Rassentheorie

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Eine Rasse ist eine Kategorisierung von Menschen auf der Grundlage gemeinsamer physischer oder sozialer Eigenschaften in Gruppen, die innerhalb einer bestimmten Gesellschaft im Allgemeinen als unterschiedlich angesehen werden. Der Begriff wurde zunächst zur Bezeichnung von Sprechern einer gemeinsamen Sprache und später zur Bezeichnung von nationalen Zugehörigkeiten verwendet. Ab dem 17. Jahrhundert bezog sich der Begriff auch auf physische (phänotypische) Merkmale. Die moderne Wissenschaft betrachtet die Rasse als ein soziales Konstrukt, eine Identität, die auf der Grundlage gesellschaftlicher Regeln zugewiesen wird. Obwohl sie teilweise auf physischen Ähnlichkeiten innerhalb von Gruppen beruht, hat Rasse keine inhärente physische oder biologische Bedeutung. Das Konzept der Rasse ist die Grundlage für den Rassismus, d. h. die Überzeugung, dass Menschen aufgrund der Überlegenheit einer Rasse gegenüber einer anderen unterteilt werden können.

Die gesellschaftlichen Vorstellungen und Gruppierungen von Rassen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, wobei oft volkstümliche Taxonomien verwendet wurden, die wesentliche Typen von Individuen auf der Grundlage von wahrgenommenen Merkmalen definierten. Heute halten Wissenschaftler einen solchen biologischen Essentialismus für überholt und raten im Allgemeinen von rassischen Erklärungen für kollektive Unterscheidungen sowohl bei körperlichen als auch bei Verhaltensmerkmalen ab.

Obwohl in der Wissenschaft weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass essentialistische und typologische Konzepte der Rasse unhaltbar sind, verwenden Wissenschaftler in aller Welt nach wie vor sehr unterschiedliche Konzepte der Rasse. Während einige Forscher das Konzept der Rasse weiterhin verwenden, um Unterscheidungen zwischen unscharfen Gruppen von Merkmalen oder beobachtbaren Unterschieden im Verhalten zu treffen, behaupten andere in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, dass die Idee der Rasse von Natur aus naiv oder vereinfachend ist. Wieder andere argumentieren, dass die Rasse unter den Menschen keine taxonomische Bedeutung hat, da alle lebenden Menschen zur gleichen Unterart, dem Homo sapiens sapiens, gehören.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Assoziation von Rasse mit den diskreditierten Theorien des wissenschaftlichen Rassismus dazu beigetragen, dass Rasse zunehmend als ein weitgehend pseudowissenschaftliches Klassifizierungssystem angesehen wird. Obwohl der Begriff "Rasse" noch immer in allgemeinen Zusammenhängen verwendet wird, wurde er häufig durch weniger zweideutige und belastete Begriffe ersetzt: Populationen, Menschen, ethnische Gruppen oder Gemeinschaften, je nach Kontext.

Eine für das 19. Jahrhundert typische systematische Einteilung der Menschen in Rassen (nach Karl Ernst von Baer, 1862)

Rassentheorien (zusammenfassend auch als Rassenkunde oder Rassenlehre bezeichnet) sind Theorien, welche die Menschheit in verschiedene Rassen einteilen. Sie waren vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert sehr einflussreich, gelten aber heute als überholt und wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Die Rassen wurden primär aufgrund äußerlicher (phänotypischer) Merkmale wie Hautfarbe, Behaarung oder Schädelform typologisch unterschieden, häufig wurden aber auch zusätzliche Unterschiede im Charakter und den Fähigkeiten entsprechender Individuen angenommen bzw. behauptet.

In verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Milieus und zu verschiedenen Zeiten erfuhr die Bezeichnung „Rasse“ jeweils unterschiedliche Verwendungen bei Versuchen zur Gruppierung oder Klassifizierung des Menschen. In der Anthropologie wurde Rasse vom späten 17. Jahrhundert bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts als Bezeichnung zur Klassifizierung von Menschen verwendet, seit dem 19. Jahrhundert vielfach synonym mit Volk. Daneben entstanden auch in der Ethnologie und der Soziologie sowie als Rassenbiologie in der Biologie auf den Menschen bezogene Rassekonzepte.

Derartige Untergliederungen der Menschheit waren zum Teil nur neutrale Versuche einer Klassifizierung, zum Teil waren sie aber auch mit Wertungen verbunden, indem man angeblich höher- und minderwertige Menschenrassen unterschied (Rassismus) und Zusammenhänge zwischen rassisch bedingten Eigenschaften und der Kulturentwicklung behauptete.

In der Biologie wird die Art Homo sapiens heute weder in Rassen noch in Unterarten unterteilt. Molekularbiologische und populationsgenetische Forschungen seit den 1970er Jahren haben gezeigt, dass eine systematische Unterteilung der Menschen in Unterarten ihrer enormen Vielfalt und den fließenden Übergängen zwischen geographischen Populationen nicht gerecht wird. Zudem wurde herausgefunden, dass die augenfälligen phänotypischen Unterscheidungsmerkmale der Rassentheorien nur von sehr wenigen Genen verursacht werden, der größte Teil genetischer Unterschiede beim Menschen stattdessen innerhalb einer sogenannten „Rasse“ zu finden ist. Überdies ist etwa die Hautfarbe evolutionär ein sehr labiles Merkmal, das heißt, sie hat sich bei Wanderungsbewegungen menschlicher Populationen über verschiedene Breitengrade hinweg in relativ kurzer Zeit verändert. Dies liegt daran, dass die Hautfarbe unter starkem Selektionsdruck steht. So gehen Anthropologen heute davon aus, dass die ersten nach Europa eingewanderten modernen Menschen (Cro-Magnon-Mensch) dunkelhäutig waren. Erst in den letzten 5.000 Jahren hellte sich die Hautfarbe der Europäer auf, vermutlich durch Anpassung an die durch Europas geringe Sonnenstrahlung erschwerte körpereigene Herstellung von Vitamin D und durch Wahl der Sexualpartner nach veränderten Schönheitsidealen.

Die Einteilung des Menschen in biologische Rassen entspricht damit nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Dennoch wird der Begriff bisweilen in der biomedizinischen Forschung und im offiziellen Sprachgebrauch in manchen Ländern (etwa in den USA und in Lateinamerika) nach wie vor verwendet. Dabei wird das Wort race nicht in einem biologischen Sinn, sondern als soziale Kategorie verwendet, die sich weitgehend auf eine Selbsteinschätzung der betroffenen Personen stützt.

Definition von Rasse

In der modernen Wissenschaft werden Rassenkategorien als sozial konstruiert angesehen, d. h. Rasse ist kein Wesensmerkmal des Menschen, sondern eher eine Identität, die oft von sozial dominanten Gruppen geschaffen wird, um in einem sozialen Kontext Bedeutung zu erlangen. Unterschiedliche Kulturen definieren unterschiedliche Rassengruppen, die sich oft auf die größten Gruppen von sozialer Relevanz konzentrieren, und diese Definitionen können sich im Laufe der Zeit ändern.

  • In Südafrika wurden im Bevölkerungsregistrierungsgesetz von 1950 nur Weiße, Schwarze und Farbige anerkannt, später kamen noch Inder hinzu.
  • Die Regierung von Myanmar erkennt acht "große nationale ethnische Rassen" an.
  • Bei der brasilianischen Volkszählung werden die Menschen in brancos (Weiße), pardos (Mischlinge), pretos (Schwarze), amarelos (Asiaten) und indigene Völker eingeteilt (siehe Rasse und ethnische Zugehörigkeit in Brasilien), obwohl viele Menschen andere Begriffe verwenden, um sich selbst zu identifizieren.
  • Das United States Census Bureau schlug vor, eine neue Kategorie zur Klassifizierung von Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika bei der Volkszählung 2020 einzuführen, zog diese Pläne jedoch wieder zurück, da umstritten war, ob diese Klassifizierung als weiße Ethnizität oder als eigene Rasse betrachtet werden sollte.
  • Rechtliche Definitionen des Weiß-Seins in den Vereinigten Staaten, die vor der Bürgerrechtsbewegung verwendet wurden, wurden oft für bestimmte Gruppen in Frage gestellt.
  • Historische Rassenkonzepte haben eine Vielzahl von Schemata zur Einteilung lokaler oder weltweiter Bevölkerungen in Rassen und Unterrassen umfasst.

Die Festlegung von Rassengrenzen beinhaltet häufig die Unterwerfung von Gruppen, die als rassisch minderwertig definiert werden, wie bei der "One-Drop-Regel", die im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten angewandt wurde, um Personen mit einem gewissen Anteil afrikanischer Abstammung von der als "weiß" definierten dominanten Rassengruppe auszuschließen. Solche rassischen Identitäten spiegeln die kulturellen Einstellungen der imperialen Mächte wider, die im Zeitalter der europäischen kolonialen Expansion dominierten. Diese Sichtweise lehnt die Vorstellung ab, dass Rasse biologisch definiert ist.

Dem Genetiker David Reich zufolge "mag die Rasse zwar ein soziales Konstrukt sein, aber Unterschiede in der genetischen Abstammung, die zufällig mit vielen der heutigen Rassenkonstrukte korrelieren, sind real". Als Antwort auf Reich schrieb eine Gruppe von 67 Wissenschaftlern aus einem breiten Spektrum von Disziplinen, dass sein Konzept der Rasse "fehlerhaft" sei, da "die Bedeutung und Wichtigkeit der Gruppen durch soziale Interventionen erzeugt wird".

Obwohl Gemeinsamkeiten bei körperlichen Merkmalen wie Gesichtszügen, Hautfarbe und Haarbeschaffenheit Teil des Rassenkonzepts sind, handelt es sich bei dieser Verbindung eher um eine soziale Unterscheidung als um eine inhärent biologische. Andere Dimensionen rassischer Gruppierungen sind gemeinsame Geschichte, Traditionen und Sprache. So wird beispielsweise afroamerikanisches Englisch von vielen Afroamerikanern gesprochen, insbesondere in Gebieten der Vereinigten Staaten, in denen Rassentrennung herrscht. Darüber hinaus bezeichnen sich Menschen oft aus politischen Gründen als Angehörige einer bestimmten Rasse.

Wenn Menschen eine bestimmte Vorstellung von Rasse definieren und darüber sprechen, schaffen sie eine soziale Realität, durch die eine soziale Kategorisierung erreicht wird. In diesem Sinne werden Rassen als soziale Konstrukte bezeichnet. Diese Konstrukte entwickeln sich innerhalb verschiedener rechtlicher, wirtschaftlicher und soziopolitischer Kontexte und können eher die Folge als die Ursache wichtiger sozialer Situationen sein. Obwohl die Rasse von vielen als soziales Konstrukt verstanden wird, sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass die Rasse durch institutionalisierte Praktiken der Bevorzugung und Diskriminierung reale materielle Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat.

Sozioökonomische Faktoren haben in Verbindung mit frühen, aber anhaltenden Auffassungen von Rasse zu erheblichem Leid innerhalb benachteiligter rassischer Gruppen geführt. Rassendiskriminierung geht oft mit rassistischen Denkweisen einher, wobei die Individuen und Ideologien einer Gruppe die Mitglieder einer Außengruppe als rassisch definiert und moralisch minderwertig ansehen. Infolgedessen sehen sich rassische Gruppen, die über relativ wenig Macht verfügen, oft ausgeschlossen oder unterdrückt, während hegemoniale Personen und Institutionen rassistischer Haltungen bezichtigt werden. Rassismus hat zu vielen Tragödien geführt, darunter Sklaverei und Völkermord.

