Amitriptylin

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Amitriptylin
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Klinische Daten
Aussprache/ˌæmɪˈtrɪptɪln/
HandelsnamenElavil, andere
AHFS/Drugs.comMonographie
MedlinePlusa682388
Lizenz-Daten
  • US DailyMed: Amitriptylin
  • US FDA: Amitriptylin
Schwangerschaft
Kategorie
  • AU: C
Wege der
Verabreichung
Durch den Mund, intramuskuläre Injektion
WirkstoffklasseTrizyklisches Antidepressivum (TCA)
ATC-Code
Rechtlicher Status
Rechtlicher Status
  • AU: S4 (Verschreibungspflichtig)
  • CA: ℞ausschließlich
  • UK: POM (Verschreibungspflichtig)
  • US: ℞-only
Pharmakokinetische Daten
Bioverfügbarkeit45%-53%
Proteinbindung96%
VerstoffwechselungLeber (CYP2D6, CYP2C19, CYP3A4)
StoffwechselprodukteNortriptylin, (E)-10-Hydroxynortriptylin
Eliminationshalbwertszeit21 Stunden
AusscheidungUrin: 12-80% nach 48 Stunden; Fäkalien: nicht untersucht
Bezeichnungen
IUPAC-Bezeichnung
  • 3-(10,11-Dihydro-5H-dibenzo[a,d]cycloheptene-5-yliden)-N,N-dimethylpropan-1-amin
CAS-Nummer
  • 50-48-6 check
    549-18-8 (Hydrochlorid)
    17086-03-2 (Embonat)
PubChem CID
IUPHAR/BPS
DrugBank
ChemSpider
UNII
KEGG
ChEBI
ChEMBL
Chemische und physikalische Daten
FormelC20H23N
Molare Masse277,411 g-mol-1
3D-Modell (JSmol)
Schmelzpunkt197,5 °C (387,5 °F)
SMILES
  • c3cc2c(/C(c1c(cccc1)CC2)=C\CCN(C)C)cc3
InChI
  • InChI=1S/C20H23N/c1-21(2)15-7-12-20-18-10-5-3-8-16(18)13-14-17-9-4-6-11-19(17)20/h3-6,8-12H,7,13-15H2,1-2H3 check
  • Schlüssel:KRMDCWKBEZIMAB-UHFFFAOYSA-N check
(Überprüfen)

Amitriptylin, das unter anderem unter dem Markennamen Elavil vertrieben wird, ist ein trizyklisches Antidepressivum, das in erster Linie zur Behandlung des zyklischen Emesis-Syndroms (CVS), von schweren depressiven Störungen und einer Vielzahl von Schmerzsyndromen - von neuropathischen Schmerzen über Fibromyalgie bis hin zu Migräne und Spannungskopfschmerzen - eingesetzt wird. Aufgrund der Häufigkeit und des Ausmaßes der Nebenwirkungen wird Amitriptylin im Allgemeinen als Zweitlinientherapie für diese Indikationen angesehen.

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Schläfrigkeit, Schwindelgefühl, Verstopfung und Gewichtszunahme. Bemerkenswert ist die sexuelle Dysfunktion, die vor allem bei Männern beobachtet wird. Glaukom, Lebertoxizität und Herzrhythmusstörungen sind seltene, aber schwerwiegende Begleiterscheinungen. Die Blutspiegel von Amitriptylin schwanken von Person zu Person erheblich, und Amitriptylin steht in Wechselwirkung mit vielen anderen Medikamenten, was seine Nebenwirkungen verschlimmern kann.

Amitriptylin wurde in den späten 1950er Jahren von Wissenschaftlern bei Merck entdeckt und 1961 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen. Es steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation. Es ist als Generikum erhältlich. Im Jahr 2019 war es mit mehr als 8 Millionen Verschreibungen das 94. am häufigsten verschriebene Medikament in den Vereinigten Staaten.

Strukturformel
Strukturformel von Amitriptylin
Allgemeines
Freiname Amitriptylin
Andere Namen

3-(10,11-Dihydro-5H-dibenzo[a,d]cyclohepten-5-yliden)-N,N-dimethylpropylamin

Summenformel
  • C20H23N
  • C20H23N·HCl (Hydrochlorid)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 200-041-6
ECHA-InfoCard 100.000.038
PubChem 2160
ChemSpider 2075
DrugBank DB00321
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N06AA09

Wirkstoffklasse
Wirkmechanismus
  • Nichtselektiver Monoamin-Wiederaufnahmehemmer
  • Co-Analgetikum
  • Natriumkanalblocker
Eigenschaften
Molare Masse
  • 277,40 g·mol−1
  • 313,87 g·mol−1 (Hydrochlorid)
Schmelzpunkt
  • 198–200 °C (Amitriptylin-Hydrochlorid)
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung

Hydrochlorid

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​319​‐​361d​‐​410
P: 201​‐​273​‐​301+310+330​‐​305+351+338
Toxikologische Daten
  • 320 mg·kg−1 (LD50, Ratte, oral)
  • 140 mg·kg−1 (LD50, Maus, oral)
  • 16 mg·kg−1 (LD50, Maus, i.v.)
  • 240 mg·kg−1 (LD50, Ratte, oral, Hydrochlorid)
  • 14 mg·kg−1 (LD50, Ratte, i.v., Hydrochlorid)
  • 140 mg·kg−1 (LD50, Maus, oral, Hydrochlorid)
  • 21 mg·kg−1 (LD50, Maus, i.v., Hydrochlorid)
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Amitriptylin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva, der in erster Linie zur Behandlung von Depressionen und zur langfristigen Schmerzbehandlung eingesetzt wird. In einer Übersichtsstudie von 2001 wurde es als „Goldstandard-Antidepressivum“ bezeichnet.

