Belgien
Koordinaten: 50°50′N 4°00′E / 50.833°N 4.000°E ⓘ
Königreich Belgien
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Motto: Eendracht maakt macht (Niederländisch) L'union fait la force (Französisch) Einigkeit macht stark (Deutsch) (Englisch: "Einigkeit macht stark") | |
Hymne: La Brabançonne (Englisch: "The Brabantian") | |
Hauptstadt und größte Stadt | Brüssel 50°51′N 4°21′E / 50.850°N 4.350°E |
Offizielle Sprachen |
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Ethnische Gruppen (2020) |
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Religion (2019) |
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Demonym(e) |
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Regierung | Föderales Parlament konstitutionelle Monarchie |
- Monarch | Philippe |
- Premierminister | Alexander De Croo |
Legislative | Föderales Parlament |
- Oberhaus | Senat |
- Unterhaus | Abgeordnetenkammer |
Unabhängigkeit aus den Niederlanden | |
- Erklärt | 4. Oktober 1830 |
- Anerkannt | 19. April 1839 |
Gebiet | |
- Gesamt | 30.689 km2 (11.849 sq mi) (136.) |
- Wasser (%) | 0.71 (2015) |
Einwohnerzahl | |
- 2022 Schätzung | 11.584.008 (82.) |
- Siedlungsdichte | 376/km2 (973,8/qm) (22.) |
BIP (PPP) | 2022 Schätzung |
- Gesamt | 715,658 Mrd. $ (36.) |
- Pro-Kopf | 61.586 $ (18.) |
BIP (nominal) | 2022 Schätzung |
- Gesamt | 609,887 Mrd. $ (26.) |
- Pro-Kopf | 52.485 $ (16.) |
Gini (2021) | 23.9 niedrig |
HDI (2019) | 0.931 sehr hoch - 14. |
Währung | Euro (€) (EUR) |
Zeitzone | UTC+1 (MEZ) |
- Sommer (DST) | UTC+2 (MESZ) |
Fahrende Seite | rechts |
Rufnummerncode | +32 |
ISO-3166-Code | BE |
Internet TLD | .be |
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Belgien, offiziell das Königreich Belgien, ist ein Land in Nordwesteuropa. Das Land grenzt im Norden an die Niederlande, im Osten an Deutschland, im Südosten an Luxemburg, im Südwesten an Frankreich und im Nordwesten an die Nordsee. Mit einer Fläche von 30.689 km2 und einer Bevölkerung von mehr als 11,5 Millionen Einwohnern ist es das 22. am dichtesten besiedelte Land der Welt und das sechstdichteste in Europa, mit einer Bevölkerungsdichte von 376 pro Quadratkilometer. Die Hauptstadt und größte Stadt ist Brüssel; weitere Großstädte sind Antwerpen, Gent, Charleroi, Lüttich, Brügge, Namur und Löwen. ⓘ
Belgien ist ein souveräner Staat und eine föderale konstitutionelle Monarchie mit einem parlamentarischen System. Seine institutionelle Organisation ist komplex und sowohl regional als auch sprachlich gegliedert. Es gliedert sich in drei weitgehend autonome Regionen: die Flämische Region (Flandern) im Norden, die Wallonische Region (Wallonien) im Süden und die Region Brüssel-Hauptstadt. Brüssel ist die kleinste und am dichtesten besiedelte Region und gleichzeitig die reichste Region, gemessen am Pro-Kopf-BIP. ⓘ
In Belgien gibt es zwei große Sprachgemeinschaften: die niederländischsprachige Flämische Gemeinschaft, die etwa 60 % der Bevölkerung ausmacht, und die französischsprachige Gemeinschaft, die etwa 40 % der Bevölkerung ausmacht. In den Ostkantonen gibt es eine kleine deutschsprachige Gemeinschaft, die etwa ein Prozent der Bevölkerung ausmacht. Die Region Brüssel-Hauptstadt ist offiziell zweisprachig (Französisch und Niederländisch), wobei Französisch die vorherrschende Sprache ist. Die sprachliche Vielfalt Belgiens und die damit verbundenen politischen Konflikte spiegeln sich in seinem komplexen Regierungssystem wider, das aus sechs verschiedenen Regierungen besteht. ⓘ
Das Land in seiner heutigen Form wurde nach der belgischen Revolution von 1830 gegründet, als es sich von den Niederlanden abspaltete, die selbst erst seit 1815 existierten. Der Name des neuen Staates leitet sich von dem lateinischen Wort Belgien ab, das in Julius Cäsars "Gallischen Kriegen" verwendet wurde, um eine nahe gelegene Region in der Zeit um 55 v. Chr. zu beschreiben. Belgien gehört zu den so genannten Niederen Ländern, einer historisch gesehen etwas größeren Region als die Benelux-Staatengruppe, da sie auch Teile Nordfrankreichs umfasste. Seit dem Mittelalter hat die zentrale Lage in der Nähe mehrerer großer Flüsse dazu geführt, dass das Gebiet relativ wohlhabend war und wirtschaftlich und politisch mit seinen größeren Nachbarn verbunden war. Belgien war auch das Schlachtfeld der europäischen Mächte, was ihm den Beinamen "Schlachtfeld Europas" einbrachte, ein Ruf, der im 20. Jahrhundert durch die beiden Weltkriege noch verstärkt wurde. ⓘ
Belgien nahm an der industriellen Revolution teil und besaß im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Kolonien in Afrika. Zwischen 1885 und 1908 war der Freistaat Kongo, der sich im Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II. befand, von weit verbreiteten Gräueltaten und einem millionenfachen Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet, was Belgien dazu veranlasste, das Gebiet als Kolonie zu übernehmen. ⓘ
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war von zunehmenden Spannungen zwischen den niederländischsprachigen und den französischsprachigen Bürgern geprägt, die durch sprachliche und kulturelle Unterschiede und die ungleiche wirtschaftliche Entwicklung Flanderns und Walloniens geschürt wurden. Dieser anhaltende Antagonismus führte zu mehreren weitreichenden Reformen, die im Zeitraum von 1970 bis 1993 zu einem Übergang von einer unitarischen zu einer föderalen Struktur führten. Trotz der Reformen haben die Spannungen zwischen den Gruppen nicht nachgelassen, wenn nicht sogar zugenommen; es gibt erheblichen Separatismus, insbesondere unter den Flamen; es gibt umstrittene Sprachgesetze wie die Gemeinden mit Spracheinrichtungen; und die Bildung einer Koalitionsregierung hat nach den föderalen Wahlen im Juni 2010 18 Monate gedauert, ein Weltrekord. Die Arbeitslosigkeit in Wallonien ist mehr als doppelt so hoch wie in Flandern, das nach dem Zweiten Weltkrieg einen Boom erlebte. ⓘ
Belgien ist eines der sechs Gründungsländer der Europäischen Union. In seiner Hauptstadt Brüssel befinden sich die offiziellen Sitze der Europäischen Kommission, des Rates der Europäischen Union und des Europäischen Rates sowie einer von zwei Sitzen des Europäischen Parlaments (der andere ist Straßburg). Belgien ist außerdem Gründungsmitglied der Eurozone, der NATO, der OECD und der WTO und gehört zur trilateralen Benelux-Union und zum Schengen-Raum. In Brüssel befindet sich der Hauptsitz vieler großer internationaler Organisationen wie der NATO. ⓘ
Belgien ist ein entwickeltes Land mit einer fortschrittlichen Wirtschaft mit hohem Einkommen. Es hat einen sehr hohen Lebensstandard, eine hohe Lebensqualität, eine gute Gesundheitsversorgung und ein hohes Bildungsniveau und wird im Human Development Index als "sehr hoch" eingestuft. Außerdem zählt es zu den sichersten und friedlichsten Ländern der Welt. ⓘ
Seit der Unabhängigkeit 1830 und Verfassungsgebung 1831 ist Belgien eine parlamentarische Erbmonarchie (siehe auch belgische Monarchie). Der Norden des Landes mit den Flamen ist niederländisches, der Süden mit den Wallonen französisches Sprachgebiet (vgl. Flämische und Französische Gemeinschaft). Die Region Brüssel-Hauptstadt ist offiziell zweisprachig, jedoch mehrheitlich frankophon bewohnt. Im deutschsprachigen Gebiet in Ostbelgien sind Standarddeutsch und westmitteldeutsche Mundarten verbreitet (vgl. Deutschsprachige Gemeinschaft). ⓘ
Altertum
Gallien ist in drei Teile geteilt, von denen einer von den Belgen bewohnt wird, der andere von den Aquitaniern, der dritte von denen, die in ihrer Sprache Kelten, in unserer Gallier genannt werden.
(...) Von allen diesen sind die Belgen die stärksten (...) .
- Julius Caesar, De Bello Gallico, Buch I, Kap. 1 ⓘ
Julius Caesar zufolge waren die Belger die Bewohner des nördlichsten Teils von Gallien, der viel größer als das heutige Belgien war. Er benutzte auch ausdrücklich das lateinische Wort "Belgien", um einen politisch dominierenden Teil dieser größeren Region zu bezeichnen, der heute im nördlichsten Frankreich liegt. Das heutige Belgien entspricht den Ländern der Morini, Menapii, Nervii, Germani Cisrhenani, Aduatuci und, um Arlon herum, einem Teil des Landes der Treveri. Caesar beschrieb diese Regionen als eine wirtschaftlich weniger entwickelte Übergangszone, die Verbindungen zu den germanischen Stämmen jenseits des Rheins hatte. ⓘ
Nach Caesars Eroberungen wurde Gallia Belgica der lateinische Name einer großen römischen Provinz, die den größten Teil Nordgalliens, einschließlich der Treverer, umfasste. Gebiete, die näher an der niederrheinischen Grenze lagen, einschließlich des östlichen Teils des heutigen Belgiens, wurden schließlich Teil der Grenzprovinz Germania Inferior, die weiterhin mit ihren Nachbarn außerhalb des Reiches in Kontakt stand. Als die Zentralregierung im Weströmischen Reich zusammenbrach, wurden die römischen Provinzen Belgica und Germania von einer Mischung aus romanisierter Bevölkerung und germanisch sprechenden Franken bewohnt, die in der militärischen und politischen Klasse die Oberhand gewannen. ⓘ
Der Name Belgien begründet sich auf die römische Provinz Gallia Belgica. Dieser nordöstliche Teil Galliens wurde von Stämmen keltischer (d. h. die Belger) und germanischer (d. h. Germani cisrhēnani) Herkunft bewohnt. Im 18. Jahrhundert galt das französische Adjektiv belge oder belgique als Entsprechung von Nederlands ‚niederländisch‘; der kurzlebige unabhängige Belgische Staat von 1790 hieß z. B. auf Französisch États belgiques unis und wurde auf Niederländisch meist Verenigde Nederlandse Staten genannt. Später beschränkte sich der Gebrauch von belge und belgique zunehmend auf die südlichen Niederlande, das heutige Belgien. ⓘ
Geographie
Belgien hat gemeinsame Grenzen mit Frankreich (620 km), Deutschland (167 km), Luxemburg (148 km) und den Niederlanden (450 km). Seine Gesamtfläche, einschließlich der Wasserflächen, beträgt 30.689 km2 (11.849 sq mi). Vor 2018 wurde die Gesamtfläche des Landes auf 30 528 km2 geschätzt. Bei der statistischen Erfassung des Landes im Jahr 2018 wurde jedoch eine neue Berechnungsmethode angewandt. Im Gegensatz zu früheren Berechnungen wurde bei dieser Methode das Gebiet von der Küste bis zur Niedrigwasserlinie berücksichtigt, wodurch sich herausstellte, dass das Land eine 160 km2 größere Fläche hat als bisher angenommen. Allein die Landfläche beträgt 30.278 km2. Es liegt zwischen den Breitengraden 49°30' und 51°30' N und den Längengraden 2°33' und 6°24' E. ⓘ
Belgien besteht aus drei geografischen Hauptregionen: Die Küstenebene im Nordwesten und das Zentralplateau gehören beide zum Anglo-Belgischen Becken, das Ardennenhochland im Südosten zum hercynischen orogenen Gürtel. Das Pariser Becken erreicht ein kleines viertes Gebiet an der südlichsten Spitze Belgiens, Belgisch-Lothringen. ⓘ
Die Küstenebene besteht hauptsächlich aus Sanddünen und Poldern. Weiter landeinwärts liegt eine sanfte, langsam ansteigende, von zahlreichen Wasserläufen bewässerte Landschaft mit fruchtbaren Tälern und der nordöstlichen Sandebene der Campine (Kempen). Die dicht bewaldeten Hügel und Hochebenen der Ardennen sind schroffer und felsiger, mit Höhlen und kleinen Schluchten. Dieses Gebiet erstreckt sich im Westen bis nach Frankreich und ist im Osten durch das Hohe Venn mit der Eifel in Deutschland verbunden, auf dem der Signal de Botrange mit 694 m den höchsten Punkt des Landes bildet. ⓘ
Das Klima ist maritim-gemäßigt mit beträchtlichen Niederschlägen in allen Jahreszeiten (Köppen-Klimaklassifikation: Cfb), wie in den meisten Teilen Nordwesteuropas. Die Durchschnittstemperatur ist im Januar mit 3 °C am niedrigsten und im Juli mit 18 °C am höchsten. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Monat schwankt zwischen 54 mm (2,1 in) im Februar und April und 78 mm (3,1 in) im Juli. Die Durchschnittswerte für die Jahre 2000 bis 2006 zeigen tägliche Temperaturminima von 7 °C (44,6 °F) und -maxima von 14 °C (57,2 °F) sowie monatliche Niederschläge von 74 mm (2,9 in); diese Werte liegen etwa 1 °C bzw. fast 10 Millimeter über den Normalwerten des letzten Jahrhunderts. ⓘ
Phytogeografisch gesehen liegt Belgien zwischen den atlantischen und den mitteleuropäischen Provinzen der Circumboreal-Region innerhalb des borealen Königreichs. Nach Angaben des World Wide Fund for Nature gehört das belgische Staatsgebiet zu den terrestrischen Ökoregionen der atlantischen Mischwälder und der westeuropäischen Laubwälder. Belgien hat im Forest Landscape Integrity Index 2018 einen Durchschnittswert von 1,36/10 und liegt damit weltweit auf Platz 163 von 172 Ländern. ⓘ
Geologie und Geomorphologie
Im Gefolge der nacheiszeitlichen Flandrischen Transgression kam es zur Bildung von Strandwällen, die heute noch als ein bis zu 50 Meter hoher, geschlossener Dünengürtel an der belgischen Küste vorhanden sind. Daraufhin folgt eine ungefähr 10 bis 20 Kilometer breite Zone aus Marschland. ⓘ
Weiter im Binnenland liegt die sogenannte Flussgeest. Hier wurden die Ablagerungen des Maas-Schwemmfächers in der letzten Kaltzeit mit Sanden großer Mächtigkeit überdeckt. Im leicht welligen Land wechseln sich Äcker und Wiesen mit Waldstücken und Heiden ab; zum Teil kommen auch Hochmoore vor. Westlich einer Linie Antwerpen-Brüssel schließt sich die weite flandrische Ebene an. In ihrem Nordteil ist sie ebenfalls von Sanden bedeckt, im Süden dominieren Lehmböden, die für die Landwirtschaft günstiger sind. Hier wird die Ebene von einer lockeren Kette von tertiärzeitlichen Hügeln überragt. Nach Westen hin vermittelt die Ebene zum Nordfranzösischen Schichtstufenland, das größtenteils aus mesozoischen Sedimenten aufgebaut ist (→ Pariser Becken). ⓘ