In einigen Ländern verwenden die Strafverfolgungsbehörden die Rasse, um Profile von Verdächtigen zu erstellen. Diese Verwendung von Rassekategorien wird häufig kritisiert, weil sie ein veraltetes Verständnis der menschlichen biologischen Unterschiede aufrechterhält und Stereotypen fördert. Da in einigen Gesellschaften rassische Gruppierungen eng mit Mustern der sozialen Schichtung übereinstimmen, kann die Rasse für Sozialwissenschaftler, die soziale Ungleichheit untersuchen, eine wichtige Variable sein. Als soziologische Faktoren können rassische Kategorien zum Teil subjektive Zuschreibungen, Selbstidentitäten und soziale Institutionen widerspiegeln.

In der Wissenschaft wird weiterhin darüber diskutiert, inwieweit rassische Kategorien biologisch begründet und sozial konstruiert sind. So plädierte John Hartigan, Jr. 2008 für eine Sichtweise der Rasse, die sich in erster Linie auf die Kultur konzentriert, ohne jedoch die potenzielle Relevanz der Biologie oder Genetik außer Acht zu lassen. Dementsprechend variieren die Rassenparadigmen, die in verschiedenen Disziplinen verwendet werden, in ihrer Betonung der biologischen Reduktion im Gegensatz zur gesellschaftlichen Konstruktion.

In den Sozialwissenschaften untersuchen theoretische Rahmenwerke wie die Theorie der Rassenbildung und die kritische Rassentheorie die Auswirkungen von Rasse als soziale Konstruktion, indem sie untersuchen, wie die Bilder, Ideen und Annahmen von Rasse im Alltag zum Ausdruck kommen. Ein großer Teil der Wissenschaft hat die Beziehungen zwischen der historischen, sozialen Produktion von Rasse in der Rechts- und Strafsprache und deren Auswirkungen auf die polizeiliche Überwachung und unverhältnismäßige Inhaftierung bestimmter Gruppen nachgezeichnet.

Historische Ursprünge der Rassenklassifizierung

Die "drei großen Rassen" nach Meyers Konversations-Lexikon von 1885-90. Die Untertypen sind:
  • Mongoloide Rasse, dargestellt in Gelb- und Orangetönen
  • Kaukasoide Rasse, in hell- und mittelgrauen, frühlingshaft grün-cyanfarbenen Tönen
  • Negroide Rasse, in Brauntönen
  • Draviden und Singhalesen, in olivgrün und ihre Klassifizierung wird als unsicher beschrieben
Die mongoloide Rasse ist geografisch am weitesten verbreitet und umfasst ganz Amerika, Nord-, Ost- und Südostasien sowie die gesamte bewohnte Arktis, während sie den größten Teil Zentralasiens und der pazifischen Inseln ausmacht.

Menschengruppen haben sich schon immer von benachbarten Gruppen unterschieden, aber diese Unterschiede wurden nicht immer als natürlich, unveränderlich und global angesehen. Diese Merkmale kennzeichnen die heutige Verwendung des Begriffs "Rasse". So entstand die Idee der Rasse, wie wir sie heute verstehen, im Zuge des historischen Prozesses der Erforschung und Eroberung, der die Europäer mit Gruppen aus verschiedenen Kontinenten in Kontakt brachte, und der Ideologie der Klassifizierung und Typologie in den Naturwissenschaften. Ab dem 19. Jahrhundert wurde der Begriff Rasse häufig in einem allgemeinen biologisch-taxonomischen Sinne verwendet, um genetisch differenzierte, durch den Phänotyp definierte menschliche Populationen zu bezeichnen.

Das moderne Konzept der Rasse entstand als Produkt der kolonialen Unternehmungen der europäischen Mächte vom 16. bis 18. Jahrhundert, die Rasse anhand von Hautfarbe und körperlichen Unterschieden definierten. Diese Art der Klassifizierung wäre für die Menschen in der Antike verwirrend gewesen, da sie sich gegenseitig nicht auf diese Art und Weise kategorisierten. Der erkenntnistheoretische Moment, in dem das moderne Konzept der Rasse erfunden und rationalisiert wurde, liegt irgendwo zwischen 1730 und 1790.

Kolonialismus

Smedley und Marks zufolge entstand das europäische Konzept der "Rasse" zusammen mit vielen der Ideen, die heute mit dem Begriff verbunden sind, zur Zeit der wissenschaftlichen Revolution, die das Studium natürlicher Arten einführte und privilegierte, und im Zeitalter des europäischen Imperialismus und der Kolonisierung, die politische Beziehungen zwischen Europäern und Völkern mit unterschiedlichen kulturellen und politischen Traditionen schufen. Als die Europäer auf Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt trafen, spekulierten sie über die physischen, sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen menschlichen Gruppen. Das Aufkommen des atlantischen Sklavenhandels, der den früheren Handel mit Sklaven aus der ganzen Welt allmählich verdrängte, schuf einen weiteren Anreiz, menschliche Gruppen zu kategorisieren, um die Unterordnung der afrikanischen Sklaven zu rechtfertigen.

Unter Rückgriff auf Quellen aus der klassischen Antike und auf ihre eigenen internen Interaktionen - beispielsweise beeinflusste die Feindseligkeit zwischen Engländern und Iren das frühe europäische Denken über die Unterschiede zwischen den Menschen stark - begannen die Europäer, sich selbst und andere aufgrund ihres Aussehens in Gruppen einzuteilen und den Angehörigen dieser Gruppen Verhaltensweisen und Fähigkeiten zuzuschreiben, die angeblich tief verwurzelt waren. Es setzte sich ein Volksglaube durch, der die vererbten körperlichen Unterschiede zwischen Gruppen mit vererbten intellektuellen, verhaltensmäßigen und moralischen Qualitäten in Verbindung brachte. Ähnliche Vorstellungen finden sich auch in anderen Kulturen, z. B. in China, wo ein Konzept, das häufig mit "Rasse" übersetzt wird, mit einer angeblichen gemeinsamen Abstammung vom Gelben Kaiser in Verbindung gebracht und zur Betonung der Einheit der ethnischen Gruppen in China verwendet wurde. Brutale Konflikte zwischen ethnischen Gruppen gab es im Laufe der Geschichte und überall auf der Welt.

Frühe taxonomische Modelle

Die erste nach griechisch-römischer Zeit veröffentlichte Klassifizierung der Menschen in verschiedene Rassen scheint François Berniers Nouvelle division de la terre par les différents espèces ou races qui l'habitent ("Neue Einteilung der Erde nach den verschiedenen Arten oder Rassen, die sie bewohnen") aus dem Jahr 1684 zu sein. Im 18. Jahrhundert rückten die Unterschiede zwischen den Menschengruppen in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung. Die wissenschaftliche Klassifizierung der phänotypischen Variation war jedoch häufig mit rassistischen Vorstellungen über die angeborenen Veranlagungen der verschiedenen Gruppen verbunden, wobei die wünschenswertesten Merkmale stets der weißen, europäischen Rasse zugeschrieben wurden und die anderen Rassen entlang eines Kontinuums von zunehmend unerwünschten Eigenschaften eingeordnet wurden. In der Klassifizierung von Carl Linnaeus, dem Erfinder der zoologischen Taxonomie, aus dem Jahr 1735 wird die menschliche Spezies Homo sapiens in die kontinentalen Varietäten europaeus, asiaticus, americanus und afer eingeteilt, die jeweils mit einem anderen Gemütszustand in Verbindung gebracht werden: sanguinisch, melancholisch, cholerisch bzw. phlegmatisch. Der Homo sapiens europaeus wurde als aktiv, scharfsinnig und abenteuerlustig beschrieben, während der Homo sapiens afer als listig, faul und unvorsichtig galt.

Johann Friedrich Blumenbach schlug in seiner 1775 erschienenen Abhandlung "Die natürlichen Varietäten der Menschheit" fünf große Unterteilungen vor: die kaukasische Rasse, die mongoloide Rasse, die äthiopische Rasse (später als negroid bezeichnet), die indianische Rasse und die malaiische Rasse, schlug jedoch keine Hierarchie zwischen den Rassen vor. Blumenbach stellte auch den abgestuften Übergang im Aussehen von einer Gruppe zur nächsten fest und meinte, dass "eine Varietät der Menschheit so sinnvoll in die andere übergeht, dass man die Grenzen zwischen ihnen nicht abstecken kann".

Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert führte die Verschmelzung von Volksglauben über Gruppenunterschiede mit wissenschaftlichen Erklärungen für diese Unterschiede zu dem, was Smedley als "Rassenideologie" bezeichnet hat. Dieser Ideologie zufolge sind Rassen ursprünglich, natürlich, beständig und unterschiedlich. Es wurde weiter argumentiert, dass einige Gruppen das Ergebnis einer Vermischung zwischen ehemals unterschiedlichen Populationen sein könnten, dass aber eine sorgfältige Untersuchung die angestammten Rassen, die sich zu gemischten Gruppen zusammengeschlossen hatten, unterscheiden könne. Nachfolgende einflussreiche Klassifizierungen von Georges Buffon, Petrus Camper und Christoph Meiners stuften alle "Neger" als den Europäern unterlegen ein. In den Vereinigten Staaten waren die Rassentheorien von Thomas Jefferson einflussreich. Er betrachtete Afrikaner als den Weißen unterlegen, vor allem in Bezug auf ihren Intellekt, und mit unnatürlichen sexuellen Begierden ausgestattet, bezeichnete aber die amerikanischen Ureinwohner als den Weißen gleichgestellt.

Polygenismus vs. Monogenismus

In den letzten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts wurde in England von dem Historiker Edward Long und dem Anatomen Charles White, in Deutschland von den Ethnographen Christoph Meiners und Georg Forster und in Frankreich von Julien-Joseph Virey die Theorie des Polygenismus vertreten, die davon ausging, dass sich die verschiedenen Rassen auf den einzelnen Kontinenten getrennt voneinander entwickelt hatten und keinen gemeinsamen Vorfahren besaßen. In den USA wurde diese Theorie Mitte des 19. Jahrhunderts von Samuel George Morton, Josiah Nott und Louis Agassiz vertreten. Der Polygenismus war im 19. Jahrhundert populär und am weitesten verbreitet und gipfelte in der Gründung der Anthropological Society of London (1863), die sich in der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs von der Ethnological Society of London und ihrer monogenen Haltung trennte, wobei die Unterschiede vor allem in der so genannten "Negerfrage" lagen: die erstere vertrat eine stark rassistische, die letztere eine liberalere Sichtweise der Rasse.