Medizinische Anwendungen

Amitriptylin ist indiziert zur Behandlung von schweren depressiven Störungen und neuropathischen Schmerzen sowie zur Vorbeugung von Migräne und chronischen Spannungskopfschmerzen. Es kann zur Behandlung der nächtlichen Enuresis bei Kindern über 6 Jahren eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen versagt haben.

Depressionen

Amitriptylin ist bei Depressionen wirksam, wird aber wegen seiner höheren Toxizität bei Überdosierung und seiner allgemein schlechteren Verträglichkeit selten als Antidepressivum der ersten Wahl eingesetzt. Es kann bei Depressionen als Zweitlinientherapie eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen versagt haben. Bei behandlungsresistenten Depressionen bei Jugendlichen oder bei krebsbedingten Depressionen ist Amitriptylin nicht besser als Placebo. Amitriptylin wird gelegentlich zur Behandlung von Depressionen bei der Parkinson-Krankheit eingesetzt, doch gibt es dafür keine Belege.

Schmerzen

Amitriptylin lindert schmerzhafte diabetische Neuropathie. Es wird in einer Reihe von Leitlinien als Erst- oder Zweitlinientherapie empfohlen. Es ist bei dieser Indikation ebenso wirksam wie Gabapentin oder Pregabalin, wird aber weniger gut vertragen.

Niedrige Dosen von Amitriptylin verbessern mäßig die Schlafstörungen und verringern die mit Fibromyalgie verbundenen Schmerzen und Müdigkeit. Amitriptylin wird von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland für die Behandlung von Fibromyalgie in Verbindung mit Depressionen und von der Europäischen Rheumaliga als Zweitlinientherapie bei Fibromyalgie empfohlen, wobei Bewegung die erste Option ist. Kombinationen aus Amitriptylin und Fluoxetin oder Melatonin können Fibromyalgie-Schmerzen besser lindern als jedes der beiden Medikamente allein.

Es gibt einige (qualitativ minderwertige) Hinweise darauf, dass Amitriptylin Schmerzen bei Krebspatienten lindern kann. Es wird nur als Zweitlinientherapie für nicht chemotherapiebedingte neuropathische oder gemischte neuropathische Schmerzen empfohlen, wenn Opioide nicht die gewünschte Wirkung gezeigt haben.

Es gibt mäßige Belege für den Einsatz von Amitriptylin bei atypischen Gesichtsschmerzen. Amitriptylin ist bei HIV-assoziierter Neuropathie unwirksam.

Kopfschmerzen

Amitriptylin ist wahrscheinlich wirksam bei der Vorbeugung von periodischer Migräne bei Erwachsenen. Amitriptylin ist ähnlich wirksam wie Venlafaxin und Topiramat, hat aber eine höhere Nebenwirkungsrate als Topiramat. Für viele Patienten sind selbst sehr geringe Dosen von Amitriptylin hilfreich, was eine Minimierung der Nebenwirkungen ermöglichen kann. Amitriptylin unterscheidet sich nicht signifikant von Placebo, wenn es zur Vorbeugung von Migräne bei Kindern eingesetzt wird.

Amitriptylin kann die Häufigkeit und Dauer von chronischem Spannungskopfschmerz verringern, ist aber mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden als Mirtazapin. Insgesamt wird Amitriptylin zur Spannungskopfschmerzprophylaxe empfohlen, zusammen mit Ratschlägen zur Lebensführung, die den Verzicht auf Analgetika und Koffein einschließen sollten.

Andere Indikationen

Amitriptylin ist wirksam bei der Behandlung des Reizdarmsyndroms; wegen seiner Nebenwirkungen sollte es jedoch ausgewählten Patienten vorbehalten bleiben, bei denen andere Mittel nicht wirken. Es gibt keine ausreichenden Belege für seine Anwendung bei Bauchschmerzen bei Kindern mit funktionellen Magen-Darm-Störungen.

Trizyklische Antidepressiva verringern die Häufigkeit, den Schweregrad und die Dauer von Episoden des zyklischen Emesis-Syndroms. Amitriptylin, das am häufigsten verwendete Antidepressivum, wird als Mittel der ersten Wahl für die Therapie empfohlen.

Amitriptylin kann die Intensität von Schmerzen und Harndrang im Zusammenhang mit dem Blasenschmerzsyndrom verbessern und kann zur Behandlung dieses Syndroms eingesetzt werden. Amitriptylin kann bei der Behandlung des nächtlichen Einnässens bei Kindern eingesetzt werden. Seine Wirkung ist jedoch nach Beendigung der Behandlung nicht von Dauer. Eine Alarmtherapie führt kurz- und langfristig zu besseren Ergebnissen.

In den USA wird Amitriptylin bei Kindern mit ADHS häufig als Ergänzung zu Stimulanzien eingesetzt, ohne dass es dafür Belege oder Leitlinien gibt. Viele Ärzte im Vereinigten Königreich (und auch in den USA) verschreiben Amitriptylin häufig zur Behandlung von Schlaflosigkeit; die Cochrane-Reviewer konnten jedoch keine randomisierten kontrollierten Studien finden, die diese Praxis unterstützen oder widerlegen würden.

Kontraindikationen und Vorsichtsmaßnahmen

Die bekannten Kontraindikationen für Amitriptylin sind:

  • Myokardinfarkt in der Vorgeschichte
  • Herzrhythmusstörungen in der Vorgeschichte, insbesondere jeder Grad von Herzblock
  • Koronare Herzkrankheit
  • Porphyrie
  • Schwere Lebererkrankung (z. B. Zirrhose)
  • Unter sechs Jahre alt sein
  • Patienten, die Monoaminoxidase-Hemmer (MAOI) einnehmen oder in den letzten 14 Tagen eingenommen haben.

Amitriptylin sollte mit Vorsicht bei Patienten mit Epilepsie, eingeschränkter Leberfunktion, Phäochromozytom, Harnverhalt, Prostatavergrößerung, Hyperthyreose und Pylorusstenose angewendet werden.