Die Täler der Sambre und der Maas bilden eine scharfe Grenze an einer tektonischen Störungszone, welche die Tertiär- und Kreideplateaus im Nordwesten von den Ardennen als Teil des Rheinischen Schiefergebirges im Südosten trennt. Die stark bewaldeten Ardennen bestehen aus unterschiedlich widerständigen paläozoischen Schiefern, Sandsteinen, Grauwacken und Quarziten. Sie erreichen in Belgien mit der Botrange im Hohen Venn eine Höhe von 694 Metern. ⓘ
An der Störungszone der Haine-Sambre-Maas-Furche liegen reiche Fundstätten von Steinkohle. Dort, im Nordfranzösischen Kohlerevier, entstand ab 1830 das erste kontinentaleuropäische Bergbau- und Schwerindustrierevier. Ab 1901 wurde auch das Limburger Steinkohlerevier erschlossen. ⓘ
Flandern und Region Brüssel-Hauptstadt
Flandern bildet den Nordteil des Landes und besteht weitgehend aus Flachland. Es ist die bevölkerungsreichste Region des Landes. Die politisch eigenständige Hauptstadtregion Brüssel befindet sich als Enklave innerhalb der flämischen Region. Dieser Landesteil besteht teilweise aus sandigen Geestrücken – so zum Beispiel in der Provinz Limburg, die sich im Osten der flämischen Region befindet. Die Geest wird aber auch von Marschlandschaften unterbrochen, was insbesondere den Bereich der Flüsse betrifft. Hierunter sind die Maas und die Schelde die bedeutendsten. Im äußersten Westen Flanderns befindet sich die 65 Kilometer lange Küste mit der Hafenstadt Ostende. Insbesondere die Provinzen Antwerpen und Flämisch-Brabant mit dem Umland Brüssels sind sehr dicht besiedelt. ⓘ
Wallonische Region
Die Wallonische Region umfasst den südlichen Teil Belgiens. Sie ist bezogen auf die Fläche die größte Region des Landes. Ihr Gebiet ist im Bereich der Ardennen gebirgig und dünn besiedelt und wird durch die Flusstäler von Maas, Sambre und Ourthe durchschnitten. Entlang der genannten Flüsse befinden sich die wichtigsten Städte der Region, insbesondere Lüttich, Namur und Charleroi. Im Westen der Region befinden sich ferner Mons sowie Mouscron und Tournai, die sich in einem grenzüberschreitenden Ballungsgebiet mit der nordfranzösischen Stadt Lille befinden. In Nil-Saint-Vincent (Gemeinde Walhain) in der dicht besiedelten Provinz Wallonisch-Brabant befindet sich der geographische Mittelpunkt Belgiens. Die höchste Erhebung des Landes befindet sich mit dem Signal de Botrange (694 m O.P.) im Hohen Venn in Ostbelgien nahe der Grenze zu Deutschland. Höchstgelegene Ortschaft Belgiens ist das ostbelgische Mürringen (655 m O.P.). ⓘ
Gewässer
Es gibt unter anderem folgende Flüsse und Kanäle:
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Städte
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Im Jahr 2020 lebten 98 Prozent der Einwohner Belgiens in Städten. ⓘ
Rang | Stadt | Einwohner Stadt 1. Januar 2020 |
Einwohner Bezirk Januar 2022 ⓘ |
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1 | Antwerpen | 529.247 | ~1.064.000 |
2 | Gent | 263.927 | ~569.000 |
3 | Charleroi | 202.746 | ~397.000 |
4 | Lüttich (Liège) | 197.217 | ~625.000 |
5 | Brüssel | 185.103 | ~1.223.000 |
6 | Brügge (Brugge) | 118.656 | ~283.000 |
7 | Namur | 111.432 | ~320.000 |
8 | Löwen | 102.275 | ~518.000 |
9 | Mons | 95.887 | ~260.000 |
10 | Aalst | 87.332 | ~299.000 |
11 | Mechelen | 86.921 | ~351.000 |
12 | La Louvière | 81.138 | ~142.000 |
Bevölkerung
Demographie
Belgien hatte 2020 11,5 Millionen Einwohner. Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug 0,5 Prozent. Trotz eines Sterbeüberschusses (Geburtenziffer von 9,9 pro 1000 Einwohner, Sterbeziffer von 11,0 pro 1000 Einwohner) wuchs die Bevölkerung durch Migration. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 1,6. Die Lebenserwartung der Einwohner Belgiens ab der Geburt lag 2020 bei 80,8 Jahren (Frauen: 83,1, Männer: 78,6). Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei 41,9 Jahren und damit unter dem europäischen Wert von 42,5. ⓘ
Bevölkerungsstruktur
Die Bevölkerung Belgiens wird in der Regel in Sprachgruppen eingeteilt. Genaue Daten zur Verteilung sind seit der Festlegung der offiziellen Sprachgrenze 1962 nicht mehr erhoben worden. Hiernach stellen die niederländischsprachigen Flamen knapp 60 Prozent der Bevölkerung dar. Als Flamen werden in diesem verallgemeinernden Sinne nicht allein die Einwohner der Provinzen West- und Ostflandern, sondern auch die der anderen niederländischsprachigen Provinzen (Antwerpen, Brabant, Limburg) und die niederländischsprachigen Bewohner der Region Brüssel-Hauptstadt bezeichnet. Die Wallonen und die frankophonen Bewohner der Region Brüssel-Hauptstadt und ihres Umlandes, die meist zusammenfassend als französischsprachige Belgier bezeichnet werden, bilden etwas weniger als 40 Prozent der Einwohner des Landes. Hinzu kommt als dritte Bevölkerungsgruppe mit einem offiziellen Sprachgebiet die Deutschsprachige Gemeinschaft im Osten des Landes; hier lebt weniger als ein Prozent der belgischen Bevölkerung (77.949 am 1. Januar 2020). Insgesamt wird die Zahl der deutschsprachigen Ostbelgier inklusive derer, die als Minderheit in mehrheitlich frankophonen Landkreisen (z. B. Malmedy) wohnen, auf 110.000 geschätzt. ⓘ
Zu den Minderheiten, die über kein offizielles eigenes Sprachgebiet verfügen, deren Rechte jedoch teilweise über sogenannte Fazilitäten (Erleichterungen) geregelt sind, gehören kleinere, westgermanische Dialekte sprechende Gruppen im offiziell französischen Sprachgebiet (etwa Luxemburgisch im Areler Land und Platdiets in den Plattdeutschen Gemeinden). Als Voyageurs, Gens du voyage oder Woonwagenbewoners werden in Belgien lebende Gruppen sowohl der Jenischen, Manouches und Roma als auch Wohnwagenbewohner anderer Herkunft bezeichnet. Die Anzahl der Gens du voyage wurde 2005 auf insgesamt 15.000 bis 20.000 Personen, 0,15 Prozent der belgischen Bevölkerung, geschätzt. Die weitere Wohnbevölkerung besteht aus Zugewanderten aus vielen Teilen Europas und Afrikas. Ihre sprachliche Situation ist statistisch nicht näher erfasst. ⓘ
Im Jahr 2012 hatte 25 Prozent der Gesamtbevölkerung einen Migrationshintergrund. Seit 1945 gibt es 2,8 Millionen Neubelgier ausländischer Abstammung. Hiervon sind rund 1,2 Millionen europäischer Abstammung und rund 1,35 Millionen stammen aus Ländern außerhalb Europas (Marokko, Türkei, Algerien, Kongo). Seit der Lockerung des belgischen Staatsangehörigkeitsrechts haben mehr als 1,3 Millionen Migranten die belgische Staatsbürgerschaft erworben. Die größte Einwanderergruppe sind Marokkaner (mehr als 450.000 einschließlich ihrer in Belgien lebenden Nachkommen). Türken bilden die zweitgrößte ethnische Minderheit (rund 220.000). 89,2 Prozent der Einwohner mit türkischer Herkunft wurden eingebürgert, ebenso 88,4 Prozent der Personen marokkanischer Herkunft, 75,4 Prozent der mit italienischer, 56,2 Prozent der mit französischer und 47,8 Prozent der mit niederländischer Herkunft. Die sprachliche Situation, etwa inwieweit die Nachkommen von Einwanderern noch die Muttersprache ihrer Eltern oder Großeltern sprechen, ist statistisch nicht umfassend erhoben. ⓘ
Sprachen
In Belgien haben drei Sprachen den Status einer Amtssprache:
- Niederländisch, früher oft, heute seltener als Flämisch bezeichnet, siehe dazu Flandern und Belgisches Niederländisch
- Französisch, siehe dazu Wallonische Region und Belgisches Französisch
- Deutsch, siehe dazu Deutschsprachige Gemeinschaft ⓘ
Nach der Unabhängigkeit Belgiens 1830 galt allein Französisch als Amtssprache. Im Jahr 1873 wurde Niederländisch als zweite Amtssprache rechtlich anerkannt, dennoch blieb Französisch die vorherrschende Verwaltungs- und Unterrichtssprache in ganz Belgien. 1919 kam Deutsch als Amtssprache im neu hinzugewonnenen Gebiet im Osten des Landes dazu; Ostbelgien war nach dem Versailler Vertrag dem belgischen Staat angegliedert worden. Nach dem Ersten Weltkrieg forderte die Mehrheit der Flamen mit Nachdruck, dass das Niederländische auch als Verwaltungs- und Unterrichtssprache an Schulen und Universitäten verwendet und der französischen Amtssprache gleichgestellt werden solle. Tatsächlich sprach die Mehrheit der belgischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein lokale Formen niederländischer bzw. französischer Dialekte (Mundarten des Flämischen, Brabantischen, Limburgischen, Wallonischen etc.), die bis heute die umgangssprachliche Realisierung der Standardsprachen in der Phonetik, teilweise aber auch im Wortschatz und der Formenbildung prägen. So enthält das umgangssprachliche Brüsseler Französisch zahlreiche flämische Elemente, da hier eine ursprünglich überwiegend flämischsprachige Stadt durch kulturellen und politischen Wandel (Hauptstadt des neugegründeten frankophon definierten belgischen Staates 1830) allmählich franzisiert worden ist; bei diesem Sprachwechsel großer Teile der Brüsseler Bevölkerung gingen Elemente der germanischen Volkssprache in das lokale Französisch ein. ⓘ
1921 legte die belgische Regierung drei Sprachgebiete mit territorialer Einsprachigkeit fest, die zweisprachige Gebiete nicht ausreichend berücksichtigte und zu langwährenden innenpolitischen Konflikten führte: die niederländische Sprachzone in Flandern, die französische Sprachzone in der Wallonie und die deutsche Sprachzone in Ostbelgien. Sonderregelungen entstanden in und um Brüssel, das als zweisprachig gilt (siehe Sprachenverhältnisse in Brüssel), sowie in den später eingerichteten Fazilitätengemeinden entlang der romanisch-germanischen Sprachgrenze. Nicht berücksichtigt wurden jene gebildeten Bevölkerungsteile Flanderns, insbesondere in Antwerpen und anderen Städten, für die Französisch eine bevorzugte Sprache und mitunter sogar Muttersprache war; mit Ausnahme der Hauptstadt Brüssel waren nach 1921 in den als einsprachig definierten Landesteilen keine allophonen Sprachinseln vorgesehen. Der flämisch-wallonische Konflikt, der zunächst vor allem soziale Ursachen hatte (Verarmung der flämischen Bauernschaft zur Zeit der Industriellen Revolution, soziale Benachteiligung dieser Bevölkerungsschicht im politischen und gesellschaftlichen Gefüge des Landes bei gleichzeitigem Wirtschaftsboom und Aufstieg der Wallonie im 19. und frühen 20. Jahrhundert), dauert bis heute an, obwohl sich die sozio-ökonomischen Verhältnisse seit dem Niedergang der für die Wallonie prägenden Montanindustrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und dem Aufschwung neuer Wirtschaftszweige in Flandern grundlegend gewandelt haben. ⓘ
Den Status von Regionalsprachen haben seit 1990 das romanische Lothringisch, Champenois, Limburgisch, Luxemburgisch, Ripuarisch, Picardisch und Wallonisch. ⓘ
Religion
Seit der Unabhängigkeit des Landes spielt der römische Katholizismus in Belgiens Politik eine wichtige Rolle. Belgien ist jedoch ein weitgehend säkulares Land, denn die Verfassung sieht Religionsfreiheit vor, und die Regierung respektiert dieses Recht in der Praxis. Während der Regierungszeit von Albert I. und Baudouin hatte die belgische Königsfamilie den Ruf eines tief verwurzelten Katholizismus. ⓘ
Der römische Katholizismus ist seit jeher die Mehrheitsreligion in Belgien und besonders stark in Flandern vertreten. Im Jahr 2009 betrug der sonntägliche Kirchgang in Belgien insgesamt 5 %, in Brüssel 3 % und in Flandern 5,4 %. Der Kirchenbesuch in Belgien betrug 2009 etwa die Hälfte des sonntäglichen Kirchenbesuchs im Jahr 1998 (11 % für ganz Belgien im Jahr 1998). Trotz des Rückgangs des Kirchenbesuchs ist die katholische Identität nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der belgischen Kultur. ⓘ
Laut Eurobarometer 2010 gaben 37 % der belgischen Bürgerinnen und Bürger an, dass sie glauben, dass es einen Gott gibt. 31 % gaben an, dass sie an eine Art Geist oder Lebenskraft glauben. 27 % antworteten, dass sie nicht an eine Art Geist, Gott oder Lebenskraft glauben. 5 % haben nicht geantwortet. Laut Eurobarometer 2015 gehörten 60,7 % der Gesamtbevölkerung Belgiens dem Christentum an, wobei der römische Katholizismus mit 52,9 % die größte Konfession war. Die Protestanten machten 2,1 % und die orthodoxen Christen 1,6 % der Gesamtbevölkerung aus. Nichtreligiöse Menschen machten 32,0 % der Bevölkerung aus und verteilten sich auf Atheisten (14,9 %) und Agnostiker (17,1 %). Weitere 5,2 % der Bevölkerung waren Muslime und 2,1 % glaubten an andere Religionen. Die gleiche Umfrage aus dem Jahr 2012 ergab, dass das Christentum mit 65 % der Belgier die größte Religion in Belgien ist. ⓘ
Die römisch-katholische Kirche ist symbolisch und materiell weiterhin in einer günstigen Position. Belgien erkennt offiziell drei Religionen an: Christentum (katholisch, protestantisch, orthodoxe Kirchen und Anglikanismus), Islam und Judentum. ⓘ
Anfang der 2000er Jahre gab es in Belgien etwa 42 000 Juden. Die Jüdische Gemeinde von Antwerpen (mit etwa 18 000 Mitgliedern) ist eine der größten in Europa und einer der letzten Orte auf der Welt, an dem Jiddisch die Hauptsprache einer großen jüdischen Gemeinde ist (ähnlich wie in einigen orthodoxen und chassidischen Gemeinden in New York, New Jersey und Israel). Darüber hinaus erhalten die meisten jüdischen Kinder in Antwerpen eine jüdische Erziehung. Es gibt mehrere jüdische Zeitungen und mehr als 45 aktive Synagogen (davon 30 in Antwerpen) im Land. Eine Umfrage aus dem Jahr 2006 in Flandern, das als religiösere Region als Wallonien gilt, ergab, dass sich 55 % als religiös betrachten und 36 % glauben, dass Gott das Universum erschaffen hat. Andererseits ist Wallonien zu einer der laizistischsten/am wenigsten religiösen Regionen Europas geworden. Für die meisten Einwohner der französischsprachigen Region ist die Religion kein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, und sogar 45 % der Bevölkerung bezeichnen sich als nicht religiös. Dies gilt insbesondere für die östliche Wallonie und die Gebiete an der französischen Grenze. ⓘ
