Urbanisierung
Urbanisierung (oder Verstädterung) bezieht sich auf die Verlagerung der Bevölkerung vom Land in die Städte, den entsprechenden Rückgang des Anteils der in ländlichen Gebieten lebenden Menschen und die Art und Weise, wie sich Gesellschaften an diesen Wandel anpassen. Es handelt sich in erster Linie um den Prozess, durch den Städte entstehen und größer werden, da immer mehr Menschen in zentralen Gebieten leben und arbeiten. ⓘ
Obwohl die beiden Begriffe manchmal synonym verwendet werden, sollte zwischen Urbanisierung und Stadtwachstum unterschieden werden. Urbanisierung/Stadtwachstum/Suburbanisierung/Antiurbanismus bezieht sich auf den Anteil der nationalen Gesamtbevölkerung, der in als städtisch eingestuften Gebieten lebt, während sich das Stadtwachstum ausschließlich auf die absolute Zahl der in diesen Gebieten lebenden Menschen bezieht. Prognosen zufolge werden bis 2050 etwa 64 % der Entwicklungsländer und 86 % der Industrieländer verstädtert sein. Das entspricht etwa 3 Milliarden Stadtbewohnern bis 2050, von denen ein Großteil in Afrika und Asien leben wird. Die Vereinten Nationen haben vor kurzem auch prognostiziert, dass fast das gesamte globale Bevölkerungswachstum von 2017 bis 2030 auf die Städte entfallen wird, mit etwa 1,1 Milliarden neuen Stadtbewohnern in den nächsten 10 Jahren. ⓘ
Die Urbanisierung ist für eine Reihe von Disziplinen relevant, darunter Stadtplanung, Geografie, Soziologie, Architektur, Wirtschaft, Bildung, Statistik und öffentliche Gesundheit. Das Phänomen ist eng mit der Modernisierung, der Industrialisierung und dem soziologischen Prozess der Rationalisierung verbunden. Urbanisierung kann als ein bestimmter Zustand zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. der Anteil der Gesamtbevölkerung oder der Fläche in Städten) oder als eine Zunahme dieses Zustands im Laufe der Zeit betrachtet werden. Daher kann die Verstädterung entweder anhand des Ausmaßes der städtischen Entwicklung im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung oder anhand der Geschwindigkeit, mit der der städtische Anteil an der Bevölkerung zunimmt, quantifiziert werden. Die Verstädterung bringt enorme soziale, wirtschaftliche und ökologische Veränderungen mit sich, die eine Chance für die Nachhaltigkeit mit dem "Potenzial für eine effizientere Ressourcennutzung, eine nachhaltigere Flächennutzung und den Schutz der biologischen Vielfalt der natürlichen Ökosysteme" bieten. Die Entwicklung städtischer Resilienz und städtischer Nachhaltigkeit angesichts der zunehmenden Urbanisierung steht im Mittelpunkt der internationalen Politik im Rahmen des Ziels 11 für nachhaltige Entwicklung "Nachhaltige Städte und Gemeinden". ⓘ
Die Verstädterung ist nicht nur ein modernes Phänomen, sondern eine rasche und historische Veränderung der sozialen Wurzeln des Menschen auf globaler Ebene, bei der die überwiegend ländliche Kultur rasch durch eine überwiegend städtische Kultur ersetzt wird. Die erste große Veränderung der Siedlungsmuster war die Ansammlung von Jägern und Sammlern in Dörfern vor vielen tausend Jahren. Die dörfliche Kultur zeichnet sich durch gemeinsame Blutlinien, intime Beziehungen und gemeinschaftliches Verhalten aus, während die städtische Kultur durch entfernte Blutlinien, fremde Beziehungen und Konkurrenzverhalten gekennzeichnet ist. Es wird prognostiziert, dass sich diese beispiellose Bewegung von Menschen in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen und verstärken wird, so dass die Städte wie Pilze aus dem Boden schießen werden, was noch vor einem Jahrhundert undenkbar gewesen wäre. Infolgedessen folgte die Wachstumskurve der städtischen Bevölkerung weltweit bis vor kurzem einem quadratisch-hyperbolischen Muster. ⓘ
Unter Urbanisierung (lateinisch urbs ‚Stadt‘) versteht man die Ausbreitung städtischer Lebensformen. Diese kann sich einerseits im Wachstum von Städten ausdrücken (physische Urbanisierung oder „Verstädterung“ im engeren Sinne), andererseits durch eine mit städtischen Standards vergleichbare infrastrukturelle Erschließung ländlicher Regionen (funktionale Urbanisierung) und durch verändertes Sozialverhalten der Bewohner von ländlichen Gebieten (soziale Urbanisierung). ⓘ
Während der Begriff Verstädterung eher für die Ausweitung alter Städte durch Bautätigkeit, Gewerbe- und Industrieflächen steht, bezieht „Urbanisierung“ Prozesse des sozialen Wandels mit in die Betrachtung ein. ⓘ
Der Prozess der physischen Urbanisierung ist seit Jahrhunderten zu beobachten. Die der Urbanisierung zugrundeliegende Landflucht erreichte einen Höhepunkt in Europa vor allem im späten 19. Jahrhundert und hat in den letzten Jahrzehnten auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern bisher unbekannte Ausmaße angenommen. In den Industrieländern wurde die physische Urbanisierung weitgehend von der funktionalen Urbanisierung abgelöst, das heißt von der Ausbreitung städtischer Lebensformen in benachbarte, bisher ländliche Räume (Suburbanisierung), jedoch ist in den letzten Jahren auch in Industrieländern wieder ein relativer Bevölkerungsgewinn der Städte zu beobachten, sei es bei insgesamt sinkender oder steigender Bevölkerung. ⓘ
Geschichte
In Deutschland liegt der Verstädterungsgrad wesentlich über dem weltweiten Durchschnitt. Die elf Agglomerationsräume mit mehr als einer Million Einwohnern zählen allein rund 25,6 Millionen Menschen. Der weltweit nicht einheitlich verwendete Begriff der Agglomeration entspricht der Stadt im geographischen Sinn ohne Beachtung der Verwaltungsgrenzen. Die nach Verwaltungsgrenzen gerechneten 82 Städte über 100.000 Einwohner in Deutschland im Jahr 2004 besitzen 25,3 Millionen Einwohner, das sind bereits über 30 % der Gesamtbevölkerung von 82 Millionen. Die elf Metropolregionen Deutschlands mit 44,3 Millionen Einwohnern sind räumlich wesentlich weiter gefasst und beinhalten auch große ländliche Gebiete. ⓘ
Als um 1845 in Deutschland die Industrialisierung einsetzte, gab es bereits eine Vielzahl von kleinen und mittelgroßen Städten. Die ökonomische Prämie, die in stark zentralisierten Staaten den Bewohnern der Hauptstadt zufällt, weil die Konzentration der Verwaltung eine Vielzahl von Einkommensmöglichkeiten bot, verteilte sich im staatlich zersplitterten Deutschland seit jeher auf eine ganze Reihe von Städten. Auch die verschiedenen Wellen der Industrialisierung waren von Anfang an polyzentrisch. Damit kam es im 19. Jahrhundert in verschiedenen Regionen zur Urbanisierung im Sinne einer demographischen Verstädterung. Im Ergebnis dessen gibt es heute in Deutschland einen sehr hohen Anteil der Bevölkerung, der in Städten lebt – aber keine wirkliche Megastadt. Der Ökonom Hans-Heinrich Bass spricht von einer „polyzentrischen, Regionen in ganz Deutschland flächig umfassenden Verdichtung der Besiedelung“. Damit einher gehe ein relativ gering ausgeprägtes Primat einer First City, also der bevölkerungsreichsten Stadt. Urbanität im Sinne einer „sozialen Verstädterung“ sei als Konsequenz aus dieser Entwicklung der dominierende Lebensstil in fast allen Teilen Deutschlands. Es entstanden so zahlreiche Oberzentren und Mittelzentren. ⓘ
Nach einer Phase der Suburbanisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stieg aufgrund mehrerer Faktoren – vor allem wegen des demographischen Wandels, wegen höherer Energiepreise, wegen steuerlicher Eingriffe (Abschaffung der Eigenheimzulage und Reduzierung der Entfernungspauschale) und wegen zahlreicher Staus auf deutschen Verkehrswegen ziehen mehr Menschen vom Land in eine Stadt als umgekehrt – der Urbanisierungsgrad in den letzten Jahren wieder an (Reurbanisierung). Die Bevölkerungszahl in Deutschland nahm insgesamt leicht ab, insbesondere in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands seit etwa dem Jahr 2000; in mittelgroßen Städten nahm sie weiter zu. ⓘ