Bei Patienten mit der seltenen Bedingung der flachen vorderen Kammer des Augapfels und des engen vorderen Kammerwinkels, kann amitriptyline Angriffe des akuten Glaukoms wegen der Erweiterung der Pupille provozieren. Amitriptylin kann eine Psychose verschlimmern, wenn es zur Behandlung von Depressionen mit Schizophrenie eingesetzt wird, oder den Übergang zur Manie bei Patienten mit bipolarer Störung beschleunigen.

CYP2D6-schwache Metabolisierer sollten Amitriptylin wegen erhöhter Nebenwirkungen meiden. Wenn es notwendig ist, es zu verwenden, wird die halbe Dosis empfohlen. Amitriptylin kann während der Schwangerschaft und Stillzeit verwendet werden, in den Fällen, wenn SSRI nicht funktionieren.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen, die bei 20 % oder mehr der Anwender auftreten, sind Mundtrockenheit, Schläfrigkeit, Schwindel, Verstopfung und Gewichtszunahme (im Durchschnitt 1,8 kg). Andere häufige Nebenwirkungen (bei 10 % oder mehr) sind Sehstörungen (Amblyopie, verschwommenes Sehen), Tachykardie, gesteigerter Appetit, Zittern, Müdigkeit/Asthenie/Fühlen der Verlangsamung und Dyspepsie.

Eine Literaturübersicht über abnorme Bewegungen und Amitriptylin ergab, dass dieses Arzneimittel mit verschiedenen Bewegungsstörungen in Verbindung gebracht wird, insbesondere mit Dyskinesie, Dystonie und Myoklonus. Stottern und das Syndrom der unruhigen Beine sind einige der weniger häufigen Assoziationen.

Eine weniger häufige Nebenwirkung von Amitriptylin sind Probleme beim Wasserlassen (8,7 %).

Amitriptylin-assoziierte sexuelle Funktionsstörungen (mit einer Häufigkeit von 6,9 %) scheinen vor allem bei Männern mit Depressionen aufzutreten und äußern sich vor allem in Form von Erektionsstörungen und geringer Libido, seltener in Form von Ejakulations- und Orgasmusstörungen. Die Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen bei Männern, die wegen anderer Indikationen als Depressionen behandelt werden, und bei Frauen unterscheidet sich nicht signifikant von Placebo.

Anomalien der Lebertests treten bei 10-12 % der mit Amitriptylin behandelten Patienten auf, sind jedoch in der Regel geringfügig, asymptomatisch und vorübergehend, wobei die Alanin-Transaminase bei 3 % aller Patienten konstant erhöht ist. Erhöhungen der Enzyme über den 3-fachen Schwellenwert der Lebertoxizität sind selten, und Fälle von klinisch sichtbarer Lebertoxizität sind selten; dennoch wird Amitriptylin in die Gruppe der Antidepressiva mit größerem Risiko für Lebertoxizität eingeordnet.

Amitriptylin verlängert das QT-Intervall. Diese Verlängerung ist bei therapeutischen Dosen relativ gering, wird aber bei Überdosierung schwerwiegend.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen (> 10 %) unter der Anwendung von Amitriptylin gehören zentralnervöse Störungen wie Kopfschmerzen, Vertigo, Tremor und Schläfrigkeit, Störungen des Herz-Kreislauf-Systems wie Palpitation, Tachykardie und orthostatische Hypotonie, gastrointestinale Störungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung und Übelkeit sowie Gewichtszunahme, Akkommodationsstörungen und Schwitzen. Wie bei anderen trizyklischen Antidepressiva stehen insbesondere die unerwünschten anticholinergen Arzneimittelwirkungen im Vordergrund.

Zu den weiteren zentralnervös bedingten Nebenwirkungen zählen Parästhesie, Ataxie, Müdigkeit (1–10 %) und gelegentlich (0,1–1 %) Konvulsionen. Die häufigsten psychischen Störungen (1–10 %) sind Verwirrtheit, Konzentrationsschwierigkeiten und Libidoverminderung, gefolgt (0,1–1 %) von Hypomanie, Manie, Ängstlichkeit, paradoxer Schlaflosigkeit und Albträumen sowie seltener (< 0,1 %) Appetitlosigkeit, Delirien bei älteren Patienten und Halluzinationen bei schizophrenen Patienten. Am Herzen können häufig (1–10 %) EKG-Veränderungen wie QTc-Zeit-Verlängerung, AV-Block und Erregungsweiterleitungsstörungen beobachtet werden, die sich jedoch nur selten (< 0,1 %) als Arrhythmien äußern. Gelegentlich kann eine Hypotonie beobachtet werden. Eine bereits bestehende Herzinsuffizienz kann durch Amitriptylin verstärkt werden. Über Risiken von peripheren Kältempfindungen an Händen und/oder Füßen bzw. das Auftreten des Raynaud-Syndroms berichtet die neuseeländische Arzneimittelsicherheitsbehörde Medsafe.

Des Weiteren können unter anderem Geschmacksveränderung, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, Harnverhalten und Impotenz auftreten.