Einer Schätzung aus dem Jahr 2008 zufolge sind etwa 6 % der belgischen Bevölkerung (628 751 Personen) Muslime. In Brüssel machen Muslime 23,6 % der Bevölkerung aus, in Wallonien 4,9 % und in Flandern 5,1 %. Die Mehrheit der belgischen Muslime lebt in den großen Städten wie Antwerpen, Brüssel und Charleroi. Die größte Einwanderergruppe in Belgien sind die Marokkaner mit 400.000 Menschen. Die Türken sind die drittgrößte Gruppe und mit 220.000 Menschen die zweitgrößte muslimische Ethnie. ⓘ
Die Mehrheit der Belgier gehört christlichen Kirchen an: Etwa 75 Prozent der belgischen Staatsbürger sind römisch-katholisch, rund 1 Prozent gehört der Vereinigten Protestantischen Kirche an und 8 Prozent islamischen Gemeinden. Daneben existieren kleinere christlich-orthodoxe, jüdische, buddhistische und hinduistische Minderheiten. Der Anteil nicht konfessionell gebundener Menschen beträgt etwa 16 Prozent. ⓘ
Traditionell war Belgien ein katholisches Land. Die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben war ein wesentlicher Grund für die Belgische Revolution und die Abspaltung (1830) vom überwiegend protestantischen Norden der vom Wiener Kongress 1815 gebildeten Vereinigten Niederlande. Die katholische Mehrheit erstreckt sich auf alle drei Sprachgebiete (flämisch, französisch, deutsch). Mit der Katholieke Universiteit Leuven ist eine der bedeutendsten Universitäten des Landes konfessionell gebunden. Vor allem das ländliche Flandern war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stark katholisch geprägt; im frühzeitig industrialisierten Wallonien bedingten der Liberalismus und die sozialistische Arbeiterbewegung eine stärkere Säkularisierung, die in den 1960er-Jahren auch den flämischen Landesteil erfasst hat. ⓘ
Die Vereinigte Protestantische Kirche hat 45.000 Gemeindeglieder in 110 Gemeinden, davon 70 wallonische, 35 flämische, drei deutsch- und zwei englischsprachige mit 85 Pfarrern. Sie ist eine unierte Kirche und enthält somit lutherische und reformierte (calvinistische) Elemente. Daneben bestehen protestantische Freikirchen, darunter die Baptisten in Belgien. ⓘ
Homosexualität
In Belgien ist Homosexualität gesellschaftlich akzeptiert. Die gesellschaftliche Toleranz gegenüber Homosexuellen ist verhältnismäßig hoch. Belgien gilt als sehr liberales Land bezüglich der Rechte Homosexueller und deren Gleichstellung. Homosexuelle Handlungen wurden bereits im Jahr 1974 entkriminalisiert; seit 2003 existieren zudem Antidiskriminierungsgesetze. Als zweiter Staat der Welt öffnete Belgien nach den Niederlanden im Jahr 2003 die gleichgeschlechtliche Ehe. Die Vereinigte Protestantische Kirche erlaubt seit 2007 die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. ⓘ
Antisemitismus
Unia, das „Zentrum für Chancengleichheit und Kampf gegen Rassismus“ in Belgien, registrierte 101 Meldungen antisemitischer Straftaten im Jahr 2018. Dies bedeutet nahezu eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2017, in dem 56 antisemitische Straftaten erfasst wurden. ⓘ
Seit mehreren Jahren steht der Karnevalsumzug der Stadt Aalst in der Kritik, da er öfters auf antijüdische Stereotype zurückgreift. Ein am Umzug teilnehmender Verein, der bereits im Jahr zuvor für antisemitischen Puppen verantwortlich gewesen war, verwendete auch 2020 antisemitische Karikaturen. der Bürgermeister von Aalst, Christoph D’Haese von der Partei Nieuw-Vlaamse Alliantie, wollte die Puppen und Karikaturen nicht verurteilen. In diesem Zusammenhang hat im Dezember 2019 die UNESCO den Aalster Straßenkarneval von der Liste des Immateriellen Kulturerbes gestrichen, und inzwischen wurde die EU-Kommission aufgefordert, ein Strafverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Belgien einzuleiten. ⓘ
Die Zahl der Meldungen von judenfeindlichen Inhalten im Internet hat sich in Belgien innerhalb eines Jahres vervierfacht: „Juden schmieden eine Verschwörung gegen die Welt“ oder „Hitler hat seine Arbeit nicht beendet“, sind Sprüche, die regelmäßig auftauchen. Zudem soll nach Einschätzung der Medien die rechtsradikale flämische Studentenbewegung „Schild & Vrienden“ den Antisemitismus geschürt haben. Beispiele für judenfeindliche Akte sind auch der Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel, bei dem am 24. Mai 2014 vier Menschen durch Schüsse getötet wurden, und die Terroranschläge in der Brüsseler Innenstadt und am Flughafen Brüssel-Zaventem im März 2016. ⓘ
Geschichte
Als Provinz Belgica – ein von Cäsar eingeführter Name – erlebte das heutige Gebiet Belgien viele Herrschaften. Es war im Frühmittelalter Teil des fränkischen Reiches und wurde bei dessen Teilungen ebenfalls immer wieder politisch geteilt. Später war es überwiegend Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches und zerfiel in einzelne Herzogtümer und Grafschaften. ⓘ
Vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit stellten die Städte Flanderns mit ihren Tuchindustrien eines der beiden Zentren der europäischen Wirtschaft dar (neben den Städten Norditaliens). Die einzelnen Territorien gerieten politisch unter das Haus Burgund, das 1477 infolge der Heirat der burgundischen Alleinerbin Maria von Burgund mit Maximilian I., Erzherzog von Österreich und späterer römisch-deutscher König und Kaiser, den Habsburgern beerbt wurde. 1555/56 wurde die Teilung der Habsburger in eine spanische und eine österreichische Linie vollzogen. Die niederländischen Provinzen wurden den spanischen Habsburgern zugesprochen. ⓘ
1579 bildeten sich die katholische Union von Arras und die calvinistisch-protestantische Utrechter Union. Die Provinzen der Union von Utrecht lösten sich 1581 von Spanien und gründeten die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, deren Unabhängigkeit nach dem Ende des Achtzigjährigen Krieges im Westfälischen Friede von 1648 anerkannt wurde. Die Provinzen der Union von Arras, Flandern und Brabant, wurden als Spanische Niederlande von einem spanischen Statthalter verwaltet. Nach dem Aussterben der spanischen Habsburger (1700) und dem daraus resultierenden Spanischen Erbfolgekrieg kamen 1714 die von da an österreichischen Niederlande unter die Herrschaft der österreichischen Habsburger. ⓘ
Infolge der absolutistisch-zentralistischen Bestrebungen des österreichischen Herrschers Joseph II. kam es 1789 zur Brabanter Revolution und 1790 zur Ausrufung der kurzlebigen Vereinigten Belgischen Staaten. Das revolutionäre Frankreich annektierte zwischen 1792 und 1794 die Österreichischen Niederlande, 1795 folgte die Eingliederung in die Französische Republik. Auf dem Wiener Kongress (1815) wurden die Provinzen den (nördlichen) Niederlanden zugesprochen. Residenzstadt des niederländischen Königs wurde Brüssel. ⓘ
Im Zuge der Belgischen Revolution wurde das Land 1830 von den Niederlanden unabhängig. Es wurde eine parlamentarische Monarchie errichtet und Leopold von Sachsen-Coburg zum ersten König der Belgier ernannt. Leopold II., Sohn des ersten Königs, erwarb den Kongo in Afrika als Privatbesitz. Nachdem die Kongogräuel (brutale Exzesse bei der wirtschaftlichen Ausbeutung des Kongo) international bekannt geworden waren, musste Leopold das Gebiet 1908 als Kolonie an den belgischen Staat abtreten. Während Leopolds Schreckensherrschaft waren in dem afrikanischen Land schätzungsweise 10 Millionen Menschen durch Sklaverei und Zwangsarbeit ums Leben gekommen. 1960 wurde der Kongo unabhängig. ⓘ
Im Ersten Weltkrieg wurde das neutrale Belgien vom Deutschen Reich entsprechend dem Schlieffen-Plan überfallen und von der deutschen Armee fast gänzlich eingenommen. Das deutsche Militär ging dabei auch gegen Zivilisten mit Erschießungen, Bränden und Geiselnahmen vor. In Dinant und mehreren anderen belgischen Städten kam es zu Massakern an der Zivilbevölkerung. Begründet wurden diese Übergriffe mit Partisanenaktivitäten, deren reale Grundlage jedoch umstritten ist (siehe Francs-tireurs). Im Verlauf des Stellungskrieges wurden viele Städte in Flandern zerstört, Teile des Landes verwüstet. Als im Deutschen Reich die Arbeitskräfte knapp wurden, mussten Zehntausende belgische Zivilisten – Flamen wie Wallonen – Zwangsarbeit für das kaiserliche Militär und die deutsche Rüstungsindustrie leisten. ⓘ
Nach dem Krieg wurde das gemischtsprachige Gebiet um Eupen und Malmedy, das heutige Ostbelgien, durch den Vertrag von Versailles nach einer umstrittenen Volksbefragung 1925 belgisches Staatsgebiet. Belgien beteiligte sich außerdem an der Ruhrbesetzung. ⓘ
Im Zweiten Weltkrieg erklärte sich das Land als neutral. Im Mai 1940 wurde es (wie auch die Niederlande und Luxemburg) von der deutschen Wehrmacht auf dem sogenannten Westfeldzug besetzt. Belgien blieb bis 1944/45 besetzt, Minderheiten wie Juden und Roma wurden in Konzentrationslager deportiert. Bis zur Befreiung durch die Westalliierten hatte es – wie halb Europa – unter der Willkürherrschaft der nationalsozialistischen Diktatur und die jüdische Bevölkerung unter ihrer Verfolgung und Vernichtung zu leiden; Städte und Landschaften blieben aber weitgehend von Kriegszerstörungen verschont. Lediglich die Ardennenoffensive im Dezember 1944 und Januar 1945 führte im Osten des Landes, vor allem um Sankt Vith und Bastogne, zu schweren Zerstörungen. ⓘ
Die bereits seit 1944 geplante Zoll- und Wirtschaftseinheit von Belgien, den Niederlanden und Luxemburg wurde im Haager Vertrag am 3. Februar 1958 vereinbart und ist am 1. November 1960 in Kraft getreten (Benelux-Länder). Belgien zählt zu den Gründerstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und hat eine wichtige Rolle im europäischen Einigungsprozess gespielt. Das Land bzw. die belgische Hauptstadt Brüssel wurde Sitz internationaler Organisationen wie der NATO und der Europäischen Union. ⓘ
Die Innenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg war von einer Föderalisierung geprägt, die sezessionistische Tendenzen der verschiedenen Sprachräume, insbesondere des flämischen Nordens, abzumildern versuchte. In Flandern erzielen separatistische Parteien hohe Stimmenanteile. ⓘ
Siehe auch: Liste der Premierminister von Belgien, Belgisch-Kongo, Flämisch-wallonischer Konflikt und Flämische Bewegung ⓘ
Im 15. Jahrhundert übernahmen die Herzöge von Burgund in Frankreich die Kontrolle über Flandern und vereinigten von dort aus einen Großteil der heutigen Benelux-Staaten, die so genannten burgundischen Niederlande. "Belgien" und "Flandern" waren die ersten beiden gebräuchlichen Bezeichnungen für die burgundischen Niederlande, die der Vorgänger der österreichischen Niederlande, des Vorgängers des heutigen Belgiens, waren. Die Union, die sich technisch gesehen zwischen zwei Königreichen erstreckte, verlieh dem Gebiet wirtschaftliche und politische Stabilität, was zu noch größerem Wohlstand und künstlerischem Schaffen führte. ⓘ
Das in Belgien geborene Haus des habsburgischen Kaisers Karl V. war Erbe der Burgunder, aber auch der Königshäuser von Österreich, Kastilien und Aragonien. Mit der Pragmatischen Sanktion von 1549 verlieh er den Siebzehn Provinzen mehr Legitimität als stabile Einheit und nicht nur als vorübergehende Personalunion. Außerdem stärkte er den Einfluss dieser Niederlande auf das Fürstbistum Lüttich, das als große, halb unabhängige Enklave weiter existierte. ⓘ
Die Französische Revolution und das Königreich der Niederlande
Nach den Feldzügen der Französischen Revolutionskriege von 1794 wurden die Niederen Lande - einschließlich der Gebiete, die nominell nie unter habsburgischer Herrschaft standen, wie das Fürstbistum Lüttich - von der Ersten Französischen Republik annektiert, wodurch die österreichische Herrschaft in der Region beendet wurde. Bei der Auflösung des Ersten Französischen Kaiserreichs im Jahr 1814, nach der Abdankung Napoleons, wurden die Niederländer als Vereinigtes Königreich der Niederlande wiedervereinigt. ⓘ
Politik
Staatsform und Institutionen
Belgien ist de jure, d. h. rein verfassungsrechtlich, eine konstitutionelle Monarchie, hat sich jedoch de facto zu einer parlamentarischen Monarchie entwickelt, die seit der Verfassungsänderung 1993 bundesstaatlich organisiert ist. Die Bundeslegislative setzt sich zusammen aus dem König sowie den beiden Parlamentskammern, der bedeutenderen Abgeordnetenkammer mit 150 und dem Senat mit 60 Mitgliedern. Das aktive und passive Frauenwahlrecht auf nationaler Ebene existiert erst 1948 zu denselben Bedingungen wie das Wahlrecht für Männer. Der König gehört auch der Exekutive an, die er zusammen mit der 15-köpfigen Föderalregierung bildet, der wiederum der Premierminister als primus inter pares vorsteht. ⓘ
Die föderalen Institutionen sind verantwortlich für Justizwesen, Finanzpolitik, innere Sicherheit, Außenpolitik, Landesverteidigung und soziale Sicherheit. ⓘ
Hoheitssymbole
Das Königreich Belgien verfügt über eine Flagge sowie ein großes, mittleres und kleines Wappen. ⓘ
Politische Parteien
