Parästhesie

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Klassifikation nach ICD-10
R20.2 Parästhesie der Haut
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine Parästhesie (altgriechisch παραίσθησις par-aisthesis, deutsch ‚neben, daran vorbei‘-Wahrnehmung) ist eine krankhafte Empfindung im Versorgungsgebiet eines Hautnervs ohne erkennbare adäquate physikalische Reize. Sie wird von den Betroffenen meist als Kribbeln, „Ameisenlaufen“, Pelzigkeit, Taubsein, Prickeln, Jucken, Schwellungsgefühl und Kälte- oder Wärmeempfindung beschrieben. Wahrscheinlich beruhen Parästhesien auf Schädigungen der nicht-myelinisierten Endaufzweigungen sensibler Nervenfasern und dadurch bedingten spontanen Entladungen, sie können jedoch auch durch die Schädigung sensibler Bahnen des Zentralnervensystems verursacht werden. Die Berührungsempfindung der Haut (z. B. geprüft mit einer Feder) kann in dem betroffenen Gebiet durchaus normal sein.

Demgegenüber entstehen elektrisierende Missempfindungen (Sensibilitätsstörungen) durch Reizung eines Nervenstamms. Störungen der vegetativen Fasern können sich als schmerzhaft brennendes Gefühl (Kausalgie) äußern. Ein gemindertes Gefühl bei Berührung der Haut, von den Betroffenen oft als Taubheit empfunden, wird als Hypästhesie bezeichnet. Eine fehlende Berührungsempfindung nennt man Anästhesie.

Parästhesien können als Nebenfolgen akuter Vergiftungen und – dauerhafter – auch bei Zuckerkrankheit oder Alkoholsucht im Rahmen von Polyneuropathien („Mehrfach-Nerven-Erkrankungen“) auftreten.

  • Schmerzhaft-brennend als Kausalgien treten Parästhesien vor allem bei akuten bis subakuten Durchblutungsstörungen der Nerven auf, z. B. bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit und Arteriosklerose.
  • Unangenehm elektrisierend und weit fortleitend stellen sie sich oft bei direkter Nervenreizung dar, etwa flüchtig im Rahmen einer Lumbalpunktion, vorübergehend bei Plexusanästhesierung und elektrischen Muskeluntersuchungen (z. B. Elektromyografie), ggf. länger andauernd oder wiederkehrend bei unvollständigen Nervendurchtrennungen im peripheren Nervensystem oder plötzlich einsetzend als eine Ischialgie bei größeren Bandscheibenvorfällen.

Ferner können sie als Nebenwirkung von Medikamenten wie Venlafaxin, Buspiron, Buprenorphin, Mirtazapin, Oxaliplatin, Topiramat oder Paroxetin und anderen Serotonin-Wiederaufnahmehemmern vorkommen. Sie können sich auch psychogen als Symptome bei einer Panikattacke einstellen.

Insbesondere leichte Parästhesien können auch ohne ersichtlichen Grund auftreten und haben in der Regel nichts zu bedeuten.

Parästhesie
Andere NamenParästhesie
Aussprache
  • /ˌpærɪsˈθziə, -ʒə/
FachgebietNeurologie

Parästhesie ist eine abnorme Empfindung der Haut (Kribbeln, Stechen, Frösteln, Brennen, Taubheit) ohne erkennbare körperliche Ursache. Parästhesien können vorübergehend oder chronisch sein und eine von Dutzenden möglichen Ursachen haben. Parästhesien sind in der Regel schmerzlos und können überall am Körper auftreten, am häufigsten jedoch in den Armen und Beinen.

Die bekannteste Form der Parästhesie ist das als "Kribbeln" bekannte Gefühl nach dem "Einschlafen" einer Gliedmaße. Eine weniger bekannte und seltenere Parästhesie ist die Ameisenlaufen, das Gefühl, dass Insekten auf der Haut krabbeln.