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war der zuvor unübliche Trend zu beobachten, dass auch Familien mit Kindern vermehrt in die Städte ziehen bzw. in diesen wohnhaft bleiben. Vor allem für Einwanderer sind die Städte bevorzugte Zielorte, ebenso für Studierende und andere junge Singles. Seit etwa 2011 stagniert der Urbanisierungsgrad und verharrte bei etwa 77 %. Mit steigenden Mieten und Kaufpreisen für Immobilien zeigt sich seit etwa 2014 ein neuer Trend: Vor allem Familien mit deutscher Staatsangehörigkeit entscheiden sich immer häufiger, die teuren Großstädte mit ihrer oft überlasteten Infrastruktur zu verlassen und ins Umland zu ziehen. Ob die COVID-19-Epidemie von 2020 mit ihrer Tendenz zur Arbeit im Home-Office und der Liquidierung vieler auf Laufkundschaft angewiesener Einzelhandelsfilialen und Büros in den Innenstädten eine weitere Trendwende bewirkt, ist derzeit offen. ⓘ
Von der Entwicklung der ersten Städte in der Indus-Tal-Zivilisation, in Mesopotamien und Ägypten bis zum 18. Jahrhundert herrschte ein Gleichgewicht zwischen der großen Mehrheit der Bevölkerung, die auf dem Lande Subsistenzlandwirtschaft betrieb, und kleinen Bevölkerungszentren in den Städten, in denen die Wirtschaftstätigkeit vor allem aus dem Handel auf Märkten und der Herstellung von Waren in kleinem Umfang bestand. Aufgrund der primitiven und relativ stagnierenden Landwirtschaft in diesem Zeitraum blieb das Verhältnis zwischen Land- und Stadtbevölkerung in einem festen Gleichgewicht. Im 1. Jahrtausend v. Chr. lässt sich jedoch ein deutlicher Anstieg des Anteils der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung feststellen. Ein weiterer deutlicher Anstieg ist im Indien der Moguln zu verzeichnen, wo im 16. und 17. Jahrhundert 15 % der Bevölkerung in städtischen Zentren lebten, mehr als in Europa zu dieser Zeit. Im Vergleich dazu lag der Anteil der europäischen Bevölkerung, der in Städten lebte, im Jahr 1800 bei 8-13 %. Die Verstädterung der Bevölkerung beschleunigte sich ab Mitte des achtzehnten Jahrhunderts rapide. ⓘ
Mit dem Beginn der britischen Agrar- und Industrierevolution im späten 18. Jahrhundert wurde dieses Verhältnis endgültig durchbrochen, und im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu einem beispiellosen Wachstum der Stadtbevölkerung, sowohl durch die anhaltende Landflucht als auch durch die enorme Bevölkerungsexpansion in dieser Zeit. In England und Wales stieg der Anteil der Bevölkerung, der in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern lebte, von 17 % im Jahr 1801 auf 54 % im Jahr 1891. Legt man eine weiter gefasste Definition der Verstädterung zugrunde, so betrug der Anteil der verstädterten Bevölkerung in England und Wales im Jahr 1891 72 % der Gesamtbevölkerung, während dieser Anteil in Frankreich 37 %, in Preußen 41 % und in den Vereinigten Staaten 28 % betrug. ⓘ
Da die Arbeitskräfte aufgrund der höheren Produktivität in der Landwirtschaft von der Landarbeit befreit wurden, zogen sie in die neuen Industriestädte wie Manchester und Birmingham, die einen Aufschwung in Handel, Handwerk und Industrie erlebten. Der wachsende Welthandel ermöglichte auch die Einfuhr von Getreide aus Nordamerika und von gekühltem Fleisch aus Australasien und Südamerika. Auch räumlich dehnten sich die Städte durch die Entwicklung öffentlicher Verkehrsmittel aus, die es der Arbeiterklasse erleichterten, längere Strecken ins Stadtzentrum zu pendeln. ⓘ
Die Verstädterung breitete sich rasch in der westlichen Welt aus, und seit den 1950er Jahren begann sie auch in den Entwicklungsländern Fuß zu fassen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten nur 15 % der Weltbevölkerung in Städten. Nach Angaben der Vereinten Nationen war das Jahr 2007 ein Wendepunkt, als zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit mehr als 50 % der Weltbevölkerung in Städten lebten. ⓘ
Die Yale University hat im Juni 2016 Urbanisierungsdaten aus dem Zeitraum von 3700 v. Chr. bis 2000 n. Chr. veröffentlicht, aus denen ein Video erstellt wurde, das die Entwicklung der Städte auf der Welt während dieses Zeitraums zeigt. Die Ursprünge und die Ausbreitung der städtischen Zentren auf der ganzen Welt wurden von Archäologen ebenfalls kartiert. ⓘ
Ursachen
Die Verstädterung erfolgt entweder organisch oder geplant als Ergebnis individuellen, kollektiven und staatlichen Handelns. Das Leben in einer Stadt kann kulturell und wirtschaftlich vorteilhaft sein, da es einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, bessere Bildungs-, Wohn- und Sicherheitsbedingungen bietet und den Zeit- und Kostenaufwand für das Pendeln und den Transport reduziert. Bedingungen wie Dichte, Nähe, Vielfalt und Wettbewerb auf dem Markt sind Elemente eines städtischen Umfelds, die als vorteilhaft gelten. Es gibt jedoch auch schädliche soziale Phänomene wie Entfremdung, Stress, höhere Lebenshaltungskosten und Massenausgrenzung, die mit einer städtischen Lebensweise verbunden sind. Die Suburbanisierung, die sich in den Städten der größten Entwicklungsländer vollzieht, kann als Versuch angesehen werden, diese schädlichen Aspekte des städtischen Lebens auszugleichen und gleichzeitig den Zugang zu einem großen Teil der gemeinsamen Ressourcen zu ermöglichen. ⓘ
In den Städten sind Geld, Dienstleistungen, Wohlstand und Möglichkeiten zentralisiert. Viele Landbewohner kommen in die Stadt, um ihr Glück zu suchen und ihre soziale Stellung zu verändern. Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und Kapital austauschen, sind stärker in städtischen Gebieten konzentriert. Ob die Quelle nun der Handel oder der Tourismus ist, über die Häfen oder das Bankensystem, die sich in der Regel in den Städten befinden, fließt auch ausländisches Geld in ein Land. ⓘ
Viele Menschen ziehen in die Städte, weil sie dort wirtschaftliche Möglichkeiten haben, aber das erklärt nicht vollständig die sehr hohen Urbanisierungsraten in Ländern wie China und Indien. Die Landflucht ist ein weiterer Faktor, der zur Verstädterung beiträgt. In ländlichen Gebieten, oft in kleinen Familienbetrieben oder Kolchosen in Dörfern, ist es seit jeher schwierig, an Industriegüter heranzukommen, obwohl die relative Lebensqualität insgesamt sehr subjektiv ist und die der Stadt sicherlich übertreffen kann. Das Leben auf dem Bauernhof war schon immer anfällig für unvorhersehbare Umweltbedingungen, und in Zeiten von Dürre, Überschwemmung oder Seuchen kann das Überleben äußerst problematisch werden. ⓘ
Thailändische Bauern werden als arm, dumm und ungesund angesehen. Da die jungen Leute von den Höfen fliehen, schwinden die Werte und das Wissen über den Reisanbau und das Landleben, einschließlich der Tradition des Long Kek, der Hilfe beim Pflanzen, Ernten oder Hausbau durch die Nachbarn. Wir verlieren das, was wir als "Thai-ness" bezeichnen, die Werte der Freundlichkeit, der gegenseitigen Hilfe, der Barmherzigkeit und der Dankbarkeit.
- Iam Thongdee, Professor für Geisteswissenschaften an der Mahidol-Universität in Bangkok ⓘ
In einem Artikel der New York Times über die akute Abwanderung aus der Landwirtschaft in Thailand wurde das Leben als Bauer als "heiß und anstrengend" beschrieben. "Jeder sagt, dass der Bauer am härtesten arbeitet, aber am wenigsten Geld bekommt". Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, versucht das thailändische Landwirtschaftsministerium, den Eindruck zu vermitteln, dass die Landwirtschaft "ehrenhaft und sicher" ist. ⓘ
Allerdings hat die Verstädterung in Thailand auch zu einer massiven Zunahme von Problemen wie Fettleibigkeit geführt. Der Wechsel von einer ländlichen Umgebung zu einer städtischen Gemeinschaft führte auch zu einem Übergang von einer hauptsächlich kohlenhydrathaltigen zu einer fett- und zuckerhaltigen Ernährung, was wiederum einen Anstieg der Fettleibigkeit zur Folge hatte. Das Leben in der Stadt, insbesondere in den modernen städtischen Slums der Entwicklungsländer, ist sicherlich kaum immun gegen Seuchen oder klimatische Störungen wie Überschwemmungen, zieht aber dennoch weiterhin Migranten an. Beispiele hierfür waren die Überschwemmungen in Thailand 2011 und in Jakarta 2007. Städtische Gebiete sind auch weitaus anfälliger für Gewalt, Drogen und andere städtische soziale Probleme. In den Vereinigten Staaten hat sich die Industrialisierung der Landwirtschaft negativ auf die Wirtschaft kleiner und mittlerer Betriebe ausgewirkt und die Größe des ländlichen Arbeitsmarktes stark verringert. ⓘ
Dies sind die Kosten der Teilnahme an der städtischen Wirtschaft. Ihr höheres Einkommen wird durch höhere Ausgaben wieder zunichte gemacht. Am Ende bleibt sogar weniger für Lebensmittel übrig.