Überdosierung

Die Symptome und die Behandlung einer Überdosierung sind weitgehend die gleichen wie bei den anderen TCAs, einschließlich der Darstellung des Serotonin-Syndroms und der kardialen Nebenwirkungen. In der British National Formulary wird darauf hingewiesen, dass Amitriptylin bei Überdosierung besonders gefährlich sein kann, weshalb es und andere TCAs nicht mehr als Erstlinientherapie bei Depressionen empfohlen werden. Die Behandlung einer Überdosierung erfolgt meist unterstützend, da kein spezifisches Gegenmittel für eine Amitriptylin-Überdosierung zur Verfügung steht. Aktivkohle kann die Resorption verringern, wenn sie innerhalb von 1-2 Stunden nach der Einnahme verabreicht wird. Wenn die betroffene Person bewusstlos ist oder einen gestörten Würgereflex hat, kann eine nasogastrale Sonde verwendet werden, um die Aktivkohle in den Magen zu bringen. Eine EKG-Überwachung auf Herzleitungsanomalien ist unerlässlich, und wenn eine solche festgestellt wird, ist eine engmaschige Überwachung der Herzfunktion ratsam. Die Körpertemperatur sollte erforderlichenfalls durch Maßnahmen wie Heizdecken reguliert werden. Eine kardiale Überwachung wird für mindestens fünf Tage nach der Überdosierung empfohlen. Benzodiazepine werden empfohlen, um Krampfanfälle zu kontrollieren. Eine Dialyse ist aufgrund der hohen Proteinbindung von Amitriptylin nicht sinnvoll.

Wechselwirkungen

Da Amitriptylin und sein aktiver Metabolit Nortriptylin in erster Linie durch die Cytochrome CYP2D6 und CYP2C19 verstoffwechselt werden (siehe Amitriptylin#Pharmakologie), ist zu erwarten, dass die Hemmer dieser Enzyme pharmakokinetische Wechselwirkungen mit Amitriptylin aufweisen. Laut Beipackzettel kann die Wechselwirkung mit CYP2D6-Hemmern den Plasmaspiegel von Amitriptylin erhöhen. Die Ergebnisse in der übrigen Literatur sind jedoch widersprüchlich: Die gleichzeitige Verabreichung von Amitriptylin mit dem potenten CYP2D6-Inhibitor Paroxetin erhöht die Plasmaspiegel von Amitriptylin um das Zweifache und des aktiven Hauptmetaboliten Nortriptylin um das 1. Die Kombination mit den weniger starken CYP2D6-Inhibitoren Thioridazin oder Levomepromazin hat jedoch keinen Einfluss auf die Amitriptylinspiegel und erhöht den Nortriptylinspiegel um das 1,5-Fache; der mäßige CYP2D6-Inhibitor Fluoxetin scheint keine signifikanten Auswirkungen auf die Amitriptylin- oder Nortriptylinspiegel zu haben. Es wurde ein Fall einer klinisch bedeutsamen Wechselwirkung mit dem starken CYP2D6-Inhibitor Terbinafin berichtet.

Ein starker Hemmer von CYP2C19 und anderen Cytochromen, Fluvoxamin, erhöht die Amitriptylin-Konzentration um das Zweifache, während die Nortriptylin-Konzentration leicht abnimmt. Ähnliche Veränderungen treten bei einem mäßigen Hemmstoff von CYP2C19 und anderen Cytochromen, Cimetidin, auf: der Amitriptylinspiegel steigt um etwa 70 %, während der Nortriptylinspiegel um 50 % sinkt. Der CYP3A4-Hemmer Ketoconazol erhöht den Amitriptylinspiegel um etwa ein Viertel. Andererseits senken Cytochrom-P450-Induktoren wie Carbamazepin und Johanniskraut die Spiegel von Amitriptylin und Nortriptylin.

Orale Kontrazeptiva können den Blutspiegel von Amitriptylin um bis zu 90 % erhöhen. Valproat erhöht die Spiegel von Amitriptylin und Nortriptylin über einen unklaren Mechanismus mäßig.

In der Packungsbeilage wird gewarnt, dass die Kombination von Amitriptylin mit Monoaminoxidase-Hemmern ein potenziell tödliches Serotonin-Syndrom auslösen kann; dies ist jedoch umstritten. In der Fachinformation wird davor gewarnt, dass es bei einigen Patienten zu einem starken Anstieg der Amitriptylin-Konzentration in Gegenwart von Topiramat kommen kann. In einer pharmakokinetischen Studie erhöhte Topiramat die Amitriptylin-Konzentration nur um 20 % und Nortriptylin um 33 %.

Amitriptilin wirkt der antihypertensiven Wirkung von Guanethidin entgegen. Bei gleichzeitiger Verabreichung von Amitriptylin und anderen Anticholinergika kann es zu Hyperpyrexie oder paralytischem Ileus kommen. Die gleichzeitige Verabreichung von Amitriptylin und Disulfiram wird wegen der Gefahr der Entwicklung eines toxischen Deliriums nicht empfohlen. Amitriptylin verursacht eine ungewöhnliche Art von Wechselwirkung mit dem Antikoagulans Phenprocoumon, bei der große Schwankungen der Prothrombinzeit beobachtet wurden.

Pharmakologie

Pharmakodynamik

Amitriptylin wirkt im Zentralnervensystem als relativ unselektiver Hemmstoff der Monoamin-Rückaufnahme aus dem synaptischen Spalt in die Präsynapse. Auf diese Weise erhöht sich die Konzentration von Neurotransmittern (vor allem Serotonin und Noradrenalin) im synaptischen Spalt. Man nimmt heute an, dass die Reduktion depressiver Symptome durch eine modifizierte Empfindlichkeit der Rezeptoren für Monoamine erklärt werden kann. Die Empfindlichkeitssteigerung beruht dabei auf einer Down-Regulation bestimmter monoaminerger Rezeptoren aufgrund der veränderten Konzentrationsverhältnisse. Dies ist zudem die Begründung dafür, dass der stimmungsaufhellende Effekt in der Regel erst nach einer gewissen Einnahmedauer (etwa zwei bis drei Wochen) eintritt.

Daneben hat Amitriptylin Effekte auf weitere Übertragungsprozesse im Gehirn, beispielsweise wirkt es anticholinerg (etwa als Antagonist bestimmter Acetylcholin-Wirkungen) und leicht antihistaminisch. Daraus resultiert eine psychomotorisch eher dämpfende Gesamtwirkung; außerdem treten charakteristische Nebenwirkungen auf. Die sedierende Wirkkomponente vermindert sich meistens im Laufe der Anwendungsdauer. Amitriptylin wirkt zudem als FIASMA (funktioneller Hemmer der sauren Sphingomyelinase).