Moderne Gelehrsamkeit

Modelle der menschlichen Evolution

Heute werden alle Menschen der Gattung Homo sapiens zugeordnet. Dies ist jedoch nicht die erste Art der Homininae: Die erste Art der Gattung Homo, Homo habilis, entwickelte sich vor mindestens 2 Millionen Jahren in Ostafrika, und Mitglieder dieser Art besiedelten in relativ kurzer Zeit verschiedene Teile Afrikas. Der Homo erectus entwickelte sich vor mehr als 1,8 Millionen Jahren und hatte sich bis vor 1,5 Millionen Jahren über ganz Europa und Asien verbreitet. Praktisch alle Anthropologen sind sich einig, dass sich der archaische Homo sapiens (eine Gruppe, die die möglichen Arten H. heidelbergensis, H. rhodesiensis und H. neanderthalensis umfasst) aus dem afrikanischen Homo erectus (sensu lato) oder Homo ergaster entwickelt hat. Anthropologen vertreten die Auffassung, dass sich der anatomisch moderne Mensch (Homo sapiens) in Nord- oder Ostafrika aus einer archaischen Menschenart wie H. heidelbergensis entwickelte und dann aus Afrika auswanderte, wobei er sich mit Populationen von H. heidelbergensis und H. neanderthalensis in ganz Europa und Asien sowie mit Populationen von H. rhodesiensis in Afrika südlich der Sahara vermischte und diese verdrängte (eine Kombination aus den Modellen Out of Africa und Multiregional).

Biologische Klassifizierung

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lehrten viele Anthropologen, dass die Rasse ein rein biologisches Phänomen sei und dass dies für das Verhalten und die Identität eines Menschen ausschlaggebend sei - eine Position, die gemeinhin als Rassenessenzialismus bezeichnet wird. Zusammen mit der Überzeugung, dass sprachliche, kulturelle und soziale Gruppen grundsätzlich entlang rassischer Linien existieren, bildete dies die Grundlage dessen, was heute als wissenschaftlicher Rassismus bezeichnet wird. Nach dem Eugenikprogramm der Nazis und dem Aufkommen der antikolonialen Bewegungen verlor der Rassenessenzialismus an Popularität. Neue Kulturstudien und die aufkommende Populationsgenetik untergruben den wissenschaftlichen Stellenwert des Rassenessenzialismus und veranlassten die Rassenanthropologen, ihre Schlussfolgerungen über die Quellen der phänotypischen Variation zu revidieren. Eine beträchtliche Anzahl moderner Anthropologen und Biologen im Westen betrachtete die Rasse als eine ungültige genetische oder biologische Bezeichnung.

Die ersten, die das Konzept der Rasse aus empirischen Gründen in Frage stellten, waren die Anthropologen Franz Boas, der Beweise für die phänotypische Plastizität aufgrund von Umweltfaktoren lieferte, und Ashley Montagu, der sich auf Beweise aus der Genetik stützte. E. O. Wilson stellte das Konzept dann aus der Perspektive der allgemeinen Tiersystematik in Frage und wies die Behauptung zurück, dass "Rassen" mit "Unterarten" gleichzusetzen seien.

Die genetische Variation beim Menschen ist überwiegend innerhalb von Rassen, kontinuierlich und komplex strukturiert, was mit dem Konzept der genetischen menschlichen Rassen unvereinbar ist. So der biologische Anthropologe Jonathan Marks,

In den 1970er Jahren war klar geworden, dass (1) die meisten menschlichen Unterschiede kulturell bedingt waren; (2) das, was nicht kulturell bedingt war, hauptsächlich polymorph war - d. h. in verschiedenen Gruppen von Menschen mit unterschiedlicher Häufigkeit vorkam; (3) das, was nicht kulturell oder polymorph war, hauptsächlich klinal war - d. h. über die Geographie hinweg allmählich variabel; und (4) das, was übrig blieb - die Komponente der menschlichen Vielfalt, die nicht kulturell, polymorph oder klinal war - sehr klein war.

In der Folge entwickelte sich unter Anthropologen und Genetikern ein Konsens darüber, dass die Rasse, wie sie die vorherige Generation kannte - als weitgehend diskrete, geografisch getrennte Genpools - nicht existierte.

Unterarten

Der Begriff Rasse wird in der Biologie mit Vorsicht verwendet, da er zweideutig sein kann. Wenn er verwendet wird, ist er im Allgemeinen ein Synonym für Subspezies. (Bei Tieren ist die einzige taxonomische Einheit unterhalb der Art gewöhnlich die Unterart; in der Botanik gibt es engere infraspezifische Ränge, und die Rasse entspricht keinem von ihnen direkt). Traditionell werden Unterarten als geografisch isolierte und genetisch differenzierte Populationen betrachtet. Studien zur genetischen Variation beim Menschen zeigen, dass menschliche Populationen nicht geografisch isoliert sind und ihre genetischen Unterschiede weitaus geringer sind als die zwischen vergleichbaren Unterarten.

1978 schlug Sewall Wright vor, dass menschliche Populationen, die seit langem in getrennten Teilen der Welt leben, im Allgemeinen als verschiedene Unterarten betrachtet werden sollten, da die meisten Individuen solcher Populationen bei einer Inspektion korrekt zugeordnet werden können. Wright argumentierte: "Es bedarf keines ausgebildeten Anthropologen, um eine Reihe von Engländern, Westafrikanern und Chinesen mit 100-prozentiger Genauigkeit nach Merkmalen, Hautfarbe und Haartyp zu klassifizieren, obwohl die Variabilität innerhalb jeder dieser Gruppen so groß ist, dass jedes Individuum leicht von jedem anderen unterschieden werden kann." In der Praxis werden Unterarten zwar oft anhand des leicht zu beobachtenden Aussehens definiert, aber die beobachteten Unterschiede haben nicht unbedingt eine evolutionäre Bedeutung, so dass diese Form der Klassifizierung für Evolutionsbiologen weniger akzeptabel geworden ist. Ebenso wird dieser typologische Ansatz für Rassen von Biologen und Anthropologen allgemein als diskreditiert angesehen.

Ancestral differenzierte Populationen (Kladen)

Im Jahr 2000 schlug der Philosoph Robin Andreasen vor, dass die Kladistik dazu verwendet werden könnte, menschliche Rassen biologisch zu kategorisieren, und dass Rassen sowohl biologisch real als auch sozial konstruiert sein können. Andreasen zitierte Baumdiagramme der relativen genetischen Abstände zwischen Populationen, die von Luigi Cavalli-Sforza als Grundlage für einen phylogenetischen Baum menschlicher Rassen veröffentlicht wurden (S. 661). Der biologische Anthropologe Jonathan Marks (2008) entgegnete, dass Andreasen die genetische Literatur falsch interpretiert habe: "Diese Bäume sind phänetisch (basierend auf Ähnlichkeit) und nicht kladistisch (basierend auf monophyletischer Abstammung, d. h. von einer Reihe einzigartiger Vorfahren)". Der Evolutionsbiologe Alan Templeton (2013) argumentierte, dass mehrere Beweislinien die Idee einer phylogenetischen Baumstruktur für die menschliche genetische Vielfalt widerlegen und das Vorhandensein von Genfluss zwischen Populationen bestätigen. Marks, Templeton und Cavalli-Sforza kommen alle zu dem Schluss, dass die Genetik keine Beweise für menschliche Rassen liefert.

Zuvor hatten auch die Anthropologen Lieberman und Jackson (1995) die Verwendung der Kladistik zur Unterstützung von Rassenkonzepten kritisiert. Sie argumentierten, dass "die molekularen und biochemischen Befürworter dieses Modells bei ihrer anfänglichen Gruppierung von Proben ausdrücklich rassische Kategorien verwenden". So werden zum Beispiel die großen und sehr unterschiedlichen makroethnischen Gruppen der Ostindier, Nordafrikaner und Europäer vor der Analyse ihrer DNA-Variationen vermutlich als Kaukasier eingestuft. Sie argumentierten, dass diese a priori vorgenommene Gruppierung die Interpretationen einschränkt und verzerrt, andere Abstammungsbeziehungen verschleiert, die Auswirkungen unmittelbarer klinaler Umweltfaktoren auf die genomische Vielfalt vernachlässigt und unser Verständnis der wahren Verwandtschaftsmuster trüben kann.

2015 analysierten Keith Hunley, Graciela Cabana und Jeffrey Long die Stichprobe des Human Genome Diversity Project mit 1.037 Individuen in 52 Populationen und kamen zu dem Ergebnis, dass die Vielfalt in nicht-afrikanischen Populationen das Ergebnis eines seriellen Gründereffekts ist, Einige afrikanische Populationen sind gleichermaßen mit anderen afrikanischen Populationen und mit nicht-afrikanischen Populationen verwandt", und außerhalb Afrikas sind regionale Gruppierungen von Populationen ineinander verschachtelt, und viele von ihnen sind nicht monophyletisch. " Frühere Forschungen hatten auch ergeben, dass es immer einen beträchtlichen Genfluss zwischen menschlichen Populationen gegeben hat, was bedeutet, dass menschliche Bevölkerungsgruppen nicht monophyletisch sind. Rachel Caspari hat argumentiert, dass keine der Gruppen, die derzeit als Rassen angesehen werden, monophyletisch sind und daher per Definition keine dieser Gruppen eine Klade sein kann.

Kladen

Eine entscheidende Neuerung bei der Neukonzeption der genotypischen und phänotypischen Variation war die Beobachtung des Anthropologen C. Loring Brace, dass solche Variationen, sofern sie durch natürliche Selektion, langsame Migration oder genetische Drift beeinflusst werden, entlang geografischer Abstufungen oder Klüfte verteilt sind. In Bezug auf die Hautfarbe in Europa und Afrika schreibt Brace zum Beispiel:

Bis heute verläuft die Abstufung der Hautfarbe unmerklich von Europa nach Süden um das östliche Ende des Mittelmeers herum und den Nil hinauf nach Afrika. Von einem Ende dieses Spektrums zum anderen gibt es keinen Hinweis auf eine Grenze der Hautfarbe, und doch reicht das Spektrum vom hellsten Punkt der Welt am nördlichen Rand bis zum dunkelsten Punkt, der für Menschen am Äquator möglich ist.

Dies ist zum Teil auf die Isolation durch Entfernung zurückzuführen. Dieser Punkt machte auf ein Problem aufmerksam, das bei phänotypbasierten Beschreibungen von Rassen (z. B. auf der Grundlage von Haarstruktur und Hautfarbe) häufig auftritt: Sie ignorieren eine Vielzahl anderer Ähnlichkeiten und Unterschiede (z. B. die Blutgruppe), die nicht in hohem Maße mit den Markern für Rassen korrelieren. So kam der Anthropologe Frank Livingstone zu dem Schluss, dass es keine Rassen, sondern nur Rassen gibt, da die Rassengrenzen überschritten werden.

In einer Antwort auf Livingstone argumentierte Theodore Dobzhansky, dass man, wenn man über Rasse spricht, darauf achten muss, wie der Begriff verwendet wird: "Ich stimme Dr. Livingstone zu, dass es keine Rassen gibt, wenn Rassen 'diskrete Einheiten' sein müssen, und wenn 'Rasse' als 'Erklärung' für die menschliche Variabilität verwendet wird und nicht umgekehrt, dann ist die Erklärung ungültig." Er argumentierte weiter, dass man den Begriff Rasse verwenden könne, wenn man zwischen "Rassenunterschieden" und "dem Rassenkonzept" unterscheide. Ersteres beziehe sich auf jeden Unterschied in den Genfrequenzen zwischen Populationen, letzteres sei "eine Frage der Beurteilung". Er stellte ferner fest, dass selbst bei klinaler Variation "Rassenunterschiede objektiv feststellbare biologische Phänomene sind ... aber daraus folgt nicht, dass rassisch unterschiedliche Populationen mit rassischen (oder subspezifischen) Bezeichnungen versehen werden müssen." Kurz gesagt, Livingstone und Dobzhansky stimmen darin überein, dass es genetische Unterschiede zwischen Menschen gibt; sie stimmen auch darin überein, dass die Verwendung des Rassenkonzepts zur Klassifizierung von Menschen und die Art und Weise, wie das Rassenkonzept verwendet wird, eine Frage der gesellschaftlichen Konvention ist. Sie sind sich nicht einig darüber, ob das Rassenkonzept weiterhin eine sinnvolle und nützliche soziale Konvention ist.