Die meisten politischen Parteien spalteten sich in den 1960er- bis 1980er-Jahren in jeweils eine flämische und eine frankophone Partei auf, häufig gibt es auch ein deutschsprachiges Pendant. Parteien derselben Gruppierung arbeiten aber mehr oder weniger eng zusammen und bilden manchmal auch Fraktionsgemeinschaften. Die deutschsprachigen Parteien sind ausschließlich regional tätig. ⓘ
Partei | Sitze | Anmerkung |
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Flämische Parteien | ||
Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA) | 25 | konservative Separatisten, hervorgegangen aus der Volksunie |
Vlaams Belang (VB) | 18 | rechtspopulistische Separatisten, ehemals Vlaams Blok |
Christen-Democratisch en Vlaams (CD&V) | 12 | Christdemokraten, ehemals CVP |
Open Vlaamse Liberalen en Democraten (Open VLD) | 12 | Liberale, ehemals PVV |
Vooruit | 9 | Sozialisten, ehemals SP, ehemals SP.a |
Groen | 8 | Grüne, ehemals Agalev |
Frankophone Parteien | ||
Parti Socialiste (PS) | 20 | Sozialisten |
Mouvement Réformateur (MR) | 14 | Liberale, ehemals PLP und PRL |
Ecolo | 13 | Grüne |
Les Engagés (LE) | 5 | Christdemokraten, ehemals PSC und cdH |
Démocrate Fédéraliste Indépendant (DéFI) | 2 | Vertretung von Frankophonen vor allem in Brüssel, ehemals FDF, 1995 bis 2010 gemeinsame Listen mit PRL bzw. MR |
Landesweite Parteien | ||
Partij van de Arbeid/Parti du Travail de Belgique (PVDA/PTB) | 12 | Kommunisten, ehemals AMADA/TPO |
Politische Indizes
Name des Index | Indexwert | Weltweiter Rang | Interpretationshilfe | Jahr ⓘ |
---|---|---|---|---|
Fragile States Index | 31 von 120 | 162 von 179 | Stabilität des Landes: sehr stabil 0 = sehr nachhaltig / 120 = sehr alarmierend |
2021 |
Demokratieindex | 7,51 von 10 | 36 von 167 | Unvollständige Demokratie 0 = autoritäres Regime / 10 = vollständige Demokratie |
2021 |
Freedom in the World Index | 96 von 100 | — | Freiheitsstatus: frei 0 = unfrei / 100 = frei |
2022 |
Rangliste der Pressefreiheit | 78,9 von 100 | 23 von 180 | Zufriedenstellende Lage für die Pressefreiheit 100 = gute Lage / 0 = sehr ernste Lage |
2022 |
Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) | 73 von 100 | 18 von 180 | 0 = sehr korrupt / 100 = sehr sauber | 2021 |
Flämisch-wallonische Konflikte
Belgien ist von innerer Zerrissenheit – vor allem zwischen der flämischen (niederländischsprachigen) und der wallonischen (französischsprachigen) Bevölkerung – geprägt. Daher sind zum Beispiel Volkszählungen, welche die gesprochene Sprache der Einwohner erheben, seit 1961 verboten, um nicht immer wieder aufgrund von sich wandelnden statistischen Ergebnissen neue Konflikte um die Zugehörigkeit bestimmter auf der Sprachengrenze liegender Gemeinden zur einen oder anderen Region anzufachen. Um insbesondere die Situation in diesen gemischtsprachlichen Gegenden zu entschärfen, wurden zum Teil Fazilitätengemeinden mit besonderen Minderheitenrechten (insbesondere im Schulbereich) geschaffen. ⓘ
„Insgesamt gesehen haben die Spannungen zwischen den beiden großen Volksgruppen Belgiens in der letzten Generation abgenommen. Ein Ende Belgiens ist nicht in Sicht“, urteilte 2018 der Historiker Christoph Driessen in seinem Buch Geschichte Belgiens und verwies darauf, dass die separatistischen Parteien in Flandern in der Minderheit seien und es in Wallonien praktisch keine separatistischen Bestrebungen mehr gebe. Jüngere Belgier sowie viele Einwanderer könnten mit dem Sprachenstreit weniger anfangen als frühere Generationen; sie folgen anderen Identifikationsmodellen, in denen der Frage der Zugehörigkeit zur einen oder anderen Sprachgruppe weniger Gewicht zukommt. Dass es einen innerbelgischen Zusammenhalt gebe, habe auch die Begeisterung für die gesamtbelgische Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 gezeigt, bei der Belgien den dritten Platz belegte. Nichtsdestotrotz ist zu beobachten, dass trotz des verpflichtenden Schulunterrichts in der jeweils anderen Landessprache gute Kenntnisse des Niederländischen in Wallonien kaum verbreitet sind und die flüssige Beherrschung des Französischen in Flandern im Vergleich zu früheren Generationen abgenommen hat. Nicht nur in der Staatsstruktur, auch kulturell führen beide Bevölkerungsgruppen ein weitgehend getrenntes Dasein. Im kulturellen Sektor besteht eine ausgeprägte Affinität Flanderns zu den Niederlanden und Walloniens zu Frankreich. Gleichwohl wird darauf geachtet, dass auf föderaler politischer Ebene die Mehrsprachigkeit Belgiens demonstriert wird; so müssen Spitzenpolitiker, insbesondere in Regierungsämtern, die zweite Landessprache beherrschen (oder lernen), um zu reüssieren, und der König hält Ansprachen, die sich an alle Belgier richten, konsequent in allen drei Amtssprachen. ⓘ
Politische Entwicklungen seit 2008
Die politischen Institutionen Belgiens sind komplex; der Großteil der politischen Macht beruht auf der Vertretung der wichtigsten kulturellen Gemeinschaften. Seit etwa 1970 haben sich die wichtigen nationalen belgischen politischen Parteien in verschiedene Komponenten aufgeteilt, die hauptsächlich die politischen und sprachlichen Interessen dieser Gemeinschaften vertreten. Die wichtigsten Parteien in jeder Gemeinschaft, auch wenn sie dem politischen Zentrum nahe stehen, gehören drei Hauptgruppen an: Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten. Weitere bemerkenswerte Parteien entstanden erst nach der Mitte des letzten Jahrhunderts, vor allem um sprachliche, nationalistische oder umweltpolitische Interessen zu vertreten, und in jüngster Zeit auch kleinere Parteien mit einem spezifisch liberalen Charakter. ⓘ
Eine Reihe von christdemokratischen Koalitionsregierungen seit 1958 wurde 1999 nach der ersten Dioxinkrise, einem großen Skandal um die Verunreinigung von Lebensmitteln, unterbrochen. Es bildete sich eine "Regenbogenkoalition" aus sechs Parteien: den flämischen und französischsprachigen Liberalen, den Sozialdemokraten und den Grünen. Später bildete sich eine "lila Koalition" aus Liberalen und Sozialdemokraten, nachdem die Grünen bei den Wahlen 2003 die meisten ihrer Sitze verloren hatten. ⓘ
Die von 1999 bis 2007 von Premierminister Guy Verhofstadt geführte Regierung erreichte einen ausgeglichenen Haushalt, einige Steuerreformen, eine Arbeitsmarktreform, den geplanten Ausstieg aus der Atomenergie und brachte Gesetze auf den Weg, die eine strengere Verfolgung von Kriegsverbrechen und eine mildere Verfolgung des Konsums weicher Drogen ermöglichen. Die Beschränkungen für die Verweigerung der Sterbehilfe wurden gelockert und die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Die Regierung förderte die aktive Diplomatie in Afrika und lehnte die Invasion im Irak ab. Es ist das einzige Land, in dem es keine Altersbeschränkungen für die Sterbehilfe gibt. ⓘ
Die Koalition von Verhofstadt schnitt bei den Wahlen im Juni 2007 schlecht ab. Mehr als ein Jahr lang befand sich das Land in einer politischen Krise. Diese Krise war so groß, dass viele Beobachter über eine mögliche Teilung Belgiens spekulierten. Vom 21. Dezember 2007 bis zum 20. März 2008 war die Übergangsregierung Verhofstadt III im Amt. Es handelte sich um eine Koalition der flämischen und frankophonen Christdemokraten, der flämischen und frankophonen Liberalen sowie der frankophonen Sozialdemokraten. ⓘ
An diesem Tag wurde eine neue Regierung unter der Führung des flämischen Christdemokraten Yves Leterme, dem eigentlichen Sieger der föderalen Wahlen vom Juni 2007, vom König vereidigt. Am 15. Juli 2008 kündigte Leterme dem König den Rücktritt des Kabinetts an, da keine Fortschritte bei den Verfassungsreformen erzielt worden waren. Im Dezember 2008 bot er dem König erneut seinen Rücktritt an, nachdem es zu einer Krise im Zusammenhang mit dem Verkauf von Fortis an BNP Paribas gekommen war. Daraufhin wurde sein Rücktritt angenommen und der christdemokratische und flämische Herman Van Rompuy wurde am 30. Dezember 2008 als Premierminister vereidigt. ⓘ
Nachdem Herman Van Rompuy am 19. November 2009 zum ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates ernannt worden war, bot er König Albert II. am 25. November 2009 den Rücktritt seiner Regierung an. Wenige Stunden später wurde die neue Regierung unter Premierminister Yves Leterme vereidigt. Am 22. April 2010 bot Leterme dem König erneut den Rücktritt seines Kabinetts an, nachdem sich einer der Koalitionspartner, die OpenVLD, aus der Regierung zurückgezogen hatte, und am 26. April 2010 nahm König Albert den Rücktritt offiziell an. ⓘ
Bei den Parlamentswahlen in Belgien am 13. Juni 2010 wurde die flämisch-nationalistische N-VA die größte Partei in Flandern und die Sozialistische Partei PS die größte Partei in Wallonien. Bis Dezember 2011 wurde Belgien von der geschäftsführenden Regierung Leterme regiert, die auf das Ende der festgefahrenen Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung wartete. Am 30. März 2011 wurde damit ein neuer Weltrekord für die verstrichene Zeit ohne offizielle Regierung aufgestellt, der zuvor vom kriegsgebeutelten Irak gehalten wurde. Im Dezember 2011 wurde schließlich die Regierung Di Rupo unter dem sozialistischen wallonischen Premierminister Elio Di Rupo vereidigt. ⓘ
Bei den föderalen Wahlen 2014 (die zeitgleich mit den Regionalwahlen stattfanden) konnte die flämisch-nationalistische N-VA weitere Stimmen hinzugewinnen, obwohl die amtierende Koalition (bestehend aus flämischen und französischsprachigen Sozialdemokraten, Liberalen und Christdemokraten) weiterhin eine solide Mehrheit im Parlament und in allen Wahlkreisen hat. Am 22. Juli 2014 ernannte König Philippe Charles Michel (MR) und Kris Peeters (CD&V), um die Bildung eines neuen föderalen Kabinetts zu leiten, das sich aus den flämischen Parteien N-VA, CD&V, Open Vld und der französischsprachigen MR zusammensetzt und aus dem die Regierung Michel hervorging. Es war das erste Mal, dass die N-VA Teil des föderalen Kabinetts war, während die französischsprachige Seite nur durch die MR vertreten war, die in Wallonien eine Minderheit der öffentlichen Stimmen erhielt. ⓘ
Bei den Föderalwahlen im Mai 2019 in der flämischsprachigen Region Nordflandern konnte die rechtsextreme Partei Vlaams Belang große Gewinne erzielen. In der französischsprachigen südlichen Region Walloniens waren die Sozialisten stark. Die gemäßigte flämische nationalistische Partei N-VA blieb die größte Partei im Parlament. Im Juli 2019 wurde Premierminister Charles Michel zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt. Seine Nachfolgerin Sophie Wilmès war die erste weibliche Premierministerin Belgiens. Sie führte die geschäftsführende Regierung seit Oktober 2019. Neuer Premierminister wurde im Oktober 2020 der flämische Liberale Alexander De Croo. Die Parteien hatten sich 16 Monate nach den Wahlen auf eine föderale Regierung geeinigt. ⓘ
Am 18. Dezember 2008 teilte der Kassationshof – das höchste ordentliche Gericht in Belgien – in einem Brief an den Kammervorsitzenden Herman Van Rompuy mit, dass Leterme versucht habe, das Gericht in der Frage des geplanten Verkaufs der belgischen Bank Fortis an den französischen Finanzkonzern BNP Paribas zu beeinflussen; dies hatte Leterme kurz zuvor noch bestritten. Tags darauf trat Leterme zurück. ⓘ
Am 21. Juli 2013 – dem belgischen Nationalfeiertag – dankte König Albert II. zugunsten seines ältesten Sohnes Philippe ab, nachdem er dies am 3. Juli 2013 angekündigt hatte. ⓘ
Am 1. Oktober 2020 wurde die neue Regierung unter Premierminister Alexander De Croo vereidigt, die erstmals aus sieben Parteien der vier Parteifamilien der Sozialisten, Liberalen, Christdemokraten und Grünen besteht, und „Vivaldi-Koalition“ genannt wird. Sie gilt als linksliberal, ist erstmals paritätisch mit zehn Frauen und zehn Männern besetzt, deutlich jünger und mit fünfzehn Regierungsmitgliedern besetzt, die nie zuvor ein föderales politisches Amt ausübten. Sophie Wilmès wurde darin Außenministerin. ⓘ
Europapolitik
Belgien hat eine strategische geographische Position im Herzen Europas, inmitten eines europäischen Ballungsraumes und in der Nähe der größten Seehäfen. Dadurch besteht eine gewisse Abhängigkeit vom internationalen Handel, wobei die wichtigsten Handelspartner die Nachbarstaaten Niederlande, Deutschland und Frankreich sind. Das macht Belgien zu einer der offensten Volkswirtschaften in der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund verfolgt Belgien traditionell eine Öffnungspolitik zu den europäischen Nachbarn, zum einen durch die Benelux-Gemeinschaft, zum anderen im Rahmen des Europarates und der Europäischen Union, zu deren Gründungsmitgliedern Belgien gehört. Das Land ist ebenfalls Gründungsmitglied der Europäischen Währungsunion. Eurobarometer-Umfragen zeigen regelmäßig, dass die belgische Bevölkerung etwa zu zwei Drittel pro-europäisch eingestellt ist, was über dem EU-Durchschnitt von knapp über 50 Prozent liegt. Die belgische Hauptstadt Brüssel ist Sitz mehrerer EU-Institutionen und Agenturen wie die Kommission, das Parlament, der Ministerrat, der Wirtschaft- und Sozialausschuss oder der Ausschuss der Regionen, sowie zahlreicher Lobbying-Gruppen, Nichtregierungsorganisationen usw., die im Bereich der Europapolitik arbeiten. ⓘ
Die belgischen Regierungen seit 1945 haben sich für den Aufbau Europas eingesetzt. Unter belgischem Ratsvorsitz in der zweiten Hälfte 2001 wurde die Einberufung des Verfassungskonvents beschlossen, der einige Jahre später den Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) hervorbringen sollte. Belgien setzte sich für den Ratifizierungsprozess des VVE ein und – nach dessen Scheitern – für die Erhaltung der Substanz des VVE im Vertrag von Lissabon, der am 13. Dezember 2007 unterschrieben wurde und am 1. Dezember 2009 in Kraft trat. ⓘ