- Madhura Swaminathan, Wirtschaftswissenschaftlerin am Indischen Statistischen Institut in Kalkutta ⓘ
Vor allem in den Entwicklungsländern haben Konflikte um Landrechte infolge der Globalisierung dazu geführt, dass politisch weniger mächtige Gruppen, wie z. B. Landwirte, ihr Land verloren oder eingebüßt haben, was zu einer erzwungenen Abwanderung in die Städte führte. In China, wo der Landerwerb mit Gewalt betrieben wird, ist die Verstädterung weitaus umfangreicher und schneller (54 %) als in Indien (36 %), wo die Bauern militante Gruppen (z. B. Naxaliten) bilden, um sich solchen Bemühungen zu widersetzen. Obligatorische und ungeplante Migration führt häufig zu einem raschen Wachstum von Slums. Dies gilt auch für Gebiete mit gewaltsamen Konflikten, in denen die Menschen aufgrund von Gewalt von ihrem Land vertrieben werden. ⓘ
Städte bieten eine größere Vielfalt an Dienstleistungen, darunter auch spezialisierte Dienstleistungen, die es in ländlichen Gebieten nicht gibt. Für diese Dienstleistungen werden Arbeitskräfte benötigt, so dass es mehr und vielfältigere Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Ältere Menschen können gezwungen sein, in die Städte zu ziehen, wo es Ärzte und Krankenhäuser gibt, die sich um ihre gesundheitlichen Bedürfnisse kümmern können. Vielfältige und qualitativ hochwertige Bildungsmöglichkeiten sind ein weiterer Faktor für die Stadtmigration, ebenso wie die Möglichkeit, sich sozialen Gemeinschaften anzuschließen, sie zu entwickeln und aufzusuchen. ⓘ
Die Verstädterung schafft auch Möglichkeiten für Frauen, die in ländlichen Gebieten nicht vorhanden sind. Dies führt zu einem geschlechtsspezifischen Wandel, bei dem Frauen einer bezahlten Beschäftigung nachgehen und Zugang zu Bildung haben. Dies kann zu einem Rückgang der Fruchtbarkeit führen. Dennoch sind Frauen manchmal immer noch benachteiligt, weil sie eine ungleiche Position auf dem Arbeitsmarkt haben, nicht in der Lage sind, sich unabhängig von männlichen Verwandten Vermögen zu sichern, und Gewalt ausgesetzt sind. ⓘ
Die Menschen in den Städten sind produktiver als in den ländlichen Gebieten. Eine wichtige Frage ist, ob dies auf Agglomerationseffekte zurückzuführen ist oder ob Städte einfach die produktiveren Menschen anziehen. Stadtgeographen haben gezeigt, dass es einen großen Produktivitätsgewinn durch die Ansiedlung in dichten Ballungsräumen gibt. Es ist also möglich, dass sich Akteure in Städten ansiedeln, um von diesen Agglomerationseffekten zu profitieren. ⓘ
Dominante Agglomeration
Die dominanten Ballungsräume eines Landes können in größerem Maße von den gleichen Vorteilen profitieren, die auch die Städte bieten, so dass sie nicht nur für die nichtstädtische Bevölkerung, sondern auch für die städtische und vorstädtische Bevölkerung anderer Städte ein Magnet sind. Dominante Ballungsräume sind häufig Primatstädte, müssen es aber nicht sein. So ist beispielsweise der Großraum Manila eher ein Ballungsgebiet als eine Stadt: Mit einer Gesamtbevölkerung von 20 Millionen (über 20 % der nationalen Bevölkerung) ist er sehr wohl eine Primatstadt, Quezon City (2,7 Millionen), die größte Gemeinde im Großraum Manila, und Manila (1,6 Millionen), die Hauptstadt, sind es jedoch nicht. Die Dominanz eines Ballungsraums lässt sich an der Wirtschaftsleistung, dem Wohlstand und vor allem der Bevölkerung messen, jeweils ausgedrückt als Prozentsatz eines ganzen Landes. Der Großraum Seoul ist ein Ballungsraum mit einer massiven Dominanz über Südkorea, in dem 50 % der gesamten Bevölkerung des Landes leben. ⓘ
Obwohl der Großraum Busan-Ulsan (15 %, 8 Millionen) und der Großraum Osaka (14 %, 18 Millionen) in ihren jeweiligen Ländern eine starke Dominanz aufweisen, verlieren sie an Bevölkerung an ihre noch dominanteren Konkurrenten, Seoul bzw. Tokio. ⓘ
Wirtschaftliche Auswirkungen
Wenn sich Städte entwickeln, kann dies zu einem dramatischen Anstieg und einer Veränderung der Kosten führen, wodurch die örtliche Arbeiterklasse, einschließlich der Angestellten der örtlichen Gemeinden, oft aus dem Markt gedrängt wird. Zum Beispiel Eric Hobsbawms Buch Das Zeitalter der Revolution: 1789-1848 (veröffentlicht 1962 und 2005) in Kapitel 11: "Die städtische Entwicklung in unserer Zeit war ein gigantischer Prozess der Klassentrennung, der die neuen armen Arbeiter in große Elendsviertel außerhalb der Zentren der Regierung, der Wirtschaft und der neuen spezialisierten Wohngebiete der Bourgeoisie trieb. In dieser Zeit entwickelte sich die fast überall in Europa anzutreffende Aufteilung in ein 'gutes' West- und ein 'armes' Ostviertel der Großstädte." Dies ist wahrscheinlich auf den vorherrschenden Südwestwind zurückzuführen, der Kohlenrauch und andere Luftschadstoffe in den Wind treibt, wodurch die westlichen Stadtränder den östlichen vorgezogen werden. ⓘ
Ähnliche Probleme gibt es auch in den Entwicklungsländern, wo die Ungleichheit infolge der raschen Verstädterung zunimmt. Das Streben nach schnellem Stadtwachstum und oft auch nach Effizienz kann zu einer weniger gerechten Stadtentwicklung führen. Denkfabriken wie das Overseas Development Institute haben politische Maßnahmen vorgeschlagen, die ein arbeitsintensives Wachstum fördern, um den Zustrom gering qualifizierter und ungelernter Arbeitskräfte aufzufangen. Ein Problem, mit dem diese Wanderarbeiter zu tun haben, ist die Entstehung von Slums. In vielen Fällen finden die gering qualifizierten oder ungelernten Wanderarbeiter, die von den wirtschaftlichen Möglichkeiten in den Städten angezogen werden, in den Städten keine Arbeit und keinen bezahlbaren Wohnraum und müssen in Slums leben. ⓘ
Städtische Probleme und die Entwicklung der Infrastruktur fördern auch den Trend zur Suburbanisierung in den Entwicklungsländern, obwohl die Kernstädte in diesen Ländern tendenziell immer dichter werden. Die Verstädterung wird oft als negativer Trend angesehen, aber es gibt auch positive Aspekte, wie z. B. die Verringerung der Pendler- und Transportkosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Möglichkeiten in den Bereichen Arbeit, Bildung, Wohnen und Transport. Das Leben in Städten bietet Einzelpersonen und Familien die Möglichkeit, die Vorteile von Nähe und Vielfalt zu nutzen. In den Städten gibt es zwar eine größere Vielfalt an Märkten und Waren als in ländlichen Gebieten, aber die Überlastung der Infrastruktur, die Monopolisierung, die hohen Gemeinkosten und die Unannehmlichkeiten von Fahrten zwischen den Städten führen häufig dazu, dass der Wettbewerb auf dem Markt in den Städten härter ist als in ländlichen Gebieten. ⓘ
In vielen Entwicklungsländern, in denen die Wirtschaft wächst, ist das Wachstum oft unregelmäßig und basiert auf einer kleinen Anzahl von Branchen. Für junge Menschen in diesen Ländern bestehen Hindernisse wie der fehlende Zugang zu Finanzdienstleistungen und Unternehmensberatung, Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Krediten für die Gründung eines Unternehmens und mangelnde unternehmerische Fähigkeiten, damit sie die Chancen in diesen Branchen nutzen können. Investitionen in das Humankapital, damit junge Menschen Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und zu Infrastrukturen haben, die den Zugang zu Bildungseinrichtungen ermöglichen, sind für die Überwindung wirtschaftlicher Hindernisse unerlässlich. ⓘ
Auswirkungen auf die Umwelt
Teil einer Serie über ⓘ |
Umweltverschmutzung |
---|
|
Die Verstädterung kann die Umweltqualität aus zahlreichen Gründen verbessern. So steigt durch die Verstädterung das Einkommensniveau, was den Sektor der umweltfreundlichen Dienstleistungen anregt und die Nachfrage nach umweltfreundlichen und umweltverträglichen Produkten erhöht. Darüber hinaus verbessert die Urbanisierung die Umweltqualität durch bessere Einrichtungen und einen höheren Lebensstandard in städtischen Gebieten im Vergleich zu ländlichen Gebieten. Und schließlich verringert die Urbanisierung die Umweltverschmutzung durch mehr Forschung und Entwicklung sowie Innovationen. In seinem Buch Whole Earth Discipline argumentiert Stewart Brand, dass die Auswirkungen der Urbanisierung in erster Linie positiv für die Umwelt sind. Erstens sinkt die Geburtenrate der neuen Stadtbewohner sofort auf die Ersatzrate und sinkt weiter, wodurch die durch das Bevölkerungswachstum verursachten Umweltbelastungen verringert werden. Zweitens verringert die Abwanderung aus ländlichen Gebieten die zerstörerischen Techniken der Subsistenzlandwirtschaft, wie z. B. die unsachgemäß durchgeführte Brandrodung. Auch Alex Steffen spricht in seinem Buch "Carbon Zero: Imagining Cities that can save the planet" von den ökologischen Vorteilen einer zunehmenden Urbanisierung. ⓘ