Ursachen

Vorübergehend

Parästhesien an Händen, Füßen, Beinen und Armen sind häufig vorübergehende Symptome. Die kürzeste Form der Parästhesie, die durch einen Stromschlag ausgelöst werden kann, ist das Zwicken des Nervus ulnaris in der Nähe des Ellenbogens; dieses Phänomen wird umgangssprachlich als Stoßen des "Musikantenknochens" bezeichnet. Ähnliche kurze Schocks können auch bei der Einklemmung eines anderen Nervs auftreten (z. B. kann ein eingeklemmter Halsnerv eine kurze schockartige Parästhesie in Richtung Kopfhaut verursachen). In der älteren Altersgruppe können Unregelmäßigkeiten der Wirbelsäule das Rückenmark kurzzeitig zwicken, wenn der Kopf oder der Rücken gedreht, gebeugt oder in kurze, ungewöhnliche Positionen gestreckt wird (Lhermitte-Zeichen).

Die häufigste alltägliche Ursache ist eine vorübergehende Beeinträchtigung der Nervenimpulse in einem Nervenbereich, die häufig durch das Anlehnen oder Aufstützen von Körperteilen wie den Beinen verursacht wird (oft gefolgt von einem kribbelnden Gefühl). Andere Ursachen sind Erkrankungen wie das Hyperventilationssyndrom und Panikattacken. Einem Fieberbläschen außerhalb des Mundes (nicht einem Lippenbläschen im Mund) kann ein Kribbeln vorausgehen, das auf die Aktivität des verursachenden Herpes-simplex-Virus zurückzuführen ist. Auch das Varizella-Zoster-Virus (Gürtelrose) kann wiederkehrende Schmerzen und Kribbeln in der Haut oder im Gewebe entlang des Verteilungsweges dieses Nervs verursachen (am häufigsten in der Haut entlang eines Dermatoms, aber manchmal auch in Form von Kopfschmerzen, Brust- oder Bauchschmerzen oder Schmerzen im Beckenbereich).

Andere häufige Beispiele treten auf, wenn anhaltender Druck auf einen Nerv ausgeübt wird, der dessen Funktion hemmt oder stimuliert. Die Beseitigung des Drucks führt in der Regel zu einer allmählichen Linderung dieser Parästhesien. Die meisten druckbedingten Parästhesien sind auf eine ungünstige Körperhaltung zurückzuführen, z. B. auf langes Sitzen im Schneidersitz.

Eine reaktive Hyperämie, die auftritt, wenn der Blutfluss nach einer Ischämieperiode wiederhergestellt ist, kann mit Parästhesien einhergehen, z. B. wenn sich Patienten mit Raynaud-Krankheit nach einem Kälteeinbruch wieder aufwärmen.

Chronische

Chronische Parästhesien (Berger-Parästhesie, Sinagesie oder Bernhardt-Parästhesie) weisen entweder auf ein Problem mit der Funktion der Neuronen oder auf eine schlechte Durchblutung hin.

Bei älteren Menschen ist die Parästhesie oft das Ergebnis einer schlechten Durchblutung der Gliedmaßen (z. B. bei peripheren Gefäßerkrankungen), die meist durch Atherosklerose verursacht wird, d. h. durch die Ansammlung von Plaque in den Arterienwänden über Jahrzehnte hinweg, mit eventuellen Plaquerissen, internen Gerinnseln über den Rissen und anschließender Abheilung der Gerinnsel, die jedoch eine Verengung oder einen Verschluss der Arterienöffnungen lokal und/oder in den nachgelagerten kleineren Ästen zurücklassen. Ohne eine ausreichende Versorgung mit Blut und Nährstoffen können die Nervenzellen keine Signale mehr an das Gehirn senden. Aus diesem Grund kann Parästhesie auch ein Symptom für Vitaminmangel oder andere Unterernährung sowie für Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Hypothyreose oder Hypoparathyreoidismus sein. Es kann auch ein Symptom für eine Quecksilbervergiftung sein.