Belgiens Verteidigungspolitik stützt sich nicht nur auf die NATO (Belgien ist Gründungsmitglied), sondern auch auf die EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Die Hauptstadt Brüssel ist sowohl Sitz der NATO-Hauptorgane als auch der Europäischen Verteidigungsagentur der EU, was Belgien zum Zentrum der euro-atlantischen Verteidigungsstrukturen macht. Das Land stellt für die EU Battlegroups Truppen bereit und beteiligt sich an Einsätzen der EU, beispielsweise an der EUFOR. Durch seine historischen Verbindungen zum afrikanischen Land Kongo hat sich Belgien als Meinungsführer bei Angelegenheiten der Großen Seen und Zentralafrikas innerhalb der EU etabliert und ist maßgeblich um eine friedliche Stabilisierung des Ostkongo bemüht. ⓘ
Durch Belgiens föderale Struktur, die der Lokalebene außerordentlich viele Kompetenzen zuweist, sind sowohl die Regionen als auch die Gemeinschaften maßgeblich an der Formulierung der belgischen Europapolitik beteiligt, jedoch zugleich von der Umsetzung politischer Ziele der EU betroffen – was eventuelle lokale Unterschiede bei der Umsetzung erklärt. Zum Beispiel sind sie zuständig für Kulturpolitik und können in diesem Bereich Verträge mit ausländischen Staaten abschließen, sodass sie im Ausland ein eigenständiges Profil aufgebaut haben, zum Beispiel indem sie in einigen belgischen Botschaften Kulturreferenten stellen. ⓘ
In der zweiten Hälfte 2010 hatte Belgien den Vorsitz des Ministerrates inne. Diese belgische Ratspräsidentschaft bildete das Mittelstück der Trio-Präsidentschaft mit Spanien (erste Hälfte 2010) und Ungarn (erste Hälfte 2011). Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurde der Belgier Herman Van Rompuy in das neugeschaffene Amt des Präsidenten des Europäischen Rates berufen; seit dem 1. Dezember 2019 hat der Belgier Charles Michel dieses Amt inne. ⓘ
Bewaffnete Kräfte
Die belgischen Streitkräfte haben rund 47.000 aktive Soldaten. Im Jahr 2019 belief sich der belgische Verteidigungshaushalt auf 4,303 Milliarden Euro (4,921 Milliarden Dollar), was 0,93 % des belgischen BIP entspricht. Sie sind in einer einheitlichen Struktur organisiert, die aus vier Hauptkomponenten besteht: Landkomponente oder Heer, Luftkomponente oder Luftwaffe, Marinekomponente oder Marine und Sanitätskomponente. Die operativen Kommandos der vier Komponenten sind der Stabsabteilung für Operationen und Ausbildung des Verteidigungsministeriums unterstellt, die vom stellvertretenden Stabschef für Operationen und Ausbildung geleitet wird, sowie dem Chef der Verteidigung. ⓘ
Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs machten die kollektive Sicherheit zu einer Priorität der belgischen Außenpolitik. Im März 1948 unterzeichnete Belgien den Vertrag von Brüssel und trat dann 1948 der NATO bei. Die Integration der Streitkräfte in die NATO begann jedoch erst nach dem Koreakrieg. Zusammen mit der luxemburgischen Regierung entsandten die Belgier eine Abordnung in Bataillonsstärke in den Koreakrieg, das so genannte Belgian United Nations Command. Diese Mission war die erste in einer langen Reihe von UN-Missionen, die die Belgier unterstützten. Gegenwärtig arbeitet die belgische Marinekomponente eng mit der niederländischen Marine unter dem Kommando von Admiral Benelux zusammen. ⓘ
Die Belgischen Streitkräfte (niederländisch Defensie van België, französisch Armée belge) untergliedern sich in Heer, Marine, Luftstreitkräfte und medizinisches Korps (niederländisch Medische Component, französisch Corps médical). 2006 hatten die Belgischen Streitkräfte eine Stärke von 36.000 Mann. Der freiwillige Wehrdienst wurde formell 1994 abgeschafft. Belgien gab 2017 knapp 0,9 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 4,4 Milliarden US-Dollar für seine Streitkräfte aus. ⓘ
Die Landstreitkräfte sind mit 24.600 die größte der Teilstreitkräfte. ⓘ
Die belgischen Luftstreitkräfte (niederländisch Luchtmacht, französisch Force Aérienne Belge) ist mit 6350 Mann die zweitgrößte Teilstreitkraft. Ihr stehen 72 F-16-Kampfflugzeuge sowie 31 Hubschrauber zur Verfügung. ⓘ
Die Marine ist in einem gemeinsamen Benelux-Kommando organisiert. Sie verfügt über zwei Wielingen-Fregatten, sechs Minenjäger und ein Flusspatrouillenschiff. ⓘ
Polizei
Die Polizeireform von 2001 hat eine auf zwei Ebenen strukturierte integrierte Polizei geschaffen:
- Föderale Polizei (niederländisch Federale Politie, französisch Police Fédérale), mit einem Generalkommissariat und drei Generaldirektionen (der Verwaltungspolizei, der Kriminalpolizei und der Direktion für Unterstützung und Verwaltung). Diese sind zum Teil auch auf Provinz- bzw. Gerichtsbezirksebene dezentralisiert.
- Lokale Polizei (niederländisch Lokale Politie, französisch Police Locale) mit ihren momentan 195 Polizeizonen ist aus kommunalen Polizeieinheiten und der bis 2001 bestehenden Gendarmerie (ndl. Rijkswacht) gebildet worden. ⓘ
Verwaltungsgliederung
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Belgien ist seit 1993 ein Bundesstaat, der sich sowohl in drei Regionen als auch in drei Gemeinschaften gliedert. Als nachgeordnete Verwaltungseinheiten bestehen zehn Provinzen und 43 Arrondissements. Die lokale Selbstverwaltung wird von den 589 Gemeinden ausgeübt. ⓘ
Sowohl die Regionen als auch die Gemeinschaften sind Gliedstaaten des belgischen Bundesstaates; sie unterscheiden sich durch ihre territoriale Abgrenzung und ihre Kompetenzen. Die Regionen (niederländisch gewesten, französisch régions) sind zuständig für große Bereiche der Wirtschafts-, Umwelt-, Verkehrs- und Agrarpolitik, zudem üben sie die Rechts- und ggf. Fachaufsicht über Provinzen, Arrondissements und Gemeinden aus. Die Gemeinschaften (niederländisch gemeenschappen, französisch communautés; früher häufig auch als Kultur- bzw. Sprachgemeinschaften bezeichnet) verantworten das gesamte Bildungswesen, die Kulturpolitik sowie weitere „personenbezogene Angelegenheiten“ (Bereiche der Familien-, Gesundheits- und Sozialpolitik, unter anderem die öffentlichen Krankenhäuser). Auch im Vergleich mit anderen Bundesstaaten verfügen Regionen und Gemeinschaften zusammengenommen über ein hohes Maß an Kompetenzen, zudem können sie in ihren Verantwortungsbereichen eigenständig Verträge mit ausländischen Staaten abschließen. Vom belgischen Staat abgeschlossene internationale Verträge, die Kompetenzen der Regionen bzw. Gemeinschaften betreffen, bedürfen der Zustimmung derer Parlamente; dies gilt beispielsweise für die Verträge der Europäischen Union. Bei der Bundesebene sind vor allem die Zuständigkeit für Außen-, Verteidigungs- und Finanzpolitik, die sozialen Sicherungssysteme sowie die Polizei und Justiz verblieben. ⓘ
Die territoriale Abgrenzung der Regionen und Gemeinschaften richtet sich nach den Sprachgebieten: Die Flämische Region umfasst das niederländische Sprachgebiet, die Wallonische Region das französische und das deutsche Sprachgebiet, die zweisprachige Region Brüssel-Hauptstadt das französisch-niederländische Sprachgebiet. Die Flämische Gemeinschaft übt ihre Befugnisse auf dem niederländischen und dem zweisprachigen Sprachgebiet aus, die Französische Gemeinschaft auf dem französischen und dem zweisprachigen Sprachgebiet, die Deutschsprachige Gemeinschaft auf dem deutschen Sprachgebiet. Regionen und Gemeinschaften verfügen jeweils über ein eigenes Parlament und eine eigene Regierung. Allerdings haben die Flämische Gemeinschaft und die Flämische Region ihre Institutionen zusammengelegt, so dass es nur ein Flämisches Parlament und eine Flämische Regierung gibt, die sowohl die Befugnisse der Region als auch die der Gemeinschaft ausüben. ⓘ
Außerdem kennt Belgien auf einer tieferen Verwaltungsebene die zehn Provinzen, die innerhalb der Regionen liegen:
- Die Flämische Region (niederländisch Vlaamse Gewest) umfasst fünf Provinzen:
- Antwerpen (Hauptstadt Antwerpen)
- Limburg (Hasselt)
- Ostflandern (Gent)
- Flämisch-Brabant (Löwen)
- Westflandern (Brügge)
- Die Wallonische Region (französisch Région wallonne) umfasst ebenfalls fünf Provinzen:
- Hennegau (Mons)
- Lüttich (Lüttich)
- Luxemburg (Arlon)
- Namur (Namur)
- Wallonisch-Brabant (Wavre)
- Die Region Brüssel-Hauptstadt (französisch Région de Bruxelles-Capitale, niederländisch Brussels Hoofdstedelijk Gewest) gilt als provinzfrei. Sie übt ihre Zuständigkeiten im Verwaltungsbezirk Brüssel-Hauptstadt aus, der deckungsgleich mit der Region Brüssel-Hauptstadt ist. ⓘ
Die unterste Verwaltungsebene stellen die 581 Gemeinden dar (siehe auch Liste der Gemeinden in Belgien, Liste der Gemeinden in Flandern, Liste der Gemeinden in Wallonien). ⓘ
Staatshaushalt
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(Quelle: Eurostat) |
Der Staatshaushalt umfasste 2009 Erträge (Einnahmen) von 163 Milliarden Euro. Dem standen Aufwendungen (Ausgaben) in Höhe von 183 Milliarden Euro gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 20 Milliarden Euro beziehungsweise 6,0 % des Bruttoinlandsprodukts. Belgien ist es in den Jahren zwischen 1995 und 2007 gelungen, den relativen Anteil der Staatsverschuldung am Bruttosozialprodukt deutlich abzubauen. Dieser Erfolg wird hingegen durch die Folgen der Weltfinanzkrise seit 2007 gefährdet. Am 25. November 2011 stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s Belgien von der Bewertung „AA+“ auf „AA“ herab. Begründet wurde dies mit der schwelenden Staatskrise, dem geringen Wachstum und dem wachsenden Druck der Finanzmärkte. ⓘ
Die Staatsverschuldung betrug zum 30. Juni 2016 455,3 Milliarden Euro oder 109,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. ⓘ
2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) folgender Bereiche:
- Gesundheit: 9,9 Prozent
- Bildung: 6,0 Prozent (2004)
- Militär: 0,93 Prozent (2018) ⓘ
Wirtschaft
Im Vergleich mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Europäischen Union, ausgedrückt in Kaufkraftstandards, erreichte Belgien 2014 einen überdurchschnittlichen Index von 118 (EU-28: 100). Das Bruttoinlandsprodukt Belgiens betrug im Jahr 2015 ca. 409,4 Milliarden Euro. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf betrug im selben Jahr 36.500 Euro. Belgien stand trotz seiner kleinen Bevölkerung im Jahr 2016 auf Platz 20 der größten Güterexporteure. Dank seiner Lage im Herzen Europas ist es sehr eng in das Handelsnetz der Europäischen Union integriert. Die wichtigsten Handelspartner Belgiens sind die Nachbarländer Frankreich, Deutschland und die Niederlande. Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Belgien Platz 20 von 137 Ländern (Stand 2017–2018). Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegt das Land 2019 Platz 48 von 180 Ländern. ⓘ
Die Arbeitslosenquote lag im Juni 2019 bei 5,4 Prozent und damit leicht unter dem EU-Durchschnitt. Im Jahr 2017 betrug die Jugendarbeitslosigkeit 19 Prozent. Die Gesamtzahl der Beschäftigten wurde 2019 auf rund fünf Millionen geschätzt. ⓘ
Verteilung der erwerbstätigen Bevölkerung nach Sektoren (Stand: 201 und in Klammern Anteil an der gesamten Wertschöpfung 2016):
- Landwirtschaft: 1,1 Prozent (0,7 Prozent)
- Industrie: 21,5 Prozent (22,3 Prozent)
- Dienstleistungssektor: 78,4 Prozent (77,0 Prozent) ⓘ
Tourismus
Der Tourismus spielt in Belgien eine große Rolle. Im Travel and Tourism Competitiveness Report 2017 des World Economic Forum belegt Belgien Platz 21 von 136 Ländern. Belgien wurde 2016 von 7,5 Millionen ausländischen Touristen besucht, die dem Land Einnahmen in Höhe von 11,8 Milliarden US-Dollar brachten. Vor allem Deutsche, Briten, Luxemburger, Franzosen und Niederländer besuchen Belgien. Bei den Briten ist außerdem eine Art Erster-Weltkrieg-Tourismus entstanden. In Westflandern stehen noch viele alte Kriegsdenkmäler und -friedhöfe. Daneben sind alle Ferienbadeorte an der belgischen Nordseeküste (Knokke-Heist, Brügge, Blankenberge, De Haan, Bredene, Ostende, Middelkerke, Nieuwpoort, Koksijde und De Panne) sehr beliebt. Außerdem sind die Ardennen eine vielbesuchte Urlaubsregion. Von der belgischen Nordseeküste aus kann man viele Tagestouren unternehmen, etwa in die Nachbarländer Frankreich und Niederlande oder Großbritannien. Als besonders nachgefragt haben sich auch Städtetouren nach Brüssel, Hasselt, Gent, Antwerpen und andere erwiesen. Die Stadt Brügge ist wahrscheinlich die Stadt mit dem größten Tourismus. Sie wird gelegentlich Venedig des Nordens genannt. Es existiert ein eigenständiger Tourismusverband für Flandern sowie ein weiterer für das übrige Belgien. ⓘ
Energiepolitik
Der Kohlenstoffdioxidausstoß pro Kopf des Landes gehört zu den weltweit höchsten. ⓘ
Belgien verfügt mit Stand von 2019 über zwei aktive Kernkraftwerke. 1999 wurde ein Atomausstieg vom Parlament beschlossen (siehe auch Kernenergie in Belgien) und 2003 ein Zeitplan bis 2025 festgelegt. Bei der Umsetzung kam es jedoch zu Verzögerungen. ⓘ
Medien
Die föderale Struktur Belgiens spiegelt sich auch in der Medienszene des Landes wider. Es bestehen drei voneinander unabhängige Medienwelten auf Niederländisch, Französisch und Deutsch. ⓘ
Der flämische Zeitungsmarkt ist der größte und wird von drei Verlagskonzernen dominiert: Corelio Media (u. a. Herausgeber von De Standaard, Het Nieuwsblad), De Persgroep (u. a. Herausgeber von Het Laatste Nieuws, De Morgen, De Tijd) und Concentra (u. a. Herausgeber von Het Belang van Limburg, Metro). Die bedeutendsten Verlagsunternehmen in der Wallonie sind Rossel (u. a. Herausgeber von Le Soir wie auch Mitherausgeber von L’Echo und Grenzecho) sowie IPM/Medi@bel. ⓘ