Hautfarbe (oben) und Blutgruppe B (unten) sind nicht übereinstimmende Merkmale, da ihre geografische Verteilung nicht ähnlich ist.

Im Jahr 1964 wiesen die Biologen Paul Ehrlich und Holm auf Fälle hin, in denen zwei oder mehr Clines nicht übereinstimmend verteilt sind - zum Beispiel ist Melanin vom Äquator aus nach Norden und Süden hin abnehmend verteilt; die Häufigkeit des Haplotyps für Beta-S-Hämoglobin hingegen strahlt von bestimmten geografischen Punkten in Afrika aus. Wie die Anthropologen Leonard Lieberman und Fatimah Linda Jackson feststellten, "verfälschen uneinheitliche Heterogenitätsmuster jede Beschreibung einer Population, als ob sie genotypisch oder sogar phänotypisch homogen wäre".

Muster, wie sie bei der oben beschriebenen körperlichen und genetischen Variation des Menschen zu beobachten sind, haben dazu geführt, dass die Anzahl und geografische Lage der beschriebenen Rassen in hohem Maße von der Bedeutung und der Menge der betrachteten Merkmale abhängt. Eine hautaufhellende Mutation, die schätzungsweise vor 20.000 bis 50.000 Jahren auftrat, ist teilweise für das Auftreten heller Haut bei Menschen verantwortlich, die von Afrika aus nach Norden in das heutige Europa einwanderten. Die Ostasiaten verdanken ihre relativ helle Haut anderen Mutationen. Je mehr Merkmale (oder Allele) berücksichtigt werden, desto mehr Unterteilungen der Menschheit lassen sich feststellen, da die Merkmale und Genfrequenzen nicht immer mit demselben geografischen Standort übereinstimmen. Oder wie Ossorio & Duster (2005) es ausdrücken:

Anthropologen haben schon vor langer Zeit entdeckt, dass die körperlichen Merkmale der Menschen allmählich variieren, wobei Gruppen, die geografisch eng beieinander liegen, sich ähnlicher sind als Gruppen, die geografisch voneinander getrennt sind. Dieses Variationsmuster, das als klinale Variation bezeichnet wird, ist auch bei vielen Allelen zu beobachten, die von einer Menschengruppe zur anderen variieren. Eine weitere Beobachtung ist, dass Merkmale oder Allele, die von einer Gruppe zur anderen variieren, nicht in gleichem Maße variieren. Dieses Muster wird als nicht übereinstimmende Variation bezeichnet. Da die Variation physischer Merkmale klinal und nicht konkordant ist, entdeckten die Anthropologen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dass je mehr Merkmale und je mehr menschliche Gruppen sie maßen, desto weniger diskrete Unterschiede zwischen den Rassen beobachtet wurden und desto mehr Kategorien zur Klassifizierung der Menschen geschaffen werden mussten. Die Zahl der beobachteten Rassen nahm in den 1930er und 1950er Jahren zu, und schließlich kamen die Anthropologen zu dem Schluss, dass es keine eigenständigen Rassen gibt. Die biomedizinischen Forscher des 20. und 21. Jahrhunderts haben dasselbe Merkmal entdeckt, als sie die menschliche Variation auf der Ebene der Allele und Allelhäufigkeiten untersuchten. Die Natur hat nicht vier oder fünf verschiedene, sich nicht überschneidende genetische Gruppen von Menschen geschaffen.

Genetisch differenzierte Populationen

Eine andere Möglichkeit, die Unterschiede zwischen Populationen zu betrachten, besteht darin, die genetischen Unterschiede und nicht die physischen Unterschiede zwischen den Gruppen zu messen. Der Anthropologe William C. Boyd aus der Mitte des 20. Jahrhunderts definierte Rasse als: "Eine Population, die sich in Bezug auf die Häufigkeit eines oder mehrerer Gene, die sie besitzt, signifikant von anderen Populationen unterscheidet. Es ist eine willkürliche Angelegenheit, welche und wie viele Genorte wir als eine signifikante 'Konstellation' betrachten". Leonard Lieberman und Rodney Kirk haben darauf hingewiesen, dass "die größte Schwäche dieser Aussage darin besteht, dass, wenn ein einziges Gen Rassen unterscheiden kann, die Zahl der Rassen so groß ist wie die Zahl der sich fortpflanzenden menschlichen Paare." Darüber hinaus hat der Anthropologe Stephen Molnar darauf hingewiesen, dass die Uneinigkeit der Rassen unweigerlich zu einer Vervielfachung der Rassen führt, die das Konzept selbst unbrauchbar macht. Im Humangenomprojekt heißt es: "Menschen, die seit vielen Generationen in derselben geografischen Region leben, können einige Allele gemeinsam haben, aber kein Allel wird bei allen Mitgliedern einer Population und bei keinem Mitglied einer anderen zu finden sein." Massimo Pigliucci und Jonathan Kaplan argumentieren, dass es menschliche Rassen gibt und dass sie der genetischen Klassifizierung von Ökotypen entsprechen, dass aber die realen menschlichen Rassen nicht sehr viel, wenn überhaupt, mit den volkstümlichen Rassenkategorien übereinstimmen. Im Gegensatz dazu überprüften Walsh & Yun 2011 die Literatur und berichteten: "Genetische Studien, die nur sehr wenige chromosomale Loci verwenden, zeigen, dass genetische Polymorphismen menschliche Populationen mit fast 100-prozentiger Genauigkeit in Cluster unterteilen und dass diese den traditionellen anthropologischen Kategorien entsprechen."

Einige Biologen argumentieren, dass rassische Kategorien mit biologischen Merkmalen (z. B. dem Phänotyp) korrelieren und dass bestimmte genetische Marker unterschiedliche Häufigkeiten in menschlichen Populationen aufweisen, von denen einige mehr oder weniger den traditionellen rassischen Gruppierungen entsprechen.

Verteilung der genetischen Variation

Die Verteilung genetischer Varianten innerhalb und zwischen menschlichen Populationen lässt sich aufgrund der Schwierigkeit, eine Population zu definieren, der klinalen Natur der Variation und der Heterogenität im gesamten Genom nicht in aller Kürze beschreiben (Long und Kittles 2003). Im Allgemeinen bestehen jedoch durchschnittlich 85 % der statistischen genetischen Variation innerhalb lokaler Populationen, ~ 7 % zwischen lokalen Populationen innerhalb desselben Kontinents und ~ 8 % der Variation zwischen großen Gruppen, die auf verschiedenen Kontinenten leben. Die jüngste Theorie über den afrikanischen Ursprung des Menschen würde vorhersagen, dass es in Afrika eine viel größere Vielfalt als anderswo gibt und dass die Vielfalt abnimmt, je weiter eine Population von Afrika entfernt ist. Daher ist die durchschnittliche Zahl von 85 % irreführend: Long und Kittles stellen fest, dass nicht 85 % der menschlichen genetischen Vielfalt in allen menschlichen Populationen vorhanden sind, sondern etwa 100 % der menschlichen Vielfalt in einer einzigen afrikanischen Population, während nur etwa 60 % der menschlichen genetischen Vielfalt in der am wenigsten vielfältigen Population vorhanden ist, die sie untersucht haben (die Surui, eine Population, die aus Neuguinea stammt). Eine statistische Analyse, die diesen Unterschied berücksichtigt, bestätigt frühere Erkenntnisse, wonach "westliche Rassenklassifikationen keine taxonomische Bedeutung haben".

Cluster-Analyse

Eine 2002 durchgeführte Studie über zufällige biallelische genetische Loci ergab wenig bis gar keine Hinweise darauf, dass die Menschen in verschiedene biologische Gruppen unterteilt sind.

In seinem 2003 veröffentlichten Artikel "Human Genetic Diversity: Lewontin's Fallacy" argumentierte A. W. F. Edwards, dass es möglich ist, ein menschliches Klassifizierungssystem auf der Grundlage von charakteristischen genetischen Mustern oder Clustern, die aus genetischen Multilocus-Daten abgeleitet werden, zu konstruieren, anstatt eine Locus-by-Locus-Analyse der Variation zur Ableitung einer Taxonomie zu verwenden. Geografische Humanstudien haben inzwischen gezeigt, dass solche genetischen Cluster aus der Analyse einer großen Anzahl von Loci abgeleitet werden können, die die untersuchten Individuen in Gruppen einteilen können, die den traditionellen kontinentalen Rassengruppen entsprechen. Joanna Mountain und Neil Risch gaben zu bedenken, dass genetische Cluster zwar eines Tages nachweislich phänotypischen Unterschieden zwischen Gruppen entsprechen könnten, solche Annahmen jedoch verfrüht seien, da die Beziehung zwischen Genen und komplexen Merkmalen nach wie vor schlecht verstanden werde. Risch bestritt jedoch, dass solche Einschränkungen die Analyse unbrauchbar machen: "Vielleicht ist die Verwendung des tatsächlichen Geburtsjahrs einer Person keine sehr gute Methode zur Messung des Alters. Heißt das, dass wir es verwerfen sollten? ... Jede Kategorie, die man sich ausdenkt, wird unvollkommen sein, aber das schließt nicht aus, dass man sie verwendet oder dass sie nützlich ist."

Frühe Studien zur genetischen Clusteranalyse beim Menschen wurden mit Proben durchgeführt, die von angestammten Bevölkerungsgruppen stammen, die in extremer geografischer Entfernung voneinander leben. Man ging davon aus, dass solch große geografische Entfernungen die genetische Variation zwischen den in der Analyse untersuchten Gruppen maximieren und somit die Wahrscheinlichkeit maximieren würden, für jede Gruppe einzigartige Clustermuster zu finden. Angesichts der in jüngster Zeit zu beobachtenden Beschleunigung der menschlichen Migration (und dementsprechend auch des menschlichen Genflusses) auf globaler Ebene wurden weitere Studien durchgeführt, um zu beurteilen, inwieweit die genetische Clusteranalyse Muster für Gruppen mit identischen Vorfahren sowie für geografisch getrennte Gruppen erkennen kann. Eine dieser Studien untersuchte eine große multiethnische Bevölkerung in den Vereinigten Staaten und "entdeckte nur eine bescheidene genetische Differenzierung zwischen verschiedenen aktuellen geografischen Standorten innerhalb jeder Rasse/ethnischen Gruppe. Somit ist die alte geografische Abstammung, die in hohem Maße mit der selbst identifizierten Rasse/Ethnie korreliert - im Gegensatz zum aktuellen Wohnsitz - die wichtigste Determinante der genetischen Struktur in der US-Bevölkerung".