Die bestehenden Infrastrukturen und Stadtplanungspraktiken sind jedoch nicht nachhaltig. Im Juli 2013 warnte ein Bericht der Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen, dass bei 2,4 Milliarden mehr Menschen im Jahr 2050 die Menge der produzierten Lebensmittel um 70 % steigen muss, was die Nahrungsmittelressourcen vor allem in den Ländern, die aufgrund der sich verändernden Umweltbedingungen bereits mit einer unsicheren Ernährungslage konfrontiert sind, überfordern wird. Die Kombination aus sich verändernden Umweltbedingungen und der wachsenden Bevölkerung in städtischen Regionen wird nach Ansicht von UN-Experten die grundlegenden Abwassersysteme und die Gesundheitsversorgung belasten und möglicherweise eine humanitäre und ökologische Katastrophe auslösen. ⓘ
Städtische Wärmeinsel
Das Vorhandensein von städtischen Wärmeinseln hat in den letzten Jahren zunehmend Besorgnis erregt. Eine städtische Wärmeinsel entsteht, wenn Industrie- und Stadtgebiete Wärme produzieren und zurückhalten. Ein Großteil der Sonnenenergie, die ländliche Gebiete erreicht, wird durch die Verdunstung von Wasser aus der Vegetation und dem Boden verbraucht. In Städten, wo es weniger Vegetation und freiliegenden Boden gibt, wird die meiste Sonnenenergie stattdessen von Gebäuden und Asphalt absorbiert, was zu höheren Oberflächentemperaturen führt. Fahrzeuge, Fabriken sowie industrielle und häusliche Heiz- und Kühlanlagen setzen noch mehr Wärme frei. Infolgedessen sind die Städte oft 1 bis 3 °C wärmer als die umliegenden Landschaften. Zu den Auswirkungen gehören auch die Verringerung der Bodenfeuchtigkeit und eine geringere Rückresorption von Kohlendioxidemissionen. ⓘ
Wasserqualität
Das Auftreten von Eutrophierung in Gewässern ist eine weitere Auswirkung, die eine große Stadtbevölkerung auf die Umwelt hat. Wenn es in diesen Großstädten regnet, filtert der Regen die Schadstoffe wie CO2 und andere Treibhausgase aus der Luft auf den Boden darunter. Diese Chemikalien werden dann direkt in Flüsse, Bäche und Meere gespült, was zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führt und die Meeresökosysteme schädigt. ⓘ
Eutrophierung ist ein Prozess, der hypoxische Wasserbedingungen und Algenblüten verursacht, die für das Überleben von Wasserlebewesen schädlich sein können. Schädliche Algenblüten, die gefährliche Toxine produzieren, gedeihen in eutrophierten Umgebungen, die auch reich an Stickstoff und Phosphor sind. Unter diesen idealen Bedingungen überschwemmen sie das Oberflächenwasser und erschweren es anderen Organismen, Sonnenlicht und Nährstoffe aufzunehmen. Das übermäßige Wachstum von Algenblüten führt zu einer Verschlechterung der allgemeinen Wasserqualität und stört das natürliche Gleichgewicht der aquatischen Ökosysteme. Außerdem wird durch das Absterben der Algenblüten CO2 produziert, was zu einer Versauerung der Umwelt führt. ⓘ
Die Meeresoberfläche hat auch die Fähigkeit, CO2 aus der Erdatmosphäre zu absorbieren, da die Emissionen mit der zunehmenden Verstädterung steigen. Es wird berichtet, dass der Ozean ein Viertel des vom Menschen produzierten CO2 absorbiert. Dies ist nützlich für die Umwelt, da es die schädlichen Auswirkungen der Treibhausgase verringert, aber es trägt auch zur weiteren Versauerung bei. Veränderungen des pH-Werts hemmen die ordnungsgemäße Bildung von Kalziumkarbonat, das für viele Meeresorganismen ein wichtiger Bestandteil ihrer Schalen oder Skelette ist. Dies gilt insbesondere für viele Mollusken- und Korallenarten. Dennoch konnten sich einige Arten an eine saurere Umgebung anpassen und dort gedeihen. ⓘ
Lebensmittelabfälle
Das rasche Wachstum von Gemeinschaften schafft neue Herausforderungen in den Industrieländern, und eine dieser Herausforderungen ist die Zunahme der Lebensmittelabfälle, auch bekannt als städtische Lebensmittelabfälle. Bei der Lebensmittelverschwendung handelt es sich um die Entsorgung von Lebensmitteln, die nicht mehr verwendet werden können, weil sie nicht mehr gebraucht werden, abgelaufen sind oder verderben. Die Zunahme von Lebensmittelabfällen kann zu Umweltproblemen führen, z. B. zu einer erhöhten Produktion von Methangasen und zur Anziehung von Krankheitsüberträgern. Mülldeponien sind die drittgrößte Ursache für die Freisetzung von Methan und geben Anlass zur Sorge über die Auswirkungen auf unsere Ozonschicht und die Gesundheit des Einzelnen. Die Anhäufung von Lebensmittelabfällen führt zu einer verstärkten Gärung, die das Risiko der Einwanderung von Nagetieren und Insekten erhöht. Eine verstärkte Migration von Krankheitsüberträgern führt zu einer größeren Gefahr der Übertragung von Krankheiten auf den Menschen. ⓘ
Abfallbewirtschaftungssysteme variieren auf allen Ebenen, von global bis lokal, und können auch durch den Lebensstil beeinflusst werden. Die Abfallbewirtschaftung war bis nach der industriellen Revolution kein Hauptanliegen. Als die städtischen Gebiete zusammen mit der Bevölkerung weiter wuchsen, wurde die ordnungsgemäße Bewirtschaftung fester Abfälle zu einem offensichtlichen Problem. Um diese Bedenken auszuräumen, suchten die Kommunalverwaltungen nach Lösungen mit den geringsten wirtschaftlichen Auswirkungen, was bedeutete, dass technische Lösungen erst in der allerletzten Phase des Prozesses eingesetzt wurden. Die derzeitige Abfallbewirtschaftung spiegelt diese wirtschaftlich motivierten Lösungen wider, wie z. B. die Verbrennung oder unregulierte Deponien. Allerdings werden zunehmend auch andere Bereiche des Lebenszyklusverbrauchs berücksichtigt, von der anfänglichen Reduzierung bis hin zur Wärmerückgewinnung und zum Recycling von Materialien. So sind beispielsweise der Massenkonsum und die schnelle Mode in den Vordergrund der Prioritäten der städtischen Verbraucher gerückt. Neben Umweltaspekten (z. B. Auswirkungen des Klimawandels) sind auch die öffentliche Gesundheit und der Zugang zu Grund und Boden für die städtische Abfallwirtschaft von Bedeutung. ⓘ
Fragmentierung des Lebensraums
Die Verstädterung kann große Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben, da sie zu einer Aufteilung der Lebensräume und damit zur Entfremdung der Arten führt, ein Prozess, der als Lebensraumfragmentierung bekannt ist. Bei der Fragmentierung von Lebensräumen wird der Lebensraum nicht zerstört, wie es beim Verlust von Lebensräumen der Fall ist, sondern er wird durch Dinge wie Straßen und Eisenbahnen auseinandergerissen. Diese Veränderung kann sich auf die Fähigkeit einer Art auswirken, ihr Leben zu erhalten, indem sie von der Umgebung getrennt wird, in der sie leicht an Nahrung herankommt und Bereiche findet, in denen sie sich vor Raubtieren verstecken kann. Mit einer angemessenen Planung und Bewirtschaftung kann die Fragmentierung vermieden werden, indem Korridore angelegt werden, die die Verbindung von Gebieten fördern und eine leichtere Bewegung in urbanisierten Regionen ermöglichen. ⓘ
Je nach den verschiedenen Faktoren, wie z. B. dem Grad der Verstädterung, kann sowohl eine Zunahme als auch eine Abnahme des "Artenreichtums" beobachtet werden. Das bedeutet, dass die Verstädterung einer Art schaden, aber auch das Wachstum anderer Arten begünstigen kann. Bei der Erschließung von Wohngebieten und Gebäuden wird die Vegetation oft sofort vollständig entfernt, um den Bau einfacher und kostengünstiger zu gestalten, wodurch alle einheimischen Arten in diesem Gebiet ausgelöscht werden. Die Fragmentierung von Lebensräumen kann Arten mit begrenzter Ausbreitungsfähigkeit ausfiltern. So wurde beispielsweise festgestellt, dass der Artenreichtum von Wasserinsekten in städtischen Landschaften geringer ist. Je stärker die Umgebung des Lebensraums urbanisiert ist, desto weniger Arten können den Lebensraum erreichen. In anderen Fällen, wie z. B. bei Vögeln, kann die Verstädterung zu einer Zunahme des Artenreichtums führen, wenn die Organismen in der Lage sind, sich an die neue Umgebung anzupassen. Dies kann bei Arten beobachtet werden, die Nahrung finden, indem sie erschlossene Gebiete oder Vegetation, die nach der Verstädterung hinzugefügt wurde, z. B. gepflanzte Bäume in Stadtgebieten, durchkämmen. ⓘ
Gesundheitliche und soziale Auswirkungen
Wenn Städte den Bevölkerungszuwachs nicht einplanen, treibt dies die Haus- und Grundstückspreise in die Höhe und führt zur Entstehung von Ghettos für Reiche und Arme. "Man erhält eine sehr ungleiche Gesellschaft, und diese Ungleichheit manifestiert sich dort, wo die Menschen leben, in unseren Vierteln, und das bedeutet, dass es weniger Empathie und weniger Entwicklung für die gesamte Gesellschaft geben kann."