Die pharmakologische Wirksamkeit von Amitriptylin, trizyklischen Antidepressiva und allen natriumkanalblockierenden Antiepileptika bei neuropathischen Schmerzen (Gürtelrose) beruht auf der reversiblen kompetitiven Blockade von spannungsabhängigen Natriumkanälen, die hier durch autonome Spontanaktivität eine Schmerzgenese verursachen, wobei hier das pharmakologische Prinzip der „use-dependence“ die Nichtbeeinflussung physiologischer Aktionspotentiale erklärt, da nur die sich sehr schnell öffnenden pathophysiologischen und schmerzerzeugenden Natriumkanäle geblockt werden.

Der molekulare Wirkungsmechanismus kann durch das Prinzip der Ionenfalle (Lokalanästhetika) erklärt werden, wonach extrazelluläres Amitriptylin (pH = 7,4 (physiologisch)) im Gleichgewicht zwischen unprotonierter Form und protonierten Form vorkommt, aber nur die unprotonierte Form (freies Amin) die ausreichende Lipophilie besitzt, die notwendig ist, um die Doppellayer-Lipidmembran der Zelle nach intrazellulär zu penetrieren und sich hieran anschließend durch Protonierung in der Zelle zu akkumulieren. Die protonierte, positiv geladene und intrazellulär vorliegende Form von Amitriptylin gelangt durch Diffusion, umgeben durch eine Hydrathülle, zu den spannungsabhängigen Natriumkanälen (dendritisch, somatisch u. axonal), die durch Amitriptylin reversibel blockiert werden.

Die natriumkanalblockierenden bzw. lokalanästhetischen Eigenschaften von Amitriptylin können auch experimentell überprüft werden, indem man eine Tablette, die Amitriptylin beinhaltet, zerbricht und sich auf die Zunge legt, wobei sich eine lokale Betäubung wahrnehmen lässt.

Molekulare Ziele von Amitriptylin (AMI) und dem aktiven Hauptmetaboliten Nortriptylin (NTI)
Standort AMI . NTI Spezies Ref
SERT 2.8–36 15–279 Mensch
NET 19–102 1.8–21 Mensch
DAT 3,250 1,140 Mensch
5-HT1A 450–1,800 294 Mensch
5-HT1B 840 ND Ratte
5-HT2A 18–23 41 Mensch
5-HT2B 174 ND Mensch
5-HT2C 4-8 8.5 Ratte
5-HT3 430 1,400 Ratte
5-HT6 65–141 148 Mensch/Ratte
5-HT7 92.8–123 ND Ratte
α1A 6.5–25 18–37 Mensch
α1B 600–1700 850–1300 Mensch
α1D 560 1500 Mensch
α2 114–690 2,030 Mensch
α2A 88 ND Mensch
α2B >1000 ND Mensch
α2C 120 ND Mensch
β >10,000 >10,000 Ratte
D1 89 210 (Ratte) Mensch/Ratte
D2 196–1,460 2,570 Mensch
D3 206 ND Mensch
D4 ND ND ND ND
D5 170 ND Mensch
H1 0.5–1.1 3.0–15 Mensch
H2 66 646 Mensch
H3 75,900;>1000 45,700 Mensch
H4 34–26,300 6,920 Mensch
M1 11.0–14.7 40 Mensch
M2 11.8 110 Mensch
M3 12.8–39 50 Mensch
M4 7.2 84 Mensch
M5 15.7–24 97 Mensch
σ1 287-300 2,000 Meerschweinchen/Ratte
hERG 3,260 31,600 Mensch
PARP1 1650 ND Mensch
TrkA 3,000
(Agonist)
ND Mensch
TrkB 14,000
(Agonist)
ND Mensch
Die Werte sind Ki (nM), sofern nicht anders angegeben. Je kleiner der Wert, desto stärker bindet das Medikament an die Stelle.

Amitriptylin hemmt den Serotonin-Transporter (SERT) und den Noradrenalin-Transporter (NET). Es wird zu Nortriptylin metabolisiert, einem stärkeren Norepinephrin-Wiederaufnahme-Hemmer, der die Wirkung von Amitriptylin auf die Norepinephrin-Wiederaufnahme noch verstärkt (siehe Tabelle rechts).

Amitriptylin wirkt außerdem als potenter Hemmstoff der Serotoninrezeptoren 5-HT2A, 5-HT2C, der α1A-adrenergen, der Histaminrezeptoren H1 und der muskarinischen Acetylcholinrezeptoren M1-M5 (siehe Tabelle rechts).

Amitriptylin ist ein nicht-selektiver Blocker mehrerer Ionenkanäle, insbesondere der spannungsabhängigen Natriumkanäle Nav1.3, Nav1.5, Nav1.6, Nav1.7 und Nav1.8, der spannungsabhängigen Kaliumkanäle Kv7.2/ Kv7.3, Kv7.1, Kv7.1/KCNE1 und des hERG.

Mechanismus der Wirkung

Die Kombination von MAO-Hemmern (z. B. Tranylcypromin) mit Amitriptylin kann zu dem lebensbedrohlichen Serotoninsyndrom führen. Auf Grund seines insbesondere bei hoher Dosis zu beobachtenden Potenzials, Herz-Rhythmusstörungen mit QT-Zeit-Verlängerung, Torsade de pointes und Sinustachykardien zu verursachen, besteht bei einem gleichzeitigen Einsatz von Amitriptylin und Arzneimitteln mit einer Wirkung auf die QT-Zeit eine erhöhte Gefahr von Herzrhythmus-Störungen. Diese Gefahr besteht auch bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln, die zu einer Hypokaliämie führen, oder Arzneimitteln, welche die Verstoffwechslung von Amitriptylin über den Cytochrom-P450-Enzymkomplex CYP3A4 in der Leber hemmen. Dem gegenüber können Arzneistoffe, die, wie beispielsweise Carbamazepin und Phenytoin, dieses Enzymsystem induzieren, den Amitriptylinabbau beschleunigen und zu einer unzureichenden Amitriptylinwirkung führen.

