis gilt bis in die Gegenwart als wichtiger Sieg einer afrikanischen gegen eine europäische Armee und wurde in der Folgezeit fester Bestandteil des äthiopischen Nationalbewusstseins.

Sozialistische Militärdiktatur 1974–1991

Das Militär bemächtigte sich schnell der Revolution, ein Militärverwaltungsrat übernahm unter Führung von Major Mengistu Haile Mariam die Macht. Am 21. März 1975 wurde die Monarchie abgeschafft, womit das gemäß der Überlieferung im Nationalepos Kebra Negest auf die Gründung durch Menelik I. im 10. Jahrhundert v. Chr. zurückgehende Kaiserreich endete, und das Land zu einer sozialistischen Volksrepublik wurde.

Es folgten bald militärische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten. So wurde 1977/1978 im Ogadenkrieg mit Unterstützung der Sowjetunion und Kubas eine Invasion Somalias abgewehrt. Aufgrund der übermäßigen Repression gegen die Zivilbevölkerung erhielten Separatisten in Eritrea immer mehr Zuspruch. In Tigray war die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) aktiv, und auch im Süden und Osten des Landes gab es bewaffnete Widerstände gegen die Regierung.

1984 gelangte Äthiopien unter der Äthiopischen Arbeiterpartei durch eine Reportage des BBC-Fernsehens in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Über Jahre ausbleibende Niederschläge in der Sahelzone führten in zwanzig afrikanischen Ländern zu Missernten und Hungersnöten. Auch wegen des anhaltenden Bürgerkrieges war Äthiopien am schlimmsten von dieser Katastrophe betroffen. Die Hungersnot in Äthiopien 1984–1985 forderte eine halbe bis eine Million Opfer.

Regierung und Politik

Das House of People's Representatives ist das Unterhaus der äthiopischen parlamentarischen Bundesversammlung

Äthiopien ist eine föderale parlamentarische Republik, in der der Premierminister der Regierungschef und der Präsident das Staatsoberhaupt ist, allerdings mit weitgehend zeremoniellen Befugnissen. Die Exekutivgewalt wird von der Regierung ausgeübt, während die Legislativgewalt auf Bundesebene sowohl bei der Regierung als auch bei den beiden Kammern des Parlaments liegt. Das Föderationshaus ist die obere Kammer des Zweikammerparlaments mit 108 Sitzen, die untere Kammer ist das Haus der Volksvertreter (HoPR) mit 547 Sitzen. Das Föderationshaus wird von den Regionalräten gewählt, während die Abgeordneten des HoPR direkt gewählt werden, die wiederum den Präsidenten für eine sechsjährige und den Premierminister für eine fünfjährige Amtszeit wählen.

Das äthiopische Justizwesen besteht aus einem dualen System mit zwei Gerichtsstrukturen: den Bundes- und den Landesgerichten. Die FDRE-Verfassung hat die Bundesgerichtsbarkeit dem Bundesgerichtshof übertragen, der die Entscheidungen der untergeordneten Bundesgerichte aufheben und überprüfen kann; er selbst verfügt über regelmäßige Abteilungen, die für grundlegende Rechtsfehler zuständig sind. Darüber hinaus kann der Oberste Gerichtshof in den fünf festgelegten Bundesstaaten in jedem Bundesstaat oder in einem "für seine Zuständigkeit bestimmten Gebiet" Anhörungen durchführen, wenn dies "für eine effiziente Rechtsprechung erforderlich" ist.

Die Proklamation des Bundesgerichtshofs räumt dem Bundesgerichtshof drei Zuständigkeitsbereiche ein: Gesetze, Parteien und Ort, erstens "Fälle, die sich aus der Verfassung, den Bundesgesetzen und internationalen Verträgen ergeben", zweitens "Parteien, die durch Bundesgesetze bestimmt sind".

Gemäß Artikel 78 der äthiopischen Verfassung von 1994 ist die Justiz völlig unabhängig von der Exekutive und der Legislative. Um dies zu gewährleisten, werden der Vizepräsident und der Präsident des Obersten Gerichtshofs vom Parlament auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Nach ihrer Wahl hat die Exekutive keine Befugnis, sie ihres Amtes zu entheben. Die übrigen Richter werden vom Bundesverwaltungsrat für Justiz (FJAC) auf der Grundlage transparenter Kriterien und der Empfehlung des Premierministers für die Ernennung im HoPR ernannt. In allen Fällen können Richter nicht aus ihrem Amt entfernt werden, es sei denn, sie sind in den Ruhestand getreten, haben gegen Disziplinarvorschriften verstoßen, sind grob inkompatibel, ineffizient oder aus gesundheitlichen Gründen untauglich. Im Gegensatz dazu hat die Mehrheit des HoPR das Recht, die Absetzung von Richtern auf Bundesebene oder im Falle von Richtern auf Landesebene durch den Staatsrat zu sanktionieren. Im Jahr 2015 wurde die Realität dieser Bestimmung in einem Bericht von Freedom House in Frage gestellt.

Laut dem von der britischen Economist Intelligence Unit Ende 2010 veröffentlichten Demokratieindex war Äthiopien ein "autoritäres Regime" und rangierte auf Platz 118 der 167 demokratischsten Länder. Seit 2006 war Äthiopien auf der Liste um 12 Plätze zurückgefallen. Der Bericht von 2010 führte dies auf das harte Durchgreifen der Regierung gegen oppositionelle Aktivitäten, Medien und die Zivilgesellschaft vor den Parlamentswahlen 2010 zurück, wodurch Äthiopien de facto zu einem Einparteienstaat geworden sei.

Seit der Ernennung von Abiy Ahmed zum Premierminister im Jahr 2018 hat sich die Situation jedoch rasch verändert.

Staatsführung

Premierminister Abiy Ahmed
Präsident Sahle-Work Zewde

Seit dem Regime von 1995 wurde die äthiopische Politik liberalisiert, was umfassende Reformen im Lande zur Folge hatte. Heute basiert die Wirtschaft des Landes auf einem gemischten, marktorientierten System.

Die erste Wahl der 547 Mitglieder zählenden verfassungsgebenden Versammlung fand im Juni 1994 statt. Diese Versammlung nahm im Dezember 1994 die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien an. Die Wahlen zu Äthiopiens erstem vom Volk gewählten nationalen Parlament und den regionalen Parlamenten fanden im Mai und Juni 1995 statt. Die meisten Oppositionsparteien beschlossen, diese Wahlen zu boykottieren. Die Äthiopische Revolutionäre Demokratische Volksfront (EPRDF) errang einen überwältigenden Sieg. Internationale und nichtstaatliche Beobachter kamen zu dem Schluss, dass die Oppositionsparteien die Möglichkeit gehabt hätten, an den Wahlen teilzunehmen, wenn sie es gewollt hätten. Die erste Regierung Äthiopiens nach der neuen Verfassung wurde im August 1995 mit Negasso Gidada als Präsident eingesetzt. Die von der EPRDF geführte Regierung unter Premierminister Meles Zenawi verfolgte eine Politik des ethnischen Föderalismus und übertrug den regionalen, ethnisch geprägten Behörden wichtige Befugnisse. Heute gibt es in Äthiopien elf halbautonome Verwaltungsregionen, die über ihre eigenen Einnahmen und Ausgaben verfügen. Unter früheren Regierungen waren einige Grundfreiheiten, darunter die Pressefreiheit, eingeschränkt.

Die Bürger hatten kaum Zugang zu anderen Medien als den staatlichen Sendern, und die meisten privaten Zeitungen hatten es schwer, offen zu bleiben und wurden von der Regierung regelmäßig schikaniert. Seit den Wahlen 2005 wurden mindestens 18 Journalisten, die regierungskritische Artikel verfasst hatten, unter dem Vorwurf des Völkermords und des Hochverrats verhaftet. Die Regierung nutzte die Pressegesetze zur Verleumdung, um Journalisten einzuschüchtern, die ihrer Politik kritisch gegenüberstanden.

Die Regierung von Meles wurde im Jahr 2000 in den ersten Mehrparteienwahlen gewählt; die Ergebnisse wurden jedoch von internationalen Beobachtern heftig kritisiert und von der Opposition als gefälscht bezeichnet. Die EPRDF gewann auch die Wahlen von 2005 und brachte Meles wieder an die Macht. Obwohl die Opposition bei dieser Wahl mehr Stimmen erhielt, erklärten sowohl die Opposition als auch Beobachter aus der Europäischen Union und anderen Ländern, dass die Wahl nicht den internationalen Standards für faire und freie Wahlen entsprach. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen nach den Wahlen im Mai 2005 soll die äthiopische Polizei 193 Demonstranten, vor allem in der Hauptstadt Addis Abeba, massakriert haben (Äthiopisches Polizeimassaker).

Der ehemalige Außenminister von Äthiopien Tedros Adhanom mit dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry

Auch in den Provinzen ging die Regierung hart gegen die Demonstranten vor. In der Region Oromia nutzten die Behörden die Besorgnis über Aufstände und Terrorismus, um Kritiker nach den Wahlen zum Schweigen zu bringen, insbesondere Personen, die mit der registrierten Oppositionspartei Oromo National Congress (ONC) sympathisieren. Die Regierung befindet sich seit 2007 in einem Konflikt mit Rebellen in der Region Ogaden. Die größte Oppositionspartei im Jahr 2005 war die Koalition für Einheit und Demokratie (CUD). Nach verschiedenen internen Spaltungen haben die meisten Parteiführer der CUD die neue Partei Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit unter Führung von Richter Birtukan Mideksa gegründet. Birtukan Mideksa, die der ethnischen Gruppe der Oromo angehört, ist die erste Frau an der Spitze einer politischen Partei in Äthiopien.

Im Jahr 2008 waren die fünf größten Oppositionsparteien die Einheit für Demokratie und Gerechtigkeit unter der Führung von Richterin Birtukan Mideksa, die Vereinigten Äthiopischen Demokratischen Kräfte unter der Führung von Beyene Petros, die Oromo Federalist Democratic Movement unter der Führung von Bulcha Demeksa, der Oromo People's Congress unter der Führung von Merera Gudina und die Vereinigte Äthiopische Demokratische Partei - Medhin Party unter der Führung von Lidetu Ayalew. Nach den Wahlen 2015 verlor Äthiopien seinen einzigen verbliebenen Oppositionsabgeordneten; 2015 gab es keine Oppositionsabgeordneten mehr im äthiopischen Parlament.

Außenbeziehungen

Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin im Mai 2018

Ausgehend vom Land Punt war Äthiopien eine Handelsnation, die hauptsächlich Waren wie Gold, Elfenbein, exotische Tiere und Weihrauch exportierte. Viele Historiker kamen zu dem Schluss, dass die modernen diplomatischen Beziehungen Äthiopiens unter Kaiser Tewodros II. begannen, in dessen Regierungszeit versucht wurde, eine äthiopische Grenze zu errichten, die später in der britischen Expedition von 1868 erfolglos abgebaut wurde. Seitdem wurde das Land von den Weltmächten bis zur Eröffnung des Suezkanals als überflüssig angesehen, was auf den Einfluss des Mahdistenkriegs zurückzuführen war.

Heute unterhält Äthiopien enge Beziehungen zu China, Israel, Mexiko, der Türkei und Indien sowie zu den Nachbarländern. Die Beziehungen zu Sudan und Ägypten sind aufgrund des Grand Ethiopian Renaissance Damms, der 2020 in Betrieb genommen werden soll, etwas angespannt. Obwohl sechs stromaufwärts gelegene Länder (Äthiopien, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania) 2010 die Nilbeckeninitiative unterzeichnet haben, lehnen Ägypten und der Sudan den Vertrag über die Wasseraufteilung ab und begründen dies damit, dass die Verringerung der Wassermenge für das Nilbecken ihre historische Verbindung von Wasserrechten in Frage stellt. Im Jahr 2020 warnte Premierminister Abiy Ahmed: "Keine Macht kann Äthiopien vom Bau eines Staudamms abhalten. Wenn es nötig ist, in den Krieg zu ziehen, könnten wir Millionen bereitstellen." Äthiopien ist ein strategischer Partner des Global War on Terrorism und des African Growth and Opportunity Act (AGOA). USA. Der ehemalige Präsident Barack Obama war der erste Amtsinhaber, der Äthiopien im Juli 2015 besuchte, als er in der Afrika-Union eine Rede hielt, in der er den Kampf gegen den islamischen Terrorismus hervorhob. Äthiopien hat viele Emigranten in europäischen Ländern, vor allem in Italien, Saudi-Arabien, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Schweden und Australien. Die Zahl der jüdischen Emigranten aus Äthiopien in Israel beläuft sich auf etwa 155.300 (Stand: 2019). Sie sind unter dem Namen Beta Israel bekannt. Äthiopien ist Gründungsmitglied der Gruppe der 24 (G-24), der Bewegung der Blockfreien Staaten und der G77. 1963 wurde in Addis Abeba die Organisation für Afrikanische Einheit gegründet, die später in Afrikanische Union umbenannt wurde und das politische Zentrum der Union bildet. Darüber hinaus ist Äthiopien Mitglied der Panafrikanischen Industrie- und Handelskammer, der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika, der African Standby Force und vieler globaler NRO, die sich mit Afrika befassen.

Äthiopien ist eines der afrikanischen Länder und Gründungsmitglied des Völkerbundes, der heutigen Vereinten Nationen, zumindest seit dem Ende der Kolonialzeit im Jahr 1923. Die Aufgaben der Vereinten Nationen in Äthiopien betreffen in erster Linie humanitäre Fragen und die Entwicklung. Dem UN-Länderteam (UNCT) in Äthiopien gehören beispielsweise Vertreter von 28 UN-Fonds und -Programmen und Sonderorganisationen an. Einige der Sonderorganisationen sind mit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika und der Afrikanischen Union regional verbunden. Die UN konzentrieren sich in Äthiopien auf allumfassende Angelegenheiten und verfolgen zwei Ziele: Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und die nationale Entwicklungspriorität. Dazu gehören Armutsbekämpfung, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Klimaschutzpolitik, Bildungs- und Gesundheitsversorgung, mehr Arbeitsplätze und Umweltschutz.

Militär

Soldaten der Ethiopian National Defense Force während einer Zeremonie in Baidoa, Somalia, anlässlich der Aufnahme Äthiopiens in die Friedensmission der Afrikanischen Union in dem Land am 22. Januar 2014

Historisch gesehen war Äthiopien stark auf das Militär aufgebaut und erlebte entscheidende Invasionen gegen externe Mächte. Trotz moderner Waffen, die mit Hilfe europäischer Länder wie Portugal, Russland, Frankreich und Großbritannien ausgerüstet wurden, stützte sich die äthiopische Armee weitgehend auf das Feudalsystem, so dass die Armee fast ausschließlich aus Bauernmilizen bestand. Unter Amda Seyon I. wurde im 14. Jahrhundert eine Legion mit dem Namen Chewa-Regimenter gebildet, die im Mittelalter zur dominierenden militärischen Kraft wurde. Sie bestand normalerweise aus mehreren tausend Mann. Das moderne Militär wurde 1917 von Tafari Makonnen unter dem Namen Kebur Zabagna gegründet. Die äthiopische Armee unter dem Kagnew-Bataillon nahm ab 1950 am Koreakrieg teil und kämpfte unter dem Kommando der Vereinten Nationen. In einigen Veröffentlichungen wird angegeben, dass die äthiopischen Truppen 15 Jahre lang blieben, in anderen wiederum heißt es, dass sie bis 1975 als Teil des UN-Kommandos blieben. Zum Zeitpunkt des Krieges umfasste das Bataillon 6.037 Mann.

Die Ethiopian National Defense Force ist das größte Militär in Afrika und wird vom Verteidigungsministerium geleitet. Zu den anderen Teilstreitkräften gehören die Bodentruppen, die Luftwaffe und früher die Seestreitkräfte. Seit 1996 hat das Binnenland Äthiopien keine Marine mehr, aber 2018 sagte Premierminister Abiy Ahmed im staatlichen Fernsehen: "Wir haben eine der stärksten Boden- und Luftstreitkräfte in Afrika aufgebaut ... wir sollten in Zukunft unsere Seestreitkräfte ausbauen."

Die Kaiserliche Armee Abessiniens hatte eine lange Geschichte, die bis in die legendäre Gründung des Staates 980 vor Christus zurückreichte. Das neue kommunistische Regime (Derg) beseitigte nach der Revolution 1974/1975 die alten Streitkräfte und gründete mit finanzieller und militärischer Hilfe der Sowjetunion eine komplett neue Armee. Diese Streitkräfte der Demokratischen Volksrepublik Äthiopien wurden nach dem Sieg der Revolutionären Demokratischen Front der Äthiopischen Völker 1991 von den Ethiopian National Defense Forces abgelöst. Im Jahr 2005 waren sie 162.500 Mann stark, was sie zu einer der größten Armeen Afrikas machte. Nach US-Angaben sollen es im Jahr 2012 rund 180.000 Soldaten gewesen sein.

2018 umfasste das Heer 135.000 aktive Soldaten und mehr als 461 Kampfpanzer. Die Luftwaffe verfügt über eine weitestgehend intakte und relativ neue Ausstattung aus ukrainischer und russischer Produktion, so zum Beispiel Jagdbomber des Typs Suchoi Su-27. Seit der Unabhängigkeit Eritreas (1993) verfügt das Land über keine Marine mehr.

Strafverfolgung

Die Marschkapelle der äthiopischen Bundespolizei bei einem Auftritt auf dem jährlichen Fest auf dem Meskel-Platz in Addis Abeba am 16. September 2017

Die Verfassung garantiert der äthiopischen Bundespolizei (EFP) die Aufgabe der Strafverfolgung. Die EFP ist für die Sicherheit und das öffentliche Wohl auf Bundesebene zuständig. Die 1995 gegründete Bundespolizei wird seit Oktober 2000 vom Bundespolizeipräsidenten überwacht; der Bundespolizeipräsident untersteht dann dem Friedensministerium, wurde jedoch nach politischen Reformen im Jahr 2018 überstimmt und dem Parlament unterstellt. In den Jahren zuvor hat die Bundespolizei die Aufgaben des Ministeriums direkt gemeldet. Darüber hinaus hat die föderale Polizei die Möglichkeit, regionale Polizeikommissionen zu informieren, um Unterstützung zu erhalten. Unabhängig davon halten die lokalen Milizen die Sicherheit aufrecht.

Heutzutage ist die Bestechung ein grundlegendes Problem, das vor allem bei der Verkehrspolizei beobachtet wird. Die Brutalität der Polizei hat sich in den letzten Jahren als schwerwiegend erwiesen. Am 26. August 2019 ging das Video eines Mannes in Handschellen, der von zwei Polizisten geschlagen wurde, als eine ältere Frau in die Szene in Addis Abeba eingriff, viral. Das jüngste polizeiliche Fehlverhalten soll darauf zurückzuführen sein, dass der Bundespolizeichef sich nicht an Artikel 52 der Verfassung hält, der die Untersuchung von rechtswidriger Gewaltanwendung und die Entlassung der fehlbaren Beamten vorsieht. Die Luanda- und Robben-Island-Leitlinien der Afrikanischen Union oder die Erklärung der Vereinten Nationen über die Gerechtigkeit für Opfer von Machtmissbrauch und ihre Grundprinzipien für den Einsatz von Gewalt und Schusswaffen verpflichten den Disziplinarausschuss der äthiopischen Regierung zur Bekämpfung von Polizeibrutalität sowohl auf individueller als auch auf systematischer Ebene.