- Jack Finegan, Spezialist für städtische Programme bei UN-Habitat ⓘ
In den Entwicklungsländern führt die Verstädterung nicht zu einem deutlichen Anstieg der Lebenserwartung. Die rasche Verstädterung hat zu einem Anstieg der Sterblichkeit durch nicht übertragbare Krankheiten geführt, die mit dem Lebensstil zusammenhängen, darunter Krebs und Herzkrankheiten. Die Unterschiede in der Sterblichkeit durch ansteckende Krankheiten variieren je nach Krankheit und Ort. ⓘ
In den Städten ist der Gesundheitszustand im Durchschnitt besser als in ländlichen Gebieten. Die Bewohner armer städtischer Gebiete wie Slums und informeller Siedlungen leiden jedoch "unverhältnismäßig stark unter Krankheiten, Verletzungen und vorzeitigem Tod, und die Kombination von Krankheit und Armut verfestigt die Benachteiligung im Laufe der Zeit". Viele der armen Stadtbewohner haben Schwierigkeiten, Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen, da sie nicht in der Lage sind, diese zu bezahlen; daher greifen sie auf weniger qualifizierte und nicht regulierte Anbieter zurück. ⓘ
Die Verstädterung geht zwar mit Verbesserungen bei der öffentlichen Hygiene, den sanitären Einrichtungen und dem Zugang zur Gesundheitsversorgung einher, bringt aber auch Veränderungen bei den Arbeits-, Ernährungs- und Bewegungsmustern mit sich. Sie kann unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesundheitsmuster haben, indem sie einige Probleme lindert und andere verschärft. ⓘ
Ernährung
Eine dieser Auswirkungen ist die Entstehung von Lebensmittelwüsten. Fast 23,5 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten haben keinen Zugang zu Supermärkten im Umkreis von einer Meile um ihren Wohnort. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass große Entfernungen zu einem Lebensmittelgeschäft mit höheren Raten von Fettleibigkeit und anderen gesundheitlichen Ungleichheiten verbunden sind. ⓘ
In den Industrieländern handelt es sich bei Lebensmittelwüsten häufig um Gebiete mit einer hohen Dichte an Fast-Food-Ketten und Convenience-Stores, die wenig oder keine frischen Lebensmittel anbieten. Es hat sich gezeigt, dass die Verstädterung mit einem geringeren Verzehr von frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und einem höheren Konsum von verarbeiteten Lebensmitteln und zuckergesüßten Getränken verbunden ist. Ein schlechter Zugang zu gesunden Lebensmitteln und eine hohe Aufnahme von Fett, Zucker und Salz sind mit einem höheren Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes und damit verbundene chronische Krankheiten verbunden. Insgesamt steigen Body-Mass-Index und Cholesterinspiegel mit dem Nationaleinkommen und dem Grad der Verstädterung stark an[40]. ⓘ
In den Vereinigten Staaten sind Lebensmittelwüsten am häufigsten in einkommensschwachen und überwiegend afroamerikanischen Vierteln zu finden. In einer Studie über Lebensmittelwüsten in Denver, Colorado, wurde festgestellt, dass die betroffenen Viertel nicht nur Minderheiten, sondern auch einen hohen Anteil an Kindern und Neugeborenen aufweisen. Bei Kindern ist die Verstädterung mit einem geringeren Risiko für Unterernährung, aber einem höheren Risiko für Übergewicht verbunden. ⓘ
Asthma
Die Verstädterung wurde auch mit einem erhöhten Asthmarisiko in Verbindung gebracht. Überall auf der Welt steigt mit dem Übergang von ländlichen zu städtischen Gesellschaften die Zahl der von Asthma betroffenen Menschen. Bei Kindern und jungen Erwachsenen in verstädterten Gemeinden in Brasilien sank die Wahrscheinlichkeit, wegen Asthma ins Krankenhaus eingeliefert zu werden oder daran zu sterben. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich die Verstädterung negativ auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken kann, insbesondere auf die Anfälligkeit der Menschen für Asthma. ⓘ
In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen tragen viele Faktoren zu der hohen Zahl von Asthmakranken bei. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten, wo die Verstädterung zunimmt, sind die Menschen in den wachsenden Städten in Ländern mit niedrigem Einkommen einer hohen Luftverschmutzung ausgesetzt, was die Prävalenz und den Schweregrad von Asthma in dieser Bevölkerungsgruppe erhöht. Es wurde ein Zusammenhang zwischen der Belastung durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung und allergischen Erkrankungen festgestellt. Kinder, die in armen, städtischen Gebieten in den Vereinigten Staaten leben, haben heute ein höheres Risiko, an Asthma zu erkranken, als andere Kinder mit niedrigem Einkommen in den Vereinigten Staaten. Darüber hinaus haben Kinder mit Krupp in städtischen Gebieten ein höheres Risiko für Asthma als ähnliche Kinder in ländlichen Gebieten. Die Forscher vermuten, dass dieser Unterschied in den Gefährdungsquotienten auf die höhere Luftverschmutzung und die Belastung durch Umweltallergene in städtischen Gebieten zurückzuführen ist. ⓘ
Eine erhöhte Belastung durch Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid (NO2), Kohlenmonoxid (CO) und Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometern (PM2,5) kann zu einer DNA-Methylierung von CpG-Stellen in Immunzellen führen, was das Asthmarisiko von Kindern erhöht. Studien haben eine positive Korrelation zwischen der Foxp3-Methylierung und der Exposition von Kindern gegenüber NO2, CO und PM2,5 gezeigt. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass jede Art von Exposition gegenüber hoher Luftverschmutzung langfristige Auswirkungen auf die Foxp3-Region hat. ⓘ
Trotz des verbesserten Zugangs zu Gesundheitsdiensten, der in der Regel mit der Verstädterung einhergeht, wirkt sich die zunehmende Bevölkerungsdichte negativ auf die Luftqualität aus und schmälert letztlich den positiven Wert der Gesundheitsressourcen, da mehr Kinder und junge Erwachsene aufgrund der hohen Schadstoffbelastung Asthma entwickeln. Stadtplanung und Emissionskontrolle können jedoch die Auswirkungen der verkehrsbedingten Luftverschmutzung auf allergische Erkrankungen wie Asthma verringern. ⓘ
Kriminalität
Historisch gesehen gehen Kriminalität und Urbanisierung Hand in Hand. Die einfachste Erklärung ist, dass Gebiete mit einer höheren Bevölkerungsdichte von einem größeren Warenangebot umgeben sind. Außerdem ist es in städtischen Gebieten leichter, Verbrechen zu begehen. Auch die Modernisierung hat zu mehr Kriminalität geführt, da die modernen Medien ein größeres Bewusstsein für die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich geschaffen haben. Dies führt zu einem Gefühl der Entbehrung, was wiederum zu Kriminalität führen kann. In einigen Regionen, in denen die Urbanisierung in wohlhabenderen Gebieten stattfindet, ist ein Anstieg der Eigentumsdelikte und ein Rückgang der Gewaltverbrechen zu beobachten. ⓘ
Die Daten zeigen, dass die Kriminalität in verstädterten Gebieten zunimmt. Einige Faktoren sind das Pro-Kopf-Einkommen, die Einkommensungleichheit und die Gesamtbevölkerungszahl. Es besteht auch ein geringerer Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote, den Ausgaben für die Polizei und der Kriminalität. Das Vorhandensein von Kriminalität kann auch zu mehr Kriminalität führen. In diesen Gebieten gibt es weniger sozialen Zusammenhalt und damit weniger soziale Kontrolle. Dies zeigt sich auch in den geografischen Regionen, in denen Kriminalität auftritt. Da sich die meisten Verbrechen in den Stadtzentren konzentrieren, ist die Kriminalitätsrate umso geringer, je weiter sie vom Stadtzentrum entfernt sind. ⓘ
Auch die Migration ist ein Faktor, der die Kriminalität in städtischen Gebieten erhöhen kann. Menschen aus einem Gebiet werden vertrieben und sind gezwungen, in eine verstädterte Gesellschaft zu ziehen. Hier befinden sie sich in einer neuen Umgebung mit neuen Normen und sozialen Werten. Dies kann zu einem geringeren sozialen Zusammenhalt und mehr Kriminalität führen. ⓘ
Körperliche Aktivität
Obwohl die Verstädterung tendenziell eher negative Auswirkungen hat, ist eine positive Auswirkung der Verstädterung die Zunahme der körperlichen Aktivität im Vergleich zu ländlichen Gebieten. Die Bewohner ländlicher Gebiete und Gemeinden in den Vereinigten Staaten haben höhere Raten von Fettleibigkeit und bewegen sich weniger als die Stadtbewohner. Landbewohner nehmen einen höheren Prozentsatz an fettreichen Kalorien zu sich, erfüllen seltener die Richtlinien für körperliche Aktivität und sind eher körperlich inaktiv. Im Vergleich der Regionen innerhalb der Vereinigten Staaten hat der Westen die niedrigste Prävalenz körperlicher Inaktivität und der Süden die höchste Prävalenz körperlicher Inaktivität. In Großstädten und Ballungsgebieten ist die Prävalenz körperlicher Aktivität unter den Einwohnern in allen Regionen am höchsten. ⓘ
Hindernisse wie geografische Abgeschiedenheit, verkehrsreiche und unsichere Straßen und soziale Stigmata führen zu einer geringeren körperlichen Aktivität in ländlichen Gebieten. Schnellere Geschwindigkeitsbegrenzungen auf ländlichen Straßen verhindern die Einrichtung von Fahrradspuren, Bürgersteigen, Fußwegen und Seitenstreifen entlang der Straßen. Weniger erschlossene Freiflächen in ländlichen Gebieten, wie Parks und Wanderwege, deuten darauf hin, dass man in diesen Gebieten weniger gut zu Fuß ist als in städtischen Gebieten. Viele Bewohner ländlicher Gegenden müssen weite Wege zurücklegen, um sich sportlich zu betätigen, was zu viel Zeit in Anspruch nimmt und die Bewohner davon abhält, Freizeiteinrichtungen zu nutzen, um sich körperlich zu betätigen. Hinzu kommt, dass die Bewohner ländlicher Gemeinden einen längeren Arbeitsweg haben, was die Zeit, die für körperliche Aktivitäten in der Freizeit zur Verfügung steht, verringert und die Möglichkeit, aktiv zur Arbeit zu fahren, erheblich einschränkt. ⓘ
In Stadtvierteln und Gemeinden mit nahe gelegenen Fitnesseinrichtungen, die ein typisches Merkmal der Urbanisierung sind, bewegen sich die Bewohner in höherem Maße. In Gemeinden mit Gehwegen, Straßenbeleuchtung und Verkehrssignalen bewegen sich die Einwohner mehr als in Gemeinden ohne diese Einrichtungen. Eine Vielzahl von Ausflugszielen in der Nähe des Wohnortes fördert die Nutzung aktiver Verkehrsmittel wie Gehen und Radfahren. Aktiver Verkehr wird auch in städtischen Gemeinden gefördert, in denen es einen einfachen Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, da die Bewohner zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu den Haltestellen gehen. ⓘ
In einer Studie, in der verschiedene Regionen in den Vereinigten Staaten verglichen wurden, waren sich alle Regionen einig, dass Umweltmerkmale wie der Zugang zu Gehwegen, sicheren Straßen, Erholungseinrichtungen und einer schönen Landschaft positiv mit der Teilnahme an körperlicher Aktivität in der Freizeit verbunden sind. Die Wahrnehmung, dass es in der Nähe Ressourcen für körperliche Aktivität gibt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Bewohner aller Gemeinden die Richtlinien und Empfehlungen für angemessene körperliche Aktivität einhalten. Speziell für die Bewohner ländlicher Gebiete sind die Sicherheit von Freiflächen und die bequeme Erreichbarkeit von Freizeiteinrichtungen am wichtigsten, wenn es darum geht, Entscheidungen für mehr körperliche Aktivität zu treffen. Um den Grad der Inaktivität bei den Bewohnern ländlicher Gebiete zu bekämpfen, müssen in ländlichen Gemeinden und Gesellschaften mehr bequeme Erholungsmöglichkeiten geschaffen werden, wie sie in diesem Abschnitt beschrieben wurden. ⓘ
Psychische Gesundheit