Auf Grund seiner inhibitorischen Wirkung auf Acetylcholin- und Histaminrezeptoren können die Wirkungen und Nebenwirkungen von Anticholinergika und Antihistaminika bei gleichzeitiger Einnahme mit Amitriptylin verstärkt werden. Ebenso verstärkt Amitriptylin die Effekte direkter Sympathomimetika. Die Wirkung von Antihypertensiva, wie Guanethidin, wird hingegen abgeschwächt.

Die Hemmung der Serotonin- und Noradrenalin-Transporter durch Amitriptylin führt zu einer Störung der neuronalen Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Da der Wiederaufnahmeprozess physiologisch wichtig für die Beendigung der Übertragungsaktivität ist, kann diese Wirkung die Aktivität serotonerger und adrenerger Neuronen verstärken oder verlängern, und es wird angenommen, dass sie der antidepressiven Wirkung von Amitriptylin zugrunde liegt.

Die Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin führt zu einer erhöhten Konzentration von Noradrenalin in der hinteren grauen Säule des Rückenmarks führt, scheint hauptsächlich für die analgetische Wirkung von Amitriptylin verantwortlich zu sein. Ein erhöhter Noradrenalinspiegel steigert die basale Aktivität der adrenergen Alpha-2-Rezeptoren, die eine analgetische Wirkung vermitteln, indem sie die Gamma-Aminobuttersäure-Übertragung zwischen spinalen Interneuronen erhöhen. Die blockierende Wirkung von Amitriptylin auf Natriumkanäle könnte ebenfalls zu seiner Wirksamkeit bei Schmerzzuständen beitragen.

Pharmakokinetik

Amitriptylin wird leicht aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert (90-95%). Die Absorption erfolgt allmählich, wobei die Spitzenkonzentration im Blutplasma nach etwa 4 Stunden erreicht wird. Ein umfangreicher Metabolismus beim ersten Durchgang durch die Leber führt zu einer durchschnittlichen Bioverfügbarkeit von etwa 50% (45%-53%). Amitriptylin wird hauptsächlich durch CYP2C19 zu Nortriptylin und durch CYP2D6 zu einer Vielzahl von hydroxylierten Metaboliten verstoffwechselt, von denen der wichtigste (E)-10-Hydroxynortriptylin ist (siehe Metabolismus-Schema), und in geringerem Maße auch durch CYP3A4.

Metabolisierung von Amitriptylin zu den wichtigsten aktiven Metaboliten.

Nortriptylin, der wichtigste aktive Metabolit von Amitriptylin, ist ein eigenständiges Antidepressivum. Nortriptylin erreicht im Blutplasma einen um 10 % höheren Spiegel als das Ausgangsmedikament Amitriptylin und eine um 40 % größere Fläche unter der Kurve, und seine Wirkung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesamtwirkung von Amitriptylin.

Ein weiterer aktiver Metabolit ist (E)-10-Hydroxynortriptylin, ein viermal schwächerer Norepinephrin-Aufnahmehemmer als Nortriptylin. Der Blutspiegel von (E)-10-Hydroxynortriptylin ist mit dem von Nortriptylin vergleichbar, aber der Liquorspiegel, der die Konzentration eines Arzneimittels im Gehirn gut wiedergibt, ist doppelt so hoch wie der von Nortriptylin. Auf dieser Grundlage wurde vermutet, dass (E)-10-Hydroxynortriptylin wesentlich zur antidepressiven Wirkung von Amitriptylin beiträgt.

Die Blutspiegel von Amitriptylin und Nortriptylin sowie die Pharmakokinetik von Amitriptylin im Allgemeinen variieren stark zwischen den einzelnen Personen, wobei die Clearance um das bis zu 10-fache variiert. Auch die Variabilität der Fläche unter der Kurve im Steady-State ist hoch, was eine langsame Aufwärts-Titration der Dosis erforderlich macht.

Im Blut wird Amitriptylin zu 96 % an Plasmaproteine gebunden; Nortriptylin wird zu 93-95 % gebunden, und (E)-10-Hydroxynortiptylin wird zu etwa 60 % gebunden. Amitriptylin hat eine Eliminationshalbwertszeit von 21 Stunden, Nortriptylin - 23-31 Stunden und (E)-10-Hydroxynortiptylin - 8-10 Stunden. Innerhalb von 48 Stunden werden 12-80% des Amitriptylins mit dem Urin ausgeschieden, meist in Form von Metaboliten. 2 % des unveränderten Arzneimittels werden mit dem Urin ausgeschieden. Die Ausscheidung mit den Fäkalien ist offenbar nicht untersucht worden.

Die therapeutischen Spiegel von Amitriptylin liegen zwischen 75 und 175 ng/ml (270-631 nM) bzw. 80-250 ng/ml von Amitriptylin und seinem Metaboliten Nortriptylin.

Auf Grund seiner großen Lipophilie wird Amitriptylin im ganzen Organismus verteilt. Das Verteilungsvolumen beträgt 14 bis 18 l/kg. Amitriptylin wird stark an Gewebs- und Plasmaeiweiße gebunden; nur 3 – 6 % liegen frei im Plasma vor (der aktive Metabolit Nortriptylin zu 8 – 13 %). Sowohl Amitriptylin als auch Nortriptylin treten in die Muttermilch über.