Beim Rundfunk existieren für die drei Sprachgemeinschaften jeweils separate öffentlich-rechtliche Sender: VRT (Vlaamse Radio- en Televisieomroep) für Flandern, RTBF (Radio Télévision Belge Francophone) für die Wallonie und der BRF (Belgischer Rundfunk) für die deutschsprachige Gemeinschaft. Von den deutschsprachigen Ostbelgiern werden neben den BRF-Programmen viele Hörfunk- und Fernsehprogramme aus dem nahen Deutschland genutzt. ⓘ
Bedeutendste deutschsprachige Zeitung ist das in Eupen täglich erscheinende Grenz-Echo. Zu den Zeitschriften zählen unter anderem die deutschsprachige Ausgabe des Belgischen Staatsblattes (Amtsblatt der belgischen Regierung) in Brüssel, die landwirtschaftliche Publikation Der Bauer aus St. Vith, das städtische Mitteilungsblatt Eupen aktuell, das Verbandsorgan Der Öffentliche Nahverkehr in der Welt – Public Transport International aus Brüssel oder das Quartalsmagazin Geschwënn – Zäitschrëft vum Arelerland für die Deutschsprachigen in Südostbelgien um die Stadt Arlon. ⓘ
Vermögen
Belgien stand laut einer Studie der Bank Credit Suisse aus dem Jahre 2017 auf Rang 17 weltweit beim nationalen Gesamtvermögen. Der Gesamtbesitz an Immobilien, Aktien und Bargeld belief sich auf insgesamt 2.453 Milliarden US-Dollar. Das Vermögen pro erwachsene Person beträgt 278.139 Dollar im Durchschnitt und 161.589 Dollar im Median (in Deutschland: 203.946 bzw. 47.091 Dollar). Beim Vermögen je Einwohner gehört Belgien damit zu den zehn reichsten Ländern weltweit. Insgesamt war 54 Prozent des gesamten Vermögens der Belgier finanzielles Vermögen und 46 Prozent nicht-finanzielles Vermögen. Der Gini-Koeffizient bei der Vermögensverteilung lag 2017 bei 63, was auf eine relativ moderate Vermögensungleichheit hindeutet. Die obersten 10 Prozent der belgischen Bevölkerung besaßen 47,6 Prozent des Vermögens und die obersten ein Prozent besaßen 17,5 Prozent des Vermögens, was eine niedrigere Vermögenskonzentration ist als in den meisten anderen europäischen Ländern. Der Anteil der Belgier mit einem Vermögen von über einer Million Dollar wird auf 3,9 Prozent der Bevölkerung geschätzt. ⓘ
Regionale Disparitäten
Bereits seit dem 19. Jahrhundert bestehen in Belgien Streitigkeiten zwischen den frankophonen Wallonen und den niederländisch sprechenden Flamen (siehe auch flämisch-wallonischer Konflikt). Ein aktueller Streitpunkt hat seine Ursache in wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Landesteilen: Da sich die ehemals von Kohle- und Stahlindustrie geprägten wallonischen Regionen in einer Rezessionsphase befinden, ist die Arbeitslosigkeit dort im Vergleich zu den flämischen Regionen deutlich erhöht. Gleichzeitig wird das belgische Bruttonationaleinkommen zu zwei Dritteln in Flandern erwirtschaftet. Die flämische Region zahlt einen Solidarbeitrag, der in der Wallonie vor allem zur Finanzierung von Sozialleistungen verwendet wird. Diese Zahlungen sind jedoch in der flämischen Region politisch umstritten. Der wachsende Unmut über die wirtschaftliche Schwäche der wallonischen Region manifestiert sich insbesondere in der flämischen Separatistenbewegung, deren Hauptorganisationsträger die Partei Vlaams Belang ist. ⓘ
Rang | Provinz | BIP 2017 in Mio. Euro |
BIP pro Kopf 2017, KKS, (EU-28 = 100) |
BIP pro Kopf 2017 in Euro ⓘ |
---|---|---|---|---|
– | Brüssel | 77.694 | 196 | 65.000 |
1. | Provinz Antwerpen | 85.753 | 140 | 46.600 |
2. | Provinz Wallonisch-Brabant | 17.477 | 131 | 43.700 |
3. | Provinz Flämisch-Brabant | 47.104 | 125 | 41.500 |
– | Flandern | 259.786 | 120 | 39.800 |
– | Belgien | 439.052 | 116 | 38.700 |
4. | Provinz Westflandern | 45.263 | 115 | 38.100 |
5. | Provinz Ostflandern | 53.855 | 108 | 35.900 |
– | EU-28 | 15.383.066 | 100 | 30.000 |
6. | Provinz Limburg | 27.810 | 96 | 32.000 |
– | Wallonische Region | 101.378 | 84 | 28.000 |
7. | Provinz Lüttich | 30.812 | 84 | 27.900 |
8. | Provinz Namur | 13.008 | 80 | 26.400 |
9. | Provinz Hennegau | 33.202 | 75 | 24.800 |
10. | Provinz Luxemburg | 6.880 | 73 | 24.300 |
Kennzahlen
Die wichtigen Wirtschaftskennzahlen Bruttoinlandsprodukt, Inflation, Haushaltssaldo und Außenhandel entwickelten sich in den letzten Jahren folgendermaßen:
Jahr | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
Veränderung in % gg. Vj. | 1,4 | 0,8 | 3,2 | 1,7 | 2,7 | 2,9 | 1,0 | −2,8 | 2,4 | 1,7 | 0,7 | 0,5 | 1,6 | 2,0 | 1,3 | 1,6 | 1,8 | 2,1 | −5,7 | 6,2 |
absolut in Mrd. Euro | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Jahr | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
BIP in Mrd. Euro | 386,2 | 392,8 | 400,8 | 416,7 | 430,1 | 445,1 | 460,1 | 478,2 | 456,7 | 506,2 |
je Einwohner in Euro | ||||||||||
Jahr | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
BIP je Einwohner in Tausend Euro | 34.770 | 35.210 | 35.950 | 36.960 | 37.960 | 39.160 | 40.260 | 41.630 | 39.560 | 43.680 |
Entwicklung der Inflationsrate in Prozent gegenüber dem Vorjahr ⓘ | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
Inflationsrate | 1,8 | 2,2 | 2,3 | 1,2 | 0,4 | 3,2 |
Entwicklung des Haushaltssaldos in Prozent des BIP („minus“ bedeutet Defizit im Staatshaushalt) | ||||||
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
Haushaltssaldo | −2,4 | −0,7 | −0,9 | −2,0 | −9,0 | −5,5 |
Mrd. US$ (2019) |
% gg. Vj. | Mrd. US$ (2020) |
% gg. Vj. | Mrd. US$ (2021) |
% gg. Vj. | |
---|---|---|---|---|---|---|
Einfuhr | 318,8 | −6,2 | 294,2 | −7,7 | 344,7 | +17,2 |
Ausfuhr | 311,7 | −3,6 | 296,1 | −5,0 | 336,5 | +13,6 |
Saldo | −7,1 | +2,0 | −8,2 |
Export (in Prozent) nach | Import (in Prozent) von ⓘ | ||
---|---|---|---|
Deutschland | 17,1 | Niederlande | 21,0 |
Frankreich | 13,4 | Deutschland | 15,9 |
Niederlande | 12,1 | Frankreich | 10,2 |
Vereinigte Staaten | 7,1 | Irland | 5,5 |
Vereinigtes Königreich | 6,3 | Vereinigte Staaten | 4,8 |
Italien | 4,2 | Italien | 4,3 |
Spanien | 2,6 | Spanien | 3,3 |
sonstige Staaten | 37,2 | sonstige Staaten | 35,0 |
Infrastruktur und Verkehr
Dank seiner zentralen Lage als europäisches Handelszentrum hat Belgien hat eines der weltweit dichtesten Verkehrsnetze. Im Logistics Performance Index, der von der Weltbank erstellt wird, belegte Belgien 2016 den sechsten Platz unter 160 Ländern. Besonders gut schnitten die Parameter für internationale Schifffahrt und den logistischen Zeitaufwand ab. ⓘ
Feuerwehr
In der Feuerwehr in Belgien waren im Jahr 2019 landesweit 5.519 Berufsfeuerwehrleuten und 12.230 freiwilligen Feuerwehrleuten in 252 Feuerwachen und Feuerwehrhäusern organisiert, die 34 sogenannten Hilfeleistungszonen und der Feuerwehr Brüssel zugeteilt sind. Für Feuerwehreinsätze standen im gleichen Jahr 1.680 Löschfahrzeuge und 270 Drehleitern bzw. Teleskopmasten bereit. Die nationale Feuerwehrorganisation Direction générale Sécurité civile repräsentiert die belgische Feuerwehr mit ihren Feuerwehrangehörigen im Weltfeuerwehrverband CTIF. ⓘ
Eisenbahn
Belgien war mit der 1835 eingeweihten Strecke von Brüssel nach Mechelen das erste Land in Kontinentaleuropa mit Eisenbahnverbindungen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft heißt Nationale Gesellschaft der Belgischen Eisenbahnen (NMBS/SNCB) und betreibt eines der am dichtesten ausgebauten Bahnnetze der Welt. Für Brüssel und das Umland ist am 13. Dezember 2015 eine S-Bahn in Betrieb gegangen, seit 2018 verkehren ebenfalls in Antwerpen, Charleroi, Gent und Lüttich S-Bahnen. ⓘ
Im internationalen Bahnverkehr ist Belgien mit Hochgeschwindigkeitsstrecken an seine Nachbarländer angebunden. Nach Deutschland, Frankreich, in die Niederlande, sowie ins Vereinigte Königreich verkehren Eurostar-, ICE-, TGV- und Thalys-Züge. In die drei großen Nachbarländer und nach Luxemburg bestehen außerdem Intercity- und Regionalzugverbindungen. Der Nachtzugverkehr von und nach Belgien wurde 2020 mit dem Nightjet der Österreichischen Bundesbahnen wiederaufgenommen. ⓘ
Die traditionsreiche Schlafwagengesellschaft Compagnie Internationale des Wagons-Lits, die unter anderem die Luxuszüge Orient-Express, Nord- und Süd-Express oder Ostende-Wien-Express betrieb, wurde von dem aus Lüttich stammenden Georges Nagelmackers gegründet. ⓘ
Öffentlicher Nahverkehr
Belgien verfügt über ein dicht ausgebautes Netz im öffentlichen Nahverkehr. Landesweit gibt es drei Nahverkehrsunternehmen: STIB/MIVB in Brüssel, De Lijn in Flandern und Transport en Commun (TEC) in der Wallonie. ⓘ
Neben Busverkehr hat Belgien auch eine lange Geschichte mit städtischem Schienenverkehr. In Brüssel existiert ein Metro-System. Städtische Straßen- und Stadtbahnen verkehren zudem in Antwerpen, Brüssel, Charleroi und Gent. Ein neuer Betrieb in Lüttich ist in Bau. ⓘ
Alle Orte entlang der gesamten Nordseeküste Belgiens sind mit der längsten Überland-Straßenbahnlinie der Welt verbunden, der Kusttram. Diese ist einer der letzten Überreste des einstigen landesweiten Überlandstraßenbahn-Netzes, welches von der Nationalen Kleinbahngesellschaft (SNCV/NMVB) betrieben wurde. ⓘ
Schifffahrt
Belgien ist ein wichtiges Transitland zwischen Mittel- und Westeuropa. Der bedeutendste Hafen ist Antwerpen an der Schelde, einer der größten und wichtigsten Seehäfen der Welt. Auch der Seehafen von Brügge-Zeebrügge gilt als einer der modernsten und bedeutendsten in Europa. Traditionelle Bedeutung als Fährhafen besaß, bis zur Eröffnung des Eurotunnels, der Hafen von Ostende. ⓘ
Flugverkehr
Der wichtigste Flughafen des Landes ist Brüssel-Zaventem. Weitere Flughäfen sind Brüssel-Charleroi, Lüttich, Antwerpen und Ostende-Brügge. ⓘ
Die staatliche belgische Fluggesellschaft war bis zu ihrem Bankrott am 6. November 2001 die traditionsreiche Sabena. Sie ging in der SN Brussels Airlines auf, die sich wiederum mit Virgin Express zur Brussels Airlines vereinigte. ⓘ
Straßenverkehr
Das gesamte Straßennetz umfasste 2013 etwa 154.012 Kilometer, wovon 120.514 Kilometer asphaltiert sind. ⓘ
Belgien besitzt ein sehr gut ausgebautes Autobahnnetz mit einer Länge von 1.756 Kilometern im Jahr 2010, das – wie auch alle anderen Straßen in Belgien – fast komplett mit Straßenlaternen ausgestattet und nachts beleuchtet ist. Jedoch soll diese Beleuchtung aus Gründen der Stromersparnis und damit des Klimaschutzes künftig eingeschränkt werden und folglich zwischen 0:30 Uhr und 4:30 Uhr abgeschaltet bleiben. Aufgrund des hohen ausländischen Verkehrsaufkommens war für 2008 eine Autobahnmaut in Höhe von 60 Euro geplant, die für heftige Diskussionen gesorgt hatte und bis heute nicht eingeführt wurde. ⓘ
Bildung
Das Bildungssystem ist in Belgien aufgrund der weitreichenden Befugnisse der einzelnen Gemeinschaften unterschiedlich, das Hochschulwesen wurde aber im Zuge des Bologna-Prozesses weitgehend auf zwischengemeinschaftlicher und europäischer Ebene vereinheitlicht. Die föderale Instanz von Belgien ist zuständig für die Pensionen der Lehrer, das Festlegen des Minimalwissens zur Erlangung eines Diploms und für das Schulwesen (vom 6. bis zum 18. Lebensjahr). ⓘ
Schulen der Flämischen Gemeinschaft
Ab einem Alter von zweieinhalb oder vier Jahren besuchen die Kinder in Flandern oft eine Art Kindergarten mit Vorschule (nld. Kleuteronderwijs). Ab einem Alter von sechs Jahren gehen sie sechs Jahre zur Grundschule (nld. Basisonderwijs). Die Schulen sind öffentlich (Flämische Gemeinschaft), frei (subventioniert, meist katholisch) oder privat (nicht subventioniert). Viele katholische Schulen genießen ein höheres Ansehen als die staatlichen. Als erste Fremdsprache wird vom fünften Schuljahr an Französisch unterrichtet. ⓘ
Ab dem siebten Schuljahr erfolgt der Unterricht auf einer Sekundarschule. Die Sekundarschulen (nld. Secundair onderwijs) sind wie folgt unterteilt:
- a) erste Schulstufe (in der Regel vom 12. bis 14. Lebensjahr)
- b) zweite und dritte Schulstufe (vom 14. bis 18. Lebensjahr): Wahl zwischen
- ASO (allgemeiner Sekundarunterricht)
- KSO (kunstbildender Sekundarunterricht)
- TSO (technischer Sekundarunterricht)
- BSO (beruflicher Sekundarunterricht)
- c) vierte Schulstufe (ab dem 18. Lebensjahr, d. h. nach Ablauf der Schulpflicht): hauptsächlich Krankenpflegeschulen. ⓘ
Auf KSO-Schulen, die es meist nur in den größeren Städten gibt, können die Schüler auch moderne Fächer wie z. B. Comiczeichnen, Computergrafik etc. wählen. Englisch, Französisch und Mathematik bilden Schwerpunkte des Lehrplans. Abgeschlossen wird mit dem Diploma Secundair Onderwijs (Abitur), der den Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht. ⓘ
Nur im BSO-Sektor können Jugendliche die Schule bereits vor dem 18. Lebensjahr (Ende der Schulpflicht) verlassen, wenn sie eine Lehre/Berufsausbildung anschließen. ⓘ
Schulen der Französischen Gemeinschaft
Die Kinder in der Französischen Gemeinschaft Belgiens können ab einem Alter von zweieinhalb Jahren in eine Art Kindergarten (école gardienne) aufgenommen werden. Vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr besuchen sie die Primarstufe (enseignement primaire). Die Klassenstufen werden hier von der première primaire bis zur sixième primaire durchgezählt. Ab der deuxième primaire können die französischsprachigen Schüler Niederländisch lernen. ⓘ
Die Sekundarstufe (enseignement secondaire) umfasst wie die Primarstufe sechs Jahre; sie bietet zwei unterschiedliche Ausbildungsrichtungen:
- einen klassisch-humanistischen Zweig mit drei Jahren école moyenne inférieure und drei Jahren école moyenne supérieure mit dem Abschluss diplôme d’humanités, der dem deutschen Abitur entspricht.