Die Urbanisierungsfaktoren, die zur psychischen Gesundheit beitragen, können als Faktoren betrachtet werden, die den Einzelnen betreffen, und als Faktoren, die die größere soziale Gruppe betreffen. Auf der Makroebene, d. h. auf der Ebene der sozialen Gruppe, tragen die mit der Verstädterung verbundenen Veränderungen vermutlich zur sozialen Desintegration und Desorganisation bei. Diese Makrofaktoren tragen zu sozialen Ungleichheiten bei, die sich auf den Einzelnen auswirken, indem sie ein Gefühl der Unsicherheit erzeugen. Die wahrgenommene Unsicherheit kann auf Probleme mit der physischen Umwelt, wie z. B. Probleme mit der persönlichen Sicherheit, oder auf Probleme mit der sozialen Umwelt, wie z. B. den Verlust eines positiven Selbstkonzepts durch negative Ereignisse, zurückzuführen sein. Erhöhter Stress ist ein häufiger individueller psychologischer Stressor, der mit der Verstädterung einhergeht, und es wird angenommen, dass er auf wahrgenommene Unsicherheit zurückzuführen ist. Es wird angenommen, dass Veränderungen in der sozialen Organisation, die eine Folge der Verstädterung sind, zu geringerer sozialer Unterstützung, zunehmender Gewalt und Überbevölkerung führen. Es wird angenommen, dass diese Faktoren zu erhöhtem Stress beitragen. Es ist wichtig festzuhalten, dass die Verstädterung oder die Bevölkerungsdichte allein keine psychischen Gesundheitsprobleme verursacht. Es ist die Kombination von Verstädterung mit physischen und sozialen Risikofaktoren, die zu psychischen Gesundheitsproblemen beitragen. Da die Städte weiter wachsen, ist es wichtig, die psychische Gesundheit zusammen mit anderen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die mit der Verstädterung einhergehen, zu berücksichtigen und zu berücksichtigen. ⓘ
Wechselnde Formen
Je nach Architekturstil und Planungsmethoden sowie dem historischen Wachstum der Gebiete können verschiedene Formen der Verstädterung unterschieden werden. ⓘ
In den Städten der entwickelten Welt war die Verstädterung traditionell durch eine Konzentration menschlicher Aktivitäten und Siedlungen um das Stadtzentrum herum gekennzeichnet, die so genannte In-Migration. Unter Zuwanderung versteht man die Migration aus ehemaligen Kolonien und ähnlichen Gebieten. Die Tatsache, dass sich viele Einwanderer in verarmten Stadtzentren niederlassen, führte zu dem Begriff der "Peripherisierung des Kerns", der einfach beschreibt, dass Menschen, die früher an der Peripherie der ehemaligen Reiche lebten, nun mitten im Zentrum wohnen. ⓘ
Jüngste Entwicklungen, wie z. B. innerstädtische Sanierungsprogramme, führen dazu, dass sich Neuankömmlinge in Städten nicht mehr unbedingt im Zentrum ansiedeln. In einigen entwickelten Regionen ist der umgekehrte Effekt, der ursprünglich als Gegenurbanisierung bezeichnet wurde, eingetreten, bei dem die Städte Bevölkerung an ländliche Gebiete verlieren, was besonders bei reicheren Familien der Fall ist. Dies war aufgrund der verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten möglich und wurde durch Faktoren wie die Angst vor Kriminalität und ein schlechtes städtisches Umfeld verursacht. Dies hat zu dem Phänomen der schrumpfenden Städte beigetragen, das in einigen Teilen der industrialisierten Welt zu beobachten ist. ⓘ
Landflüchtige werden von den Möglichkeiten, die Städte bieten, angezogen, lassen sich aber oft in Elendsvierteln nieder und leben in extremer Armut. Die Unfähigkeit der Länder, diesen Landflüchtigen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, hängt mit der Überurbanisierung zusammen, einem Phänomen, bei dem die Verstädterungsrate schneller wächst als die wirtschaftliche Entwicklung, was zu hoher Arbeitslosigkeit und hohem Ressourcenbedarf führt. In den 1980er Jahren wurde versucht, dieses Phänomen mit der von Michael Lipton vertretenen Theorie der städtischen Verzerrung zu bekämpfen. ⓘ
Die meisten städtischen Armen in Entwicklungsländern, die keine Arbeit finden, verbringen ihr Leben in unsicheren, schlecht bezahlten Jobs. Nach Untersuchungen des Overseas Development Institute erfordert eine armutsorientierte Urbanisierung ein arbeitsintensives Wachstum, das durch Arbeitsschutz, flexible Flächennutzungsvorschriften und Investitionen in grundlegende Dienstleistungen unterstützt wird. ⓘ
Suburbanisierung
Wenn sich das Wohngebiet nach außen verlagert, wird dies als Suburbanisierung bezeichnet. Eine Reihe von Forschern und Autoren weisen darauf hin, dass die Suburbanisierung so weit fortgeschritten ist, dass sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern wie Indien neue Konzentrationspunkte außerhalb des Stadtzentrums entstanden sind. Diese vernetzte, polyzentrische Form der Konzentration wird von einigen als neues Muster der Urbanisierung betrachtet. Sie wird als "edge city" (Garreau, 1991), "network city" (Batten, 1995), "postmodern city" (Dear, 2000) oder "exurb" bezeichnet, wobei sich der letztgenannte Begriff heute auf ein weniger dichtes Gebiet außerhalb der Vororte bezieht. Los Angeles ist das bekannteste Beispiel für diese Art der Urbanisierung. In den Vereinigten Staaten hat sich dieser Prozess seit 2011 umgekehrt, wobei die "Re-Urbanisierung" aufgrund der chronisch hohen Transportkosten als Vorstadtflucht erfolgt. ⓘ
...der wichtigste Klassenkonflikt in den armen Ländern der Welt besteht heute nicht zwischen Arbeit und Kapital. Er besteht auch nicht zwischen ausländischen und nationalen Interessen. Er besteht zwischen den ländlichen und den städtischen Klassen. Der ländliche Sektor birgt die meiste Armut und die meisten kostengünstigen Quellen potenziellen Fortschritts, aber der städtische Sektor birgt die meiste Artikulationsfähigkeit, Organisation und Macht. Daher konnten die städtischen Klassen die meisten Runden im Kampf mit dem Land gewinnen...
- Michael Lipton, Autor der Theorie der städtischen Verzerrung ⓘ
Geplante Urbanisierung
Die Verstädterung kann geplant oder organisch sein. Geplante Verstädterung, d. h.: geplante Gemeinschaft oder die Gartenstadtbewegung, basiert auf einem im Voraus erstellten Plan, der aus militärischen, ästhetischen, wirtschaftlichen oder städtebaulichen Gründen erstellt werden kann. Beispiele dafür finden sich in vielen antiken Städten; allerdings kam es im Zuge der Entdeckungsreisen zu Zusammenstößen zwischen den Völkern, was dazu führte, dass viele eroberte Städte die gewünschten geplanten Merkmale ihrer Besetzer annahmen. Viele antike organische Städte wurden zu militärischen und wirtschaftlichen Zwecken umgestaltet, neue Straßen durchzogen die Städte, und neue Parzellen wurden für verschiedene geplante Zwecke abgegrenzt, wodurch die Städte ein unverwechselbares geometrisches Design erhielten. Die UN-Organisationen ziehen es vor, die städtische Infrastruktur vor der Verstädterung zu errichten. Landschaftsplaner sind für die Landschaftsinfrastruktur (öffentliche Parks, nachhaltige städtische Entwässerungssysteme, Grünanlagen usw.) zuständig, die vor der Urbanisierung oder danach geplant werden kann, um ein Gebiet zu revitalisieren und eine größere Lebensqualität in einer Region zu schaffen. Konzepte zur Kontrolle der Stadterweiterung werden im American Institute of Planners berücksichtigt. ⓘ
Angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums und der Verstädterung in einem noch nie dagewesenen Ausmaß werden neue städtebauliche Konzepte und intelligente Wachstumstechniken eingesetzt, um einen Übergang zur Entwicklung ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltiger Städte zu schaffen. Ein umfassenderer Ansatz macht zudem deutlich, wie wichtig es ist, die Beteiligung nichtstaatlicher Akteure zu fördern, zu denen Unternehmen, Forschungs- und gemeinnützige Organisationen und vor allem die Bürger vor Ort gehören können. Zu den Grundsätzen des intelligenten Wachstums und des New Urbanism gehören Begehbarkeit, gemischte Nutzung, komfortables Design mit hoher Dichte, Bodenerhaltung, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vielfalt. Gemeinden mit gemischter Nutzung bekämpfen die Gentrifizierung mit erschwinglichem Wohnraum, um soziale Gerechtigkeit zu fördern, die Abhängigkeit vom Auto zu verringern, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu senken und eine lokale Wirtschaft zu fördern. Begehbare Gemeinden haben ein um 38 % höheres durchschnittliches Pro-Kopf-BIP als weniger begehbare städtische Ballungsräume (Leinberger, Lynch). Durch die Kombination von wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit werden Städte gerechter, widerstandsfähiger und attraktiver als die Zersiedelung, die den Boden überbeansprucht, die Autonutzung fördert und die Bevölkerung wirtschaftlich ausgrenzt. ⓘ
Arten der Urbanisierung
Es wird zwischen verschiedenen Arten bzw. Indikatoren der Urbanisierung unterschieden: ⓘ
Physische Verstädterung
Sie bedeutet eine Ausbreitung städtischer Wohn- und Flächennutzungsformen. ⓘ
Funktionale Verstädterung
Es kommt zu einer Verflechtung zwischen Stadt und Land („Stadt-Land-Kontinuum“, „Suburbanisierung“). Dabei breitet sich die städtische Produktions- und Dienstleistungsformen im Umland aus und es entwickeln sich neue Kommunikations- und Informationsnetze. ⓘ
Soziale Verstädterung
Das Umland nimmt Richtlinien und Wertvorstellungen der städtischen Bevölkerung an, auch das Konsumverhalten gleicht sich an. Gesamtgesellschaftlich stellt sich Urbanität ein. ⓘ
Demographische Verstädterung
Diese kennzeichnet den (steigenden) Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates. Unter „Verstädterung“ kann sowohl der Verstädterungsgrad (demographischer Zustand) als auch die Verstädterungsrate (demographischer Prozess) verstanden werden (siehe unten). Was jeweils als Stadt gilt, richtet sich nach der offiziellen Verwaltungseinteilung des jeweiligen Landes. ⓘ
Verdichtung des Städtesystems
Die Zahl der Städte nimmt zu, dies kann durch Neugründungen oder Verleihung des Stadttitels geschehen. Typische Gründungsphasen sind das Zeitalter des mesopotamischen Hochkulturen, die griechische und römische Antike, das Hochmittelalter (mit Bürger- und Bischofsstädten), das Barockzeitalter (mit Residenz-/Festungsstädten wie z. B. Karlsruhe als barocke Planstadt) und das Industriezeitalter (z. B. Oberhausen, Wolfsburg, Eisenhüttenstadt oder Shenzhen – die von 1980 bis 2010 am schnellsten wachsende Stadt in der Geschichte der Menschheit). ⓘ
Messung von Verstädterung und Urbanität
Der Verstädterungsgrad (oder die Verstädterungsquote) ist der Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Sie gibt das Ausmaß der Verstädterung in einem Raum an (Zustandsgröße). Der Verstädterungsgrad betrug im Jahr 2007 weltweit 50 %. ⓘ
Die Verstädterungsrate gibt den Zuwachs des Anteils der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung an, und zwar bezogen auf einen Raum (Prozessgröße). Die durchschnittliche Verstädterungsrate betrug im Jahr 1990 weltweit 4,2 %. ⓘ
Ein Indikator für Urbanität als soziales Verhalten ist die Offenheit sozialer Netzwerke. Sie kann mit Hilfe des Indikators der Abnahme der Netzwerkdichte gemessen werden und zeigt an, dass sich die dauernden und festen Kontakte, wie sie typisch für ländliche Regionen sind, zugunsten von häufiger wechselnden und situativen Kontakten abschwächen. ⓘ
Mit der Urbanisierung verbundene Prozesse
Eng mit der Urbanisierung verbunden sind folgende Prozesse, die nacheinander oder auch gleichzeitig auftreten können:
- Umverteilung von Bevölkerung und Beschäftigung zwischen Kernstadt und Umland (Suburbanisierung).