Resorption

Nach oraler Gabe wird Amitriptylin langsam aber vollständig resorbiert. Auf Grund der häufig verzögerten Magen-Darm-Passage werden maximale Plasmakonzentrationen erst nach 1 bis 5 (max. 8) Stunden erreicht. Die systemische Bioverfügbarkeit beträgt im Verhältnis zur intravenösen Injektion etwa 50 %.

Pathophysiologische Variationen

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist die Konzentration an unkonjugierten Metaboliten im Plasma gegenüber nierengesunden Patienten verringert, dagegen ist die Konzentration an konjugierten Metaboliten stark erhöht.

Pharmakogenetik

Da Amitriptylin in erster Linie durch CYP2D6 und CYP2C19 verstoffwechselt wird, können genetische Variationen in den Genen, die für diese Enzyme kodieren, den Stoffwechsel beeinflussen, was zu Veränderungen der Konzentrationen des Arzneimittels im Körper führt. Erhöhte Konzentrationen von Amitriptylin können das Risiko für Nebenwirkungen, einschließlich anticholinerger und das Nervensystem beeinträchtigender Wirkungen, erhöhen, während verringerte Konzentrationen die Wirksamkeit des Arzneimittels verringern können.

Je nachdem, welche genetischen Variationen sie tragen, können Personen in verschiedene Typen von CYP2D6- oder CYP2C19-Metabolisierern eingeteilt werden. Zu diesen Metabolisierertypen gehören arme, intermediäre, extensive und ultraschnelle Metabolisierer. Die meisten Personen (etwa 77-92 %) sind extensive Metabolisierer und haben einen "normalen" Metabolismus von Amitriptylin. Schlechte und intermediäre Metabolisierer haben im Vergleich zu extensiven Metabolisierern einen reduzierten Metabolismus des Medikaments; Patienten mit diesen Metabolisierertypen haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Nebenwirkungen zu erfahren. Ultrarapide Metabolisierer verbrauchen Amitriptylin viel schneller als extensive Metabolisierer; Patienten mit diesem Metabolisierer-Typ können eine größere Wahrscheinlichkeit haben, pharmakologisches Versagen zu erleben.

Das Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium empfiehlt, Amitriptylin bei Patienten, die CYP2D6 ultrarapide oder schlechte Metabolisierer sind, wegen des Risikos einer mangelnden Wirksamkeit bzw. von Nebenwirkungen zu vermeiden. Das Konsortium empfiehlt außerdem, bei Patienten, die CYP2C19 ultrarapid verstoffwechseln, ein alternatives Medikament in Betracht zu ziehen, das nicht durch CYP2C19 verstoffwechselt wird. Eine Verringerung der Anfangsdosis wird für Patienten empfohlen, die CYP2D6-Intermediate-Metabolisierer und CYP2C19-Poor-Metabolisierer sind. Wenn die Anwendung von Amitriptylin gerechtfertigt ist, wird eine therapeutische Arzneimittelüberwachung empfohlen, um die Dosisanpassung zu steuern. Die niederländische Arbeitsgruppe für Pharmakogenetik empfiehlt außerdem die Auswahl eines alternativen Arzneimittels oder die Überwachung der Plasmakonzentrationen von Amitriptylin bei Patienten, die CYP2D6-arme oder ultraschnelle Metabolisierer sind, und die Auswahl eines alternativen Arzneimittels oder die Reduzierung der Anfangsdosis bei Patienten, die CYP2D6-Intermediärmetabolisierer sind.

Chemie

Chemische Synthese von Amitriptylin.

Amitriptylin ist ein stark lipophiles Molekül mit einem Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten (pH 7,4) von 3,0, während der log P der freien Base mit 4,92 angegeben wurde. Die Löslichkeit der freien Base Amitriptylin in Wasser beträgt 14 mg/L. Amitriptylin wird durch Reaktion von Dibenzosuberon mit 3-(Dimethylamino)propylmagnesiumchlorid und anschließendes Erhitzen des resultierenden Zwischenprodukts mit Salzsäure zur Entfernung von Wasser hergestellt.

Geschichte

Amitriptylin wurde in den späten 1950er Jahren von dem amerikanischen Pharmaunternehmen Merck entwickelt. Im Jahr 1958 trat Merck an eine Reihe von klinischen Forschern heran, die vorschlugen, klinische Studien mit Amitriptylin zur Behandlung von Schizophrenie durchzuführen. Einer dieser Forscher, Frank Ayd, schlug stattdessen vor, Amitriptylin bei Depressionen einzusetzen. Ayd behandelte 130 Patienten und berichtete 1960, dass Amitriptylin ähnliche antidepressive Eigenschaften wie ein anderes und damals einziges bekanntes trizyklisches Antidepressivum, Imipramin, aufweist. Daraufhin wurde Amitriptylin 1961 von der US Food and Drug Administration zur Behandlung von Depressionen zugelassen.

In Europa konnten Roche und Lundbeck aufgrund einer Besonderheit des damaligen Patentrechts, das Patente nur auf die chemische Synthese, nicht aber auf das Medikament selbst zuließ, Amitriptylin in den frühen 1960er Jahren unabhängig voneinander entwickeln und vermarkten.

Nach Recherchen des Historikers der Psychopharmakologie David Healy wurde Amitriptylin aufgrund zweier Faktoren zu einem viel größeren Verkaufsschlager als sein Vorläufer Imipramin. Erstens hat Amitriptylin eine viel stärkere anxiolytische Wirkung. Zweitens führte Merck eine Marketingkampagne durch, um das Bewusstsein der Kliniker für die Depression als klinische Entität zu schärfen.

Amitriptylin wurde 1960 erstmals synthetisiert und 1962 vom Arzneimittelhersteller Lundbeck am Markt eingeführt. Es war lange Jahre – bis zum Aufkommen der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – das meistverordnete Antidepressivum weltweit. 2011 stand Amitriptylin immer noch an 4. Stelle der meistverordneten Psychopharmaka in Deutschland.