Witherspoon et al. (2007) haben argumentiert, dass es selbst dann, wenn Individuen zuverlässig bestimmten Bevölkerungsgruppen zugeordnet werden können, immer noch möglich ist, dass zwei zufällig ausgewählte Individuen aus verschiedenen Populationen/Clustern einander ähnlicher sind als einem zufällig ausgewählten Mitglied ihres eigenen Clusters. Sie fanden heraus, dass viele Tausend genetische Marker verwendet werden müssen, damit die Antwort auf die Frage "Wie oft ist ein Paar von Individuen aus einer Population genetisch unähnlicher als zwei Individuen aus zwei verschiedenen Populationen?" "nie" lautet. Dabei wurde von drei Bevölkerungsgruppen ausgegangen, die durch große geografische Entfernungen voneinander getrennt sind (Europa, Afrika und Ostasien). Die gesamte Weltbevölkerung ist sehr viel komplexer, und die Untersuchung einer zunehmenden Anzahl von Gruppen würde eine steigende Anzahl von Markern für dieselbe Antwort erfordern. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass "bei der Verwendung geografischer oder genetischer Abstammung, um Rückschlüsse auf individuelle Phänotypen zu ziehen, Vorsicht geboten ist". Witherspoon et al. schlussfolgerten: "Die Tatsache, dass Individuen bei einer ausreichenden Anzahl genetischer Daten korrekt ihren Herkunftspopulationen zugeordnet werden können, ist mit der Beobachtung vereinbar, dass die meiste menschliche genetische Variation innerhalb von Populationen und nicht zwischen ihnen zu finden ist. Sie ist auch mit unserer Feststellung vereinbar, dass selbst bei der Betrachtung der am stärksten ausgeprägten Populationen und der Verwendung von Hunderten von Loci Individuen häufig mehr Ähnlichkeit mit Mitgliedern anderer Populationen haben als mit Mitgliedern ihrer eigenen Population."

Anthropologen wie C. Loring Brace, die Philosophen Jonathan Kaplan und Rasmus Winther sowie der Genetiker Joseph Graves haben argumentiert, dass es zwar durchaus möglich ist, biologische und genetische Variationen zu finden, die in etwa den Gruppierungen entsprechen, die normalerweise als "kontinentale Rassen" definiert werden, dass dies aber für fast alle geografisch unterschiedlichen Populationen gilt. Die Clusterstruktur der genetischen Daten hängt also von den Ausgangshypothesen des Forschers und den beprobten Populationen ab. Wenn man kontinentale Gruppen beprobt, werden die Cluster kontinental; hätte man andere Stichprobenmuster gewählt, wäre die Clusterbildung anders. Weiss und Fullerton haben festgestellt, dass sich bei einer Beprobung nur von Isländern, Mayas und Maoris drei verschiedene Cluster bilden würden und alle anderen Populationen als klinisch zusammengesetzt aus Mischungen von Maori-, isländischem und Maya-Genmaterial beschrieben werden könnten. Kaplan und Winther argumentieren daher, dass, so gesehen, sowohl Lewontin als auch Edwards mit ihren Argumenten Recht haben. Sie kommen zu dem Schluss, dass rassische Gruppen zwar durch unterschiedliche Allelhäufigkeiten gekennzeichnet sind, dies aber nicht bedeutet, dass die Klassifizierung nach Rassen eine natürliche Taxonomie der menschlichen Spezies darstellt, da in menschlichen Populationen zahlreiche andere genetische Muster zu finden sind, die rassische Unterscheidungen überschneiden. Außerdem ist anhand der genomischen Daten nicht klar, ob man Unterteilungen (d. h. Spalter) oder ein Kontinuum (d. h. Klumpen) sehen möchte. Nach Ansicht von Kaplan und Winther sind rassische Gruppierungen objektive soziale Konstruktionen (siehe Mills 1998), die nur insofern eine konventionelle biologische Realität haben, als die Kategorien aus pragmatischen wissenschaftlichen Gründen gewählt und konstruiert werden. In früheren Arbeiten hatte Winther "Diversity Partitioning" und "Clustering Analysis" als zwei getrennte Methoden mit unterschiedlichen Fragen, Annahmen und Protokollen bezeichnet. Beide werden auch mit gegensätzlichen ontologischen Konsequenzen in Bezug auf die Metaphysik der Rasse in Verbindung gebracht. Die Philosophin Lisa Gannett hat argumentiert, dass die biogeografische Abstammung, ein von Mark Shriver und Tony Frudakis entwickeltes Konzept, kein objektives Maß für die biologischen Aspekte der Rasse ist, wie Shriver und Frudakis es behaupten. Sie argumentiert, dass es sich in Wirklichkeit nur um eine "lokale Kategorie handelt, die durch den US-amerikanischen Kontext ihrer Entstehung geprägt ist, insbesondere durch das forensische Ziel, die Rasse oder ethnische Zugehörigkeit eines unbekannten Verdächtigen anhand der am Tatort gefundenen DNA vorhersagen zu können."

Linien und Cluster in der genetischen Variation

Serre & Pääbo (2004) argumentierten, dass die genetische Variation in den Populationen der Vorfahren selbst in Regionen, die zuvor als rassisch homogen galten, gleichmäßig und clinal ist, wobei sich die scheinbaren Lücken als Artefakte der Probenahmeverfahren herausstellten. Rosenberg et al. (2005) bestritten dies und legten eine Analyse des Human Genetic Diversity Panel vor, aus der hervorging, dass es kleine Diskontinuitäten in der glatten genetischen Variation der Vorfahrenpopulationen an geografischen Barrieren wie der Sahara, den Ozeanen und dem Himalaya gab. Nichtsdestotrotz erklärten Rosenberg et al. (2005), dass ihre Ergebnisse "nicht als Beweis für unsere Unterstützung eines bestimmten Konzepts der biologischen Rasse angesehen werden sollten... Genetische Unterschiede zwischen menschlichen Populationen ergeben sich hauptsächlich aus Abstufungen der Allelhäufigkeiten und nicht aus charakteristischen 'diagnostischen' Genotypen". Anhand einer Stichprobe von 40 Populationen, die ungefähr gleichmäßig über die Landoberfläche der Erde verteilt sind, fanden Xing & et al. (2010, S. 208) heraus, dass "die genetische Vielfalt in einem klischeren Muster verteilt ist, wenn mehr geografisch dazwischen liegende Populationen beprobt werden."

Guido Barbujani hat geschrieben, dass die menschliche genetische Variation im Allgemeinen kontinuierlich in Gradienten über einen Großteil der Erde verteilt ist und dass es keine Beweise dafür gibt, dass genetische Grenzen zwischen menschlichen Populationen existieren, wie es für die Existenz menschlicher Rassen notwendig wäre.

Im Laufe der Zeit hat die menschliche genetische Variation eine verschachtelte Struktur gebildet, die mit dem Konzept von Rassen, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben, unvereinbar ist.

Soziale Konstruktionen

Während Anthropologen und andere Evolutionswissenschaftler von der Sprache der Rasse zum Begriff der Population übergegangen sind, um über genetische Unterschiede zu sprechen, haben Historiker, Kulturanthropologen und andere Sozialwissenschaftler den Begriff "Rasse" als eine kulturelle Kategorie oder Identität neu konzipiert, d. h. als eine von vielen möglichen Arten, wie eine Gesellschaft ihre Mitglieder in Kategorien einteilt.

Viele Sozialwissenschaftler haben das Wort "Rasse" durch das Wort "Ethnizität" ersetzt, um sich selbst identifizierende Gruppen zu bezeichnen, die auf Überzeugungen über gemeinsame Kultur, Abstammung und Geschichte beruhen. Neben den empirischen und konzeptionellen Problemen mit dem Begriff "Rasse" wurde den Evolutions- und Sozialwissenschaftlern nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich bewusst, wie der Glaube an die Rasse zur Rechtfertigung von Diskriminierung, Apartheid, Sklaverei und Völkermord benutzt worden war. Diese Hinterfragung gewann in den 1960er Jahren im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten und des Aufkommens zahlreicher antikolonialer Bewegungen weltweit an Dynamik. Sie gelangten so zu der Überzeugung, dass die Rasse selbst ein soziales Konstrukt ist, ein Konzept, von dem man glaubte, es entspreche einer objektiven Realität, an das man aber aufgrund seiner sozialen Funktionen glaubte.

Craig Venter und Francis Collins vom National Institute of Health gaben im Jahr 2000 gemeinsam die Kartierung des menschlichen Genoms bekannt. Bei der Untersuchung der Daten aus der Genomkartierung stellte Venter fest, dass die genetische Variation innerhalb der menschlichen Spezies zwar in der Größenordnung von 1 bis 3 % liegt (statt der zuvor angenommenen 1 %), die Art der Variationen aber nicht die Vorstellung von genetisch definierten Rassen unterstützt. Venter sagte: "Rasse ist ein soziales Konzept. Es ist kein wissenschaftlicher Begriff. Es gibt keine klaren Linien (die sich abheben würden), wenn wir alle sequenzierten Genome aller Menschen auf dem Planeten vergleichen könnten." "Wenn wir versuchen, die Wissenschaft anzuwenden, um diese sozialen Unterschiede herauszufinden, fällt alles auseinander.

Der Anthropologe Stephan Palmié hat argumentiert, dass Rasse "keine Sache, sondern eine soziale Beziehung" ist; oder, in den Worten von Katya Gibel Mevorach, "ein Metonym", "eine menschliche Erfindung, deren Unterscheidungskriterien weder universell noch feststehend sind, sondern schon immer benutzt wurden, um Unterschiede zu verwalten". Daher muss die Verwendung des Begriffs "Rasse" selbst hinterfragt werden. Darüber hinaus argumentieren sie, dass die Biologie nicht erklären kann, warum oder wie Menschen den Begriff "Rasse" verwenden; nur die Geschichte und die sozialen Beziehungen können dies.

Imani Perry hat argumentiert, dass Rasse "durch soziale Arrangements und politische Entscheidungen hervorgebracht wird" und dass "Rasse eher etwas ist, das geschieht, als etwas, das ist. Sie ist dynamisch, aber sie enthält keine objektive Wahrheit". In ähnlicher Weise wird in Racial Culture: A Critique (2005) argumentiert Richard T. Ford, dass es zwar "keine notwendige Entsprechung zwischen der zugeschriebenen Rassenidentität und der eigenen Kultur oder dem persönlichen Selbstverständnis gibt" und dass "Gruppenunterschiede den Mitgliedern sozialer Gruppen nicht innewohnen, sondern vielmehr von den sozialen Praktiken der Gruppenidentifikation abhängen", dass aber die sozialen Praktiken der Identitätspolitik den Einzelnen dazu zwingen können, "vorgeschriebene rassische Skripte" zu befolgen.

Brasilien

Porträt "Redenção de Cam" (1895), das eine brasilianische Familie zeigt, die mit jeder Generation "weißer" wird.

Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts zeichnete sich das Brasilien des 20. Jahrhunderts durch eine relative Abwesenheit scharf definierter Rassengruppen aus. Dem Anthropologen Marvin Harris zufolge spiegelt dieses Muster eine andere Geschichte und andere soziale Beziehungen wider.

Die Rasse wurde in Brasilien "biologisiert", allerdings in einer Weise, die den Unterschied zwischen Abstammung (die den Genotyp bestimmt) und phänotypischen Unterschieden anerkannte. Dort wurde die Rassenidentität nicht wie in den Vereinigten Staaten durch starre Abstammungsregeln wie die One-Drop-Regel bestimmt. Ein brasilianisches Kind wurde nie automatisch mit der Rasse eines oder beider Elternteile identifiziert, und es gab auch nicht nur eine sehr begrenzte Anzahl von Kategorien, aus denen man wählen konnte, so dass Vollgeschwister zu verschiedenen Rassengruppen gehören können.