- Entstädterung, also Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme (Desurbanisierung) und erneute Urbanisierung nach erfolgter Entstädterung (Reurbanisierung), v. a. in altindustriellen Regionen.
- Gründung von Trabantenstädten und Satellitenstädten (Großwohnungsiedlungsbau). ⓘ
In vielen Ländern Westeuropas wurde seit Ende der 1950er Jahre der Großwohnungsiedlungsbau in Vororten gefördert, um sehr schnell viel gut ausgestatteten Wohnraum für nach dem Krieg rasch wachsende Bevölkerung der Städte zu schaffen und Notquartiere zu beseitigen. Diese von Freiflächen durchsetzten Großwohnsiedlungen entsprachen damaligen Vorstellungen von Wandel und Moderne, angelehnt an die Leitbilder des Bauhauses, Konzeptionen des Architekten Le Corbusier und die Charta von Athen, die eine klare Trennung der Funktionen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Verkehr vorsah. Sozialpolitisch verkörperten die Großwohnsiedlungen den Glauben an eine homogene Gesellschaft. In den 1970er Jahren erreichten diese Siedlungen Größenordnungen von 25.000 und mehr Wohnungen. ⓘ
In neuester Zeit (seit ca. 1990) ergeben sich neue Trends:
- Urban Scaling: rascherer Wohlstandszuwachs in den Städten im Vergleich zum Umland.
- Nebeneinander von raschen Auf- und Abwertungsprozessen verschiedener stadträumlicher Lagen.
- Austausch statusniedriger durch statushöhere Bevölkerung in attraktiven Innenstadtlagen (Gentrifizierung).
- Abkehr von der Großwohnsiedlungsbauweise wegen zunehmender sozialer Segregation und deren Folgenprobleme in den Vorstadtgettos.
- Entstehung geschlossener bewachter Wohnkomplexe (Gated Community).
- Veränderung der Lebensweisen durch Multilokalität (z. B. durch Pendeln) und Transmigration.
- Verlangsamung der Besiedlung der Kernzonen der Megastädte bei zunehmender Suburbanisierung (sog. Speckgürteleffekt. der in einigen Ländern Europas zu beobachten ist). Paris verliert sogar seit 2011 jährlich ein bis zwei Prozent seiner Einwohner, während die Einwohnerzahl im Umland etwa im gleichen Maß wächst. Ähnliches gilt für Madrid, Lissabon oder Riga. Um Berlin, Wien, Prag, Warschau oder Oslo wächst die Peripherie zumindest schneller als die Stadt selbst. Der Effekt findet sich allerdings nicht in London, Hamburg, München, Brüssel, Amsterdam oder Mailand. ⓘ
Unterschiede der Verstädterung in Industrie- und Entwicklungsländern
Mit dem Prozess der Verstädterung war in den Industrieländern die Umgestaltung von einer traditionellen ländlichen Gesellschaft in eine stark arbeitsteilig-urbane Gesellschaft verbunden. Hier ging der Industrialisierung und Verstädterung entweder eine tiefgreifende Agrarreform voraus, oder beide Prozesse erfolgten gleichzeitig. ⓘ
Die Verstädterung in den heutigen Entwicklungsländern setzte in den 1920er Jahren in Lateinamerika ein und hat seit dem Zweiten Weltkrieg auf alle Länder übergegriffen. Jedoch weist sie gegenüber dem Verstädterungsprozess der Industrieländer grundlegende Unterschiede auf:
- In den Industrieländern wuchsen die Städte im 19. Jahrhundert hauptsächlich durch Zuwanderung infolge der Industrialisierung, weniger durch natürliches Bevölkerungswachstum, stets begleitet von bereits ausgebauten und nunmehr sich anpassenden Verwaltungs- und Rechtsstrukturen.
- Die städtische Bevölkerung in den Entwicklungsländern wächst wesentlich stärker als in den meisten europäischen Industrieländern, und ohne die kommunalpolitischen Traditionen der „okzidentalen Stadt“ (nach Max Weber). Mit Ausnahme weniger Newly Industrializing Countries (NIC) und Schwellenländer fehlen in den Entwicklungsländern aufeinander abgestimmte, miteinander verknüpfte Formen des sozialen Wandels. Auf den Megastädten der Entwicklungsländer lastet außerdem ein doppelter Druck: die starke Zuwanderung (40–50 % des jährlichen Wachstums) wird von einem noch höheren, wenn auch sich abschwächenden natürlichen Bevölkerungswachstum begleitet. Hinzu kommt, dass der Infrastrukturausbau mit dem Wachstum immer weniger Schritt hält. So stieg die Bevölkerung von Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, von 1958 (500 Einwohner) bis 2013 auf 900.000, möglicherweise sogar auf zwei Millionen Einwohner, also um mindestens 160.000 % (das Tausendsechshundertfache), wobei ein permanent steigender Anteil der Bevölkerung unter Plastikplanen und in ähnlichen Quartieren „wohnt“. Die indische Wirtschaftswissenschaftlerin Yayati Gosh, Trägerin des ILO-Forschungspreises 2010, kritisiert den Zusammenbruch der Stadtplanung unter dem Einfluss neoliberaler Reformen in vielen Ländern und beschreibt ihn als „tendency to create urban monstrosities of congestion, inequality and insecurity“. ⓘ
Folgen der Urbanisierung
Die Folgen der Verstädterung vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, verbunden mit einem weiterhin anhaltenden starken Bevölkerungswachstum, sind in ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Tragweiten noch nicht vollständig absehbar. Neben den offensichtlichen Problemen bei der Entstehung von Megastädten richtet sich der Blick der Fachdiskussion in den letzten Jahren verstärkt auch auf die Chancen dieser Entwicklung. ⓘ
Erhöhter Ressourcenverbrauch und Emissionen
Durch den Zuzug in die Städte kommt es zum Bau neuer Häuser, Straßen und Versorgungseinrichtungen. So dehnen sich die Städte immer weiter aus und beanspruchen immer mehr Boden und Ressourcen des Umlandes, z. B. Wasser. Gleichzeitig kann der Flächenverbrauch auf dem Lande reduziert werden; allerdings erfolgt dort selten ein Rückbau. ⓘ
Allgemein ist der Energieverbrauch in den Städten höher als auf dem Land; besonders hoch ist er jedoch in den Randzonen der Agglomerationen durch den Pendlerverkehr. In den Kernzonen ist die Mobilität geringer. ⓘ
Die Konzentration der Bevölkerung in Megastädten bietet zwar die Möglichkeit einer Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zu vergleichsweise geringen Pro-Kopf-Kosten, etwa bei der Wiederaufbereitung von Trinkwasser oder der Abfallentsorgung. Städte bieten auch ein großes Potential zur Begrenzung des Individualverkehrs durch Bereitstellung öffentlicher Verkehrssysteme. Dieses Potenzial wird jedoch unzureichend genutzt. So erreichen in Jakarta weniger als drei Prozent der täglich anfallenden 1,3 Millionen Kubikmeter Abwasser eine der wenigen Behandlungs- und Aufbereitungsanlagen. Auch eine kontrollierte Abfallbeseitigung funktioniert in vielen Agglomerationen nicht. In den informellen Siedlungen ballen sich die Probleme mit Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung und Luftverschmutzung. So ist in armen städtischen Haushalten in den Slums von Rio de Janeiro die Sterblichkeitsrate dreimal so hoch wie in Haushalten mit Zugang zu Wasser, Abwasserversorgung und angemessener Beschaffenheit der Gebäude. In Kapstadt ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind vor dem Erreichen des sechsten Lebensjahrs stirbt, fünfmal so hoch wie in Stadtvierteln mit höherem Einkommen. ⓘ
Katastrophenanfälligkeit
Die Anfälligkeit von Großstädten gegenüber Natur- und anderen Katastrophen sowie Terroranschlägen ist auch bei solider Baustruktur hoch, während die Resilienz eher gering ist. Das hängt teils an der hohen Siedlungsdichte, an der Abhängigkeit von anfälligen und vernetzten großtechnischen Systemen (vor allem der Stromversorgung). Heute leben fast eine halbe Milliarde Menschen in küstennahen Städten. 62 Prozent der Städte mit mehr als acht Millionen Einwohnern liegen an der Küste. Als „Hotspots der Verwundbarkeit“ gelten an Flussmündungen gelegene Megacitys wie Bangkok, New York, Shanghai, Tokio oder Jakarta. Diese Städte werden in den kommenden Jahrzehnten verstärkt von den Folgen des Klimawandels betroffen sein, u: a. von der Zunahme von Hurricanes und Sturmfluten. ⓘ
Nachweislich erhöht sich die durchschnittliche Temperatur in Agglomerationen rascher als auf dem Land. Chinesische Klimaforscher haben in Ostchina die monatliche Oberflächentemperatur zwischen 1981 und 2007 anhand der Daten von 463 Wetterstationen in Metropolen mit über einer Million Einwohnern, Großstädten, Mittleren Städten, Kleinstädten und auf dem Land ausgewertet. Demnach tragen die städtischen Wärmeinseln 24 Prozent zur durchschnittlichen Erwärmung bei, in Metropolen und Großstädten sind es 44 bzw. 35 Prozent. Bei den Metropolen würde der von den städtischen Wärmeinseln ausgehende Beitrag zur Erwärmung der Oberflächentemperatur 0,4 °C in einem Jahrzehnt betragen. In Mexiko-Stadt erhöhte sich die durchschnittliche Temperatur innerhalb von 10 Jahren um 2 °C. Die Hitzewelle in Europa 2003 mit zwischen 30.000 und über 70.000 Todesopfern und einem geschätzten ökonomischen Verlust von über 15 Milliarden US-Dollar traf besonders die Städte. ⓘ