- einen technisch-wirtschaftswissenschaftlichen Zweig (enseignement technique ou professionel) mit sechs Jahren Unterricht und dem Abschluss diplôme technique oder diplôme professionnel. ⓘ
Schulen der Deutschsprachigen Gemeinschaft
Die Schulbildung hat die gleiche Alterseinteilung wie in den anderen Teilen Belgiens: Ab dem dritten Lebensjahr kann der Kindergarten besucht werden. Ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr besucht man dann eine sechsjährige Primarschule. Weitere sechs Jahre werden auf einer Sekundarschule absolviert. Einige Schulen umfassen alle drei Altersstufen, können also vom Kindergarten bis zum Abitur besucht werden. Andere Schulen können nur vom Kindergarten bis zum sechsten Schuljahr besucht werden, anschließend muss auf eine andere Schule gewechselt werden. Manche Schulen sind reine Sekundarschulen (siebtes bis zwölftes Schuljahr). ⓘ
Bereits ab dem ersten Schuljahr wird Französisch unterrichtet. Ab dem achten Schuljahr kommt als dritte Sprache Englisch hinzu. ⓘ
Ab dem neunten Schuljahr kann ein Schüler in einigen Schulen zwischen Sozial-, Naturwissenschaften, Sprachen, Kunst, Sekretariat, Wirtschaftswissenschaften oder Elektronik wählen. ⓘ
Bei der Sprachenabteilung (neusprachlicher Zweig) erlernt ein Schüler neben Englisch und Französisch noch Italienisch, Spanisch und Niederländisch. ⓘ
Unterrichtspflicht besteht bis zum 18. Lebensjahr, wobei ein Schüler dieser Pflicht auch mit einer Lehre entsprechen kann. Dort muss man lediglich zweimal die Woche zur Berufsschule. ⓘ
Hochschulen
Beiträge zur Entwicklung von Wissenschaft und Technik sind in der gesamten Geschichte des Landes zu finden. Zur Blütezeit der Frühen Neuzeit in Westeuropa im 16. Jahrhundert gehörten der Kartograph Gerardus Mercator, der Anatom Andreas Vesalius, der Kräuterkundler Rembert Dodoens und der Mathematiker Simon Stevin zu den einflussreichsten Wissenschaftlern. ⓘ
Der Chemiker Ernest Solvay und der Ingenieur Zenobe Gramme (École industrielle de Liège) gaben in den 1860er Jahren dem Solvay-Verfahren bzw. dem Gramme-Dynamo ihren Namen. Bakelit wurde in den Jahren 1907-1909 von Leo Baekeland entwickelt. Ernest Solvay war auch ein bedeutender Philanthrop und Namensgeber des Solvay-Instituts für Soziologie, der Solvay Brussels School of Economics and Management und der Internationalen Solvay-Institute für Physik und Chemie, die heute Teil der Université libre de Bruxelles sind. Im Jahr 1911 rief er eine Reihe von Konferenzen ins Leben, die Solvay-Konferenzen für Physik und Chemie, die die Entwicklung der Quantenphysik und -chemie nachhaltig beeinflusst haben. Einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung leistete auch ein Belgier, Monsignore Georges Lemaître (Katholische Universität Löwen), der 1927 die Urknalltheorie zur Entstehung des Universums aufgestellt hat. ⓘ
Drei Nobelpreise für Physiologie oder Medizin wurden an Belgier verliehen: Jules Bordet (Freie Universität Brüssel) im Jahr 1919, Corneille Heymans (Universität Gent) im Jahr 1938 und Albert Claude (Freie Universität Brüssel) zusammen mit Christian de Duve (Katholische Universität Löwen) im Jahr 1974. François Englert (Université libre de Bruxelles) erhielt 2013 den Nobelpreis für Physik. Ilya Prigogine (Université libre de Bruxelles) wurde 1977 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Zwei belgische Mathematiker wurden mit der Fields-Medaille ausgezeichnet: Pierre Deligne im Jahr 1978 und Jean Bourgain im Jahr 1994. Im globalen Innovationsindex für die Jahre 2020 und 2021 liegt Belgien auf Platz 22, gegenüber Platz 23 im Jahr 2019. ⓘ
Im deutschen Sprachgebiet gibt es nur eine Hochschule, die Autonome Hochschule in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. ⓘ
Den Universitäten gleichgestellte Einzelfakultäten sind die Evangelisch-Theologische Fakultät Löwen (Evangelische Theologische Faculteit), die Fakultät für Protestantische Theologie Brüssel (Faculteit voor Protestantse Godgeleerdheid) und die Königliche Militärakademie (Koninklijke Militaire School / École royale militaire). ⓘ
In Brügge ist das renommierte Europakolleg angesiedelt. ⓘ
Neben den Universitäten existieren in den drei Gemeinschaften zahlreiche weitere Hautes Ecoles/Hogescholen und mehrere Kunsthochschulen (Ecoles Supérieures des Arts). ⓘ
Kultur
Trotz der politischen und sprachlichen Zersplitterung hat die Region, die dem heutigen Belgien entspricht, bedeutende künstlerische Bewegungen hervorgebracht, die einen großen Einfluss auf die europäische Kunst und Kultur hatten. Heutzutage konzentriert sich das kulturelle Leben bis zu einem gewissen Grad auf die einzelnen Sprachgemeinschaften, und verschiedene Barrieren haben dazu geführt, dass ein gemeinsamer Kulturraum weniger ausgeprägt ist. Seit den 1970er Jahren gibt es mit Ausnahme der Königlichen Militärakademie und der Antwerpener Schifffahrtsakademie keine zweisprachigen Universitäten oder Hochschulen mehr im Lande. ⓘ
Kulinarisches
Belgien ist berühmt für Bier, Schokolade, Waffeln und Pommes frites. Die Nationalgerichte sind "Steak und Pommes frites" und "Muscheln mit Pommes frites". Viele hochrangige belgische Restaurants sind in den einflussreichsten Restaurantführern, wie z. B. dem Guide Michelin, zu finden. Eines der vielen Biere mit hohem Prestige ist das der Trappistenmönche. Technisch gesehen ist es ein Ale, und traditionell wird das Bier jeder Abtei in einem eigenen Glas serviert (die Formen, Höhen und Breiten sind unterschiedlich). Es gibt nur elf Brauereien (sechs davon sind belgisch), die Trappistenbier brauen dürfen. ⓘ
Obwohl die belgische Gastronomie mit der französischen Küche verbunden ist, sollen einige Rezepte dort erfunden worden sein, wie z. B. die Pommes frites (trotz des Namens, obwohl ihr genauer Herkunftsort ungewiss ist), der Flämische Eintopf (ein Rindfleischeintopf mit Bier, Senf und Lorbeer), die Spekulatius (oder Speculoos auf Französisch, eine Art Mürbeteiggebäck mit Zimt und Ingwer), Brüsseler Waffeln (und ihre Variante, die Lütticher Waffeln), Waterzooi (eine Brühe aus Huhn oder Fisch, Sahne und Gemüse), Endiviensalat mit Béchamelsoße, Rosenkohl, belgische Pralinen (Belgien hat einige der bekanntesten Schokoladenhäuser), Charcuterie (Wurstwaren) und Paling in 't groen (Flussaale in grüner Kräutersoße). ⓘ
Berühmt sind belgische Schokoladen- und Pralinenmarken wie Côte d'Or, Neuhaus, Leonidas und Godiva, aber auch unabhängige Hersteller wie Burie und Del Rey in Antwerpen und Mary's in Brüssel. In Belgien werden über 1100 Biersorten hergestellt. Das Trappistenbier der Abtei von Westvleteren wurde wiederholt als das beste Bier der Welt ausgezeichnet. Die nach Volumen größte Brauerei der Welt ist Anheuser-Busch InBev mit Sitz in Leuven. ⓘ
Sport
Ein beliebter Sport in Belgien ist Fußball. Die 1. belgische Liga ist eine der ältesten der Welt. In den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte das belgische Nationalteam (Rote Teufel genannt) zur internationalen Spitze. Nach der Teilnahme an der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 hatte sich Belgien allerdings zwölf Jahre lang nicht mehr für ein internationales Turnier qualifizieren können. In den letzten Jahren zählte die belgische Nationalmannschaft jedoch wieder zur Weltspitze, wie sie mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 bewies. (Siehe auch: Fußball in Belgien) ⓘ
Der Nationalsport in Belgien ist jedoch der Radsport. Deswegen hat Belgien auch einige Berühmtheiten im Radsport hervorgebracht. So gehörten und gehören Eddy Merckx, Roger De Vlaeminck, Johan Museeuw, Peter Van Petegem sowie Tom Boonen zu den besten Radsportlern der Welt. Wichtige Eintagesklassiker finden in Belgien statt, beispielsweise Lüttich–Bastogne–Lüttich und die Flandern-Rundfahrt. ⓘ
Speziell zu erwähnen ist auch der Cyclocross, eine Spezialdisziplin des Radsports, welche im Winter ausgetragen wird. Die heimischen Rennen werden von zehntausenden Zuschauern besucht. In der Regel werden drei bis vier der ca. acht Weltcup-Wettbewerbe in Belgien ausgetragen, ebenso wie die meisten am höchsten eingestuften sonstigen Wettbewerbe. Belgien dominiert den Sport wie kein anderes Land und stellte mit Abstand die meisten Weltmeister und Weltcup-Gesamtsieger, wobei besonders Sven Nys hervorzuheben ist. ⓘ
Auch der Tennissport ist im Aufwind. Die flämische Kim Clijsters und die wallonische Justine Henin gehörten lange Zeit zu den besten Spielerinnen der Welt. ⓘ
In der Leichtathletik ist Kim Gevaert (100 und 200 m) Europameisterin und Tia Hellebaut (Hochsprung) Olympiasiegerin. ⓘ
Rugby Union wird ebenfalls in Belgien gespielt. Der belgischen Nationalmannschaft gelang jedoch noch nicht die Qualifikation für eine Rugby-Union-Weltmeisterschaft. Belgien ist einer der Teilnehmer bei der Rugby-Union-Europameisterschaft und trifft dort auf andere aufstrebende Nationalmannschaften. Der ehemalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees Jacques Rogge war für die belgische Nationalmannschaft aktiv. ⓘ
Nicht vergessen werden sollte Karambolage und Billard Artistique, in denen die Sportler René Vingerhoedt und Raymond Ceulemans über Jahre die Szene dominierten. Auch für viele Amateur- und Kneipenspieler hat Billard einen hohen Stellenwert. ⓘ
Der Rundkurs von Spa-Francorchamps wird zu den anspruchsvollsten Strecken im Motorsport gezählt. Hier gastieren in regelmäßigen Abständen internationale Rennserien, darunter seit 1950 die Formel 1. Zu den Höhepunkten gehört auch das jährlich stattfindende 24-Stunden-Rennen. ⓘ
Mit dem Circuit Zolder verfügt Belgien über eine zweite Rennstrecke von überregionaler Bedeutung. Von 1973 bis 1984 trug hier ebenfalls die Formel 1 Rennen aus. Nivelles-Baulers, der dritte Kurs, auf dem Formel-1-Rennen stattfanden, existiert nicht mehr. ⓘ
Auf der Speedwaybahn von Heusden-Zolder wurden bereits mehrmals internationale Prädikatsrennen ausgefahren. Auf der Grasbahn in Alken in der Provinz Limburg wurde bereits das Finale zur Grasbahn-Europameisterschaft ausgetragen. ⓘ
Seit den 1970er Jahren sind die Sportvereine und -verbände innerhalb jeder Sprachgemeinschaft getrennt organisiert. Die Administration de l'Éducation Physique et du Sport (ADEPS) ist für die Anerkennung der verschiedenen französischsprachigen Sportverbände zuständig und betreibt außerdem drei Sportzentren in der Region Brüssel-Hauptstadt. Ihr niederländischsprachiges Pendant ist Sport Vlaanderen (früher BLOSO). ⓘ
Die Belgier haben die meisten Tour-de-France-Siege von allen Ländern außer Frankreich. Sie haben auch die meisten Siege bei den UCI-Straßenweltmeisterschaften errungen. Mit fünf Siegen bei der Tour de France und zahlreichen anderen Rekorden im Radsport gilt der belgische Radsportler Eddy Merckx als einer der größten Radsportler aller Zeiten. Philippe Gilbert ist der Weltmeister von 2012. Ein weiterer bekannter belgischer Radsportler ist Tom Boonen. ⓘ
Kim Clijsters und Justine Henin wurden von der Women's Tennis Association zur Spielerin des Jahres gewählt, da sie die Nummer eins unter den Tennisspielerinnen waren. Auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps wird der Große Preis von Belgien der Formel-1-Weltmeisterschaft ausgetragen. Der belgische Fahrer Jacky Ickx gewann acht Grands Prix und sechs 24-Stunden-Rennen von Le Mans und wurde zweimal Vizeweltmeister in der Formel 1. Auch im Motocross hat Belgien einen guten Ruf, unter anderem mit den Fahrern Joël Robert, Roger De Coster, Georges Jobé, Eric Geboers und Stefan Everts. ⓘ