Eine Reizung des Nervs kann auch durch eine Entzündung des Gewebes hervorgerufen werden. Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis und das Karpaltunnelsyndrom sind häufige Ursachen für Parästhesien. Nerven unterhalb des Kopfes können bei chronischen Nacken- und Wirbelsäulenproblemen zusammengedrückt werden und unter anderem durch Muskelkrämpfe verursacht werden, die eine Folge von klinischer Angst oder übermäßigem psychischen Stress, Knochenerkrankungen, schlechter Körperhaltung, unsicheren Praktiken beim Heben schwerer Lasten oder physischen Traumata wie Schleudertrauma sein können. Parästhesien können auch einfach durch Druck auf einen Nerv verursacht werden, indem die Gliedmaße über längere Zeit mit Gewicht (oder Druck) belastet wird.

Eine weitere Ursache für Parästhesien kann eine direkte Schädigung der Nerven selbst sein, d. h. eine Neuropathie, die ihrerseits auf eine Verletzung, z. B. eine Erfrierung, oder eine Infektion, z. B. eine Borreliose, zurückzuführen ist oder auf eine bestehende neurologische Erkrankung hinweisen kann. Neuropathie ist auch eine Nebenwirkung einiger Chemotherapien, wie z.B. im Fall der chemotherapie-induzierten peripheren Neuropathie. Der Entzug von Benzodiazepinen kann ebenfalls Parästhesien verursachen, da die GABA-Rezeptoren durch den Entzug des Medikaments entblößt und möglicherweise missgebildet werden. Chronische Parästhesien können manchmal Symptome für schwerwiegende Erkrankungen sein, wie z. B. eine transitorische ischämische Attacke oder Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose, komplexes regionales Schmerzsyndrom oder Lupus erythematosus. Auch die Einnahme von Fluorchinolonen kann zu Parästhesien führen. Bei Überlebenden eines Schlaganfalls oder eines Schädel-Hirn-Traumas können aufgrund einer Schädigung des zentralen Nervensystems Parästhesien auftreten.

Die Varizella-Zoster-Viruserkrankung (Gürtelrose) kann die Nerven angreifen und anstelle der mit der Gürtelrose verbundenen Schmerzen Taubheitsgefühle verursachen.

Akroparästhesie

Akroparästhesie ist ein starker Schmerz in den Extremitäten, der durch Morbus Fabry, eine Form der Sphingolipidose, verursacht werden kann.

Sie können auch ein Zeichen für eine Hypokalzämie sein.

Zahnmedizin

Zahnärztliche Parästhesie ist ein Gefühlsverlust, der durch die Verabreichung eines Anästhetikums im Ober- oder Unterkiefer vor einer zahnärztlichen Behandlung verursacht wird.

Mögliche Ursachen sind eine Verletzung der Nervenscheide während der Verabreichung der Injektion, Blutungen um die Scheide herum, die Verwendung von Anästhetika mit höheren Nebenwirkungen oder die Verabreichung von Anästhetika, die mit Alkohol oder Sterilisationslösungen verunreinigt sind.

Andere

Andere Ursachen können sein:

  • Autonome sensorische Meridianreaktion ("ASMR")
  • Karpaltunnelsyndrom
  • zerebrale Amyloid-Angiopathie
  • Chiari-Fehlbildung
  • Zöliakie (Zöliakie)
  • Komplexes regionales Schmerzsyndrom
  • Dekompressionskrankheit
  • Dehydrierung
  • Erythromelalgie
  • Fabry-Krankheit
  • Fibromyalgie
  • Fluorchinolon-Toxizität
  • Guillain-Barré-Syndrom (GBS)
  • Schwermetalle
  • Herpes zoster
  • Hydroxy-Alpha-Sanshool, ein Bestandteil von Sichuan-Paprika
  • Hyperglykämie (hoher Blutzucker)
  • Hyperkaliämie
  • Hyperventilation
  • Hypokalzämie, und damit:
    • Hypermagnesiämie, ein Zustand, bei dem die Hypokalzämie selbst typischerweise als sekundäres Symptom beobachtet wird
  • Hypoglykämie (Unterzuckerung)
  • Hypothyreose
  • Immunschwäche, wie z. B. die chronisch entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)
  • Intravenöse Verabreichung von starken, auf das zentrale Nervensystem (ZNS) wirkenden Arzneimitteln, hauptsächlich Opiate, Opioide oder andere Narkotika, insbesondere bei nichtmedizinischem Gebrauch (Drogenmissbrauch)
  • Lupus erythematodes
  • Lyme-Borreliose
  • Magnesiummangel, oft als Folge einer Langzeiteinnahme von Protonenpumpenhemmern
  • Megavitamin-B6-Syndrom
  • Menopause
  • Quecksilber-Vergiftung
  • Migräne
  • Multiple Sklerose
  • Nervenkompressions-Syndrom
  • Obdormition
  • Sauerstofftoxizität, insbesondere beim Einatmen von Sauerstoff unter Druck, wie z. B. beim Sporttauchen
  • Pyrethrum oder Pyrethroid-Pestizide
  • Tollwut
  • Strahlenvergiftung
  • Sarkoidose
  • Skorpionstiche
  • Bandscheibenvorfall oder -verletzung
  • Spinale Stenose
  • Brennnesseln
  • Syringomyelie
  • Transversale Myelitis
  • Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (auch bekannt als "Rinderwahnsinn")
  • Vitamin-B5-Mangel
  • Vitamin-B12-Mangel
  • Entzug von bestimmten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (auch bekannt als serotoninspezifische Wiederaufnahmehemmer oder SSRI) wie Paroxetin oder Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) wie Venlafaxin

Medikamente

  • Antikonvulsiva, wie Topiramat, Sultiame oder Acetazolamid
  • Benzodiazepin-Entzugssyndrom
  • Beta-Alanin
  • Dextromethorphan (für den Freizeitgebrauch)
  • Ketorolac
  • Lidocain-Vergiftung
  • Lomotil
  • Distickstoffoxid, Langzeitexposition
  • Ritonavir

Diagnostik

Eine Nervenleitfähigkeitsuntersuchung liefert in der Regel nützliche Informationen für die Diagnosestellung. Eine MRT- oder CT-Untersuchung wird manchmal durchgeführt, um bestimmte Ursachen auszuschließen, die auf Probleme des zentralen Nervensystems zurückzuführen sind.

Behandlung

Zu den angebotenen Medikamenten gehören das Immunsuppressivum Prednison, intravenöses Gammaglobulin (IVIG), krampflösende Mittel wie Gabapentin oder Gabitril oder antivirale Medikamente, je nach der zugrunde liegenden Ursache.

Zusätzlich zur Behandlung der Grunderkrankung kann die Palliativmedizin die Verwendung von betäubenden Cremes wie Lidocain oder Prilocain umfassen. Auch Ketamin wurde bereits erfolgreich eingesetzt, ist aber in der Regel nicht von der Krankenkasse genehmigt. Es muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nur die notwendige Menge aufgetragen wird, da ein Übermaß zu diesen Zuständen beitragen kann. Ansonsten bieten diese Produkte im Allgemeinen eine äußerst wirksame, aber nur kurz anhaltende Linderung dieser Beschwerden.

Bei Parästhesien, die durch einen Schlaganfall verursacht wurden, können hohe Dosen von Baclofen, die mehrmals täglich verabreicht werden, eine gewisse vorübergehende Wirkung haben. HIV-Patienten, die sich selbst mit Cannabis behandeln, berichten, dass ihre Symptome dadurch gelindert werden.

Durch Gürtelrose verursachte Parästhesien werden mit geeigneten antiviralen Medikamenten behandelt.

Etymologie

Das Wort Parästhesie (/ˌpærɪsˈθziə, -ʒə/; britisches Englisch paraesthesia; Plural paraesthesiae /-zii/ oder paraesthesias) stammt vom griechischen para ("neben", d. h. abnormal) und aisthesia ("Empfindung").