Menschenrechtslage

Menschenrechtsverletzungen gehen häufig mit anhaltender ethnischer und kommunaler Gewalt in dem Land einher. Bei einer Demonstration im Jahr 2016 wurden 100 friedliche Demonstranten durch direkten Beschuss der Regierung in den Regionen Oromia und Amhara getötet. Die Vereinten Nationen haben UN-Beobachter vor Ort in Äthiopien angefordert, um diesen Vorfall zu untersuchen, doch die von der EPRDF dominierte äthiopische Regierung hat diese Forderung abgelehnt. Die Demonstranten protestieren gegen Landraub und das Fehlen grundlegender Menschenrechte wie das Recht, ihre Vertreter zu wählen. Die von der TPLF dominierte EPRDF hat die Wahlen zu 100 % gewonnen, was dazu geführt hat, dass die äthiopische Zivilbevölkerung in einem Maße protestiert hat, wie es bei früheren Protesten nach den Wahlen nicht der Fall war.

Merera Gudina, Vorsitzender des Oromo People's Congress, sagte, das ostafrikanische Land stehe an einem "Scheideweg". Er fügte in dem Interview mit Reuters hinzu: "Die Menschen fordern ihre Rechte ein", sagte er. "Die Menschen haben die Nase voll von dem, was das Regime seit einem Vierteljahrhundert tut. Sie protestieren gegen Landraub, Reparationen, gestohlene Wahlen, die steigenden Lebenshaltungskosten und vieles mehr. "Wenn die Regierung weiterhin repressiv vorgeht, während die Menschen zu Millionen ihre Rechte einfordern, ist das (Bürgerkrieg) eines der wahrscheinlichen Szenarien."

Das Volk der Karo in der Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker (Southern Nations, Nationalities, and Peoples)

Nach Erhebungen des Nationalen Komitees für traditionelle Praktiken in Äthiopien aus dem Jahr 2003 werden 69 % der Ehen in Äthiopien durch Entführung geschlossen, davon rund 80 % in der größten Region Oromia und sogar 92 % in der Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker. Journalisten und Aktivisten wurden wegen ihrer Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie in Äthiopien bedroht oder verhaftet.

Bei den omotischen Karo-Völkern und den Hamer-Völkern im Süden Äthiopiens gelten Erwachsene und Kinder mit körperlichen Anomalien als mingi, als "rituell unrein". Letztere sollen einen bösen Einfluss auf andere ausüben; behinderte Säuglinge werden traditionell ohne ordnungsgemäßes Begräbnis ermordet. Die Karo haben diese Praxis im Juli 2012 offiziell verboten.

Im Jahr 2013 veröffentlichte das Oakland Institute einen Bericht, in dem es die äthiopische Regierung beschuldigte, "Hunderttausende indigene Völker von ihrem Land" in der Region Gambela zu vertreiben. Laut mehreren Berichten der Organisation wurden diejenigen, die sich weigerten, auf vielfältige Weise eingeschüchtert, unter anderem durch körperliche und sexuelle Misshandlungen, die manchmal zum Tod führten. Ein ähnlicher Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 2012 beschreibt auch das Dorfbesiedlungsprogramm der äthiopischen Regierung in den Jahren 2010 und 2011 in Gambela, das ähnliche Umsiedlungen in anderen Regionen vorsieht. Die äthiopische Regierung hat die Vorwürfe des Landraubs zurückgewiesen und stattdessen auf die positive Entwicklung der Wirtschaft des Landes als Beweis für die Vorteile des Entwicklungsprogramms verwiesen. Am 23. Oktober 2019 kam es zu einer landesweiten Serie gewaltsamer Proteste, die sich auf die Region Oromia konzentrierten. Auslöser war die Behauptung des Aktivisten und Medienbesitzers Jawar Mohammed, Sicherheitskräfte hätten versucht, ihn festzunehmen. Nach offiziellen Angaben wurden 86 Menschen getötet. Am 29. Mai 2020 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, in dem den Sicherheitskräften Äthiopiens Massenverhaftungen und außergerichtliche Tötungen vorgeworfen wurden. In dem Bericht heißt es, dass 2019 mindestens 25 Personen, die verdächtigt wurden, die Oromo-Befreiungsarmee zu unterstützen, von den Streitkräften in Teilen der Region Oromia getötet wurden. Außerdem wurden zwischen Januar und September 2019 mindestens 10.000 Menschen unter Verdacht inhaftiert, wobei die meisten von ihnen "brutal verprügelt" wurden.

LGBT-Rechte

Homosexuelle Handlungen sind in Äthiopien illegal. Nach dem Strafgesetzbuch Artikel 629 werden gleichgeschlechtliche Handlungen mit bis zu 15 Jahren bis lebenslänglicher Haft bestraft. Äthiopien ist ein sozial konservatives Land. Die Mehrheit der Bevölkerung steht LGBT-Menschen feindselig gegenüber, und Verfolgung aufgrund religiöser und gesellschaftlicher Normen ist an der Tagesordnung. Seit dem gescheiterten Appell an den Ministerrat im Jahr 2008 ist Homosexualität in Äthiopien in aller Munde, und die LGBT-Szene begann in den großen Metropolen wie Addis Abeba leicht zu florieren. Einige namhafte Hotels wie das Sheraton Addis und das Hilton Hotel wurden wegen angeblicher Lobbyarbeit zum Brennpunkt der Anschuldigungen.

Die äthiopisch-orthodoxe Kirche spielt eine führende Rolle in der Opposition; einige ihrer Mitglieder haben Anti-Homosexuellen-Organisationen gegründet. So gründete beispielsweise Dereje Negash, ein prominenter Aktivist, 2014 "Zim Anlem", eine traditionalistische und geschlechterfeindliche Bewegung. Laut dem Pew Global Attitudes Project von 2007 sind 97 Prozent der Äthiopier der Meinung, dass Homosexualität eine Lebensform ist, die die Gesellschaft nicht akzeptieren sollte. Dies war der zweithöchste Prozentsatz an Nichtakzeptanz unter den 45 untersuchten Ländern.

Administrative Einteilung

Karte der Regionen und Zonen in Äthiopien

Vor 1996 war Äthiopien in dreizehn Provinzen unterteilt, von denen viele aus historischen Regionen hervorgingen. Heute hat das Land ein mehrstufiges Regierungssystem, das aus einer Bundesregierung besteht, die die Aufsicht über die Regionalstaaten, Zonen, Bezirke (woreda) und kebeles ("Stadtviertel") hat.

Äthiopien ist in elf ethnisch begründete und politisch autonome Regionalstaaten (kililoch, Einzahl kilil ) und zwei Statutarstädte (astedader akababiwoch, Einzahl astedader akababi ) unterteilt, wobei letztere Addis Abeba und Dire Dawa sind. Die kililoch sind in achtundsechzig Zonen unterteilt, die wiederum in 550 woredas und mehrere spezielle woredas unterteilt sind.

Die Verfassung weist den Regionalstaaten weitreichende Befugnisse zu. Sie können ihre eigene Regierung und Demokratie aufbauen, solange diese mit der Verfassung der Bundesregierung im Einklang steht. An der Spitze jeder Region steht ein Regionalrat, dessen direkt gewählte Mitglieder die Bezirke vertreten und der über legislative und exekutive Befugnisse verfügt, um die internen Angelegenheiten der Regionen zu regeln.

Außerdem räumt Artikel 39 der äthiopischen Verfassung jedem Regionalstaat das Recht ein, sich von Äthiopien abzuspalten. Es ist jedoch umstritten, wie viel von den in der Verfassung garantierten Befugnissen den Staaten tatsächlich übertragen wird. Die Räte setzen ihr Mandat über einen Exekutivausschuss und regionale sektorale Büros um. Eine solch ausgeklügelte Struktur aus Rat, Exekutive und sektoralen öffentlichen Einrichtungen findet sich auch auf der nächsthöheren Ebene (Woreda) wieder.

Geographie

Der Wonchi-See an der Kreuzung zwischen Ambo und Waliso in der Region Oromia

Mit einer Fläche von 1.104.300 Quadratkilometern ist Äthiopien das 28. größte Land der Welt, vergleichbar mit der Größe Boliviens. Es liegt zwischen dem 3. und dem 15. nördlichen Breitengrad und den Längengraden 33. und 48.

Der größte Teil Äthiopiens liegt am Horn von Afrika, dem östlichsten Teil der afrikanischen Landmasse. Äthiopien grenzt im Norden an Eritrea und dann im Uhrzeigersinn an Dschibuti, Somaliland, Somalia, Kenia, Südsudan und Sudan. Äthiopien besteht aus einem riesigen Hochlandkomplex mit Bergen und zerklüfteten Hochebenen, die durch den Großen Grabenbruch geteilt werden, der im Allgemeinen von Südwesten nach Nordosten verläuft und von Tiefland, Steppen oder Halbwüsten umgeben ist. Die Landschaft ist sehr vielfältig und weist große Unterschiede in Bezug auf Klima, Böden, natürliche Vegetation und Siedlungsmuster auf.

Äthiopien ist ein ökologisch vielfältiges Land, das von den Wüsten entlang der Ostgrenze über die tropischen Wälder im Süden bis zu den ausgedehnten afromontanen Gebieten im Norden und Südwesten reicht. Der Tana-See im Norden ist die Quelle des Blauen Nils. Das Land beherbergt auch viele endemische Tierarten, insbesondere die Gelada, den Wali-Steinbock und den Äthiopischen Wolf ("Simien-Fuchs"). Aufgrund der großen Höhenunterschiede verfügt das Land über eine Vielzahl ökologisch unterschiedlicher Gebiete, was die Entwicklung endemischer Arten in ökologischer Isolation begünstigt hat.

Die Nation ist ein Land der geografischen Kontraste, das vom weiten fruchtbaren Westen mit seinen Wäldern und zahlreichen Flüssen bis zur heißesten Siedlung der Welt, Dallol, im Norden des Landes reicht. Das äthiopische Hochland ist der größte zusammenhängende Gebirgszug Afrikas, und in den Sof-Omar-Höhlen befindet sich die größte Höhle des Kontinents. Äthiopien hat auch die zweitgrößte Anzahl von UNESCO-Welterbestätten in Afrika.

Klima

Köppen-Klimaklassifikation für Äthiopien

Der vorherrschende Klimatyp ist der tropische Monsun, mit großen topografisch bedingten Schwankungen. Das äthiopische Hochland bedeckt den größten Teil des Landes und hat ein Klima, das im Allgemeinen deutlich kühler ist als in anderen Regionen in ähnlicher Nähe zum Äquator. Die meisten größeren Städte des Landes liegen auf einer Höhe von etwa 2.000 bis 2.500 m über dem Meeresspiegel, darunter historische Hauptstädte wie Gondar und Axum.

Die moderne Hauptstadt Addis Abeba liegt an den Ausläufern des Mount Entoto auf einer Höhe von rund 2.400 Metern. Hier herrscht das ganze Jahr über ein mildes Klima. Die Temperaturen sind das ganze Jahr über ziemlich gleichmäßig, und die Jahreszeiten in Addis Abeba werden weitgehend durch die Niederschläge bestimmt: eine Trockenzeit von Oktober bis Februar, eine leichte Regenzeit von März bis Mai und eine starke Regenzeit von Juni bis September. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge liegt bei etwa 1.200 Millimetern.

Es gibt durchschnittlich sieben Sonnenstunden pro Tag. Die Trockenzeit ist die sonnigste Zeit des Jahres, aber selbst auf dem Höhepunkt der Regenzeit im Juli und August gibt es in der Regel noch mehrere Stunden Sonnenschein pro Tag. Die Jahresdurchschnittstemperatur in Addis Abeba liegt bei 16 °C, wobei die Tageshöchsttemperaturen das ganze Jahr über im Durchschnitt 20-25 °C betragen und die Tiefsttemperaturen in der Nacht durchschnittlich 5-10 °C.

Die meisten größeren Städte und Touristenorte in Äthiopien liegen auf einer ähnlichen Höhe wie Addis Abeba und haben ein vergleichbares Klima. In weniger hoch gelegenen Regionen, vor allem im tiefer gelegenen äthiopischen Trockengrasland und Buschland im Osten Äthiopiens, kann das Klima deutlich heißer und trockener sein. Dallol, in der Danakil-Senke in dieser östlichen Zone, hat mit 34 °C (93,2 °F) die höchste Jahresdurchschnittstemperatur der Welt.

Äthiopien ist für viele der Auswirkungen des Klimawandels anfällig. Dazu gehören der Anstieg der Temperatur und die Veränderung der Niederschläge. Der Klimawandel in diesen Formen bedroht die Ernährungssicherheit und die auf der Landwirtschaft basierende Wirtschaft. Viele Äthiopier waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und bis an den Golf, ins südliche Afrika und nach Europa zu reisen.

Seit April 2019 fördert der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed "Beautifying Sheger", ein Entwicklungsprojekt, das unter anderem die negativen Auswirkungen des Klimawandels in der Hauptstadt Addis Abeba verringern soll. Im darauffolgenden Mai veranstaltete die Regierung "Dine for Sheger", eine Fundraising-Veranstaltung, um einen Teil der benötigten 1 Milliarde Dollar durch die Öffentlichkeit zu decken. Durch die teure Veranstaltung kamen 25 Millionen Dollar zusammen, sowohl durch die Teilnahmekosten als auch durch Spenden. Zwei chinesische Eisenbahnunternehmen hatten im Rahmen der Gürtel- und Straßeninitiative zwischen China und Äthiopien Mittel für den Ausbau von 12 der insgesamt 56 Kilometer bereitgestellt.

Das Land reicht von den inneren Tropen bis zu den nördlichen Randtropen. Demnach herrscht Tageszeitenklima vor, Jahreszeiten sind nicht ausgeprägt. Die klimatischen Unterschiede innerhalb von Äthiopien sind in erster Linie durch die Höhe bedingt, in den Tiefebenen ist es heiß und in den Hochebenen relativ kühl.

Man kann drei Klimate unterscheiden: das tropisch-heiße Klima bis 1800 m, das warm-gemäßigte Klima von 1800 bis 2500 m sowie ein kühles Klima über 2500 m. In der Hauptstadt Addis Abeba, die auf ca. 2400 m Höhe liegt, liegt die durchschnittliche Tagestemperatur mittags zwischen 8 und 24 °C.

Äthiopien verfügt über eine lange Geschichte extremer Wetterereignisse. Niederschläge fallen sehr häufig stark konzentriert als Konvektionsstürme. In den letzten drei Jahrzehnten gab es unzählige lokale Dürren und sieben große Dürren, teilweise mit der Folge von Hungersnöten. Bezüglich der zukünftigen Veränderungen infolge der globalen Erwärmung wird mit einer Verschlechterung der Situation gerechnet, die Bodenerosion, Wüstenbildung, den Verlust an Biodiversität und wiederkehrende Überschwemmungen verstärken könnte. Laut dem Nationalen Aktionsprogramm zur Anpassung (NAPA) werden Landwirtschaft, Wasserressourcen und die menschliche Gesundheit am stärksten negativ vom Klimawandel betroffen sein.

Artenvielfalt

Bergnyalas im Bale Mountains National Park, einem von mehreren Wildtierreservaten in Äthiopien

In Äthiopien gibt es 31 endemische Säugetierarten. Der Afrikanische Wildhund war in der Vergangenheit in diesem Gebiet weit verbreitet. Da er jedoch zuletzt in Finicha'a gesichtet wurde, geht man davon aus, dass dieser Canide möglicherweise lokal ausgestorben ist. Der Äthiopische Wolf ist vielleicht die am besten erforschte aller gefährdeten Arten in Äthiopien.

Äthiopien ist ein globales Zentrum der Vogelvielfalt. Bis heute wurden in Äthiopien mehr als 856 Vogelarten gezählt, von denen zwanzig nur in diesem Land vorkommen. Sechzehn Arten sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Viele dieser Vögel ernähren sich von Schmetterlingen, wie dem Bicyclus anynana.

In der Vergangenheit sind die Wildtierpopulationen auf dem gesamten afrikanischen Kontinent aufgrund von Abholzung, Bürgerkriegen, Umweltverschmutzung, Wilderei und anderen menschlichen Faktoren rasch zurückgegangen. Ein 17 Jahre andauernder Bürgerkrieg und eine schwere Dürre haben die Umweltbedingungen in Äthiopien negativ beeinflusst, was zu einer noch stärkeren Verschlechterung der Lebensräume führte. Die Zerstörung von Lebensräumen ist ein Faktor, der zu einer Gefährdung führt. Wenn sich ein Lebensraum schnell verändert, haben die Tiere keine Zeit, sich anzupassen. Der Einfluss des Menschen bedroht viele Arten, wobei durch den Klimawandel, der durch Treibhausgase verursacht wird, eine noch größere Bedrohung zu erwarten ist. Mit einem Kohlendioxidausstoß von 6 494 000 Tonnen im Jahr 2010 trägt Äthiopien gerade einmal 0,02 % zum jährlichen, vom Menschen verursachten Ausstoß von Treibhausgasen bei.

In Äthiopien gibt es viele Arten, die als stark gefährdet und vom Aussterben bedroht gelten. Die bedrohten Arten in Äthiopien können in drei Kategorien eingeteilt werden (basierend auf den IUCN-Einstufungen): stark gefährdet, gefährdet und gefährdet.

Äthiopien ist eines der acht grundlegenden und unabhängigen Ursprungszentren für Kulturpflanzen in der Welt. Die Abholzung der Wälder ist jedoch ein großes Problem für Äthiopien, da Studien zeigen, dass der Verlust der Wälder zur Bodenerosion, zum Verlust von Nährstoffen im Boden, zum Verlust von Lebensräumen für Tiere und zur Verringerung der Artenvielfalt beiträgt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren rund 420.000 km2 (oder 35 %) der äthiopischen Landfläche mit Bäumen bedeckt, aber neuere Untersuchungen zeigen, dass die Waldbedeckung nur noch etwa 11,9 % der Fläche ausmacht. Das Land erreichte 2018 im Forest Landscape Integrity Index einen Durchschnittswert von 7,16/10 und liegt damit weltweit auf Platz 50 von 172 Ländern.

Äthiopien verliert jedes Jahr schätzungsweise 1.410 km2 natürlicher Wälder durch das Sammeln von Feuerholz, die Umwandlung in Ackerland, Überweidung und die Verwendung von Waldholz als Baumaterial. Zwischen 1990 und 2005 hat das Land etwa 21.000 km2 Wald verloren. Die aktuellen Regierungsprogramme zur Kontrolle der Entwaldung bestehen aus Aufklärungsmaßnahmen, der Förderung von Wiederaufforstungsprogrammen und der Bereitstellung von Rohstoffen, die Alternativen zum Holz darstellen. In ländlichen Gebieten stellt die Regierung auch Nicht-Holz-Brennstoffquellen und Zugang zu nicht bewaldetem Land zur Verfügung, um die Landwirtschaft zu fördern, ohne den Lebensraum Wald zu zerstören.

Organisationen wie SOS und Farm Africa arbeiten mit der Bundesregierung und den lokalen Regierungen zusammen, um ein System der Waldbewirtschaftung zu schaffen. Mit einem Zuschuss von rund 2,3 Millionen Euro hat die äthiopische Regierung vor kurzem damit begonnen, die Menschen in der Verringerung der Erosion und der Anwendung geeigneter Bewässerungstechniken zu schulen, die nicht zur Entwaldung beitragen. Mit diesem Projekt werden mehr als 80 Gemeinden unterstützt.

Aufgrund seiner abwechslungsreichen Topographie, diverser geologischer Schichten und verschiedener klimatischer Verhältnisse ist Äthiopien die Heimat für eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt. Von der Savanne über immergrüne Feuchtwälder bis hin zu Regionen mit alpinem Klima haben sich hier viele Lebensräume etabliert.

Äthiopisches Hochland

Äthiopien ist eines der acht Genzentren der Erde. Die äthiopische Flora umfasst ungefähr 7000 höhere Pflanzenarten, von denen ungefähr zwölf Prozent endemisch sind. Äthiopien ist das Ursprungsland des Kaffees und verschiedener Getreidearten, wie Teff, sowie der Zierbanane (Ensete). Über 20 verschiedene Kulturpflanzen stammen aus diesem Land.