Durch den Anstieg des Meeresspiegels in Verbindung mit der hohen Bodenverdichtung, Grundwasserentnahme und den aufliegenden Lasten von Hochhäusern (in Shanghai sind es 3000 mit über 18 Stockwerken), durch Bodenversiegelung und zunehmende Dauerregenfälle sind insbesondere asiatische Megacities wie Bangkok, das heute teilweise bereits unter dem Meeresspiegel liegt, von Überflutung bedroht. Am schnellsten senkt sich der Boden in Jakarta (jährlich um bis zu 25 Zentimeter), wo schon bis zu vier Millionen Menschen unter dem Meeresspiegel leben. ⓘ
Hygiene- und Gesundheitsrisiken
Seit den 1980er-Jahren steigt die Zahl der Virusinfektionen weltweit an, bedingt durch Erderwärmung und Massentierhaltung. Angesichts der hohen Kontaktdichte in den rasch wachsenden Städten breiten sich Virusinfektionen wie SARS, MERS-CoV oder SARS-CoV-2 hier oft rascher aus als auf dem Land, zumal wenn umgesiedelte Landbewohner traditionelle Gewohnheiten auch in der Stadt beibehalten (z. B. Verkauf lebender Tiere auf städtischen Märkten wie in China). So wurde auf dem Fischmarkt von Wuhan nach Ausbruch der Infektion mit einem neuen Coronavirus festgestellt, dass über 5 Prozent der untersuchten Proben mit dem Virus verseucht waren. ⓘ
Aus sozialmedizinischer Sicht wird die rapide Urbanisierung von armen und Schwellenländern gelegentlich sogar als eine „heraufziehende humanitäre Katastrophe“ bezeichnet. So lebten um 2009 43 % der städtischen Bewohner in Schwellenländern wie Kenia, Brasilien und Indien und 78 % der Stadtbewohner in den am geringsten entwickelten Ländern wie Bangladesch, Haiti und Äthiopien in Slums mit oft unzureichender Wasserversorgung und mangelhaften Sanitäranlagen, aber auch mit hoher Luftverschmutzung. In diesen Slums häufen sich auch chronische Erkrankungen wie Diabetes, während die Behandlungsqualität extrem variiert. ⓘ
Familienstruktur und Geburtenrate
Eine Folge der Urbanisierung sind die Verstärkung des Trends zur Kleinfamilie und ein starker Einbruch der Geburtenraten. Vor allem in den Entwicklungsländern ist die Geburtenrate der Städte im Vergleich zu der auf dem Land sehr niedrig, während in den Industriestaaten fast kein Unterschied mehr besteht. Nach verschiedenen Demographic and Health Surveys liegt die Fertilitätsrate in Addis Abeba und den vietnamesischen Städten bei 1,4, was der Rate Deutschlands entspricht. In der iranischen Hauptstadt Teheran bekommen die Frauen durchschnittlich 1,32 Kinder. ⓘ
Europäische und einige nordamerikanische Großstädte sind durch eine starke Tendenz zur Singularisierung geprägt. In 9 der 13 größten deutschen Städte lag 2018 der Anteil an Single-Haushalten zwischen 50,6 (Köln) und 55,4 Prozent (Berlin). Im Bundesdurchschnitt sind es 41 Prozent. ⓘ
Wirtschaftliche Spaltung
Gleichzeitig Ursache und sich immer weiter verstärkende Folge der Urbanisierung ist eine ökonomische Spaltung zwischen Stadt und Land. In den Vereinigten Staaten wurden etwa in den 1990er Jahren noch 71 % aller neuen Unternehmen in ländlicheren Counties (unter 500.000 Einwohner) gegründet. In den 2000ern machten diese nur noch 51 % der Gründungen aus, und seit 2008 entstehen nur noch 19 % aller neuen Unternehmen in ländlichen Räumen. ⓘ
USA
Der Urbanisierungsgrad in den USA ist von 2001 bis 2011 von 79,4 % auf 82,4 % gestiegen. Allerdings vollzieht sich innerhalb der Ballungsräume nach wie vor eine erhebliche Umschichtung der Bevölkerung. Die USA sind das klassische Studienobjekt für die in allen Industrieländern seit 1945 zu beobachtenden Prozesse der Suburbanisierung, d. h. der Abwanderung von Einwohnern und Arbeitsplätzen aus der Kernzone der Städte in die Peripherie. Die Verdichtung auf Basis urbaner Planung galt seit jeher als Problemlöser für viele infrastrukturelle und soziale Probleme des ausgedehnten nordamerikanischen Kontinents; seit den 1950er Jahren mehren sich jedoch kritische Stimmen (so die von Lewis Mumford, William H. Whyte und Jane Jacobs sowie der Chicago School of Urban Sociology), die die Entwicklung der Städte und insbesondere ihre Kehrseite – das Wuchern des Suburbs – als kritische Symptome der Massengesellschaft, der Homogenität und Konformität städtischer Siedlungsräume bewerten. ⓘ
Robert Beauregard beschreibt den Prozess des Niedergangs der altindustriellen Central Cities, der eng verknüpft ist mit dem Auszug der weißen Mittelschichten ins Umland, als „parasitäre Urbanisierung“. Sie ersetzt seit 1945 die „distributive Urbanisierung“, einen Zyklus der Stadtentwicklung in Nordamerika, in dem alle großen Städte vom demographischen und ökonomischen Wachstum des Landes gleichermaßen profitierten und der kurzfristig in den 1980er Jahren wiederkehrte. Die Phase der parasitären Urbanisierung bezeichnet Beauregard auch als short American century, eine historisch einzigartige Formation, geprägt durch den Niedergang der alten Industriezentren, den Aufstieg der Suburbs insbesondere im Sunbelt und eine bis dahin unerreichte wirtschaftliche Prosperität und militärische Hegemonie in der Welt: „Parasitic urbanization […] produced the trauma that devastated older, industrial cities, created a crisis of national consequences, and undermined the way of life that had defined achievement in the United States for hundreds of years. The dominance of the center […] was replaced by a fragmentation of the periphery brought about by suburban development. Urbanization had jumped to the metropolitan scale.“ In seiner Betrachtung verknüpft Beauregard den Prozess der Suburbanisierung mit den langen Wellen der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung einerseits und ihrer Interpretation im Kontext der Herausbildung einer nationalen Identität, dem becoming suburban, andererseits. ⓘ
China
Die Urbanisierung in China wurde lange Zeit durch das Zuwanderungsverbot gebremst, welches die unkontrollierte Landflucht verhindern sollte. Doch hat in den letzten Jahrzehnten ein rapider Urbanisierungsprozess stattgefunden, der sich fortsetzen und zentral geplant noch beschleunigen soll. 1980 lebten etwa 20 % der Chinesen in Städten, 2001 waren es 37,7 %, 2012 bereits 52,6 % und 2025 sollen es 70 % sein, also mehr als 900 Millionen Menschen. Allein in den nächsten 12 Jahren sollen 250 Millionen Menschen das Land verlassen und gezielt in Städten angesiedelt werden – das ist etwa die zwanzigfache Population des Großraums Los Angeles. Premierminister Li Keqiang verkündete im März 2013, dass die planmäßige Urbanisierung eines der vorrangigen Ziele der Regierung sei, um Wertschöpfung und Wirtschaftswachstum zu beschleunigen. Die Präsentation der Detailplanung wurde allerdings auf den Herbst 2013 verschoben, vermutlich weil auch negative Effekte durch Inflation und die Entstehung einer entwurzelten arbeitslosen Unterschicht befürchtet werden. Man rechnet mit einer Verdoppelung der Zahl von städtischen Wohlfahrtsprogrammen abhängiger Menschen. Auch stellen die Banken weniger Geld für großdimensionierte Infrastrukturprojekte zur Verfügung, so dass die Städte sich dieses durch Landverkäufe oder Ausgabe von Schuldverschreibungen besorgen müssen. Bedingt durch den drohenden Verkehrs- und Umweltkollaps in den großen Agglomerationen sollen bis zu 1000 mittlere Entlastungsstädte im Hinterland der Küstenzone mit jeweils spezialisiertem industriellen Profil oder auch „Themenstädte“ nach dem Vorbild europäischer historischer Stadtanlagen geschaffen werden. ⓘ
Indien
In Indien existieren mit Mumbai, Delhi, Kalkutta, Chennai, Bengaluru und Hyderabad sechs Megastädte. 2010 lebten jedoch nur 30 % der Inder in Städten (2001: 28 %; 2010 weltweit zum Vergleich: 50 %). Der Zuwachs beträgt jährlich etwa 2,4 % (weltweit zum Vergleich: 4,2 %). Selbst bei dieser vergleichsweise mäßigen Zuwachsrate der städtischen Bevölkerung hält der Ausbau der Infrastruktur, vor allem das Wasser- und Müllmanagement in keiner Weise mit diesem Anstieg mit. Wissenschaftler beschreiben das Wachstum indischer Städte als fragmentiert, ungeplant und ohne Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte. Studien belegen einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem ungesteuerten Städtewachstum Indiens und durch Kontamination von Trink- und Brauchwasser ausgelösten Krankheiten. Die Ausbreitung von Slums schreitet trotz des Baubooms ungebremst voran. ⓘ