Selbst angegebene Abstammung von Personen aus
Rio de Janeiro, nach Rasse oder Hautfarbe (Umfrage 2000)
Abstammung brancos pardos negros
Nur Europäer 48% 6%
Nur Afrikaner 12% 25%
Nur Indianer 2%
Afrikaner und Europäer 23% 34% 31%
Amerindianer und Europäer 14% 6%
Afrikanisch und indianisch 4% 9%
Afrikaner, Amerindianer und Europäer 15% 36% 35%
Insgesamt 100% 100% 100%
Alle Afrikaner 38% 86% 100%

Mehr als ein Dutzend Rassenkategorien würden in Übereinstimmung mit allen möglichen Kombinationen von Haarfarbe, Haartextur, Augenfarbe und Hautfarbe anerkannt werden. Diese Typen gehen ineinander über wie die Farben des Spektrums, und keine einzige Kategorie steht signifikant isoliert von den anderen. Das heißt, die Rasse bezieht sich in erster Linie auf das Aussehen, nicht auf die Vererbung, und das Aussehen ist ein schlechter Indikator für die Abstammung, da nur wenige Gene für die Hautfarbe und die Merkmale einer Person verantwortlich sind: Eine Person, die als weiß gilt, kann mehr afrikanische Vorfahren haben als eine Person, die als schwarz gilt, und das Gegenteil kann auch für die europäische Abstammung gelten. Die Komplexität der Rassenklassifizierungen in Brasilien spiegelt das Ausmaß der genetischen Vermischung in der brasilianischen Gesellschaft wider, einer Gesellschaft, die nach wie vor stark, aber nicht strikt, nach Hautfarbe geschichtet ist. Diese sozioökonomischen Faktoren sind auch für die Grenzen der Rassengrenzen von Bedeutung, denn eine Minderheit von pardos oder braunen Menschen wird sich wahrscheinlich als weiß oder schwarz bezeichnen, wenn sie sozial aufsteigt, und als relativ "weißer" angesehen werden, wenn ihr wahrgenommener sozialer Status steigt (ähnlich wie in anderen Regionen Lateinamerikas).

Abgesehen von der Fluktuation der Rassenkategorien würde die oben erwähnte "Biologisierung" der Rasse in Brasilien ziemlich genau den heutigen Konzepten der Rasse in den Vereinigten Staaten entsprechen, wenn man davon ausgeht, dass die Brasilianer ihre Rasse als eine der drei IBGE-Volkszählungskategorien wählen, mit Ausnahme von Asiaten und Indigenen. Während assimilierte Amerindianer und Menschen mit einem sehr hohen Anteil amerindianischer Abstammung in der Regel als caboclos eingestuft werden, eine Untergruppe der pardos, die grob übersetzt sowohl Mestizen als auch Hinterwäldler bedeutet, wird bei Menschen mit einem geringeren Anteil amerindianischer Abstammung und einem höheren europäischen genetischen Anteil erwartet, dass sie als pardo eingestuft werden. In mehreren Gentests werden Personen mit weniger als 60-65 % europäischer und 5-10 % amerindianischer Abstammung in der Regel mit Afrobrasilianern (wie von den Individuen angegeben) oder 6,9 % der Bevölkerung gruppiert, und diejenigen mit etwa 45 % oder mehr Subsahara-Anteil tun dies meistens (im Durchschnitt wurde berichtet, dass afrobrasilianische DNA zu etwa 50 % aus Subsahara-Afrika, 37 % aus Europa und 13 % aus Amerindia besteht).

Ethnische Gruppen in Brasilien (Volkszählungsdaten)
Ethnische Gruppe weiß schwarz gemischtgeschlechtlich
1872 3,787,289 1,954,452 4,188,737
1940 26,171,778 6,035,869 8,744,365
1991 75,704,927 7,335,136 62,316,064
Ethnische Gruppen in Brasilien (1872 und 1890)
Jahre Weiße gemischtgeschlechtlich Schwarze Indianer Insgesamt
1872 38.1% 38.3% 19.7% 3.9% 100%
1890 44.0% 32.4% 14.6% 9% 100%

Wenn man eine konsistentere Darstellung der genetischen Gruppen in der Abstufung der genetischen Vermischung in Betracht zieht (z. B. würden Menschen mit einem ausgewogenen Anteil afrikanischer und nicht-afrikanischer Abstammung nicht in der schwarzen Gruppe statt in der gemischtrassigen Gruppe zusammengefasst, anders als in anderen Teilen Lateinamerikas, wo Menschen mit einem hohen Anteil afrikanischer Abstammung dazu neigen, sich selbst als gemischt einzustufen), würden sich in Brasilien mehr Menschen als weiß und pardo bezeichnen (47. 7 % bzw. 42,4 % der Bevölkerung (Stand 2010)), denn die Forschung geht davon aus, dass die Bevölkerung im Durchschnitt zwischen 65 und 80 % autosomaler europäischer Abstammung ist (auch >35 % europäische mt-DNA und >95 % europäische Y-DNA).

Von den letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs bis in die 1950er Jahre stieg der Anteil der weißen Bevölkerung deutlich an, während Brasilien zwischen 1821 und 1932 5,5 Millionen Einwanderer aufnahm, nicht viel weniger als sein Nachbar Argentinien mit 6,4 Millionen, und in seiner Kolonialgeschichte mehr europäische Einwanderer aufnahm als die Vereinigten Staaten. Zwischen 1500 und 1760 ließen sich 700.000 Europäer in Brasilien nieder, während sich im gleichen Zeitraum 530.000 Europäer in den Vereinigten Staaten niederließen. Bei der historischen Konstruktion von Rasse in der brasilianischen Gesellschaft ging es also in erster Linie um Abstufungen zwischen Personen mit mehrheitlich europäischer Abstammung und kleinen Minderheitengruppen, die in jüngerer Zeit in geringerem Umfang dazugehörten.

Europäische Union

Laut dem Rat der Europäischen Union:

Die Europäische Union lehnt Theorien ab, die versuchen, die Existenz getrennter menschlicher Rassen zu bestimmen.

- Richtlinie 2000/43/EG

Die Europäische Union verwendet die Begriffe "Rasse" und "ethnische Herkunft" in ihren Dokumenten synonym und erklärt, dass "die Verwendung des Begriffs 'Rasse' in dieser Richtlinie keine Akzeptanz solcher [Rassen-]Theorien impliziert". Haney López warnt davor, dass die Verwendung des Begriffs "Rasse" als Rechtskategorie dazu tendiert, ihre Existenz in der öffentlichen Vorstellung zu legitimieren. Im vielfältigen geografischen Kontext Europas finden ethnische Zugehörigkeit und ethnische Herkunft wohl mehr Resonanz und sind weniger mit dem ideologischen Ballast belastet, der mit "Rasse" verbunden ist. Im europäischen Kontext unterstreicht die historische Resonanz des Begriffs "Rasse" dessen problematischen Charakter. In einigen Staaten wird er stark mit Gesetzen in Verbindung gebracht, die von den nationalsozialistischen und faschistischen Regierungen in Europa in den 1930er und 1940er Jahren erlassen wurden. So hat das Europäische Parlament 1996 eine Entschließung angenommen, in der es heißt, dass der Begriff in allen offiziellen Texten vermieden werden sollte".

Das Konzept der rassischen Herkunft beruht auf der Vorstellung, dass Menschen in biologisch unterschiedliche "Rassen" eingeteilt werden können, eine Vorstellung, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft generell abgelehnt wird. Da alle Menschen der gleichen Spezies angehören, lehnt die ECRI (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz) Theorien ab, die auf der Existenz verschiedener "Rassen" beruhen. In ihrer Empfehlung verwendet die ECRI diesen Begriff jedoch, um sicherzustellen, dass Personen, die allgemein und fälschlicherweise als einer "anderen Rasse" zugehörig wahrgenommen werden, nicht vom Schutz durch die Gesetzgebung ausgeschlossen werden. Das Gesetz behauptet, die Existenz von "Rasse" abzulehnen, bestraft jedoch Situationen, in denen jemand aus diesem Grund weniger günstig behandelt wird.

Vereinigte Staaten

Die Einwanderer in die Vereinigten Staaten kamen aus allen Regionen Europas, Afrikas und Asiens. Sie vermischten sich untereinander und mit den einheimischen Bewohnern des Kontinents. In den Vereinigten Staaten haben die meisten Menschen, die sich selbst als Afroamerikaner bezeichnen, einige europäische Vorfahren, während viele Menschen, die sich als Europäer bezeichnen, einige afrikanische oder indianische Vorfahren haben.

Seit der frühen Geschichte der Vereinigten Staaten werden Indianer, Afroamerikaner und europäische Amerikaner als unterschiedliche Rassen eingestuft. Die Bemühungen, die Vermischung zwischen den Gruppen zu erfassen, führten zu einer Vielzahl von Kategorien, wie Mulatte und Octoroon. Die Kriterien für die Zugehörigkeit zu diesen Rassen gingen im späten 19. Jahrhundert auseinander. In der Zeit des Wiederaufbaus begannen immer mehr Amerikaner, jeden, der auch nur einen Tropfen "schwarzen Blutes" in sich trug, als Schwarzen zu betrachten, unabhängig von seinem Aussehen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde diese Auffassung in vielen Staaten gesetzlich verankert. Indianer werden nach wie vor durch einen bestimmten Prozentsatz "indianischen Blutes" (genannt Blutquantum) definiert. Um weiß zu sein, musste man als "rein" weißer Abstammung gelten. Die Ein-Tropfen-Regel oder Hypodeszenz-Regel bezieht sich auf die Konvention, eine Person als rassisch schwarz zu definieren, wenn sie bekannte afrikanische Vorfahren hat. Diese Regel bedeutete, dass Personen mit gemischter Rasse, aber mit erkennbarer afrikanischer Abstammung als schwarz definiert wurden. Die "One-Drop"-Regel gilt nicht nur für Menschen mit afrikanischen Vorfahren, sondern auch für die Vereinigten Staaten, was sie zu einer besonders afroamerikanischen Erfahrung macht.

Die seit 1790 in den Vereinigten Staaten durchgeführten zehnjährlichen Volkszählungen schufen einen Anreiz, rassische Kategorien festzulegen und die Menschen diesen Kategorien zuzuordnen.

Der Begriff "Hispanic" als Ethnonym entstand im 20. Jahrhundert mit der zunehmenden Migration von Arbeitskräften aus den spanischsprachigen Ländern Lateinamerikas in die Vereinigten Staaten. Heute wird das Wort "Latino" oft als Synonym für "Hispanic" verwendet. Die Definitionen beider Begriffe sind nicht rassenspezifisch und schließen Menschen ein, die sich selbst als Angehörige verschiedener Rassen betrachten (Schwarze, Weiße, Amerikaner, Asiaten und gemischte Gruppen). In den USA wird jedoch häufig fälschlicherweise angenommen, dass es sich bei Hispanic/Latino um eine Rasse handelt, oder manchmal sogar, dass nationale Abstammungen wie mexikanisch, kubanisch, kolumbianisch, salvadorianisch usw. Rassen sind. Im Gegensatz zu "Latino" oder "Hispanic" bezieht sich "Anglo" auf nicht-hispanische weiße Amerikaner oder nicht-hispanische europäische Amerikaner, von denen die meisten die englische Sprache sprechen, aber nicht unbedingt englischer Abstammung sind.