Die Schirmakazie, der Baobab, Wacholder und der Maulbeerfeigenbaum sind typische Baumarten des Landes. Eines der großen Umweltprobleme Äthiopiens ist die Waldrodung, die dazu geführt hat, dass bereits Anfang des 20. Jahrhunderts viele dieser Arten in ihrem Bestand erheblich geschwächt waren. Eine Aufforstung mit schnell wachsenden Eukalyptusbäumen im Jahre 1905 hat dazu geführt, dass diese heutzutage den größten Teil der Bäume Äthiopiens ausmachen. Zu einem ähnlichen Problem hat sich die in den 1970er Jahren begonnene Ansiedlung von Prosopis juliflora in Teilen der Afar-Region entwickelt. Die extrem invasive Pflanze wird von der lokalen Bevölkerung als Bedrohung für ihre Landwirtschaft gesehen.

Unter den zahlreichen Tierarten sind 30 Säugetierarten (12 Prozent) (unter anderem der Äthiopische Wolf, der Äthiopische Steinbock, die Sömmerringgazelle, der Dschelada und das Bergnyala), 23 Vogelarten (2,6 Prozent) (unter anderem der Erzrabe, die Blauflügelgans, die Rougets Ralle und der Klunkeribis), drei Reptilien- (3,9 Prozent) und 17 Amphibienarten (31,5 Prozent) endemisch.

Topographie

Im Nationalpark des Simien-Gebirges (Simien Mountains)

Die Landesnatur Äthiopiens nimmt innerhalb Afrikas eine Sonderrolle ein. Äthiopien ist neben Lesotho das am höchsten gelegene Land des Kontinents: 50 Prozent seiner Fläche liegen höher als 1200 Meter, mehr als 25 Prozent über 1800 Meter, mehr als 5 Prozent erreichen sogar Höhen über 3500 Meter. Dennoch hat der größte Teil des Hochlandes Mittelgebirgscharakter. Hier herrscht gemäßigtes Klima vor. Die Hochlandränder und die Einschnitte der Flüsse (Blauer Nil, Omo, Tekeze) sind sehr steil.

Der Großteil Äthiopiens wird vom Hochland von Abessinien eingenommen; in diesem weitläufigen Hochgebirge liegt auch die Hauptstadt Addis Abeba (2370 m). Höchster Berg des Hochlandes ist der Ras Daschän (4533 m); weitere Viertausender sind der Talo (4413 m), der Guma Terara (4231 m) und der Guge (4203 m). Durch die Mitte des Landes zieht sich in Nordost-Südwest-Richtung der Große Afrikanische Grabenbruch (der hier auch Abessinischer Graben genannt wird). Auf dessen südöstlicher Seite schließt sich das Somali-Hochland mit dem Deemtu (4377 m) an. Die tiefste Landesstelle befindet sich mit 116 m unter dem Meeresspiegel in der Koba-Senke (oder Afar-Senke) am Karumsee westlich der Grenze zu Eritrea.

An Bodenschätzen werden in Äthiopien vor allem Gold, Tantal und Edelsteine ausgebeutet. Daneben verfügt das Land über nachgewiesene Vorkommen von Platinmetallen, Niob, Nickel, Kupfer, Chrom, Mangan, Kalk, Sandstein, Gips, Ton, Braunkohle, Opal, Ölschiefer, Laterit, Eisenerz, Bentonit, Perlit, Kieselgur, Pottasche und Steinsalz. Erdöl- und Erdgasvorkommen werden unter anderem in Gambela und in Somali vermutet.

Wirtschaft

Entwicklung des Pro-Kopf-BIP
Eine proportionale Darstellung der äthiopischen Exporte, 2019

Äthiopien verzeichnete das schnellste Wirtschaftswachstum unter der Regierung von Meles Zenawi. Laut IWF war Äthiopien eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und verzeichnete von 2004 bis 2009 ein Wirtschaftswachstum von über 10 %. In den Jahren 2007 und 2008 war es die am schnellsten wachsende, nicht ölabhängige afrikanische Wirtschaft. Im Jahr 2015 hob die Weltbank hervor, dass Äthiopien zwischen 2004 und 2014 ein schnelles Wirtschaftswachstum mit einem durchschnittlichen Wachstum des realen Inlandsprodukts (BIP) von 10,9 % verzeichnete.

In den Jahren 2008 und 2011 wurden die Wachstumsleistung und die beträchtlichen Entwicklungsgewinne Äthiopiens durch eine hohe Inflation und eine schwierige Zahlungsbilanzsituation in Frage gestellt. Die Inflation stieg im August 2011 aufgrund der lockeren Geldpolitik, der umfangreichen Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst Anfang 2011 und der hohen Lebensmittelpreise auf 40 % an. Für 2011/12 wurde eine Inflationsrate von etwa 22 % prognostiziert, und für 2012/13 wird mit einer einstelligen Inflationsrate gerechnet, wenn eine straffe Geld- und Finanzpolitik verfolgt wird.

Trotz des schnellen Wachstums in den letzten Jahren ist das Pro-Kopf-BIP eines der niedrigsten der Welt, und die Wirtschaft steht vor einer Reihe schwerwiegender struktureller Probleme. Mit gezielten Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und in Industrieparks geht die äthiopische Wirtschaft jedoch ihre strukturellen Probleme an und entwickelt sich zu einem Zentrum der Leichtindustrie in Afrika. Im Jahr 2019 wurde ein Gesetz verabschiedet, das es ausländischen Äthiopiern erlaubt, in die äthiopische Finanzdienstleistungsbranche zu investieren.

Die äthiopische Verfassung legt fest, dass das Recht auf Landbesitz nur "dem Staat und dem Volk" zusteht, aber die Bürger können Land für bis zu 99 Jahre pachten, dürfen es aber nicht verpfänden oder verkaufen. Die Verpachtung von Land für maximal zwanzig Jahre ist erlaubt und soll sicherstellen, dass das Land an den produktivsten Nutzer geht. Die Landverteilung und -verwaltung gilt als ein Bereich, in dem die Korruption institutionalisiert ist, und bei der Bearbeitung von Landangelegenheiten werden häufig Schmiergelder und Bestechungsgelder verlangt. Da es kein Landeigentum gibt, werden Infrastrukturprojekte meist einfach durchgeführt, ohne die Landnutzer zu fragen, die dann vertrieben werden und ohne Haus oder Land dastehen. Viel Ärger und Misstrauen führen manchmal zu öffentlichen Protesten. Darüber hinaus ist die landwirtschaftliche Produktivität nach wie vor gering, und das Land wird nach wie vor von häufigen Dürren heimgesucht, was ebenfalls zu Binnenvertreibungen führt.

Energie und Wasserkraft

Grundriss des Grand Renaissance Damms

Äthiopien verfügt über 14 große Flüsse, die aus dem Hochland fließen, darunter der Nil. Das Land verfügt über die größten Wasserreserven in Afrika. Im Jahr 2012 entfielen rund 88,2 % der gesamten installierten Stromerzeugungskapazität auf Wasserkraftwerke.

Der restliche Strom wurde aus fossilen Brennstoffen (8,3 %) und erneuerbaren Energiequellen (3,6 %) erzeugt.

Die Elektrifizierungsrate für die Gesamtbevölkerung lag 2016 bei 42 %, wobei die Abdeckung in städtischen Gebieten 85 % und in ländlichen Gebieten 26 % betrug. Im Jahr 2016 belief sich die gesamte Stromerzeugung auf 11,15 TW⋅h und der Verbrauch auf 9,062 TW⋅h. Es wurden 0,166 TW⋅h Strom exportiert, 0 kW⋅h importiert und 2,784 GW an Stromerzeugungskapazität installiert.

Äthiopien liefert etwa 81 % der Wassermenge an den Nil über die Flussgebiete des Blauen Nils, des Sobat-Flusses und des Atbara. Im Jahr 1959 unterzeichneten Ägypten und der Sudan einen bilateralen Vertrag, das Nilwasserabkommen von 1959, das beiden Ländern die ausschließlichen Seerechte über das Nilwasser einräumte. Seitdem hat Ägypten fast alle Projekte in Äthiopien, die auf die Nutzung der lokalen Nilzuflüsse abzielten, abgelehnt. Dies hatte zur Folge, dass die Finanzierung von Wasserkraft- und Bewässerungsprojekten im Westen Äthiopiens aus dem Ausland erschwert wurde, was wiederum die auf Wasserressourcen basierenden wirtschaftlichen Entwicklungsprojekte behinderte. Äthiopien ist jedoch dabei, einen großen Staudamm mit einer Leistung von 6.450 MW am Blauen Nil zu bauen. Nach seiner Fertigstellung soll der Grand Ethiopian Renaissance Dam das größte Wasserkraftwerk in Afrika sein.

Das Wasserkraftprojekt Gibe III ist mit einer installierten Leistung von 1.870 MW das bisher größte des Landes. Im Jahr 2017-18 (2010 E.C.) erzeugte dieser Wasserkraftdamm 4.900 GW⋅h.

Aufgrund der an vielen Stellen für die Energieerzeugung vorteilhaften äußeren Bedingungen hat Äthiopien die Möglichkeit, auf die im Lande reichlich vorhandenen fossile Energieträger wie Kohle oder Erdgas weitgehend zu verzichten. Stattdessen konzentriert man sich auf Erneuerbare Energien: Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie und Geothermie. Die äußeren Bedingungen in Äthiopien sind günstig, das Land zu einem Großexporteur sauberer und kostengünstiger erneuerbarer Energie zu machen. Fernziel ist der Bau von Wasser- und Windkraftwerken mit einer Leistung von jeweils mehr als 20.000 MW zusätzlich zum existierenden Bestand.

Allerdings steht die Planung in starkem Kontrast zur Realität. Im Zeitraum von fünf Jahren von 2009/10 bis 2014/15 sollte die installierte Leistung nur aus Wasserkraft von ca. 2000 auf 10.000 MW verfünffacht werden. Hingegen lag die gesamte installierte Leistung (inkl. Wasserkraft) im Jahr 2015 bei 2267 MW, der geplante Ausbau der Wasserkraft wurde nur zu 3,9 % verwirklicht. Grund war ein enger Finanzierungsrahmen, der Projekte verhinderte und verzögerte. Seit dem Beginn des Baus der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre (GERD) mit geplanten 6450 MW im Jahr 2011 hat sich der Finanzierungsrahmen nochmals deutlich eingeengt. Das Projekt GERD, ein nationales Prestigeprojekt, muss wegen internationaler Differenzen von der äthiopischen Regierung allein bezahlt werden und verschlang 2015 etwa 15 Prozent des BSP bzw. 60 Prozent des Staatshaushaltes. Eine Entspannung brachte 2016 das bislang größte fertiggestellte Kraftwerk Äthiopiens, Gilgel Gibe III mit 1870 MW installierter Leistung.

Landwirtschaft

Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt sank von 52 Prozent (Stand: 2001) auf 38 Prozent im Jahr 2016 zugunsten eines stark wachsenden Dienstleistungssektors. Durch die ökologische Verschiedenartigkeit gibt es in Äthiopien unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzungssysteme.

  • Nomadismus: Er existiert in allen Wüsten und Halbwüsten in den tieferen Lagen. Meistens treiben die Familien saisonal bedingt ihre Viehherden zwischen verschiedenen Weidegebieten hin und her. Ein Nomadismus, bei dem über Jahre weite Strecken zurückgelegt werden, ist selten. Inzwischen werden die Weideflächen knapper. Das liegt einmal an der zunehmenden Bevölkerung, aber auch an der Ausbreitung von kommerziellen Farmen wie beispielsweise in der Danakilebene. Dort verloren die Afar in den 1950er und 1960er Jahren ihre besten Weidegebiete entlang des Awash. Diese Farmen wurden 1975 verstaatlicht und teilweise vergrößert. Viele Afar arbeiten heute auf diesen Farmen oder betreiben selber Ackerbau.
  • Semi-Nomadismus oder Transhumanz: Diese Landnutzung war früher bei vielen Oromovölkern weit verbreitet. Dabei werden mit einer Handhacke Felder bearbeitet, um Getreide anzubauen. Heute kommt diese Form der Landnutzung noch in einigen Teilen von Bale vor. In den letzten 100 Jahren wanderten vermehrt Menschen aus dem Norden in den Süden, nachdem Menelik II. den Süden erobert hatte. Der Pflug setzte sich immer mehr durch, da er eine intensivere Landnutzung möglich machte.
  • Brandrodung: Diese Art der Landnutzung kommt in den Grenzgebieten zum Sudan vor. Der Busch wird gerodet und/oder abgebrannt. Große Bäume bleiben meist stehen. Der Boden wird dann gepflügt oder mit einer Hacke bearbeitet. Das Land wird so für drei bis fünf Jahre genutzt. Ist die natürliche Bodenfruchtbarkeit erschöpft, folgt eine Ruhezeit von 15 bis 25 Jahren, in der der Boden wieder von natürlicher Vegetation überwachsen wird. Die zunehmende Landknappheit zwingt die Bevölkerung ihre Felder in immer kürzeren Intervallen zu bestellen. Ohne die notwendigen Maßnahmen zum Ressourcenschutz ist eine langfristige Nutzung nicht mehr gewährleistet. In vielen Gebieten findet heute ein ähnlicher Prozess wie vor Jahrzehnten und Jahrhunderten im Norden Äthiopiens statt, der zu einer gewaltigen Zerstörung der Ökologie führte.
  • Ackerbau: Im nördlichen Hochland begann der Mensch vor 7000 bis 8000 Jahren mit sesshaftem Ackerbau. Der Boden wird mit dem meist von Ochsen gezogenen Pflug bearbeitet. Die Saat wird breit ausgesät und mit dem Pflug eingearbeitet. Typisch sind Pflanzen, die sich generativ vermehren. Dazu gehören Getreide, Hülsenfrüchte und Ölsaaten. Die wichtigsten Anbaufrüchte sind Teff (dient hauptsächlich in Äthiopien, Eritrea und Dschibuti der menschlichen Ernährung), Sorghum, Mais, Weizen, Gerste, Fingerhirse, Raps, Sesam. Die Bodenfruchtbarkeit wird durch Fruchtwechsel mit Leguminosen und einer mehrjährigen Brache erhalten. Auf hofnahen Feldern wird mit Tierdung gedüngt.
Tef-Feld bei Mojo

Rund 85 % der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Dienstleistungssektor macht jedoch den größten Anteil am BIP aus. Viele andere Wirtschaftstätigkeiten hängen von der Landwirtschaft ab, darunter die Vermarktung, die Verarbeitung und der Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Produktion wird überwiegend von Kleinbauern und -betrieben erbracht, und ein großer Teil der Warenexporte stammt aus dem Sektor der kleinen landwirtschaftlichen Cash-Crops. Zu den wichtigsten Anbauprodukten gehören Kaffee, Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Getreide, Kartoffeln, Zuckerrohr und Gemüse. Äthiopien ist auch ein Vavilov-Zentrum der Vielfalt für domestizierte Pflanzen, darunter Enset, Kaffee und Teff.

Bei den Exporten handelt es sich fast ausschließlich um landwirtschaftliche Erzeugnisse (mit Ausnahme von Goldexporten), wobei Kaffee der größte Devisenbringer ist. Äthiopien ist der zweitgrößte Maiserzeuger in Afrika. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen lag das Pro-Kopf-BIP in Äthiopien 2011 bei 357 US-Dollar.

Ausfuhren

Äthiopien Export Treemap vom MIT-Harvard Economic Complexity Observatory (2014)

Äthiopien wird oft als Geburtsland des Kaffees angesehen, da der Anbau im 9. Jahrhundert begann. Die Ausfuhren aus Äthiopien beliefen sich im Finanzjahr 2009-2010 auf insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar. Äthiopien produziert mehr Kaffee als jedes andere Land des Kontinents. "Kaffee ist die Lebensgrundlage für fast 15 Millionen Äthiopier, 16 % der Bevölkerung. Die Landwirte im Osten des Landes, wo sich die Klimaerwärmung bereits auf die Produktion auswirkt, hatten in den letzten Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen, und viele von ihnen berichten derzeit von großen Ernteausfällen infolge einer lang anhaltenden Dürre".

Äthiopien hat auch den fünftgrößten Bestand an Rindern. Weitere wichtige Exportgüter sind Khat, Gold, Lederprodukte und Ölsaaten. Die jüngste Entwicklung des Blumenzuchtsektors bedeutet, dass Äthiopien auf dem besten Weg ist, einer der größten Blumen- und Pflanzenexporteure der Welt zu werden.

Ethiopian Blessed Coffee Markensäcke in den Vereinigten Staaten. Kaffee ist eines der Hauptexportgüter Äthiopiens.

Der grenzüberschreitende Handel der Hirten ist oft informell und entzieht sich der staatlichen Kontrolle und Regulierung. In Ostafrika werden über 95 % des grenzüberschreitenden Handels über inoffizielle Kanäle abgewickelt. Der inoffizielle Handel mit lebenden Rindern, Kamelen, Schafen und Ziegen aus Äthiopien, die nach Somalia, Dschibuti und Kenia verkauft werden, hat einen geschätzten Gesamtwert von 250 bis 300 Millionen US-Dollar pro Jahr (100-mal mehr als die offizielle Zahl).

Dieser Handel trägt dazu bei, die Lebensmittelpreise zu senken, die Ernährungssicherheit zu erhöhen, Grenzspannungen abzubauen und die regionale Integration zu fördern. Der unregulierte und undokumentierte Handel birgt jedoch auch Risiken, da sich beispielsweise Krankheiten leichter über die Landesgrenzen hinweg verbreiten können. Außerdem ist die äthiopische Regierung angeblich unzufrieden mit den entgangenen Steuereinnahmen und Deviseneinnahmen. Jüngste Initiativen haben versucht, diesen Handel zu dokumentieren und zu regulieren.

Der Privatsektor wächst langsam, und Designer-Lederprodukte wie Taschen entwickeln sich zu einem großen Exportgeschäft, wobei Taytu das erste Luxusdesigner-Label des Landes wurde. Weitere Exportprodukte in kleinem Maßstab sind Getreide, Hülsenfrüchte, Baumwolle, Zuckerrohr, Kartoffeln und Häute. Mit dem Bau verschiedener neuer Staudämme und dem Ausbau von Wasserkraftwerken im ganzen Land plant Äthiopien auch den Export von elektrischer Energie in seine Nachbarländer.

Die meisten betrachten die großen Wasserressourcen und das Potenzial Äthiopiens als sein "weißes Öl" und seine Kaffeeressourcen als "schwarzes Gold".

Äthiopien verfügt auch über große Mineralienvorkommen und ein großes Ölpotenzial in einigen der weniger bewohnten Regionen. Die politische Instabilität in diesen Regionen hat jedoch die Entwicklung gehemmt. Äthiopische Geologen wurden 2008 in einen großen Goldschwindel verwickelt. Vier Chemiker und Geologen des Äthiopischen Geologischen Dienstes wurden im Zusammenhang mit einem Skandal um gefälschtes Gold verhaftet, nachdem sich Käufer aus Südafrika beschwert hatten. Die Polizei stellte fest, dass es sich bei den Goldbarren der äthiopischen Nationalbank um vergoldetes Metall handelte, was den Staat rund 17 Millionen US-Dollar kostete, wie auf der Website des Science and Development Network zu lesen ist.

Im Jahr 2011 wurde das Projekt Grand Ethiopian Renaissance Dam begonnen. Nach seiner Fertigstellung wird er in Äthiopien überschüssige Energie liefern, die in die Nachbarländer exportiert werden kann.