Zu den jährlich in Belgien stattfindenden Sportereignissen gehören der Leichtathletik-Wettbewerb Memorial Van Damme, der Große Preis von Belgien in der Formel 1 und eine Reihe von klassischen Radrennen wie die Flandern-Rundfahrt und Lüttich-Bastogne-Lüttich. Die Olympischen Sommerspiele 1920 wurden in Antwerpen ausgetragen. Die Basketball-Europameisterschaft 1977 wurde in Lüttich und Ostende ausgetragen. ⓘ
Comics
Comics sind in Belgien generell sehr populär; ein großer bekennender Fan war zum Beispiel König Baudouin. Den Bandes Dessinées (kurz BD, französisch) oder Strips (niederländisch) begegnen Menschen häufig im Stadtbild. Qualitative Buchhandlungen in Belgien verfügen über spezielle BD-Abteilungen. Zudem werden in großen Supermärkten Comics angeboten. ⓘ
Comics sind ein Hauptexportartikel belgischer Verlage, denn viele international bekannte und berühmte Comiczeichner und Autoren stammen aus Belgien, das damit im Vergleich zu seiner Größe die meisten in Europa hervorgebracht hat. Die berühmtesten sind Willy Vandersteen (Suske und Wiske), Jean Graton (Michel Vaillant), Morris (Lucky Luke), Hergé (Tim und Struppi), Peyo (Die Schlümpfe und weiteres), André Franquin (Spirou und Fantasio, Gaston und Marsupilami) und Philippe Geluck (Le Chat). ⓘ
Jahr | Anzahl |
---|---|
1975 | 14 |
1985 | 7 |
1995 | 8 |
2005 | 28 |
In Belgien ist es möglich, Comic als Studienrichtung an Kunsthochschulen wie der Königlichen Akademie für bildende Kunst und dem Institut Saint-Luc in Brüssel zu studieren. Daher werden die Bandes Dessinées in Belgien auch als „neunte Kunst“ tituliert. In Brüssel gibt es ein Comic-Museum, (Centre Belge de la Bande Dessinée), in dem dieser Kunstrichtung auf drei Etagen gehuldigt wird. ⓘ
Musik
Im 15. und 16. Jahrhundert, der Zeit der Renaissance, waren zahlreiche Komponisten aus dem Gebiet des heutigen Belgien, vor allem aus dem Hennegau, führend und stilprägend in Europa (die sogenannten Niederländer). Bedeutende Namen sind Guillaume Dufay, Johannes Ockeghem, Josquin Desprez, Heinrich Isaac, Jacob Obrecht, Adrian Willaert, Orlando di Lasso. Der französische Komponist César Franck wurde in Lüttich geboren, verbrachte seine ersten dreizehn Lebensjahre in Belgien und war dort bereits musikalisch aktiv, bevor die Familie 1835 nach Paris umsiedelte. ⓘ
Im Jazz sind der Mundharmonikaspieler Toots Thielemans, der Tenorsaxophonist und Flötist Bobby Jaspar und der Gitarrist Philip Catherine international hervorgetreten. ⓘ
Zu den bekanntesten Bands im 21. Jahrhundert zählen dEUS, Gotye, Hooverphonic und Triggerfinger. ⓘ
Sehenswürdigkeiten
Persönlichkeiten
- Die Heilige Gudula von Brüssel und Eibingen ist Patronin der Stadt Brüssel und eine belgische Nationalheilige.
- Bekannte Maler sind Pieter Bruegel der Ältere, Peter Paul Rubens, Léonard Defrance, James Ensor und der Surrealist René Magritte wie auch der Freund von Vincent van Gogh, Eugène Boch, und dessen Schwester Anna Boch.
- Bekannte Architekten sind der Bauhaus-Architekt Henry van de Velde und der Jugendstil-Architekt Victor Horta.
- Weltweit bekannte Schriftsteller sind Charles De Coster, Émile Verhaeren, Maurice Maeterlinck, Georges Simenon und Amélie Nothomb.
- Für die Musikwelt des 19. Jahrhunderts (und darüber hinaus) war Adolphe Sax eine bedeutende Figur. Bekannte Musiker des 20. Jahrhunderts sind die Jazz-Musiker Toots Thielemans und Philip Catherine, der Sänger und Chansonnier Jacques Brel, der Crossover- und Popsänger Helmut Lotti und der flämische Singer-Songwriter Frederic Sioen. Ferner ist der Rockmusiker Gotye in Belgien geboren, der mit seinem Hit Somebody That I Used to Know berühmt und erfolgreich wurde.
- Seit den späten 1990er-Jahren ist Belgien eine Hochburg der Trance-Musik (früher v. a. Hard Trance). International erfolgreich sind die Gruppen Ian Van Dahl, Lasgo und Sylver. In der etwas progressiveren Szene sind z. B. Push oder Yves Deruyter sehr bekannt.
- Bekannte Schauspieler sind der Actionfilm-Held Jean-Claude Van Damme, die Schauspieler Benoît Poelvoorde und Johnny Galecki, die Schauspielerinnen Émilie Dequenne, Cécile de France und Jasmin Schwiers. Erfolgreiche Regisseure sind die Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne.
- Bekannte Sportler sind die Tennisspielerinnen Kim Clijsters und Justine Henin, die Fußballer Jean-Marie Pfaff, Marc Wilmots, Emile Mpenza, Daniel Van Buyten und Vincent Kompany, der Rennfahrer Jacky Ickx und die Radrennfahrer Eddy Merckx, Tom Boonen, Johan Museeuw, Peter Van Petegem und der Motocrossrennfahrer Stefan Everts.
- Die Comic-Autoren bzw. -Zeichner Hergé (Tim und Struppi), Morris (Lucky Luke), Franquin (Marsupilami) und Peyo (Die Schlümpfe). ⓘ
Besonderheiten
In Belgien ist die aktive Sterbehilfe erlaubt, auch bei Minderjährigen, und durch ein Gesetz geregelt, das dafür Ärzte mit besonderer Weiterbildung vorsieht. ⓘ
Im Jahr 2017 haben insgesamt 2.309 Menschen die aktive Sterbehilfe in Anspruch genommen, darunter drei Minderjährige. Im Jahr 2009 existierten 822 Fälle, davon knapp 80 Prozent in Flandern. ⓘ
Folklore
Folklore spielt im kulturellen Leben Belgiens eine große Rolle; das Land hat eine vergleichsweise hohe Zahl an Umzügen, Kavalkaden, Paraden, Ommegangs, Ducasses, Kermessen und anderen lokalen Festen, fast immer mit einem ursprünglich religiösen oder mythologischen Hintergrund. Der dreitägige Karneval von Binche in der Nähe von Mons mit seinen berühmten Gilles (Männer mit hohen, gefiederten Hüten und bunten Kostümen) findet kurz vor der Fastenzeit (die 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern) statt. Zusammen mit den "Prozessionen der Riesen und Drachen" von Ath, Brüssel, Dendermonde, Mechelen und Mons wurde er von der UNESCO als Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit anerkannt. ⓘ
Weitere Beispiele sind der dreitägige Karneval von Aalst im Februar oder März, die immer noch sehr religiösen Heilig-Blut-Prozessionen in Brügge im Mai, die alle sieben Jahre stattfindende Virga-Jesse-Prozession in Hasselt, der jährliche Umzug von Hanswijk in Mechelen, die Feierlichkeiten am 15. August in Lüttich und das wallonische Fest in Namur. Die 1832 ins Leben gerufenen und in den 1960er Jahren wiederbelebten Gentse Feesten (ein Musik- und Theaterfestival, das in Gent rund um den belgischen Nationalfeiertag am 21. Juli stattfindet) sind zu einer modernen Tradition geworden. Mehrere dieser Feste beinhalten sportliche Wettkämpfe, wie z. B. Radrennen, und viele fallen unter die Kategorie der Kirmes. ⓘ
Ein wichtiger nicht offizieller Feiertag (der jedoch kein offizieller Feiertag ist) ist der Nikolaustag (niederländisch: Sinterklaas, französisch: la Saint-Nicolas), ein Fest für Kinder und in Lüttich für Studenten. Er findet jedes Jahr am 6. Dezember statt und ist eine Art vorgezogenes Weihnachten. Am Abend des 5. Dezember stellen die Kinder vor dem Schlafengehen ihre Schuhe mit Wasser oder Wein und einer Karotte für das Pferd oder den Esel des Heiligen Nikolaus an den Herd. Nach der Tradition kommt der Nikolaus in der Nacht und steigt durch den Schornstein. Dann nimmt er das Essen und das Wasser oder den Wein mit, hinterlässt Geschenke, steigt wieder hinauf, füttert sein Pferd oder seinen Esel und setzt seinen Weg fort. Er weiß auch, ob die Kinder brav oder böse gewesen sind. Dieses Fest ist besonders bei Kindern in Belgien und den Niederlanden beliebt. Niederländische Einwanderer brachten die Tradition in die Vereinigten Staaten, wo Sankt Nikolaus heute als Santa Claus bekannt ist. ⓘ
Bevölkerungsentwicklung
Gesundheit
Die Belgier erfreuen sich einer guten Gesundheit. Nach Schätzungen aus dem Jahr 2012 liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 79,65 Jahren. Seit 1960 ist die Lebenserwartung im Einklang mit dem europäischen Durchschnitt um zwei Monate pro Jahr gestiegen. Die meisten Todesfälle in Belgien sind auf Herz- und Gefäßkrankheiten, Neubildungen, Erkrankungen des Atmungssystems und unnatürliche Todesursachen (Unfälle, Selbstmord) zurückzuführen. Nicht natürliche Todesursachen und Krebs sind die häufigsten Todesursachen bei Frauen bis zum Alter von 24 Jahren und bei Männern bis zum Alter von 44 Jahren. ⓘ
Die Finanzierung des Gesundheitswesens in Belgien erfolgt sowohl durch Sozialversicherungsbeiträge als auch durch Steuern. Es besteht Krankenversicherungspflicht. Die Gesundheitsversorgung wird durch ein gemischtes öffentliches und privates System aus unabhängigen Ärzten und öffentlichen, universitären und halbprivaten Krankenhäusern gewährleistet. Die Gesundheitsleistungen sind vom Patienten zu zahlen und werden später von den Krankenversicherungen erstattet, aber für nicht förderfähige Kategorien (von Patienten und Leistungen) gibt es sogenannte Drittzahlungssysteme. Das belgische Gesundheitssystem wird von der föderalen Regierung, der flämischen und der wallonischen Regionalregierung beaufsichtigt und finanziert, und auch die deutsche Gemeinschaft hat (indirekt) Aufsicht und Verantwortung. ⓘ
Zum ersten Mal in der belgischen Geschichte wurde das erste Kind nach der Aufhebung der Altersbeschränkung für die Euthanasie vor zwei Jahren euthanasiert. Das Kind wurde aufgrund einer unheilbaren Krankheit euthanasiert, die ihm zugefügt worden war. Obwohl es eine gewisse Unterstützung für die Euthanasie gegeben haben mag, besteht die Möglichkeit einer Kontroverse aufgrund der Frage, die sich um das Thema des assistierten Suizids dreht. Ohne Berücksichtigung der Sterbehilfe hat Belgien die höchste Selbstmordrate in Westeuropa und eine der höchsten Selbstmordraten in der entwickelten Welt (nur übertroffen von Litauen, Südkorea und Lettland). ⓘ
Bildung
Für die Belgier besteht eine Schulpflicht von 6 bis 18 Jahren. Unter den OECD-Ländern hatte Belgien im Jahr 2002 mit 42 % den dritthöchsten Anteil an 18- bis 21-Jährigen, die eine postsekundäre Ausbildung absolvierten. Obwohl schätzungsweise 99 % der erwachsenen Bevölkerung des Lesens und Schreibens mächtig sind, wächst die Besorgnis über den funktionalen Analphabetismus. Das von der OECD koordinierte Programme for International Student Assessment (PISA) stuft das belgische Bildungswesen derzeit als das 19. beste der Welt ein und liegt damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt. Die Flämische Gemeinschaft, die das Bildungswesen getrennt voneinander organisiert, schneidet deutlich besser ab als die Französische und die Deutschsprachige Gemeinschaft. ⓘ
Entsprechend der dualen Struktur der belgischen politischen Landschaft des 19. Jahrhunderts, die von der liberalen und der katholischen Partei geprägt war, ist das Bildungssystem in einen weltlichen und einen religiösen Bereich aufgeteilt. Der weltliche Zweig des Schulwesens wird von den Gemeinschaften, den Provinzen oder den Gemeinden kontrolliert, während der religiöse, vor allem der katholische Zweig des Schulwesens von den kirchlichen Behörden organisiert, aber von den Gemeinschaften subventioniert und beaufsichtigt wird. ⓘ