Ansichten verschiedener Disziplinen im Laufe der Zeit

Anthropologie

Das Konzept der Rassenklassifizierung in der physischen Anthropologie verlor in den 1960er Jahren an Glaubwürdigkeit und wird heute als unhaltbar angesehen. In einer Erklärung der American Association of Physical Anthropologists aus dem Jahr 2019 heißt es:

Die Rasse ist kein genaues Abbild der menschlichen biologischen Vielfalt. Sie war in der Vergangenheit nie zutreffend und bleibt auch bei der Betrachtung heutiger menschlicher Populationen unzutreffend. Die Menschen werden biologisch nicht in verschiedene kontinentale Typen oder rassische genetische Cluster eingeteilt. Stattdessen muss das westliche Konzept der Rasse als ein Klassifizierungssystem verstanden werden, das aus dem europäischen Kolonialismus, der Unterdrückung und Diskriminierung entstanden ist und diese unterstützt.

Wagner et al. (2017) befragten 3.286 amerikanische Anthropologen zu ihren Ansichten über Rasse und Genetik, darunter sowohl Kultur- als auch biologische Anthropologen. Sie fanden einen Konsens unter ihnen, dass es beim Menschen keine biologischen Rassen gibt, sondern dass Rasse insofern existiert, als die sozialen Erfahrungen von Mitgliedern verschiedener Rassen erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.

Wang, Štrkalj et al. (2003) untersuchten die Verwendung von Rasse als biologisches Konzept in Forschungsarbeiten, die in Chinas einziger Zeitschrift für biologische Anthropologie, Acta Anthropologica Sinica, veröffentlicht wurden. Die Studie zeigte, dass das Konzept der Rasse unter chinesischen Anthropologen weit verbreitet war. In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2007 vertrat Štrkalj die Ansicht, dass der krasse Gegensatz zwischen dem Rassenkonzept in den Vereinigten Staaten und in China darauf zurückzuführen ist, dass Rasse ein Faktor für den sozialen Zusammenhalt der ethnisch vielfältigen Bevölkerung Chinas ist, während "Rasse" in Amerika ein sehr sensibles Thema ist und das Rassenkonzept als Untergrabung des sozialen Zusammenhalts angesehen wird - mit dem Ergebnis, dass Wissenschaftler in den USA im soziopolitischen Kontext dazu angehalten werden, keine rassischen Kategorien zu verwenden, während sie in China dazu ermutigt werden, sie zu verwenden.

Lieberman et al. untersuchten in einer Studie aus dem Jahr 2004 die Akzeptanz des Konzepts Rasse unter Anthropologen in den Vereinigten Staaten, Kanada, den spanischsprachigen Gebieten, Europa, Russland und China. Die Ablehnung des Begriffs Rasse reichte von hoch bis niedrig, mit der höchsten Ablehnungsrate in den Vereinigten Staaten und Kanada, einer moderaten Ablehnungsrate in Europa und der niedrigsten Ablehnungsrate in Russland und China. Die in den berichteten Studien verwendeten Methoden umfassten Fragebögen und Inhaltsanalysen.

Kaszycka et al. (2009) befragten in den Jahren 2002-2003 europäische Anthropologen nach ihrer Meinung zum Konzept der biologischen Rasse. Drei Faktoren, das Land der akademischen Ausbildung, das Fachgebiet und das Alter, erwiesen sich als signifikant für die Differenzierung der Antworten. Die in Westeuropa ausgebildeten Anthropologen, die physischen Anthropologen und die Personen mittleren Alters lehnten das Konzept der Rasse häufiger ab als die in Osteuropa ausgebildeten Anthropologen, die Personen aus anderen Wissenschaftszweigen und die jüngeren und älteren Generationen". Die Umfrage zeigt, dass die Ansichten über Rasse gesellschaftspolitisch (ideologisch) beeinflusst und stark von der Bildung abhängig sind."

Vereinigte Staaten

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die physische Anthropologie in den Vereinigten Staaten von einem typologischen Verständnis der biologischen Vielfalt des Menschen hin zu einer genomischen und populationsbasierten Perspektive entwickelt. Anthropologen neigen dazu, Rasse als eine soziale Klassifizierung von Menschen auf der Grundlage von Phänotyp und Abstammung sowie von kulturellen Faktoren zu verstehen, wie das Konzept in den Sozialwissenschaften verstanden wird. Seit 1932 haben immer mehr Lehrbücher, die in die physische Anthropologie einführen, Rasse als gültiges Konzept abgelehnt: von 1932 bis 1976 lehnten nur sieben von zweiunddreißig Lehrbüchern Rasse ab; von 1975 bis 1984 lehnten dreizehn von dreiunddreißig Lehrbüchern Rasse ab; von 1985 bis 1993 lehnten dreizehn von neunzehn Lehrbüchern Rasse ab. Einem Eintrag in einer akademischen Fachzeitschrift zufolge verwendeten 78 Prozent der Artikel im Journal of Physical Anthropology von 1931 diese oder fast gleichbedeutende Begriffe, die ein Bio-Rassen-Paradigma widerspiegeln, 1965 waren es nur 36 Prozent und 1996 nur noch 28 Prozent.

In einer 1998 von einem ausgewählten Ausschuss von Anthropologen verfassten und vom Vorstand der American Anthropological Association herausgegebenen "Erklärung zu 'Rasse'", die ihrer Ansicht nach "im Allgemeinen das zeitgenössische Denken und die wissenschaftlichen Positionen einer Mehrheit von Anthropologen" repräsentiert, heißt es:

In den Vereinigten Staaten sind sowohl Wissenschaftler als auch die breite Öffentlichkeit darauf konditioniert worden, menschliche Rassen als natürliche und getrennte Unterteilungen innerhalb der menschlichen Spezies zu betrachten, die auf sichtbaren physischen Unterschieden beruhen. Mit der enormen Ausweitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Jahrhundert ist jedoch klar geworden, dass menschliche Populationen keine eindeutigen, klar abgegrenzten, biologisch unterschiedlichen Gruppen sind. Aus der Analyse der Genetik (z. B. der DNA) geht hervor, dass der größte Teil der körperlichen Unterschiede, etwa 94 %, innerhalb der so genannten Rassengruppen liegt. Herkömmliche geografische "Rassen"-Gruppen unterscheiden sich nur in etwa 6 % ihrer Gene voneinander. Das bedeutet, dass es innerhalb der "rassischen" Gruppen eine größere Variation gibt als zwischen ihnen. In benachbarten Populationen überschneiden sich die Gene und ihre phänotypischen (körperlichen) Ausprägungen stark. Wann immer im Laufe der Geschichte verschiedene Gruppen miteinander in Kontakt kamen, haben sie sich gekreuzt. Der kontinuierliche Austausch von genetischem Material hat die gesamte Menschheit als eine einzige Spezies erhalten. [...] Mit der enormen Ausweitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Jahrhundert ... ist klar geworden, dass menschliche Populationen keine eindeutigen, klar abgegrenzten, biologisch unterschiedlichen Gruppen sind. [...] In Anbetracht dessen, was wir über die Fähigkeit normaler Menschen wissen, in jeder Kultur etwas zu erreichen und zu funktionieren, kommen wir zu dem Schluss, dass die heutigen Ungleichheiten zwischen so genannten "rassischen" Gruppen nicht auf ihr biologisches Erbe zurückzuführen sind, sondern auf die historischen und gegenwärtigen sozialen, wirtschaftlichen, bildungspolitischen und politischen Umstände.

In einer früheren Umfrage aus dem Jahr 1985 (Lieberman et al. 1992) wurden 1.200 amerikanische Wissenschaftler befragt, wie viele von ihnen der folgenden Aussage nicht zustimmen: "Es gibt biologische Rassen innerhalb der Spezies Homo sapiens". Unter den Anthropologen lauteten die Antworten:

  • Physische Anthropologen: 41%
  • Kulturanthropologen: 53%

Liebermans Studie zeigte auch, dass mehr Frauen das Konzept der Rasse ablehnen als Männer.

Die gleiche Umfrage, die 1999 erneut durchgeführt wurde, ergab, dass die Zahl der Anthropologen, die das Konzept der biologischen Rasse ablehnen, erheblich gestiegen ist. Die Ergebnisse lauteten wie folgt:

  • Physische Anthropologen: 69 %
  • Kulturanthropologen: 80 %.

Eine von Cartmill (1998) durchgeführte Forschungsreihe schien jedoch die Tragweite von Liebermans Feststellung einzuschränken, dass sich der Status des Rassenkonzepts in erheblichem Maße verändert hat". Goran Štrkalj hat argumentiert, dass dies daran liegen könnte, dass Lieberman und seine Mitarbeiter alle Mitglieder der American Anthropological Association unabhängig von ihrem Forschungsinteresse untersucht haben, während Cartmill sich speziell mit biologischen Anthropologen befasst hat, die sich für menschliche Variation interessieren.

Im Jahr 2007 befragte Ann Morning mehr als 40 amerikanische Biologen und Anthropologen und stellte fest, dass es erhebliche Meinungsverschiedenheiten über das Wesen der Rasse gibt, wobei keine der beiden Gruppen eine Mehrheit für einen bestimmten Standpunkt hat. Morning argumentiert auch, dass neben dem "Konstruktivismus" und dem "Essenzialismus" eine dritte Position, der "Antiessentialismus", in die Debatte eingebracht werden sollte, die besagt, dass Rasse kein nützliches Konzept für Biologen ist.

Laut der 2000 von der University of Wyoming herausgegebenen Ausgabe eines populären Lehrbuchs für physische Anthropologie befürworten forensische Anthropologen mit überwältigender Mehrheit die Idee der grundlegenden biologischen Realität menschlicher Rassen. Der forensische Anthropologe und Professor George W. Gill hat gesagt, dass die Vorstellung, dass Rasse nur oberflächlich ist, "einfach nicht wahr ist, wie jeder erfahrene forensische Anthropologe bestätigen wird" und "Viele morphologische Merkmale neigen dazu, geographischen Grenzen zu folgen, die oft mit Klimazonen zusammenfallen. Dies ist nicht überraschend, da die selektiven Kräfte des Klimas wahrscheinlich die primären Kräfte der Natur sind, die die menschlichen Rassen nicht nur im Hinblick auf Hautfarbe und Haarform, sondern auch auf die zugrunde liegenden knöchernen Strukturen der Nase, der Wangenknochen usw. geformt haben (zum Beispiel befeuchten markantere Nasen die Luft besser). Er sieht zwar gute Argumente für beide Seiten, aber die völlige Leugnung der gegenteiligen Beweise "scheint weitgehend aus soziopolitischen Motiven und nicht aus der Wissenschaft zu stammen". Er stellt auch fest, dass viele biologische Anthropologen Rassen als real ansehen, doch "kein einziges einführendes Lehrbuch der physischen Anthropologie stellt diese Perspektive auch nur als Möglichkeit vor. In einem so eklatanten Fall haben wir es nicht mit Wissenschaft zu tun, sondern mit unverhohlener, politisch motivierter Zensur".