Verkehr

Stadtbahn in Addis Abeba, Äthiopien

Äthiopien verfügt über 926 km elektrifizierte Normalspurbahnen, 656 km für die Addis Abeba-Dschibuti-Eisenbahn zwischen Addis Abeba und dem Hafen von Dschibuti (über Awash) und 270 km für die Awash-Hara Gebeya-Eisenbahn zwischen Addis Abeba und den Zwillingsstädten Dessie/Kombolcha (ebenfalls über Awash). Beide Bahnen befinden sich entweder im Probebetrieb oder sind im August 2017 noch im Bau. Sobald sie 2018-2019 in Betrieb genommen werden, werden beide Bahnen den Personenverkehr mit einer vorgesehenen Geschwindigkeit von 120 km/h und den Güterverkehr mit einer Geschwindigkeit von ~80 km/h ermöglichen. Die voraussichtliche Reisezeit für Passagiere von Addis Abeba nach Dschibuti-Stadt würde weniger als zwölf Stunden betragen, die Reisezeit von Addis Abeba nach Dessie/Kombolcha rund sechs Stunden.

Neben den ersten 270 km der Awash-Hara Gebeya Railway ist in einer zweiten Bauphase die Verlängerung dieser Bahnstrecke von Dessie/Kombolcha nach Hara Gebeya/Woldiya über 120 km vorgesehen. Es ist noch nicht klar, wann dieser Abschnitt gebaut und eröffnet werden soll. Eine dritte, nördlich gelegene, 216 km lange Eisenbahnstrecke ist ebenfalls im Bau zwischen Mek'ele und Woldiya, aber auch hier ist unklar, wann sie in Betrieb genommen und eröffnet wird. Alle Eisenbahnen sind Teil eines künftigen Eisenbahnnetzes von mehr als 5.000 km Länge, des Nationalen Eisenbahnnetzes von Äthiopien.

Eine Boeing 787-8 von Ethiopian Airlines

Als erster Teil eines zehnjährigen Entwicklungsprogramms für den Straßensektor begann die äthiopische Regierung zwischen 1997 und 2002 mit nachhaltigen Anstrengungen zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur. Infolgedessen verfügte Äthiopien 2015 über insgesamt 100.000 km Straßen (Bundes- und Regionalstraßen), sowohl asphaltiert als auch geschottert.

2012 gab es in Äthiopien 58 Flughäfen, 2016 waren es 61. Darunter befinden sich der Bole International Airport in Addis Abeba und der Aba Tenna Dejazmach Yilma International Airport in Dire Dawa für internationale Flüge.

Ethiopian Airlines, ein Mitglied der Star Alliance, ist das Flaggschiff des Landes und befindet sich zu 100 % im Besitz der äthiopischen Regierung. Von ihrem Drehkreuz am internationalen Flughafen Bole aus bedient die Fluggesellschaft ein Netz von 102 internationalen Passagier-, 20 inländischen Passagier- und 44 Frachtzielen. Sie ist außerdem eine der am schnellsten wachsenden Fluggesellschaften der Branche und des Kontinents.

Tourismus

Landschaft im Semien-Gebirge, 2009

Mit einem Anteil von 5,5 % am BIP-Wachstum im Jahr 2006 ist der Tourismus der beliebteste Wirtschaftszweig in Äthiopien. Im Jahr 2015 wurde Äthiopien vom Europarat zum "World's Best Tourism Destination" ernannt. Allein im Jahr 2020 verzeichnete Äthiopien 518.000 Touristen und lag damit auf Platz 126 der Weltrangliste. Wichtige UNESCO-Welterbestätten sind:

  • Ruinen von Aksum
  • Felsenkirchen in Lalibela
  • Fasil Ghebbi, Region Gondar
  • Harar Jugol, die befestigte historische Stadt
  • Kulturlandschaft Konso
  • Unteres Tal des Awash
  • Unteres Tal des Omo
  • Tiya
  • Simien-Gebirge-Nationalpark
  • Negash-Moschee

In Äthiopien gibt es 22 Nationalparks (Stand: 2021). Der Nationalpark Simien-Gebirge (englisch Simien Mountains) gehört zum Weltnaturerbe der UNESCO.

Das Schutzgebietssystem wird durch etwa 100 weitere nationale Schutzgebiete mit unterschiedlichem Schutzstatus ergänzt.

Reisen hat in Äthiopien eine lange Tradition, daher gibt es überall (meist bescheidene) Unterkünfte, deren Standard von europäischen Ansprüchen oft weit entfernt ist. In Nordäthiopien, auf der von Touristen stark frequentierte „Historischen Route“, gibt es in jeder Stadt ein Hotel der staatlichen Hotelkette, das westlichen Standards entspricht. Alle größeren Städte werden von der Ethiopian Airlines angeflogen. Sehenswürdigkeiten sind unter anderem Bahir Dar am Tanasee, (Blauer) Nil-Fall, Gondar/Gonder (Palast des Kaisers Fasilides), Simien-Nationalpark, Axum (Kathedrale, Stelenfelder), Lalibela (Felsenkirchen), Awash-Nationalpark (Awash-Wasserfall), Langano-See, Dire Dawa. Sehenswert ist auch 500 km östlich von Addis Abeba die kleine, zum Weltkulturerbe erklärte Stadt Harar (90 Moscheen, das Wohnhaus von Arthur Rimbaud).

Kennzahlen

Alle Werte sind in US-Dollar (Kaufkraftparität) angeben.

Jahr BNE
(Kaufkraftparität)
BNE pro Kopf
(Kaufkraftparität)
BIP-Wachstum pro Jahr
1990 020,2 Mrd. 0.420 02,7 %
1995 023,8 Mrd. 0.420 06,1 %
2000 032,4 Mrd. 0.490 06,1 %
2005 049,9 Mrd. 0.650 11,8 %
2010 089,8 Mrd. 1.050 12,6 %
2011 102,1 Mrd. 1.160 11,2 %
2012 112,3 Mrd. 1.250 08,6 %
2013 122,2 Mrd. 1.370 10,6 %
2014 148,1 Mrd. 1.500 10,3 %
2015 166,4 Mrd. 1.650 10,4 %
2016 194,0 Mrd. 1.870 9,4 %
2017 213,8 Mrd. 2.010 9,6 %
2018 234,2 Mrd. 2.140 6,8 %
2019 257,9 Mrd. 2.300 8,4 %
2020 276,9 Mrd. 2.410 6,1 %
2021 304,9 Mrd. 2.590 5,6 %

Elektrifizierung

Im Gegensatz dazu kommt innerhalb Äthiopiens die Elektrifizierung nur schrittweise voran. Waren 2010 weniger als 25 Prozent der Bevölkerung an das Stromnetz angeschlossen, sollten es bis 2015 75 Prozent sein, ein Ziel, das um etwa 15 Prozentpunkte verfehlt wurde. Bis 2020 sollen es 90 Prozent sein. Das sich verzögernde Bauprogramm von Kraftwerken und die zunehmende Elektrifizierung des Landes führen zu Stromknappheit in der Wirtschaft. Speziell im Dürrejahr 2015/16 kam es immer wieder zu Stromausfällen, da die Reservoirs teilweise trocken waren und die Zahl der Verbraucher stark zugenommen hatte. Hier verhinderte das vorzeitig teilweise in Betrieb genommene Wasserkraftwerk Gilge Gibel III mit seinen Wasser- und Elektrizitätsreserven einen partiellen Zusammenbruch der Wirtschaft Äthiopiens.

Ein struktureller Ausbau der Elektrizitätsinfrastruktur wird nach wie vor notwendig bleiben. Die zunehmende Elektrifizierung und das Wirtschaftswachstum sorgen für einen Anstieg des Bedarfs nach elektrischem Strom um 30 % jährlich. Nach der Inbetriebnahme von Gilgel Gibe III im Jahr 2016 stand zunächst genügend elektrischer Strom zur Verfügung. Daraus ergab sich aber unmittelbar ein Defizit bei der Zahl der Umspannwerke und von Übertragungsleitungen, die in zu geringer Zahl vorhanden und schnell überlastet waren und zahlreiche und lang anhaltende Stromausfälle über Tage provozieren. Um dies zu beheben, sind u. a. eine umfangreiche Bereitstellung neuer öffentlicher Umspannwerke vorgesehen, die bis 2018 abgeschlossen sein sollte. Es werden auch private Umspannwerke von Firmen (wie Stahlwerken) gebaut, um Energierationierungen zu umgehen und um die bereitgestellte Energie nutzen zu können.

Energieexporte

Trotz des relativen Engpasses bei der Energieerzeugung exportiert Äthiopien Strom, um die Kraftwerke zu refinanzieren und sich vor allem aufgrund des sehr kostengünstigen Stromes den stark wachsenden Energiemarkt Ostafrika möglichst vollständig zu sichern. Das Land exportiert seit Juni 2011 Strom nach Dschibuti und seit 2012 nach Sudan und Kenia – und zwar nahe am Selbstkostenpreis. Strategisch peilt Äthiopien damit eine umfassende Versorgung ganz Ostafrikas (Kenia, Uganda, Tansania, Ruanda, Südsudan sowie weitere Länder) an; die niedrigen Preise sollen angepasst werden, sobald eine umfassende Versorgung steht. Ein Meilenstein konnte hier 2016 verzeichnet werden, als Äthiopien und Kenia mit dem gemeinsamen Bau einer 500-kV-Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitung über 1045 km begannen, die Ende 2018 kommissioniert werden soll. Diese Leitung soll mit bis zu 2000 MWe übertragener Leistung ganz Ostafrika versorgen. Mittel- bis langfristig soll ein Energiekorridor bis nach Europa geschaffen werden.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 11,85 Milliarden US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 10,07 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 2,4 Prozent des BIP. Die Staatsverschuldung betrug 2015 39,73 Milliarden US-Dollar oder 54,8 Prozent des BIP.

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in Prozent des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit: 3,9 Prozent
  • Bildung: 6,0 Prozent
  • Militär: 3,0 Prozent

Infrastruktur

Familie Alfred Ilg vor einer Lokomotive der Firma SLM, Winterthur, in Dire Dawa etwa 1902–1906

Inländischer Schiffsverkehr findet in Äthiopien nur auf den großen Seen (vor allem auf dem Tanasee) statt. Die Flüsse des Landes sind (bis auf den Baro während der Regenzeit) nicht schiffbar.

Import- und Exportverkehr

Äthiopien ist ein Binnenstaat ohne Zugang zum Meer, daher besitzt es keine eigenen Häfen. Über den Hafen von Dschibuti in Dschibuti City laufen 87 Prozent des Import- und Exportverkehrs Äthiopiens sowie 97 Prozent der Importe. In geringem Maße wird auch Bur Sudan im Sudan genutzt, vor allem für den Export von Kaffee. 2016 wurde eine Vereinbarung über die Nutzung des Hafens Berbera in Somaliland erreicht. Berbera soll – nach massiven Investitionen in die Infrastruktur – bis zu 30 Prozent des Außenhandels übernehmen.

Wegen der Bedeutung Dschibutis für Importe und Exporte legt Äthiopien Wert auf den Ausbau guter Verbindungen (Schiene, Straße) nach Dschibuti.

Straßenverkehr

Die Verkehrsinfrastruktur ist wenig entwickelt. Alle wichtigen Städte sind aber bereits (Stand 2018) auf guten Asphaltstraßen erreichbar. Äthiopien verfügte 2003 über insgesamt 33.856 Straßenkilometer, die sich bis Mai 2016 auf 113.213 km aufgrund eines massiven Straßenbauprogramms mehr als verdreifachten. Der Anteil asphaltierter Straßen an der Gesamtlänge aller Straßen betrug in beiden Jahren dagegen etwa ein Achtel und blieb damit weitgehend konstant. Jedes Jahr kommen etwa 11 Prozent neuer Straßen hinzu (Stand: 2011).

Der Straßenverkehr gilt als unsicher. 2013 kamen in der Äthiopien insgesamt 25,3 Verkehrstote auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland waren es im selben Jahr 4,3 Tote. Insgesamt kamen damit über 23.800 Personen im Straßenverkehr ums Leben. Die Rate an Verkehrstoten ist noch weitaus höher, wenn man sie der niedrigen Motorisierungsrate des Landes gegenüberstellt. 2017 kamen im Land 8 Kraftfahrzeuge auf 1000 Einwohner (in Deutschland waren es über 500 Fahrzeuge).

Das Land ist durch jahrhundertelange Subsistenzwirtschaft und Isolation wenig auf Außenhandel und nur eingeschränkt auf Binnenhandel ausgerichtet und verfügte daher nur über wenige Straßen für den Transport. Für eine wirtschaftliche Entwicklung besteht im Straßenbau daher ein sehr hoher Neu- und Ausbaubedarf, vor allem bei Allwetterstraßen, der selbst bei den hohen jährlichen Neubauanstrengungen noch länger nicht gedeckt sein wird. In den beiden Regenzeiten werden zudem viele Transportwege unpassierbar und die Menschen sind oft wochenlang von den Märkten und von medizinischen Einrichtungen abgeschnitten.

Für den Außenhandel wichtig ist vor allem die Strecke zwischen Addis Abeba über Adama zum Seehafen von Dschibuti, wobei vor allem die auch für den inneräthiopischen Verkehr wichtige Teilstrecke zwischen Addis Abeba nach Adama stark frequentiert ist. Seit August 2016 verfügt Äthiopien nun über eine erste voll kommissionierte 85 km lange Autobahn mit jeweils drei Fahrstreifen je Richtung von den Städten Addis Abeba über Modjo nach Adama. Zwischen den beiden Endpunkten finden sich sechs Anschlussstellen. Eine Weiterführung über 202 km von Modjo entlang des ostafrikanischen Grabenbruchs nach Süden nach Awassa ist im Bau (Stand: 2018).

Telekommunikation

Das Telekommunikationsnetz in Äthiopien ist inzwischen gut ausgebaut. In allen regionalen Zentren gibt es öffentliche Telefone und oft auch Internetcafés, Cafés und Telefon-Shops. Die Preise für Telekommunikation, besonders für Anrufe ins Ausland, sind sehr hoch und liegen bei 15 Birr/Minute für einen Anruf nach Deutschland. Internetverbindungen sind oft sehr langsam, so dass eine Nutzung kaum oder nur mit sehr viel Geduld möglich ist. In einigen Teilen des Landes existiert bereits ein Mobilfunknetz. Bisher gibt es Roaming-Abkommen mit dem Betreiber E-Plus und der Telekom. Eine äthiopische SIM-Karte kostet ca. 60 Birr (Stand August 2011) und kann auch von Ausländern in Telekommunikationsläden, Hotels oder direkt bei Ethiopian Telecom erworben werden. Die Vorwahl äthiopischer Mobilfunknummern besteht aus den Ziffern 091, gefolgt von einer weiteren Nummer für die Region. 2016 nutzten 11,6 Prozent der Bevölkerung das Internet.

Demografie

Äthiopien ist das bevölkerungsreichste Binnenland der Welt. Die Gesamtbevölkerung des Landes ist von 38,1 Millionen im Jahr 1983 auf 109,5 Millionen im Jahr 2018 gestiegen. Im 19. Jahrhundert betrug die Bevölkerung nur etwa neun Millionen. Die Ergebnisse der Volks- und Wohnungszählung von 2007 zeigen, dass die Bevölkerung Äthiopiens zwischen 1994 und 2007 mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 2,6 % wuchs, während sie im Zeitraum 1983-1994 noch 2,8 % betrug. Derzeit liegt die Bevölkerungswachstumsrate unter den zehn größten Ländern der Welt. Prognosen zufolge wird die Bevölkerung bis 2060 auf über 210 Millionen Menschen anwachsen, was gegenüber den Schätzungen von 2011 einen Anstieg um den Faktor 2,5 bedeuten würde. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen hat sich die Lebenserwartung in den letzten Jahren erheblich verbessert, wobei die Lebenserwartung für Männer mit 56 Jahren und für Frauen mit 60 Jahren angegeben wird.

Ethnische Gruppen in Äthiopien
Ethnische Gruppe Einwohnerzahl
Oromo 25.4 (34.4%)
Amhara 19.9 (27.0%)
Somalisch 4.59 (6.2%)
Tigraer 4.49 (6.1%)
Sidama 2.95 (4.0%)
Gurage 1.86 (2.5%)
Welayta 1.68 (2.3%)
Afar 1.28 (1.7%)
Hadiya 1.27 (1.7%)
Gamo 1.10 (1.5%)
Andere 9.30 (12.6%)
Bevölkerung in Millionen gemäß der Volkszählung von 2007

Äthiopiens Bevölkerung ist sehr vielfältig und besteht aus über 80 verschiedenen ethnischen Gruppen, von denen die vier größten die Oromo, Amhara, Somali und Tigrayaner sind. Laut der äthiopischen Volkszählung von 2007 sind die Oromo mit 34,4 % der Bevölkerung die größte ethnische Gruppe in Äthiopien. Die Amhara stellen 27,0 % der Einwohner des Landes, während Somalier und Tigraier 6,2 % bzw. 6,1 % der Bevölkerung ausmachen. Andere wichtige ethnische Gruppen sind: Sidama 4,0%, Gurage 2,5%, Welayta 2,3%, Afar 1,7%, Hadiya 1,7%, Gamo 1,5% und andere 12,6%.

Die afroasiatisch sprechenden Gemeinschaften machen die Mehrheit der Bevölkerung aus. Die semitischsprachigen unter ihnen bezeichnen sich selbst häufig als Habesha-Volk. Die arabische Form dieses Begriffs (al-Ḥabasha) ist die etymologische Grundlage von "Abessinien", dem früheren Namen Äthiopiens im Englischen und anderen europäischen Sprachen. Darüber hinaus leben in den südlichen Regionen des Landes, insbesondere in der Region Gambela, die an den Südsudan grenzt, nilo-saharasprachige ethnische Minderheiten. Zu den größten ethnischen Gruppen gehören die Nuer und die Anuak.

Außerdem gab es während der italienischen Besetzung des Landes über 75 000 italienische Siedler in Äthiopien. Nach der Unabhängigkeit blieben viele Italiener jahrzehntelang im Land, nachdem sie von Kaiser Selassie begnadigt worden waren, da er die Chance sah, die Modernisierungsbemühungen fortzusetzen. Aufgrund des äthiopischen Bürgerkriegs im Jahr 1974 verließen jedoch fast 22.000 Italo-Äthiopier das Land. In den 2000er Jahren kehrten einige italienische Unternehmen nach Äthiopien zurück, und viele italienische Techniker und Manager kamen mit ihren Familien nach Äthiopien und ließen sich vor allem im Großraum der Hauptstadt nieder.

Im Jahr 2009 beherbergte Äthiopien rund 135 200 Flüchtlinge und Asylbewerber. Die meisten von ihnen kamen aus Somalia (rund 64 300 Personen), Eritrea (41 700) und dem Sudan (25 900). Die äthiopische Regierung verpflichtete fast alle Flüchtlinge, in Flüchtlingslagern zu leben.

Sprachen

Sprachen in Äthiopien nach der Volkszählung von 2007

  Oromo (33,8%)
  Amharisch (29,3%)
  Somali (6,2%)
  Tigrinya (5,9%)
  Sidamo (4,0%)
  Wolaytta (2,2%)
  Gurage (2,0%)
  Afar (1,7%)
  Hadiyya (1,7%)
  Gamo (1,5%)
  andere (11,6%)

Laut Ethnologue werden in Äthiopien 90 verschiedene Sprachen gesprochen. Die meisten Menschen im Land sprechen afroasiatische Sprachen aus dem kuschitischen oder semitischen Zweig. Zu ersteren gehören die von den Oromo gesprochene Oromo-Sprache und das von den Somalis gesprochene Somali, zu letzteren das von den Amhara gesprochene Amharisch und das von den Tigrayern gesprochene Tigrinya. Zusammen machen diese vier Gruppen etwa drei Viertel der Bevölkerung Äthiopiens aus. Zu den anderen afroasiatischen Sprachen mit einer großen Zahl von Sprechern gehören die kuschitischen Sprachen Sidamo, Afar, Hadiyya und Agaw sowie die semitischen Sprachen Gurage, Harari, Silt'e und Argobba. Arabisch, das ebenfalls zur afroasiatischen Sprachfamilie gehört, wird ebenfalls in einigen Gebieten gesprochen.