Gesellschaft und Kultur

Zwei Schachteln Amitriptylin (Endep; hergestellt von Alphapharm, australischer Markt) in den Dosierungen 10 und 25 mg

Der englische Folksänger Nick Drake starb 1974 an einer Überdosis von Tryptizol.

Senteni Masango, Ehefrau des Swasiland-Königs Mswati, starb am 6. April 2018 nach einer Überdosis Amytriptylin-Kapseln durch Selbstmord.

In dem Film The Many Saints of Newark aus dem Jahr 2021 ist Amitriptylin (unter dem Markennamen Elavil) Teil des Handlungsstrangs des Films.

Generische Namen

Amitriptylin ist der englische und französische generische Name des Medikaments und sein INN, BAN und DCF, während Amitriptylinhydrochlorid sein USAN, USP, BANM und JAN ist. Der generische Name auf Spanisch und Italienisch und sein DCIT sind Amitriptilina, auf Deutsch Amitriptylin und auf Lateinisch Amitriptylinum. Das Embonatsalz ist als Amitriptylin-Embonat bekannt, das sein BANM ist, oder inoffiziell als Amitriptylin-Pamoat.

Forschung

Die wenigen randomisierten kontrollierten Studien, in denen die Wirksamkeit von Amitriptylin bei Essstörungen untersucht wurde, waren entmutigend.

Klinische Angaben

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Neben einer bekannten Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff gelten die Anwendung in der unmittelbaren Genesungsphase nach einem Herzinfarkt, Erregungsleitungsstörungen im His-Bündel, akuter Harnverhalt, Pylorusstenose, Darmverschluss, unbehandeltes Engwinkelglaukom sowie akute Alkohol-, Barbiturat- und Opiatvergiftung als absolute Kontraindikationen.

Auf Grund der Gefahr eines möglicherweise lebensbedrohlichen Serotonin-Syndroms darf Amitriptylin nicht gleichzeitig mit MAO-Hemmern angewendet werden. Bei einem Therapiewechsel ist ein zeitlicher Sicherheitsabstand zu beachten. Wegen der Gefahr unerwünschter Herzwirkungen, wie Arrhythmien und Erregungsleitungsstörungen, ist die gleichzeitige Anwendung von Amitriptylin mit Arzneimitteln, die, wie beispielsweise Cisaprid, die QT-Zeit verlängern, kontraindiziert.

Sonstige Schäden des Herz-Kreislaufsystems, Hyperthyreose, eingeschränkte Leberfunktion, Epilepsie, unbehandeltes Engwinkelglaukom, Harnverhalt, Prostatahyperplasie und paranoide oder prädelirante Zustandsbilder gelten, wie auch der Einsatz bei Patienten unter 18 Jahren, als relative Anwendungsbeschränkungen.

Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit

Zur Anwendung von Amitriptylin in der Schwangerschaft liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor. Tierversuche lassen vermuten, dass es möglicherweise zu Schädigungen des Fötus kommen kann. Amitriptylin sollte in der Schwangerschaft nur verwendet werden, wenn es unbedingt erforderlich ist.

Wirkung auf die Fahrtüchtigkeit und auf das Bedienen von Maschinen

Amitriptylin wirkt sedierend und kann damit einen ausgeprägten Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben und auf die Fähigkeit, Maschinen zu bedienen. Dies gilt in besonderem Maße bei Behandlungsbeginn, bei Präparatewechsel sowie im Zusammenwirken mit anderen zentral wirkenden Arzneimitteln (Schmerzmittel, Schlafmittel, Psychopharmaka) sowie bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol. Daher sollten das Führen von Fahrzeugen, die Bedienung von Maschinen oder sonstige gefahrvolle Tätigkeiten insbesondere während der ersten Tage der Behandlung unterlassen werden. Die Entscheidung ist im Einzelfall durch den behandelnden Arzt unter Berücksichtigung der individuellen Dosierung und der jeweiligen Reaktion zu treffen.

Toxikologie

In vitro blockiert Amitriptylin exprimierte hERG-Kanäle in mikromolaren Konzentrationen, die im oberen Bereich therapeutischer Plasmakonzentrationen liegen. Diese Kanäle sind für die Repolarisation im Herzen verantwortlich. Daher hat Amitriptylin das Potenzial, bestimmte Formen von Kammerherzrhythmusstörungen (Torsades de pointes) auszulösen.

Das genotoxische Potential von Amitriptylinhydrochlorid wurde in verschiedenen in vitro und in vivo Testsystemen untersucht. Obwohl die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich sind, kann ein genotoxisches Potential, insbesondere im Hinblick auf mögliche Schädigungen von Chromosomen, nicht ausgeschlossen werden. Langzeituntersuchungen auf ein tumorerzeugendes Potenzial wurden nicht durchgeführt.

In Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität wurden nach sehr hohen Dosen bei verschiedenen Tierspezies fetotoxische und teratogene Effekte beobachtet. Von anderen Antidepressiva liegen Hinweise auf Verhaltensstörungen der pränatal exponierten Nachkommen im Tierexperiment vor. Für Amitriptylin sind keine entsprechenden Angaben bekannt.

Handelsnamen

Monopräparate
Saroten (D, A, CH), Amineurin (D), Syneudon (D), Tryptizol (D), zahlreiche Generika (D)
weitere Handelsnamen: Elavil (weltweit), Laroxyl (weltweit), Endep (AUS, CDN, NZ, ZA)
Kombinationspräparate
Limbatril (D), Limbitrol (CH): Amitriptylin + Chlordiazepoxid (In den 1970er und 1980er Jahren eines der beliebtesten Psychopharmaka)

Es wird als Tablette, Dragée oder Lösung oral eingenommen, kann aber auch als Injektionslösung i. m. oder i. v. appliziert werden.