Darüber hinaus werden von den in den südlichen Regionen lebenden ethnischen Minderheiten der Omotischen Sprachen gesprochen. Zu diesen Idiomen gehören Aari, Bench, Dime, Dizin, Gamo-Gofa-Dawro, Maale, Hamer und Wolaytta.

Sprachen aus der Familie der Nilo-Sahara werden auch von ethnischen Minderheiten im Südwesten des Landes gesprochen. Zu diesen Sprachen gehören Nuer, Anuak, Nyangatom, Majang, Suri, Me'en und Mursi.

Englisch ist die am weitesten verbreitete Fremdsprache, die Unterrichtssprache in den weiterführenden Schulen und im gesamten tertiären Bildungsbereich; Bundesgesetze werden in der Federal Negarit Gazeta in britischem Englisch veröffentlicht, darunter auch die Verfassung von 1995.

Amharisch war die Unterrichtssprache in der Grundschule, wurde aber in vielen Gebieten durch Regionalsprachen wie Oromiffa, Somali oder Tigrinya ersetzt. Während alle Sprachen in der äthiopischen Verfassung von 1995 gleichberechtigt anerkannt sind und Oromo die bevölkerungsreichste Sprache nach Muttersprachlern ist, ist Amharisch die bevölkerungsreichste Sprache nach der Anzahl der Sprecher insgesamt.

Die verschiedenen Regionen Äthiopiens und die Statutarstädte können ihre Arbeitssprachen selbst bestimmen. Amharisch ist als offizielle Arbeitssprache der Regionen Amhara, Benishangul-Gumuz, Südliche Nationen, Nationalitäten und Völker, Gambela, Addis Abeba und Dire Dawa anerkannt. Oromo ist die offizielle Arbeitssprache und die wichtigste Bildungssprache in Oromia, Harar und Dire Dawa sowie in der Oromia-Zone in der Region Amhara. Somali ist die offizielle Arbeitssprache in der Region Somali und Dire Dawa, während Afar, Harari und Tigrinya als offizielle Arbeitssprachen in ihren jeweiligen Regionen anerkannt sind. Vor kurzem gab die äthiopische Regierung bekannt, dass Afar, Amharisch, Oromo, Somali und Tigrinya als offizielle Arbeitssprachen Äthiopiens anerkannt werden. Italienisch wird noch von einigen Teilen der Bevölkerung gesprochen, vor allem von der älteren Generation, und wird in einigen Schulen unterrichtet (vor allem im Istituto Statale Italiano Omnicomprensivo di Addis Abeba). Amharisch und Tigrinya haben beide einige Wörter aus dem Italienischen entlehnt.

2020 beschloss das Kabinett die Zulassung von Oromo, Tigrinya, Somali und Afar als weitere Amtssprachen auf Bundesebene.

Die Sprachen Äthiopiens gehören – sehr ungleich verteilt – zwei großen Sprachfamilien an: dem Afroasiatischen (früher Semito-Hamitisch genannt) und dem Nilo-Saharanischen. Dabei entfallen fast 99 Prozent auf das Afroasiatische, das in Äthiopien mit seinen Zweigen Semitisch (vorwiegend in der nördlichen Hälfte des Landes), Omotisch (im Südwesten) und Kuschitisch (im Süden, Westen und Osten) vertreten ist. Die Nilo-Saharanischen Sprachen (im Westen Äthiopiens, mit den Zweigen Nilotisch, Surmisch und Komuz) machen nur zwischen 500.000 und 1 Million Sprecher aus.

Die Äthiopische Gebärdensprache wird von zwischen 250.000 und 1 Million Menschen beherrscht. Basis dieser Sprache dürfte die American Sign Language sein, die der Familie der französischen Gebärdensprachen zugehörig ist.

Schrift

Die wichtigste Rechtschreibung Äthiopiens ist die Ge'ez-Schrift. Sie wird als Abugida für mehrere Sprachen des Landes verwendet und kam erstmals im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. als Abjad zur Transkription der semitischen Ge'ez-Sprache in Gebrauch. Ge'ez dient heute als liturgische Sprache sowohl der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche als auch der eritreisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche. In den 1980er Jahren wurde der äthiopische Zeichensatz auf Computer umgestellt. Er ist heute Teil des Unicode-Standards als Äthiopisch, Äthiopisch Erweitert, Äthiopische Ergänzung und Äthiopisch Erweitert-A.

Auch andere Schriftsysteme wurden im Laufe der Jahre von verschiedenen äthiopischen Gemeinschaften verwendet. Dazu gehört die Schrift von Bakri Sapalo für Oromo.

Religion

Religion in Äthiopien (2007)

  Äthiopisch-Orthodoxe (43,5%)
  Islam (33,9%)
  P'ent'ay/Protestantismus (18,6%)
  Traditionelle Glaubensrichtungen (2,6%)
  Katholizismus (0,7%)
  Judentum (0,7%)

Äthiopien hat enge historische Beziehungen zu allen drei großen abrahamitischen Religionen der Welt. Im 4. Jahrhundert war das äthiopische Reich eines der ersten der Welt, das das Christentum offiziell als Staatsreligion annahm. Infolge der Beschlüsse des Konzils von Chalcedon wurden die Miaphysiten, zu denen die überwiegende Mehrheit der Christen in Ägypten und Äthiopien gehörte, im Jahr 451 des Monophysitismus beschuldigt und unter dem gemeinsamen Namen koptisches Christentum (siehe Orientalische Orthodoxie) als Häretiker bezeichnet. Die äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche ist zwar keine Staatsreligion mehr, stellt aber nach wie vor die größte christliche Konfession dar. Außerdem gibt es eine beträchtliche muslimische Bevölkerungsgruppe, die etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. Äthiopien war das Ziel der Ersten Hijrah, einer bedeutenden Auswanderung in der islamischen Geschichte. Negash, eine Stadt in der Region Tigray, ist die älteste muslimische Siedlung in Afrika.

Die unterirdische, in den Fels gehauene Kirche des Heiligen Georg in Lalibela gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Nach der Volkszählung von 2007 stellen die Christen 62,8 % der Bevölkerung des Landes (43,5 % Äthiopisch-Orthodoxe, 19,3 % andere Konfessionen), die Muslime 33,9 %, die Anhänger traditioneller Religionen 2,6 % und die anderen Religionen 0,6 %. Das Verhältnis zwischen der christlichen und der muslimischen Bevölkerung ist im Vergleich zu früheren Volkszählungen, die vor Jahrzehnten durchgeführt wurden, weitgehend stabil geblieben. Die Sunniten bilden die Mehrheit der Muslime, während die konfessionslosen Muslime die zweitgrößte Gruppe der Muslime darstellen und die Schiiten und Ahmadiyyas eine Minderheit sind. Die Sunniten sind größtenteils Schafiiten oder Salafisten, und es gibt auch viele Sufi-Muslime. Die große muslimische Bevölkerung in der nördlichen Afar-Region hat zu einer muslimischen Separatistenbewegung namens "Islamischer Staat Afaria" geführt, die eine Scharia-konforme Verfassung anstrebt.

Einige Kritiker behaupteten, das Regime von Haile Selassie habe die Volkszählung gefälscht, um Äthiopien nach außen hin als christliches Land darzustellen, und gaben an, dass der Islam 1991 50 % der Gesamtbevölkerung ausmachte, wobei sie sich auf die vom Derg-Regime in Auftrag gegebene Volkszählung von 1984 stützten. Mehrere muslimische Beobachter und Blogger behaupten, dass die Muslime in der Mehrheit sind und widersprechen den oben genannten Volkszählungszahlen, ohne dass sie ihre Behauptungen mit Fakten untermauern.

Das Königreich Axum war eines der ersten Gemeinwesen, das offiziell das Christentum annahm, als Frumentius von Tyrus, in Äthiopien Fremnatos oder Abba Selama ("Vater des Friedens") genannt, Kaiser Ezana im 4. Dem Neuen Testament zufolge war das Christentum sogar schon früher in Äthiopien angekommen, als ein Beamter der äthiopischen königlichen Schatzkammer von Philipp dem Evangelisten getauft wurde.

Orthodoxe Priester tanzen während des Timkat-Festes

Die äthiopisch-orthodoxe Tewahedo-Kirche ist Teil der orientalischen Orthodoxie. Sie ist bei weitem die größte christliche Konfession, auch wenn in letzter Zeit eine Reihe von P'ent'ay (protestantischen) Kirchen an Boden gewonnen haben. Seit 1930 gibt es eine relativ kleine katholische Kirche in Äthiopien, die in voller Gemeinschaft mit Rom steht und deren Anhänger weniger als 1 % der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Eine Moschee in Bahir Dar

Der Islam in Äthiopien geht auf die Gründung der Religion im Jahr 622 zurück, als eine Gruppe von Muslimen von Mohammed beraten wurde, um der Verfolgung in Mekka zu entkommen. Die Jünger wanderten daraufhin über das heutige Eritrea nach Abessinien aus, das damals von Ashama ibn-Abjar, einem frommen christlichen Kaiser, regiert wurde. Auch die größte einzelne ethnische Gruppe der nichtarabischen Sahabah waren die Äthiopier.

Laut der Volks- und Wohnungszählung von 2007 gehören rund 1 957 944 Menschen in Äthiopien traditionellen Religionen an. Weitere 471.861 Einwohner praktizieren andere Glaubensrichtungen. Anhänger aller Religionen sind zwar in jeder Region zu finden, doch konzentrieren sie sich in der Regel auf bestimmte Landesteile. Christen leben vor allem in den nördlichen Regionen Amhara und Tigray und sind größtenteils Mitglieder der nicht-chalcedonischen Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche. Die Angehörigen der P'ent'ay überwiegen in den Regionen Oromia und SNNP (Southern Nations, Nationalities, and Peoples' Region). Die Muslime in Äthiopien gehören überwiegend dem sunnitischen Islam an und leben vor allem in den östlichen und nordöstlichen Gebieten, insbesondere in den Regionen Somali, Afar, Dire Dawa und Harari. Anhänger traditioneller Religionen leben vor allem im äußersten Südwesten und im westlichen ländlichen Grenzgebiet des Landes, in den Regionen SNNP, Benishangul-Gumuz und Gambela.

Bis in die 1980er Jahre lebte eine beträchtliche Anzahl von Beta Israel / ቤተ እስራኤል / ביתא ישראל (äthiopische Juden) in Äthiopien. Schätzungsweise 4.000 Juden, die sich zu den verlorenen Stämmen Israels zählen, leben noch in Äthiopien, zusammen mit vielen weiteren Mitgliedern zweier verwandter ethnisch-religiöser Gruppen, der Falash Mura und der Beta Abraham. Bei den Falash Mura handelt es sich um Beta Israel, die sich zwar als Juden bezeichnen, aber aufgrund von Missionsbemühungen Elemente des Christentums angenommen haben und nun eine synkretistische Form des äthiopischen Judentums mit dem Christentum vermischt praktizieren; ihre Zahl beläuft sich auf etwa 150.000 Menschen. Die Beta Abraham gelten als mittelalterlicher Ableger der Beta Israel, die Elemente der traditionellen afrikanischen Religion übernommen haben, und zählen etwa 8.000 Mitglieder. Beide bezeichnen sich zwar immer noch als Beta Israel, existieren aber außerhalb der Hauptgemeinschaft. Die offiziellen Führer der Beta-Israel-Gemeinschaft akzeptieren die Falash Mura zögernd und haben darum gebeten, dass sie nach Israel einwandern dürfen. Die Beta Abraham wurden in der Vergangenheit von den meisten anderen Gemeinschaften gemieden, da sie den Ruf hatten, "Zauberer" zu sein. In bestimmten äthiopischen Städten und Dörfern wie Wolleka, in der Nähe der äthiopischen Stadt Gondar, ist die Konzentration äthiopischer Juden immer noch beträchtlich, aber in den USA gibt es inzwischen deutlich mehr äthiopische Juden als in Äthiopien.

Menschenrechtsgruppen haben die Regierung regelmäßig beschuldigt, Aktivisten, Journalisten und Blogger zu verhaften, um abweichende Meinungen in einigen Religionsgemeinschaften zu unterdrücken. Am 3. August 2015 wurden 17 muslimische Aktivisten zu langen Haftstrafen zwischen sieben und 22 Jahren verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, versucht zu haben, einen islamischen Staat in dem mehrheitlich christlichen Land zu errichten. Alle Angeklagten bestritten die Vorwürfe und behaupteten, sie hätten lediglich für ihre Rechte protestiert.

Verstädterung

Straße in Addis Abeba

Bevölkerungswachstum, Migration und Verstädterung belasten sowohl die Kapazitäten der Regierungen als auch die der Ökosysteme, die Menschen mit grundlegenden Dienstleistungen zu versorgen. Die Verstädterung hat in Äthiopien stetig zugenommen, wobei es zwei Phasen mit besonders schnellem Wachstum gab. Zunächst in den Jahren 1936 bis 1941 während der italienischen Besatzung unter Mussolinis faschistischer Regierung und dann von 1967 bis 1975, als sich die Bevölkerung der städtischen Gebiete verdreifachte.

1936 annektierte Italien Äthiopien und baute eine Infrastruktur, um die großen Städte miteinander zu verbinden, sowie einen Staudamm, der Strom und Wasser lieferte. Dies und der Zustrom von Italienern und Arbeitern war die Hauptursache für das schnelle Wachstum in dieser Zeit. Die zweite Wachstumsphase war von 1967 bis 1975, als die Landbevölkerung auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen in die Städte abwanderte.

Dieses Muster verlangsamte sich aufgrund des 1975 von der Regierung eingeführten Landreformprogramms, das Anreize für die Menschen bot, in den ländlichen Gebieten zu bleiben. Da die Menschen aus den ländlichen Gebieten in die Städte abwanderten, gab es weniger Menschen, die Lebensmittel für die Bevölkerung anbauen konnten. Mit dem Landreformgesetz sollte die Landwirtschaft gefördert werden, da die Nahrungsmittelproduktion mit dem Bevölkerungswachstum im Zeitraum 1970-1983 nicht Schritt halten konnte. Dieses Programm förderte die Bildung von Bauernverbänden, großen, auf der Landwirtschaft basierenden Dörfern. Die Gesetzgebung führte zu einem Anstieg der Nahrungsmittelproduktion, auch wenn die Gründe dafür umstritten sind; sie könnten eher mit den Wetterbedingungen als mit der Reform zusammenhängen. Die Stadtbevölkerung ist mit einem Anstieg von 8,1 % zwischen 1975 und 2000 weiter gewachsen.

Größte Städte in Äthiopien
CSA (Prognosewerte für die städtische Bevölkerung von 2016)
Rang Region Bevölkerung Rang Region Bevölkerung
1 Addis Abeba Addis Abeba 3,352,000 11 Shashamane Oromia 154,587
2 Gondar Amhara 341,991 12 Bishoftu Oromia 153,847
3 Mek'ele Tigray 340,858 13 Sodo SNNPR 253,322
4 Adama Oromia 338,940 14 Arba Minch SNNPR 151,013
5 Hawassa SNNPR 318,618 15 Hosaena SNNPR 141,352
6 Bahir Dar Amhara 297,794 16 Harar Harari 133,000
7 Dire Dawa Dire Dawa 285,000 17 Dila SNNPR 119,276
8 Dessie Amhara 198,428 18 Nekemte Oromia 115,741
9 Jimma Oromia 186,148 19 Debre Birhan Amhara 107,827
10 Jijiga Somalisch 164,321 20 Asella Oromia 103,522

Ländliches und städtisches Leben

Skyline von Gondar

Die Abwanderung in städtische Gebiete ist in der Regel durch die Hoffnung auf ein besseres Leben motiviert. In den bäuerlichen Verbänden ist das tägliche Leben ein Kampf ums Überleben. Etwa 16 % der Bevölkerung in Äthiopien lebt von weniger als einem Dollar pro Tag (2008). Nur 65 % der ländlichen Haushalte in Äthiopien nehmen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegte Mindestnahrungsmenge (2.200 Kilokalorien) pro Tag zu sich, wobei 42 % der Kinder unter 5 Jahren untergewichtig sind.

Die meisten armen Familien (75 %) teilen sich ihren Schlafplatz mit dem Vieh, und 40 % der Kinder schlafen auf dem Boden, wo die nächtlichen Temperaturen in der kalten Jahreszeit durchschnittlich 5 Grad Celsius betragen. Die durchschnittliche Familiengröße beträgt sechs oder sieben Personen, die in einer 30 Quadratmeter großen Lehm- und Strohhütte leben und weniger als zwei Hektar Land bewirtschaften können.

Ländliches Gebiet im Simien Mountains National Park

Die bäuerlichen Vereinigungen sind einem Kreislauf der Armut ausgesetzt. Da der Landbesitz so klein ist, können die Bauern das Land nicht brachliegen lassen, was die Bodenfruchtbarkeit verringert. Diese Bodendegradation verringert die Futtermittelproduktion für das Vieh, was zu geringen Milcherträgen führt. Da die Gemeinschaft den Viehdung als Brennstoff verbrennt, anstatt die Nährstoffe wieder in den Boden einzubringen, wird die Pflanzenproduktion reduziert. Die geringe Produktivität der Landwirtschaft führt zu unzureichenden Einkommen der Bauern, Hunger, Unterernährung und Krankheiten. Diese ungesunden Landwirte haben Schwierigkeiten, das Land zu bearbeiten, und die Produktivität sinkt weiter.

Obwohl sich die Bedingungen in den Städten drastisch verbessert haben, leidet ganz Äthiopien unter Armut und schlechten sanitären Verhältnissen. Nach Angaben der Weltbank ist die Armut in Äthiopien zwischen 2000 und 2011 jedoch von 44 % auf 29,6 % zurückgegangen. In der Hauptstadt Addis Abeba lebten früher 55 % der Bevölkerung in Slums. Inzwischen hat jedoch ein Bauboom sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor zu einer drastischen Verbesserung des Lebensstandards in den Großstädten, insbesondere in Addis Abeba, geführt. Vor allem die von der Regierung errichteten Wohnkomplexe mit Eigentumswohnungen sind überall in der Stadt entstanden und kommen fast 600 000 Menschen zugute. Die Abwasserentsorgung ist der dringendste Bedarf in der Stadt, da der Großteil der Bevölkerung keinen Zugang zu Abfallbehandlungsanlagen hat. Dies trägt zur Verbreitung von Krankheiten durch ungesundes Wasser bei.

Straßenszene in Adigrat

Trotz der Lebensbedingungen in den Städten geht es den Bewohnern von Addis Abeba aufgrund ihrer Bildungschancen wesentlich besser als den Bewohnern der Bauernverbände. Im Gegensatz zu den Kindern auf dem Land besuchen 69 % der Stadtkinder die Grundschule, und 35 % von ihnen haben die Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen. Addis Abeba verfügt über eine eigene Universität und zahlreiche weiterführende Schulen. Die Alphabetisierungsrate liegt bei 82 %.

Viele Nichtregierungsorganisationen (NRO) arbeiten an der Lösung dieses Problems, allerdings sind die meisten weit voneinander entfernt, unkoordiniert und arbeiten isoliert. Das Sub-Saharan Africa NGO Consortium versucht, die Bemühungen zu koordinieren.

Gesundheit

Sinkende Kindersterblichkeit in Afrika südlich der Sahara und Äthiopien seit 1950

Im Weltgesundheitsbericht 2006 der Weltgesundheitsorganisation wird eine Zahl von 1.936 Ärzten (für 2003) genannt, was etwa 2,6 pro 100.000 entspricht. Es heißt, dass das Land von der Abwanderung von Fachkräften im Zuge der Globalisierung betroffen ist, da viele gut ausgebildete Fachkräfte Äthiopien verlassen, um im Westen bessere wirtschaftliche Möglichkeiten zu finden.

Als Hauptgesundheitsprobleme Äthiopiens gelten übertragbare (ansteckende) Krankheiten, die durch schlechte sanitäre Verhältnisse und Unterernährung verschlimmert werden. Über 44 Millionen Menschen (fast die Hälfte der Bevölkerung) haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Diese Probleme werden durch den Mangel an ausgebildeten Ärzten und Krankenschwestern sowie an Gesundheitseinrichtungen noch verschärft.

In den Städten ist der Zustand der öffentlichen Gesundheit wesentlich besser. Die Geburtenrate, die Kindersterblichkeit und die Sterblichkeitsrate sind in den Städten aufgrund des besseren Zugangs zu Bildung, Medikamenten und Krankenhäusern niedriger als in ländlichen Gebieten. Die Lebenserwartung ist in den Städten höher als in den ländlichen Gebieten, aber in den letzten Jahren sind im ganzen Land erhebliche Verbesserungen zu verzeichnen: Einem UNDP-Bericht zufolge wird der durchschnittliche Äthiopier 62,2 Jahre alt. Obwohl die sanitären Einrichtungen ein Problem darstellen, nimmt auch die Nutzung verbesserter Wasserquellen zu: 81 % in den Städten gegenüber 11 % in den ländlichen Gebieten. Wie in anderen Teilen Afrikas ist eine stetige Abwanderung der Menschen in die Städte zu verzeichnen, in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen.

Anfang 2005 berichtete die WHO, dass Äthiopien über 119 Krankenhäuser (12 in Addis Abeba) und 412 Gesundheitszentren verfügt. Die Säuglingssterblichkeitsrate ist relativ hoch: 41 Säuglinge sterben pro 1.000 Lebendgeburten. Äthiopien konnte die Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren seit 1990 um zwei Drittel senken (eines der Millenniums-Entwicklungsziele). Obwohl dies ein dramatischer Rückgang ist, sind viele Frauen des Landes von geburtsbedingten Komplikationen wie Geburtsfisteln betroffen.

Die HIV/AIDS-Rate in Äthiopien lag 2014 bei 1,1 %, ein dramatischer Rückgang gegenüber 4,5 % vor 15 Jahren. Am stärksten betroffen sind arme Gemeinschaften und Frauen, da es ihnen an gesundheitlicher Aufklärung, Befähigung, Bewusstsein und sozialem Wohlstand mangelt. Die äthiopische Regierung und viele internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Vereinten Nationen führen Kampagnen durch und arbeiten intensiv daran, die Gesundheitsbedingungen in Äthiopien zu verbessern und das Gesundheitsbewusstsein für AIDS und andere übertragbare Krankheiten zu fördern.

Ein äthiopisches Mädchen vor der Masernimpfung

Äthiopien hat eine relativ hohe Säuglings- und Müttersterblichkeitsrate. Obwohl Äthiopien das MDG-Ziel, die Müttersterblichkeitsrate bis 2015 um zwei Drittel zu senken, nicht erreicht hat, gibt es dennoch Verbesserungen. So ist die Verhütungsrate von 8,1 % im Jahr 2000 auf 41,8 % im Jahr 2014 gestiegen, und die Inanspruchnahme der Schwangerenvorsorge hat sich im gleichen Zeitraum von 29 % auf erstaunliche 98,1 % erhöht. Derzeit liegt die Müttersterblichkeitsrate bei 420 pro 100.000 Lebendgeburten. Nur eine Minderheit der Äthiopierinnen wird in Krankenhäusern geboren, während die meisten in ländlichen Haushalten zur Welt kommen. Diejenigen, die zu Hause entbinden müssen, haben ältere Frauen als Hebammen, die bei der Entbindung helfen. Die WHO schätzt, dass ein Großteil der Todesfälle und Behinderungen von Müttern verhindert werden könnte, wenn die Entbindungen in gut ausgestatteten Gesundheitszentren mit entsprechend geschultem Personal stattfinden würden.

Kommunales Gesundheitspersonal

Die geringe Verfügbarkeit von medizinischem Fachpersonal mit moderner medizinischer Ausbildung und der Mangel an finanziellen Mitteln für medizinische Leistungen führen dazu, dass die weniger zuverlässigen traditionellen Heiler überwiegen, die mit häuslichen Therapien gängige Krankheiten heilen.

Eine weit verbreitete kulturelle Praxis, unabhängig von Religion oder wirtschaftlichem Status, ist die weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM), auch bekannt als Female Genital Cutting (FGC), ein Verfahren, das die teilweise oder vollständige Entfernung der äußeren weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen der weiblichen Genitalien aus nichtmedizinischen Gründen beinhaltet. Diese Praxis wurde in Äthiopien im Jahr 2004 verboten. FGM ist ein vorehelicher Brauch, der vor allem in Nordostafrika und Teilen des Nahen Ostens verbreitet ist und dessen Ursprünge im alten Ägypten liegen. Sie wird von den Frauen in der Gemeinschaft gefördert und soll in erster Linie von Promiskuität abhalten und Schutz vor Übergriffen bieten.

Fistelkrankenhaus Addis Abeba

In Äthiopien ist die Prävalenz von Genitalverstümmelungen hoch, bei jungen Mädchen ist sie jedoch geringer. Laut der äthiopischen Bevölkerungs- und Gesundheitserhebung (EDHS) von 2005 liegt die landesweite Prävalenzrate bei 74 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren. Die Praxis ist in den Regionen Dire Dawa, Somali und Afar fast überall verbreitet. In den Regionen Oromo und Harari unterziehen sich mehr als 80 % der Mädchen und Frauen diesem Verfahren. Am wenigsten verbreitet ist FGC in den Regionen Tigray und Gambela, wo 29 % bzw. 27 % der Mädchen und Frauen betroffen sind. Laut einer Studie des Population Reference Bureau aus dem Jahr 2010 liegt die Prävalenzrate in Äthiopien bei 81 % der Frauen zwischen 35 und 39 Jahren und bei 62 % der Frauen zwischen 15 und 19 Jahren. Ein UNICEF-Bericht aus dem Jahr 2014 ergab, dass nur 24 % der Mädchen unter 14 Jahren FGM unterzogen worden waren.

Auch die männliche Beschneidung wird in Äthiopien praktiziert, und Berichten zufolge sind etwa 76 % der männlichen Bevölkerung beschnitten.

Die Regierung der Bundesrepublik Äthiopien hat verschiedene internationale Konventionen und Verträge zum Schutz der Rechte von Frauen und Kindern unterzeichnet. In der Verfassung sind die Grundrechte und -freiheiten der Frauen verankert. Es wird versucht, den sozialen und wirtschaftlichen Status von Frauen zu verbessern, indem alle gesetzlichen und gewohnheitsmäßigen Praktiken abgeschafft werden, die die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an der Gesellschaft behindern und ihren sozialen Status untergraben.

Mit der 2012 veröffentlichten Nationalen Strategie für psychische Gesundheit wurde die Entwicklung einer Politik zur Verbesserung der psychischen Gesundheitsversorgung in Äthiopien eingeleitet. Diese Strategie sieht vor, dass die psychische Gesundheit in das primäre Gesundheitssystem integriert wird. Der Erfolg der Nationalen Strategie für psychische Gesundheit war jedoch begrenzt. So ist beispielsweise die Belastung durch Depressionen zwischen 2007 und 2017 um schätzungsweise 34,2 % gestiegen. Darüber hinaus stehen einer erfolgreichen psychosozialen Versorgung nach wie vor stigmatisierende Einstellungen, eine unzureichende Führung und Koordinierung der Bemühungen sowie ein mangelndes Bewusstsein für psychische Gesundheit in der Bevölkerung im Wege.

Entwicklung der Lebenserwartung

Die Infektionsrate von HIV lag 2006 bei circa 6,6 Prozent bei der erwachsenen Bevölkerung. Damit sind in Äthiopien etwa drei Millionen Menschen infiziert. Die Infektionsrate ist in urbanen Gebieten mit 13,7 Prozent deutlich höher als in ländlichen mit 3,7 Prozent. Am stärksten betroffen sind die 15- bis 24-Jährigen. Bis 2006 waren laut UNICEF etwa 800.000 Kinder infolge der Krankheit zu Halb- oder Vollwaisen geworden. Die hohen AIDS-Raten lassen sich unter anderem dadurch erklären, dass Sexualität in Äthiopien noch immer ein Tabu-Thema ist, über das man in der Familie nicht spricht.

Mehr als eine halbe Million Kinder wurden durch AIDS zu Waisen. Nach Angaben von UNICEF leben in Äthiopien mindestens 300.000 Kinder auf den Straßen der Städte. Dort sind vor allem Mädchen von Überfällen und Vergewaltigungen bedroht. Die Gefahr von Drogenmissbrauch und Erkrankungen an AIDS sind hoch.

2010 bis 2015 lag die Lebenserwartung von Frauen bei 65,5 Jahren, die von Männern bei 61,9 Jahren und war damit eine der höheren in Afrika. Die Säuglingssterblichkeit pro 1000 Geburten lag bei 51 und die Müttersterblichkeit pro 100.000 Geburten bei 353. Nur sechs Prozent der Geburten konnten medizinisch betreut werden. Die Lebenserwartung stieg in den letzten Jahren deutlich an, während Mütter- und Kindersterblichkeit sanken.

Entwicklung der Lebenserwartung
Zeitraum Lebenserwartung Zeitraum Lebenserwartung
1950–1955 34,1 1985–1990 46,2
1955–1960 36,7 1990–1995 48,1
1960–1965 40,1 1995–2000 50,7
1965–1970 42,1 2000–2005 53,6
1970–1975 43,5 2005–2010 59,1
1975–1980 44,3 2010–2015 63,7
1980–1985 43,5

Quelle: UN

Bildung

Eingang der Universität Addis Abeba

Das Bildungssystem Äthiopiens wird seit der christlichen Ära der Axumiten (330 n. Chr.) von der orthodoxen Tewahedo-Kirche beherrscht. Eine alte Form der äthiopischen christlichen Erziehung wurde von Geistlichen durchgeführt, die ihr Dogma stark betonten. Der Abschluss der Studenten führt zum Erwerb der Priesterschaft und der intellektuellen Elite, die als debtera bekannt ist. Die moderne Bildung wurde 1908 eingeführt, als Kaiser Menelik II. die erste Schule in Addis Abeba eröffnete, die Menelik II School. Außerdem trug Kaiser Haile Selassie zur Eröffnung der ersten Universität bei, der 1950 gegründeten Addis Abeba Universität, die bis 1975 in Haile Selassie I Universität" umbenannt wurde. In jüngerer Zeit haben sich die regionalen Universitäten ausreichend entwickelt. Das derzeitige System folgt einem Schulausbauprogramm, das dem System in den ländlichen Gebieten in den 1980er Jahren sehr ähnlich ist, mit dem Zusatz einer stärkeren Regionalisierung, der Bereitstellung von Unterricht in der eigenen Sprache ab der Grundschulstufe und mit mehr Haushaltsmitteln für den Bildungssektor. Die öffentliche Bildung ist in der Primarstufe kostenlos und wird in der Regel zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr angeboten. Die allgemeine Bildung in Äthiopien umfasst sechs Jahre Grundschule, dann vier Jahre untere Sekundarstufe und zwei Jahre höhere Sekundarstufe.

Der Zugang zur Bildung hat sich in Äthiopien erheblich verbessert. Im Zeitraum 1994-95 besuchten etwa drei Millionen Menschen die Grundschule, doch bis 2008-09 war die Zahl der eingeschulten Kinder auf 15,5 Millionen gestiegen - ein Anstieg von über 500 %. In den Jahren 2013-14 verzeichnete Äthiopien in allen Regionen einen deutlichen Anstieg der Bruttoeinschulungsrate. Die nationale GER lag bei 104,8 % für Jungen, 97,8 % für Mädchen und 101,3 % für beide Geschlechter.

Die Alphabetisierungsrate ist in den letzten Jahren gestiegen: Nach der Volkszählung von 1994 lag die Alphabetisierungsrate in Äthiopien bei 23,4 %. Im Jahr 2007 wurde sie auf 39 % geschätzt (Männer 49,1 % und Frauen 28,9 %). Einem Bericht des UNDP aus dem Jahr 2011 zufolge lag die Alphabetisierungsrate in Äthiopien bei 46,7 %. Aus demselben Bericht ging hervor, dass die Alphabetisierungsrate der Frauen zwischen 2004 und 2011 von 27 auf 39 % und die der Männer im selben Zeitraum von 49 auf 59 % gestiegen war. Bis 2015 war die Alphabetisierungsrate weiter auf 49,1 % gestiegen (57,2 % Männer und 41,1 % Frauen).

Kultur

Eine äthiopische Frau röstet Kaffeebohnen in einem Kaffeehaus. Die Zeremonie des Kaffeeausschanks ist der wichtigste Kurs in Äthiopien.

Die reiche und vielfältige Kultur Äthiopiens ist stark von der einheimischen Bevölkerung geprägt, einem Zusammenspiel von semitischen, kuschitischen und weniger bevölkerungsreichen Nilo-Sahara sprechenden Völkern, die sich ab dem ersten Jahrtausend v. Chr. entwickelten. Die semitischen Tigrayaner und Amharas, die in der Vergangenheit die Politik dominierten, unterscheiden sich von der übrigen Bevölkerung durch eine hierarchische Struktur und eine agrarische Lebensweise, die zum Teil aus Südarabien stammt und das Ergebnis einer Rückwanderung ist, während die südlichen Kuschiten (Oromo und Somali) starke Anhänger des Egalitarismus und des Hirtenlebens sind. Andere Völker, darunter Kaffa, Sidamo und Afar, haben ihre Traditionen von den letztgenannten Völkern übernommen.

Die am weitesten verbreitete anerkannte Kultur ist die der Kaffeezeremonie. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern wird der Kaffee in Anwesenheit von Familien, Freunden oder Nachbarn getrunken. Es gibt drei Runden des Kaffeetrinkens: die erste heißt "awol" (), die zweite "tona" (ቶና) und die dritte "baraka" (ባርካ). Die Überlieferung der Kaffee-Legende geht auf Kaldi zurück, einen Ziegenhirten aus der Keffa-Zone, der bemerkte, dass seine Ziegen in Hysterie verfielen, nachdem sie einen Strauch gefressen hatten, der sie zu unkontrollierten Tänzen mit Wutanfällen anregte. Nachdem er die Beeren gefressen hatte, wurde er zu den Priestern im nahe gelegenen Kloster beraten. Ein Mönch nannte die Großzügigkeit von Kaldi "das Werk des Teufels" und warf sie ins Feuer, wodurch ein aromatischer Geruch entstand. Der Legende nach lebte Kaldi im Jahr 850 n. Chr., was allgemein mit dem Glauben an den Beginn des Kaffeeanbaus in Äthiopien im 9.

Die Felsenkirche Bet Gyiorgis in Lalibela

Durch seine christlichen Traditionen und die historische Isolation unterscheidet es sich kulturell deutlich von anderen Staaten in Subsahara-Afrika. Dies äußert sich in der Architektur und Kunst des Landes, unter anderem auch in der Äthiopischen Küche.

Äthiopien hat eine Gesellschaft mit einer alten, traditionsbewussten Kultur. In der gegenwärtigen Phase intensiver Reformen stellen sich verstärkt Fragen der Kulturpolitik. Die Eigenständigkeitsbestrebungen ethnischer Gruppen, denen im Rahmen der Regionalisierungspolitik größerer Spielraum gewährt wird, wirken sich auch im Bildungsbereich aus. Der Zentralstaat zieht sich auf eine Rahmenkompetenz in kulturellen Angelegenheiten zurück. Es obliegt den Regionen zu entscheiden, ob der Unterricht wie früher allgemein in Amharisch oder einer regionalen Sprache gehalten wird.

Kunst

Alwan Codex 27 - Äthiopisches Bibelmanuskript
Illustration mit zwei aksumitischen Schriftgelehrten

Die Kunst Äthiopiens war während eines Großteils seiner Geschichte stark von der christlichen Ikonografie beeinflusst. Dazu gehörten illuminierte Manuskripte, Malerei, Kreuze, Ikonen und andere Metallarbeiten wie Kronen. Die meisten historischen Kunstwerke wurden von der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche in Auftrag gegeben, die ein Jahrtausend lang die Staatsreligion war. Die frühere Kunst der aksumitischen Periode bestand aus Steinmetzarbeiten, wie ihre Stelen zeigen, obwohl es keine erhaltenen christlichen Kunstwerke aus dieser Zeit gibt. Als das Christentum eingeführt wurde, wurde seine Ikonographie teilweise von der byzantinischen Kunst beeinflusst. Die meisten der über die frühe Neuzeit hinaus erhaltenen Kunstwerke wurden durch die Invasion des Adal-Sultanats im äthiopischen Hochland zerstört, aber von katholischen Abgesandten wiederbelebt. Die westliche Intervention in die äthiopische Kunst begann im 20. Jahrhundert, wobei auch der traditionelle äthiopische Charakter erhalten blieb.

Religiöse äthiopische Malerei

Die für Schwarzafrika untypische Malerei und die Anfertigung feiner Kunsthandwerksarbeiten (etwa der von den Äthiopierinnen getragene Schmuck) haben ihre Wurzeln im alten nordafrikanisch-vorderasiatischen Kulturbereich. Sie hielten sich, eingebettet in der ungebrochen christlichen Tradition des Landes, bis heute.

Typische Medien der äthiopischen Malerei waren früher Buchilluminationen, Tafelbilder, Prozessionsbilder und Wandmalerei. Es sind drei Epochen unterscheidbar: Die Frühperiode (14. bis Anfang 16. Jahrhundert), eine zweite Periode (mit Kulminationspunkt im 17. Jahrhundert) und die dritte Periode (ab dem Ende des 17. Jahrhunderts).

Einer der bedeutendsten modernen äthiopischen Maler ist Afewerk Tekle (Afawarq Takle, 1932–2012), der großformatige Ölbilder, Skulpturen und Gebrauchskunst bis hin zu Briefmarken gestaltete. Er gehört neben Gebre Kristos Desta (1932–1981), Ale Felege Selam (* 1929) und Alexander Boghosian (Skunder Boghosian, 1937–2003) zu den führenden Malern, die moderne Kunstauffassungen nach Äthiopien brachten.

Architektur

Die königliche Festung in Fasil Ghebbi, Gondar

Die vielleicht beeindruckendste Architektur des Altertums entstand in der Dʿmt-Zeit. Das Quadermauerwerk war ein Archetyp der südarabischen Architektur und ähnelte den meisten architektonischen Strukturen.

Die Aksumiten setzten ihre architektonische Blütezeit um das 4. Jahrhundert n. Chr. fort. Die aksumitischen Stelen bestanden in der Regel aus einzelnen Blöcken und Felsen. Das für die aksumitischen Kaiser errichtete Grab der falschen Tür wurde im monolithischen Stil errichtet. Die Lalibela-Zivilisation stand weitgehend unter aksumitischem Einfluss, aber die Stein- oder Holzschicht ist bei einigen Behausungen ganz anders.

In der Gondarine-Periode wurde die Architektur Äthiopiens von barocken, arabischen, türkischen und indischen Gujarati-Stilen durchdrungen, die unabhängig voneinander von portugiesischen Abgesandten im 16. und 17. Ein Beispiel ist die kaiserliche Festung Fasil Ghebbi, die von einem dieser Stile beeinflusst ist. Die mittelalterliche Architektur verbietet auch die spätere Ära der Benennungen im 19. und 20.

Philosophie

Die äthiopische Philosophie ist seit dem Altertum in Afrika außerordentlich produktiv, wenn auch in Abgrenzung zur griechischen und patristischen Philosophie. Die bekannteste philosophische Wiederbelebung erfolgte in der frühen Neuzeit durch Persönlichkeiten wie Zera Yacob (1599-1692) und seinen Schüler Walda Heywat, der 1667 Hatata (Untersuchung) als Argument für die Existenz Gottes schrieb.

Literatur

Giyorgis von Segla, produktiver religiöser Autor im Spätmittelalter

Die äthiopische Literatur, die auf die aksumitische Zeit im 4. Jahrhundert zurückgeht, enthält meist nur religiöse Motive. In den königlichen Inschriften wurde sowohl die Ge'ez- als auch die griechische Sprache verwendet, wobei letztere im Jahr 350 aufgegeben wurde. Im Gegensatz zu den meisten afrikanischen Ländern südlich der Sahara hat Äthiopien eine eigene alte Sprache, das Ge'ez, das in Politik und Bildung dominiert. Trotz der gegenwärtigen politischen Instabilität im Lande, die das kulturelle Erbe dieser Werke gefährdet, wurden in den letzten Jahren einige Verbesserungen zur Erhaltung vorgenommen.

Die literarischen Werke Äthiopiens bestehen zumeist aus handgeschriebenen Kodizes (Branna, oder ብራና auf Amharisch). Er wird durch das Zusammentragen von Pergamentblättern und das Zusammenheften hergestellt. Die Größe des Kodex ist je nach Umfang und Vorbereitung sehr unterschiedlich. Ein Codex im Taschenformat ist beispielsweise 45 cm lang und schwerer. Historiker vermuten, dass es in Äthiopien archaische Kodexe gab. Noch heute gibt es Manuskripte, die dem primitiven Codex ähneln, wenn sich Pergamentblätter zum Schreiben eignen.

Ein weiteres bemerkenswertes Schreibbuch ist eine schützende (oder magische) Schriftrolle, die als schriftliches Amulett diente. Einige von ihnen waren für magische Zwecke bestimmt, z. B. wird das Ketab zur magischen Verteidigung verwendet. Schriftrollen wurden in der Regel von Debtera, nicht geweihten Geistlichen, angefertigt, die sich mit Exorzismus und Heilung auskennen. Eine etwa 30 cm lange Schriftrolle ist tragbar, während eine 2 cm lange Schriftrolle oft ausgerollt und an die Hauswand gehängt wird. Dass Schriftrollen das ursprüngliche Medium der äthiopischen Literatur nachahmen, ist höchst umstritten, denn es gibt überwältigende Beweise dafür, dass die Bücher in der Ge'ez-Sprache in Kodexen geschrieben wurden. In Äthiopien wurden dagegen Akkordeonbücher (Sensul genannt) verwendet, die auf das späte 15. oder 16. Jahrhundert datiert werden und aus gefaltetem Pergamentpapier mit oder ohne Einband bestehen. Diese Bücher enthalten in der Regel bildliche Darstellungen von Leben und Tod religiöser Figuren, oder es wurden auch bedeutende Texte daneben gestellt.

Poesie

Tsegaye Gebre-Medhin in den 1980er Jahren

Äthiopien ist in der Poesie sehr populär. Die meisten Dichter berichten über vergangene Ereignisse, soziale Unruhen, Armut und Hungersnot. Die Qene ist das am häufigsten verwendete Element der äthiopischen Poesie - sie gilt als eine Form der amharischen Poesie, obwohl sich der Begriff im Allgemeinen auf alle Gedichte bezieht. Echte Qene erfordert eine fortgeschrittene, geniale Denkweise. Indem man zwei metaphorische Wörter zur Verfügung stellt, d. h. eines mit offensichtlichen Hinweisen und das andere ein zu verworrenes Rätsel, muss man parallele Bedeutungen beantworten. Dies wird als sem ena-Arbeit (Gold und Wachs) bezeichnet. Zu den bekanntesten Dichtern gehören Tsegaye Gebre-Medhin, Kebede Michael und Mengistu Lemma.

Kalender

Modell zum Gedenken an die Rückkehr des Obelisken von Aksum aus Italien nach Äthiopien mit Angabe des Datums seiner Abreise und seiner Rückkehr nach dem äthiopischen Kalender

In Äthiopien gibt es mehrere lokale Kalender. Der bekannteste ist der äthiopische Kalender, der auch als Ge'ez-Kalender bekannt ist und mit der alten Ge'ez-Schrift geschrieben wird, einem der ältesten noch verwendeten Alphabete der Welt. Er basiert auf dem älteren alexandrinischen oder koptischen Kalender, der sich wiederum vom ägyptischen Kalender ableitet. Wie der koptische Kalender hat auch der äthiopische Kalender zwölf Monate mit jeweils genau 30 Tagen plus fünf oder sechs epagomenale Tage, die einen dreizehnten Monat bilden. Die äthiopischen Monate beginnen an denselben Tagen wie die des koptischen Kalenders, aber ihre Namen sind in Ge'ez

Wie im julianischen Kalender wird der sechste epagomenale Tag, der im Grunde ein Schalttag ist, ausnahmslos alle vier Jahre am 29. August des julianischen Kalenders hinzugefügt, sechs Monate vor dem julianischen Schalttag. So ist der erste Tag des äthiopischen Jahres, der 1. Mäskäräm, in den Jahren zwischen 1901 und 2099 (einschließlich) normalerweise der 11. September (gregorianisch), fällt aber in den Jahren vor dem gregorianischen Schaltjahr auf den 12. September. Er liegt etwa sieben Jahre und drei Monate hinter dem gregorianischen Kalender zurück, weil das Datum der Verkündigung Jesu anders berechnet wird.

Ein anderes Kalendersystem wurde um 300 v. Chr. vom Volk der Oromo entwickelt. Dieser Oromo-Kalender ist ein Mond-Stern-Kalender und beruht auf astronomischen Beobachtungen des Mondes in Verbindung mit sieben bestimmten Sternen oder Sternbildern. Die Oromo-Monate (Sterne/Mondphasen) sind Bittottessa (Iangulum), Camsa (Plejaden), Bufa (Aldebarran), Waxabajjii (Belletrix), Obora Gudda (Zentraler Orion-Saiph), Obora Dikka (Sirius), Birra (Vollmond), Cikawa (Gibbous-Mond), Sadasaa (Viertelmond), Abrasa (große Mondsichel), Ammaji (mittlere Mondsichel) und Gurrandala (kleine Mondsichel).

Amharisch Oromo Koptisch Anfang Dauer
Mäskäräm Fulbaana Tut 11. oder 12.¹ September 30 Tage
Ṭəqəmt Onkoloolessa Babah 11. oder 12.¹ Oktober 30 Tage
Həhdar Sadassa Hatur 10. oder 11.¹ November 30 Tage
Tahsas Mudde Kiyahk 10. oder 11.¹ Dezember 30 Tage
Ṭər Amajjii Tubah 9. oder 10.² Januar 30 Tage
Yäkatit Guraandhala Amshir 8. oder 9.² Februar 30 Tage
Mägabit Bitootessa Baramhat 10. März 30 Tage
Miyazəya Ebla Baramundah 9. April 30 Tage
Gənbot Caamsaa Bashans 9. Mai 30 Tage
Sane Waxabajjii Ba’unah 8. Juni 30 Tage
Hamle Adoolessa Abib 8. Juli 30 Tage
Nähase Hagayya Misra 7. August 30 Tage
Pagumen Qammee Nasi 6. September 5 oder 6¹ Tage

¹ vor Schaltjahr im Gregorianischen Kalender
² im Schaltjahr im Gregorianischen Kalender

Kulinarisches

Typische äthiopische Küche: Injera (pfannkuchenähnliches Brot) und verschiedene Arten von Wat (Eintopf)

Die bekannteste äthiopische Küche besteht aus verschiedenen Arten von dicken Fleischeintöpfen, die in der äthiopischen Kultur als Wat bekannt sind, und Gemüsebeilagen, die auf Injera, einem großen Sauerteigfladen aus Teffmehl, serviert werden. Es wird nicht mit Besteck gegessen, sondern das Injera wird verwendet, um die Hauptgerichte und die Beilagen zu schöpfen. In Äthiopien ist es fast überall üblich, mit einer Gruppe von Menschen in der Mitte des Tisches vom selben Teller zu essen. Es ist auch üblich, andere in der Gruppe oder mit den eigenen Händen zu füttern - eine Tradition, die als "gursha" bezeichnet wird. In der traditionellen äthiopischen Küche werden weder Schweinefleisch noch Schalentiere verwendet, da beides im äthiopisch-orthodoxen, islamischen und jüdischen Glauben verboten ist.

Chechebsa, Marqa, Chukko, Michirra und Dhanga sind die beliebtesten Gerichte der Oromo. Kitfo, das ursprünglich von den Gurage stammt, ist eine der beliebtesten Delikatessen des Landes. Darüber hinaus sind Doro Wot (ዶሮ ወጥ auf Amharisch) und Tsebehi Derho (ጽብሒ ድርሆ auf Tigrinya) weitere beliebte Gerichte, die aus dem Nordwesten Äthiopiens stammen. Tihlo (ጥሕሎ) - eine Art Knödel - wird aus geröstetem Gerstenmehl zubereitet und stammt ursprünglich aus der Region Tigray. Tihlo ist heute in Amhara sehr beliebt und breitet sich weiter nach Süden aus.

Feiertage

Als Feiertage werden in Äthiopien das Neujahrsfest (11. September), die christlich-orthodoxen Feiertage zu Ostern und Weihnachten sowie die islamischen Feiertage zum Ende des Ramadan und zum Opferfest gefeiert.

Datum Deutsche Bezeichnung Einheimische Bezeichnung Bemerkungen
7. Januar Orthodoxer Weihnachtsfeiertag Genna
Islamisches Opferfest ’Īd ul-Adha beweglicher Feiertag nach islamischer Zeitrechnung
19. Januar Erscheinung des Herrn Timkat
2. März Tag der Schlacht von Adua Ye’adowa B’al
Geburtstag des Propheten Mohammed Maulid an-Nabī beweglicher Feiertag nach islamischer Zeitrechnung
Orthodoxer Karfreitag Siqlet (Kreuzigung) beweglicher Feiertag
Orthodoxes Osterfest Fasika beweglicher Feiertag
Ostermontag (öffentlicher Feiertag) beweglicher Feiertag
1. Mai Tag der Arbeit
5. Mai Patriotentag Arbegnoch Qen
28. Mai Nationalfeiertag Ende des Derg-Regimes
18. August Buhe
11. September Äthiopisches Neujahrsfest Inqut’at’ash
27. September Auffindung des Kreuzes Meskel Gedenken an die Christianisierung Äthiopiens
Ende des Ramadan ’Īd al-Fitr beweglicher Feiertag nach islamischer Zeitrechnung
Meskel erinnert an die Entdeckung des Wahren Kreuzes durch die römische Königin Helena im Jahr 326 n. Chr.

Die meisten Feiertage gehören der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Religion an, die anderen dem Islam. Weltliche Feiertage stehen für nationale oder historische Chroniken.

Islamische Feiertage sind:

Medien

Das Hauptquartier der Ethiopian Broadcasting Corporation in Addis Abeba

Die Ethiopian Broadcasting Corporation (EBC), früher bekannt als ETV, ist das staatliche Medium. Der Radiosender wurde bereits 1935 gegründet, bevor 1962 mit Unterstützung der britischen Firma Thomson und Kaiser Haile Selassie der Fernsehbetrieb aufgenommen wurde. Seit 2015 hat EBC seine Studios mit modernisierter Übertragungstechnik aufgerüstet.

Kana TV ist der beliebteste Fernsehsender in Äthiopien. Er ist vor allem für die Synchronisierung ausländischer Inhalte ins Amharische bekannt. Über mehrere Jahrzehnte hinweg war das staatliche Fernsehen das wichtigste Massenmedium, bis in den späten 2000er Jahren mit EBS TV der erste private Fernsehsender startete. Darüber hinaus wurden im Jahr 2016 zahlreiche Privatsender gegründet, was zu einer Zunahme privater Medienunternehmen im Land führte. So ist beispielsweise Fana TV seit seinem Start im Jahr 2017 der größte Fernsehsender.

Die auflagenstärksten Zeitungen in Äthiopien sind Addis Fortune, Capital Ethiopia, Ethiopian Reporter, Addis Zemen (Amharisch) und Ethiopian Herald.

Der einzige Internetdienstleister ist das nationale Telekommunikationsunternehmen Ethio telecom. Ein großer Teil der Nutzer im Land greift über mobile Geräte auf das Internet zu. Im Juli 2016 gab es rund 4,29 Millionen Menschen, die zu Hause einen Internetzugang hatten, im Vergleich zu einer Viertelmillion Nutzer ein Jahrzehnt zuvor. Die äthiopische Regierung hat in Zeiten politischer Unruhen gelegentlich absichtlich den Internetdienst im Lande abgeschaltet oder den Zugang zu bestimmten Social-Media-Seiten eingeschränkt. Im August 2016 wurde nach Protesten und Demonstrationen in der Region Oromia der gesamte Internetzugang für einen Zeitraum von zwei Tagen abgeschaltet. Im Juni 2017 sperrte die Regierung den Internetzugang für Mobilfunknutzer während eines Zeitraums, der mit der Durchführung der Hochschulaufnahmeprüfung zusammenfiel. Obwohl der Grund für die Einschränkung von der Regierung nicht bestätigt wurde, ähnelte der Schritt einer Maßnahme, die im gleichen Zeitraum im Jahr 2016 nach einem Leck bei den Prüfungsfragen ergriffen wurde.

Wissenschaft und Technologie

Wissenschaft und Technologie in Äthiopien entwickeln sich aufgrund des Mangels an organisierten Einrichtungen als fortschrittlich. Produktions- und Dienstleistungsunternehmen stellen sich oft dem Wettbewerb, um innovative und technologische Lösungen in eigenen Arenen voranzutreiben. Die äthiopische Behörde für Weltraumwissenschaft und -technologie ist für die Durchführung vielfältiger Aufgaben im Bereich Raumfahrt und Technologie zuständig. Darüber hinaus hat Äthiopien im Dezember 2019 den 70 kg schweren multispektralen Fernerkundungssatelliten ET-RSS1 gestartet. Präsident Sahle-Work Zewde erklärte im Oktober 2019: "Der Satellit wird alle notwendigen Daten über Klimaveränderungen und wetterbedingte Phänomene liefern, die für die wichtigsten Ziele des Landes in der Land- und Forstwirtschaft sowie für Initiativen zum Schutz der natürlichen Ressourcen genutzt werden können." Im Januar 2020 wird mit der Herstellung, dem Zusammenbau, der Integration und den Tests des Satelliten begonnen. Damit würde auch die von einem französischen Unternehmen gebaute und von der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanzierte Anlage erweitert. Das Hauptobservatorium Entoto Observatory and Space Science Research Center (EORC) hat Raumfahrtprogramme aufgelegt. Das Äthiopische Institut für Biotechnologie ist ein Teil der wissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungsindustrie, die für Umwelt- und Klimaschutz zuständig ist. Zahlreiche profunde Wissenschaftler haben zu Ehrungen und Berühmtheiten beigetragen. Einige davon sind Kitaw Ejigu, Mulugeta Bekele, Aklilu Lemma, Gebisa Ejeta und Melaku Worede.

Äthiopien ist seit Jahrtausenden für den Einsatz traditioneller Medizin bekannt. Die erste Epidemie in Äthiopien ereignete sich im Jahr 849, woraufhin der aksumitische Kaiser Abba Yohannes als "Strafe Gottes für seine Missetaten" aus dem Land vertrieben wurde. Es wird behauptet, dass die erste traditionelle Medizin auf diese Katastrophe zurückzuführen ist, aber die genaue Quelle ist umstritten. Obwohl die traditionelle Medizin je nach ethnischer Gruppe unterschiedlich ist, werden bei der Behandlung von Krankheiten häufig Kräuter, spirituelle Heilung, das Einsetzen von Knochen und kleinere chirurgische Eingriffe eingesetzt.

Äthiopien lag im Jahr 2021 auf Platz 126 des globalen Innovationsindexes.

Musik

Der aksumitische Komponist Yared gilt als Ahnherr der traditionellen Musik in Äthiopien und Eritrea

Die Musik Äthiopiens ist äußerst vielfältig, wobei jede der 80 ethnischen Gruppen des Landes mit einzigartigen Klängen verbunden ist. Die äthiopische Musik verwendet ein ausgeprägtes modales System, das pentatonisch ist, mit charakteristisch langen Intervallen zwischen einigen Noten. Wie bei vielen anderen Aspekten der äthiopischen Kultur und Tradition ist der Musikgeschmack und die Lyrik stark mit denen der Nachbarländer Eritrea, Somalia, Dschibuti und Sudan verbunden. Der traditionelle Gesang in Äthiopien umfasst verschiedene Stile der Mehrstimmigkeit (Heterophonie, Bordun, Imitation und Kontrapunkt). Traditionell ist die Lyrik im äthiopischen Liedgut stark mit Ansichten über Patriotismus oder Nationalstolz, Romantik, Freundschaft und einer einzigartigen Art von Memoiren verbunden, die als Tizita bekannt sind.

Der heilige Yared, ein aksumitischer Komponist aus dem 6. Jahrhundert, gilt weithin als Wegbereiter der traditionellen Musik Eritreas und Äthiopiens und schuf die liturgische Musik der äthiopischen und eritreischen orthodoxen Tewahedo-Kirche. Er komponierte auch Zema, das in drei Gesänge unterteilt ist: Ge'ez, Ezel und Araray. Yareds Leben galt als "Scheitern und Erfolg", wobei seine Leistungen in der Schule schlecht waren. Yared wurde daraufhin von der Schule entlassen und ging in den Geburtsort seines Onkels Murade Qal. Dort bemüht sich seine Sägeraupe, den Gipfel eines Baumes zu erreichen. Er besann sich auf sein wahres Leben und kehrte mit gutem Geist in die Schule zurück, später wurde er in der Politik bekannt. Während seiner restlichen Lebenszeit war er ein Freund des aksumitischen Kaisers Gebre Meskel und der verbannten Neun Heiligen.

Die moderne Musik geht auf die Regierungszeit von Kaiser Haile Selassie zurück, als 40 armenische Waisenkinder namens Arba Lijoch aus Jerusalem nach Addis Abeba kamen. Bis 1924 war die Band fast als Orchester etabliert; nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden jedoch mehrere ähnliche Bands wie die Imperial Bodyguard Band, die Army Band und die Police Band.

Mahmoud Ahmed bei einem Auftritt im Jahr 2005

In den 1960er und 1970er Jahren erlebte die traditionelle, moderne äthiopische Musik eine Wiederbelebung, die als "Goldenes Zeitalter" bezeichnet wird. In dieser Zeit traten mehrere namhafte Künstler auf, darunter Tilahun Gessesse, Alemayehu Eshete, Bizunesh Bekele, Muluken Melesse und Mahmoud Ahmed. Sie bedienten sich auch des traditionellen Stils, der Tizita genannt wird. Während des Derg-Regimes war es diesen Künstlern verboten, im Land aufzutreten, und sie wurden oft ins Exil nach Nordamerika und Europa gezwungen, wo sie sich mit Jazz- und Funkeinflüssen vermischten. Zum Beispiel die Roha Band, die Walias Band und die Ethio Stars. Zu dieser Zeit stand Neway Debebe der Derg-Regierung kritisch gegenüber.

Die moderne Musik entwickelte sich in den 1990er und 2000er Jahren. In dieser Zeit waren die beliebtesten Künstler Aster Aweke, Gigi und Teddy Afro. Im nächsten Jahrzehnt modernisierte sich die äthiopische Musik weiter und wurde durch den Einsatz elektronischer Musik immer beliebter. DJ Rophnan wurde nach der Veröffentlichung seines Debütalbums Reflection im Jahr 2018 als Pionier des EDM bekannt.

Neben den traditionellen Musikformen entwickelte sich ab den 1950er Jahren vor allem in den Großstädten eine vitale Populärmusik, die westliche und einheimische Stile miteinander verknüpfte. Als Grundlage diente dabei neben den traditionellen Musikformen die Militärmusik der seit den 1920er Jahren zunehmend beliebten Militärorchester. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten zählten die der Armee, der Polizei und der kaiserlichen Leibwache. Daneben gab es Solisten wie den Saxophonisten Gétatchèw Mèkurya, der traditionelle Gesangsstile auf sein Saxophonspiel übertrug und häufig mit Free-Jazz-Saxophonisten wie Ornette Coleman und Albert Ayler verglichen wurde.

Diese Kombinationen entwickelten sich in den 1960er Jahren weiter, als durch Musiker wie Bizunesh Bekele westliche Stile wie Rhythm and Blues und Soul integriert wurden oder durch Mulatu Astatke Jazz und lateinamerikanische Musik. Von herausragender Bedeutung ist auch Tilahun Gesesse, der bis heute als „Stimme Äthiopiens“ gilt und in den 1960er Jahren vom Orchester der Kaiserlichen Leibwache begleitet wurde.

Seit 1994 hat das französische Label Buda Musique vor allem im Rahmen seiner Serie Éthiopiques rund zwanzig CDs klassischer äthiopischer Populärmusik veröffentlicht und damit zahlreiche Künstler im Westen vorgestellt.

Traditionell

Krar-Spieler

Die pentatonische traditionelle Musik unterscheidet sich stark von der Musik des übrigen Afrika. Gespielt wird sie von Azmari genannten Sänger-Poeten, die mit Liedern in Balladenform durch das Land ziehen, alte Geschichten verbreiten und zu aktuellen Themen Stellung beziehen. Sie begleiten ihre Preis- und Schmählieder meist in Tej bets (Gaststätten, in denen der Honigwein Tej ausgeschenkt wird) auf der Leier krar, der einsaitigen gestrichenen Kastenspießlaute masinko oder spielen gelegentlich die Flöte waschint.

Die ehrwürdige große Leier beganna wird nur bei feierlichen religiösen Anlässen gespielt. Die Gesangstradition der äthiopisch-orthodoxen Kirche, zu der auch Instrumentalmusik und Tanz gehört, heißt zema („Klang, Lied, Melodie“). Ihre Einführung wird dem im 6. Jahrhundert wirkenden heiligen Yared zugeschrieben. Sakrale und früher bei höfischen Zeremonien verwendete Musikinstrumente sind die Trompete malakat, die grifflochlose Flöte embilta und die Fasstrommel kebero. Die früher zeremoniell gespielte Kesseltrommel negarit ist praktisch verschwunden.

Kino

Hager Fikir Theater im April 2006

Das erste Kino wurde 1898 eröffnet, drei Jahre nachdem der erste Film der Welt projiziert worden war. Der italienische Minister Federico Ciccodicola schrieb dem Kino Artefakte zu [], die er Kaiser Menelik II. schenkte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Spektakel um 1909 von Dokumentar- oder biografischen Filmen abgelöst. Au de Menilek war der erste Film unter der Regie von Charles Martel. Der erste 16-mm-Schwarz-Weiß-Film war der Krönung von Kaiser Zewditu gewidmet, dann wurde die Krönung von Kaiser Haile Selassie gefilmt.

In den 1990er Jahren erlebte der äthiopische Film einen internationalen Aufschwung. Die einflussreichsten Persönlichkeiten in dieser Zeit waren Haile Gerima, Salem Mekuria, Yemane Demissie und Teshome Gabriel.

In den 2000er Jahren wurden die Filme modernisiert und die amharische Sprache eingeführt. Die international erfolgreichsten Filme sind Selanchi, Difret, Lamb, Prince of Love und Lambadina. In der modernen Ära traten mehrere Schauspieler wie Selam Tesfaye, Fryat Yemane, Hanan Tarik, Mahder Assefa, Amleset Muchie und Ruth Negga immer wieder auf.

Einer der prestigeträchtigsten Filmpreise ist der Gumma-Filmpreis, der in Addis Abeba verliehen wird. Der 2014 ins Leben gerufene Preis wird in einigen Sendern live im Fernsehen übertragen. Auf Festivals wie dem Addis International Film Festival und dem Ethiopian International Film Festival werden Werke von Amateur- und Profifilmemachern gezeigt, wobei letztere von einer Jury ausgewählt werden. Sie wurden 2007 bzw. 2005 ins Leben gerufen.

  • Äthiopien, Kaiserreich zwischen Gestern und Morgen Ein Film von Manfred Purzer und Makonnen Desta, BRD 1956
  • Aufbruch zu neuen Ufern von Jörg Teuscher u. a.; Fernsehen der DDR 1980
  • Adwa: An African Victory Ein Film von Haile Gerima, 1999, in englischer Sprache
  • Alfred Ilg – Der weiße Abessinier Ein Film von Christoph Kühn, Schweiz 2003
  • Kezkaza Wolafen Ein Film von Tewodros Teshome, 2003, in amharischer Sprache mit englischen Untertiteln
  • Teza-Morgentau Ein Film von Haile Gerima, Äthiopien, USA / Deutschland / Frankreich 2008, 138 Min, englisches OmU

Sport

Genzebe Dibaba, Mittel- und Langstreckenläuferin. Die Silbermedaillengewinnerin über 1500 Meter bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio gewann bei den Weltmeisterschaften 2015 eine Goldmedaille in dieser Disziplin und eine Bronzemedaille über 5000 Meter.

Die wichtigsten Sportarten in Äthiopien sind Leichtathletik (insbesondere Langstreckenlauf) und Fußball. Äthiopische Sportler haben viele olympische Goldmedaillen in der Leichtathletik gewonnen, die meisten davon im Langstreckenlauf. Abebe Bikila war der erste Athlet aus einem Land südlich der Sahara, der eine olympische Goldmedaille gewann, als er 1960 bei den Olympischen Spielen in Rom den Marathonlauf in einer Weltrekordzeit von 2:15:16 Stunden gewann. Haile Gebrselassie, Kenenisa Bekele und Tirunesh Dibaba sind allesamt weltbekannte Langstreckenläufer, die jeweils mehrere Goldmedaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gewonnen haben. Letesenbet Gidey hält die Weltrekorde im 5.000-Meter- und 10.000-Meter-Lauf der Frauen. Weitere namhafte äthiopische Läufer sind Mamo Wolde, Miruts Yifter, Derartu Tulu, Meseret Defar, Birhane Adere, Tiki Gelana, Genzebe Dibaba, Tariku Bekele, Gelete Burka und Yomif Kejelcha.

Die aktuelle äthiopische Fußballnationalmannschaft (Spitzname Walayia Antelopes) schrieb 2012 und 2013 Geschichte, als sie sich für den Afrikanischen Nationen-Pokal 2012 qualifizierte und in der letzten Qualifikationsphase für die FIFA-Weltmeisterschaft 2014 unter die letzten 10 afrikanischen Fußballmannschaften kam. Zu den bekanntesten Spielern gehören Kapitän Adane Girma und Torschützenkönig Saladin Said.

Äthiopien hat die längste Basketballtradition in Subsahara-Afrika, da das Land 1949 eine Basketball-Nationalmannschaft gründete.

  • Abebe Bikila (1932–1973), Marathonläufer
  • Haile Gebrselassie (* 1973), Langstreckenläufer
  • Kenenisa Bekele (* 1982), Leichtathlet
  • Gezahegne Abera (* 1978), Marathonläufer
  • Meseret Defar (* 1983), Langstreckenläuferin
  • Fate Tola (* 1987), Langstreckenläuferin
  • Tesfaye Eticha (* 1974), Langstreckenläufer
  • Tirunesh Dibaba (* 1985), Langstreckenläuferin
  • Fatuma Roba (* 1973), Langstreckenläuferin
  • Derartu Tulu (* 1972), Langstreckenläuferin
  • Genzebe Dibaba (* 1991), Mittel- und Langstreckenläuferin
  • Almaz Ayana (* 1991), Langstrecken- und Hindernisläuferin
  • Gete Wami (* 1974), Langstreckenläuferin
  • Mamo Wolde (1932–2002), Langstreckenläufer
  • Million Wolde (* 1979), Langstreckenläufer
  • Miruts Yifter (1944–2016), Leichtathlet
  • Feyisa Lilesa (* 1990), Marathonläufer
  • Ejegayehu Dibaba (* 1982), Langstreckenläuferin

Äthiopien hat eine lange Tradition von ausgezeichneten Langstreckenläufern und -läuferinnen. Sportler aus Äthiopien gewannen 58 olympische Medaillen (23 Gold, 12 Silber, 23 Bronze; Stand 2021). Die besten Langstreckenläufer und -läuferinnen der Welt kommen aus nur wenigen Ethnien aus Äthiopien und Kenia. Der Erfolg wird vielen Faktoren zugeschrieben: genetische Auslese (in der Jahrtausende alten Tradition als Hirten und Jäger in der Savanne im Hochland), hohe Maximale Sauerstoffaufnahme, das Gehen und Laufen im Hochland (von zu Hause zur weit entfernten Schule), hohe Hämoglobinwerte durch Leben im Hochland, optimale Laufökonomie durch Barfußlauf von klein auf, Ernährung mit viel Eiweiß und Kohlenhydraten und wenig Fett, Streben nach sportlichem Erfolg als Erwerbschance. Durch den europäischen Einfluss (auch aus Osteuropa) sowie die den Sport organisierenden europäischen Managern (z. B. Jos Hermens) ist das Training gerade in Äthiopien an den modernsten Prinzipien der Trainingslehre ausgerichtet. Fußball und Volleyball zählen zu den beliebtesten Sportarten. Die äthiopische Fußballnationalmannschaft konnte allerdings nur in den 1960er Jahren vorzeigbare Erfolge verbuchen (Gewinn der Afrikameisterschaft 1962 im eigenen Land) und galt lange Zeit als eine der schwächsten Mannschaften des afrikanischen Fußballverbandes. Erst ab 2005 gab es wieder einen Aufschwung, als die Nationalmannschaft den CECAFA-Cup (die Ost- und Zentralafrikameisterschaft) gewann. Dieser Aufschwung hat sich in den folgenden Jahren fortgesetzt, was sich unter anderem in der seit 1982 erstmaligen Qualifikation für die Afrika-Meisterschaft 2013 zeigt.

Traditionelle Sportarten

Typische äthiopische Sportarten sind Genna, eine Form des Hockeyspiels, welches traditionell um die Zeit der äthiopischen Weihnacht – am 7. Januar – gespielt wird.

Auch Gugs, ein Reiterspiel, ist eine bekannte traditionelle Sportart in Äthiopien.

Spiele

Die ältesten Spielbretter (6.–8. Jahrhundert n. Chr.) des Spieles Mancala wurden im Nordwesten Äthiopiens, in Matara und Yeha, gefunden. Richard Pankhurst beschrieb 1971 insgesamt 103 Varianten dieses Spieles in Äthiopien. Eine ist beispielsweise Lamlameta und wird von den Konso gespielt. Äthiopien hat auch eine eigene Variante des Schachs hervorgebracht, Senterej. Dieses Spiel wird mindestens seit fünfhundert Jahren gespielt. Der wohl größte Unterschied zum bekannten Schach ist die Werera genannte Eröffnung, bei der die Spieler so schnell oder so langsam ziehen, wie sie wollen, ohne auf den Gegner zu warten.

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung 1961–2003

Religionen

Protestanten und Katholiken

Kloster Debre Damo in Nordäthiopien

Seit 1830 sind evangelische Missionare in Äthiopien unterwegs; von 1855 bis 1868 war die Pilgermission St. Chrischona aus Basel in Zusammenarbeit mit dem anglikanischen Bischof von Jerusalem mit meist deutschen Missionaren in Äthiopien tätig. Auf diese geht unter anderem eine protestantische Bewegung unter den jüdischen Beta Isra’el (sog. „schwarze Juden“) zurück. Die Hermannsburger Mission bemühte sich 1853–1857 um die Missionierung der Oromo, wurde aber erst im Jahre 1927 wirklich aktiv; eine erste deutsch-schweizerische Mission unter den Oromo gab es schon 1840 (in Shewa), später 1867 (Benishangul/Gubbe) und für längere Zeit mit einem gewissen Erfolg auf der Missionsstation in Balli, südlich Shewa, von 1872 bis 1886, geleitet von deutschen Missionaren der St. Chrischona Pilgermission aus Basel. Weiter gibt es Missionen aus Schweden, Norwegen, den USA und Dänemark. Der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten gehören etwa 145.000 Personen an.

Zurzeit gibt es folgende protestantische Kirchen in Äthiopien:

  • Mekane-Yesus-Kirche
  • Kale-Heywat-Kirche
  • Meserete-Kristos-Kirche
  • Mulu-Wengel-Kirche

Die äthiopisch-katholische Kirche ist eine mit der römisch-katholischen Kirche unierte Ostkirche. Sie wurde 1622 zur Staatskirche erhoben und 1636 wieder verboten, weil der von Rom entsandte Patriarch Alfonso Mendez den einheimischen Ritus durch den lateinischen ersetzte. Seit 1961 existiert wieder eine äthiopisch-katholische Erzeparchie Addis Abeba. Die Messe wird im alexandrinischen Ritus und in amharischer Sprache zelebriert.

Politik

Politische Indizes
Name des Index Indexwert Weltweiter Rang Interpretationshilfe Jahr
Fragile States Index 94,6 von 120 21 von 178 Stabilität des Landes: Alarm
0 = sehr nachhaltig / 120 = sehr alarmierend
2020
Demokratieindex  3,38 von 10  123 von 167 Autoritäres Regime
0 = autoritäres Regime / 10 = vollständige Demokratie
2020
Freedom in the World 24 von 100 --- Freiheitsstatus: nicht frei
0 = unfrei / 100 = frei
2020
Rangliste der Pressefreiheit  33,63 von 100  101 von 180 Erkennbare Probleme für die Pressefreiheit
0 = gute Lage / 100 = sehr ernste Lage
2021
Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)  38 von 100  94 von 180 0 = sehr korrupt / 100 = sehr sauber 2020

Innenpolitische Konflikte

Zwischen den zahlreichen ethnischen Gruppen Äthiopiens kommt es immer wieder zu bewaffneten Konflikten um Landnutzungsrechte und Rechtsstreitigkeiten. Begünstigt wird die gewaltsame Austragung von Konflikten durch die weite Verbreitung von Schusswaffen im ganzen Land, die ihren Ursprung im Bürgerkrieg hat. Hervorzuheben sind hier die Konflikte der Afar mit den Somali, namentlich den Issa, die maßgeblich zur Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit der Afar gegen Dürrekatastrophen beigetragen haben. Im Westen des Landes bestehen in den Regionen Gambela und Benishangul-Gumuz Konflikte zwischen verschiedenen einheimischen Volksgruppen sowie Hochland-Äthiopiern, die vor allem in den 1980er Jahren dort angesiedelt wurden.

2007 intensivierten sich bei einem Aufstand im Ogaden in der Somali-Region die Konflikte zwischen der separatistischen Ogaden National Liberation Front (ONLF) und der äthiopischen Armee. Der äthiopischen Regierung wurde vorgeworfen, zeitweise Handel und humanitäre Hilfe für die Region „blockiert“ zu haben. Laut einem Bericht von Human Rights Watch habe die äthiopische Armee Zivilisten getötet, misshandelt und vergewaltigt, Dörfer zerstört und die gesamte Bevölkerung in den Rebellengebieten einer Kollektivbestrafung unterzogen. Die äthiopische Regierung wies diese Vorwürfe als Propaganda der ONLF zurück.

Städte

Die größten Städte nach einer Schätzung der Zentralen Statistikagentur für 2016 sind: Addis Abeba 3.352.000 Einwohner, Gonder 341.991 Einwohner, Mek’ele 340.859 Einwohner, Adama (früher: Nazret) 338.940 Einwohner, Awassa 318.618 Einwohner, Bahir Dar 297.794 Einwohner und Dire Dawa 285.000 Einwohner. Die Städte Mek’hele, Awassa und Gonder verdoppelten ihre Einwohnerzahl zwischen 2005 und 2016, Addis Abeba, Dire Dawa und Adama wuchsen deutlich weniger stark.

Außenpolitik

Staaten mit diplomatischen Missionen in Äthiopien (blau)

Die Beziehungen zu den Nachbarländern am Horn von Afrika und zu den internationalen Geberländern, vor allem den USA und den EU-Mitgliedstaaten, haben Vorrang in der äthiopischen Außenpolitik. China und Indien nehmen eine immer wichtigere Rolle ein. Zudem sucht das Land gute Beziehungen zu den arabischen Staaten sowie der Türkei, Russland und Japan.

Äthiopien hat insgesamt circa 7600 Soldaten zu den UN-Missionen UNAMID (United Nations Assistance Mission in Darfur), UNISFA (United Nations Interim Security Force for Abyei) sowie UNMISS (United Nations Mission in Southsudan) abgestellt und ist damit viertgrößter UN-Truppensteller sowie größter UN-Truppensteller Afrikas. Nimmt man die 4400 bei AMISOM (African Union Mission in Somalia) im Einsatz befindlichen Soldaten noch hinzu, so ist Äthiopien weltweit der bei Weitem größte Truppensteller für friedenserhaltende Maßnahmen.

Grenzkonflikte

Äthiopien ist in zwei bilaterale Konflikte mit Nachbarstaaten verwickelt. Zum einen gibt es mit Eritrea Uneinigkeiten über den Grenzverlauf im Nordwesten der Provinz Tigray, die 1998 zum Eritrea-Äthiopien-Krieg geführt haben. Zum anderen kam es immer wieder zu Konflikten mit Somalia, da somalische Nationalisten die Somali-Region (Ogaden) im Osten Äthiopiens an ein Groß-Somalia angliedern möchten. Auch die Union islamischer Gerichte, die Mitte 2006 die Kontrolle über große Teile Somalias errang, verfolgte dieses Ziel. Mit der Begründung, dass Äthiopien die Einnahme seines Ostens und die islamistische Vereinnahmung seiner eigenen muslimischen Bevölkerung fürchtete, erklärte es der Union am 24. Dezember 2006 offiziell den Krieg. Seither sind äthiopische Truppen in Somalia stationiert und haben gemeinsam mit der Übergangsregierung Somalias die Union islamischer Gerichte zurückgedrängt. Hinweise, wonach Eritrea Waffen an Gegner der somalischen Übergangsregierung liefere und damit in Somalia ein eritreisch-äthiopischer „Stellvertreterkrieg“ ausgetragen würde, wurden von eritreischer Seite dementiert.

Anfang Juli 2018 teilte Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed nach einem Treffen mit dem eritreischen Präsidenten Isayas Afewerki in Asmara mit, dass nach jahrzehntelanger Feindseligkeit die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen vereinbart wurden. So ist geplant, Botschaften und Grenzen wieder zu öffnen sowie Flugverbindungen wiedereinzurichten und Häfen zugänglich zu machen. Der Anfang April 2018 neu gewählte Ministerpräsident Abiy Ahmed, der sowohl der EPRDF als auch der OPDO angehört, hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit eine Friedenslösung mit dem Nachbarland angestrebt. Anfang Juni 2018 hatte er angekündigt, den Beschluss einer von den Vereinten Nationen unterstützten internationalen Schiedskommission über den Grenzverlauf beider Länder aus dem Jahr 2002 „vollständig“ umzusetzen und sich aus den umstrittenen Gebieten zurückzuziehen.