In teilweiser Erwiderung auf Gills Aussage argumentiert der Professor für biologische Anthropologie C. Loring Brace, dass der Grund, warum Laien und biologische Anthropologen die geografische Abstammung eines Individuums bestimmen können, durch die Tatsache erklärt werden kann, dass biologische Merkmale klinisch über den Planeten verteilt sind, und dass dies nicht in das Konzept der Rasse übersetzt werden kann. Er erklärt:

Nun, Sie mögen fragen, warum können wir diese regionalen Muster nicht als "Rassen" bezeichnen? Das können wir in der Tat und tun es auch, aber das macht sie nicht zu kohärenten biologischen Einheiten. Auf diese Weise definierte "Rassen" sind Produkte unserer Wahrnehmung. ... Wir wissen, dass es an den Extremen unseres Transits - vielleicht von Moskau nach Nairobi - eine große, aber allmähliche Veränderung der Hautfarbe von dem gibt, was wir euphemistisch als weiß bis schwarz bezeichnen, und dass dies mit dem Breitengradunterschied in der Intensität der ultravioletten Komponente des Sonnenlichts zusammenhängt. Was wir jedoch nicht sehen, sind die zahllosen anderen Merkmale, die sich unabhängig von der Intensität der ultravioletten Strahlung verteilen. Was die Hautfarbe betrifft, so sind alle nördlichen Populationen der Alten Welt heller als die langjährigen Bewohner der Äquatornähe. Obwohl sich Europäer und Chinesen offensichtlich unterscheiden, liegen sie in der Hautfarbe näher beieinander als die Äquatorialafrikaner. Prüft man jedoch die Verteilung des weithin bekannten ABO-Blutgruppensystems, so liegen Europäer und Afrikaner näher beieinander als die Chinesen.

Der Begriff "Rasse" wird manchmal noch in der forensischen Anthropologie (bei der Analyse von Skelettresten), in der biomedizinischen Forschung und in der rassenbasierten Medizin verwendet. Brace hat die forensischen Anthropologen dafür kritisiert und argumentiert, dass sie eigentlich von regionaler Abstammung sprechen sollten. Er argumentiert, dass forensische Anthropologen zwar feststellen können, dass ein Skelettrest von einer Person mit Vorfahren aus einer bestimmten Region Afrikas stammt, dass aber die Einstufung dieses Skeletts als "schwarz" eine sozial konstruierte Kategorie ist, die nur im besonderen sozialen Kontext der Vereinigten Staaten von Bedeutung ist und die selbst keine wissenschaftliche Gültigkeit hat.

Biologie, Anatomie und Medizin

In der gleichen Umfrage von 1985 (Lieberman et al. 1992) stimmten 16 % der befragten Biologen und 36 % der befragten Entwicklungspsychologen der Aussage nicht zu: "Es gibt biologische Rassen innerhalb der Spezies Homo sapiens".

Die Autoren der Studie untersuchten auch 77 College-Lehrbücher in Biologie und 69 in physischer Anthropologie, die zwischen 1932 und 1989 veröffentlicht wurden. In den Lehrbüchern der physischen Anthropologie wurde bis in die 1970er Jahre behauptet, dass es biologische Rassen gibt, und erst dann wurde die These aufgestellt, dass es keine Rassen gibt. Im Gegensatz dazu vollzog sich in den Biologie-Lehrbüchern kein solcher Umschwung, sondern viele ließen die Diskussion über Rassen ganz fallen. Die Autoren führen dies darauf zurück, dass Biologen die politischen Implikationen von Rassenklassifizierungen nicht diskutieren wollten, sowie auf die anhaltenden Diskussionen in der Biologie über die Gültigkeit der Idee der "Unterarten". Die Autoren kamen zu dem Schluss: "Das Konzept der Rasse, das die überwältigende genetische Ähnlichkeit aller Völker und die mosaikartigen Variationsmuster, die nicht mit rassischen Unterteilungen übereinstimmen, verschleiert, ist nicht nur sozial dysfunktional, sondern auch biologisch unvertretbar (S. 5.18-5.19)."(Lieberman et al. 1992, S. 316-17)

Eine 1994 durchgeführte Untersuchung von 32 englischen Lehrbüchern der Sport- und Bewegungswissenschaften ergab, dass 7 (21,9 %) behaupteten, dass es biophysikalische Unterschiede aufgrund der Rasse gibt, die Unterschiede in der sportlichen Leistung erklären könnten, 24 (75 %) erwähnten das Konzept weder, noch widerlegten sie es, und 1 (3,1 %) äußerte sich vorsichtig zu dieser Idee.

Im Februar 2001 forderten die Herausgeber der Archives of Pediatrics and Adolescent Medicine "die Autoren auf, Rasse und ethnische Zugehörigkeit nicht zu verwenden, wenn es keinen biologischen, wissenschaftlichen oder soziologischen Grund dafür gibt". Die Herausgeber erklärten außerdem, dass "die Analyse nach Rasse und ethnischer Zugehörigkeit zu einem analytischen Reflex geworden ist". Nature Genetics fordert die Autoren nun auf, "zu erklären, warum sie bestimmte ethnische Gruppen oder Populationen verwenden und wie die Klassifizierung zustande gekommen ist".

Morning (2008) untersuchte High-School-Biologie-Lehrbücher im Zeitraum 1952-2002 und fand zunächst ein ähnliches Muster, wobei nur 35 % im Zeitraum 1983-92 direkt auf die Rasse eingingen, während dies ursprünglich 92 % taten. Dieser Anteil hat sich danach jedoch etwas erhöht und liegt jetzt bei 43 %. Indirektere und kürzere Erörterungen der Rasse im Zusammenhang mit medizinischen Erkrankungen haben von keinem auf 93 % der Lehrbücher zugenommen. Im Allgemeinen hat sich das Material über Rasse von oberflächlichen Merkmalen zu Genetik und Evolutionsgeschichte verlagert. Der Studie zufolge hat sich die grundlegende Aussage der Schulbücher über die Existenz von Rassen kaum verändert.

Bei einer Umfrage zum Thema Rasse in der wissenschaftlichen Gemeinschaft im Jahr 2008 kam Morning zu dem Schluss, dass die Biologen zu keinem klaren Konsens gekommen sind und sich oft entlang kultureller und demografischer Linien spalten. Sie stellt fest: "Im besten Fall kann man zu dem Schluss kommen, dass Biologen und Anthropologen in ihren Ansichten über das Wesen der Rasse heute gleichermaßen gespalten zu sein scheinen."

Gissis (2008) untersuchte mehrere wichtige amerikanische und britische Fachzeitschriften aus den Bereichen Genetik, Epidemiologie und Medizin auf ihren Inhalt im Zeitraum 1946-2003. Er schrieb: "Auf der Grundlage meiner Ergebnisse behaupte ich, dass die Kategorie der Rasse nur scheinbar nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem wissenschaftlichen Diskurs verschwunden ist und in der Zeitspanne von 1946 bis 2003 eine schwankende, aber kontinuierliche Verwendung erfahren hat, die ab den frühen 1970er Jahren sogar noch ausgeprägter geworden ist".

In einer Studie aus dem Jahr 2008 wurden 33 Gesundheitsforscher aus verschiedenen geografischen Regionen befragt. Die Forscher erkannten die Probleme mit rassischen und ethnischen Variablen, aber die Mehrheit hielt diese Variablen dennoch für notwendig und nützlich.

Eine Untersuchung von 18 weit verbreiteten englischen Anatomielehrbüchern aus dem Jahr 2010 ergab, dass sie alle die biologische Vielfalt des Menschen auf oberflächliche und veraltete Weise darstellten, wobei viele von ihnen das Konzept der Rasse auf eine Weise verwendeten, die in der Anthropologie der 1950er Jahre üblich war. Die Autoren empfahlen, dass die anatomische Ausbildung die menschliche anatomische Variation detaillierter beschreiben und sich auf neuere Forschungsergebnisse stützen sollte, die die Unzulänglichkeiten einfacher Rassentypologien aufzeigen.

Eine Studie aus dem Jahr 2021, in der mehr als 11.000 Artikel aus den Jahren 1949 bis 2018 im American Journal of Human Genetics untersucht wurden, ergab, dass der Begriff "Rasse" in nur 5 % der im letzten Jahrzehnt veröffentlichten Artikel verwendet wurde, während es im ersten Jahrzehnt noch 22 % waren. Zusammen mit der zunehmenden Verwendung der Begriffe "Ethnizität", "Abstammung" und standortbezogener Begriffe deutet dies darauf hin, dass Humangenetiker den Begriff "Rasse" weitgehend aufgegeben haben.

Soziologie

Lester Frank Ward (1841-1913), der als einer der Begründer der amerikanischen Soziologie gilt, lehnte die Vorstellung ab, dass es grundlegende Unterschiede zwischen den einzelnen Rassen gibt, obwohl er einräumte, dass sich die sozialen Bedingungen je nach Rasse drastisch unterscheiden. An der Wende zum 20. Jahrhundert betrachteten Soziologen das Konzept der Rasse in einer Weise, die durch den wissenschaftlichen Rassismus des 19. und frühen 20. Viele Soziologen konzentrierten sich auf Afroamerikaner, die damals Neger genannt wurden, und behaupteten, sie seien den Weißen unterlegen. Die weiße Soziologin Charlotte Perkins Gilman (1860-1935) beispielsweise führte biologische Argumente an, um die Minderwertigkeit von Afroamerikanern zu behaupten. Der amerikanische Soziologe Charles H. Cooley (1864-1929) vertrat die Theorie, dass die Unterschiede zwischen den Rassen "natürlich" seien und dass biologische Unterschiede zu Unterschieden in den intellektuellen Fähigkeiten führten. Edward Alsworth Ross (1866-1951), ebenfalls eine wichtige Figur bei der Gründung der amerikanischen Soziologie und ein Eugeniker, glaubte, dass die Weißen die überlegene Rasse seien und dass es wesentliche Unterschiede im "Temperament" zwischen den Rassen gebe. Im Jahr 1910 veröffentlichte das Journal einen Artikel von Ulysses G. Weatherly (1865-1940), in dem er die Vorherrschaft der Weißen und die Trennung der Rassen zum Schutz der Rassenreinheit forderte.

W. E. B. Du Bois (1868-1963), einer der ersten afroamerikanischen Soziologen, war der erste Soziologe, der soziologische Konzepte und empirische Forschungsmethoden einsetzte, um die Rasse als soziales Konstrukt und nicht als biologische Realität zu analysieren. Beginnend mit seinem 1899 erschienenen Buch The Philadelphia Negro beschäftigte sich Du Bois während seiner gesamten Laufbahn mit dem Thema Rasse und Rassismus und schrieb darüber. In seinem Werk vertrat er die Ansicht, dass soziale Klasse, Kolonialismus und Kapitalismus die Vorstellungen über Rasse und rassische Kategorien prägten. In den 1930er Jahren gaben Sozialwissenschaftler den wissenschaftlichen Rassismus und die biologischen Gründe für rassische Kategorisierungsschemata weitgehend auf. Andere frühe Soziologen, vor allem diejenigen, die mit der Chicago School verbunden waren, schlossen sich Du Bois an und betrachteten Rasse als eine sozial konstruierte Tatsache. Bis 1978 vertrat William Julius Wilson die Ansicht, dass Rasse und rassische Klassifizierungssysteme an Bedeutung verlieren und dass stattdessen die soziale Klasse das, was Soziologen früher als Rasse verstanden hatten, genauer beschreibt. 1986 führten die Soziologen Michael Omi und Howard Winant erfolgreich das Konzept der Rassenbildung ein, um den Prozess zu beschreiben, durch den rassische Kategorien geschaffen werden. Omi und Winant behaupten, dass es "keine biologische Grundlage für die Unterscheidung zwischen menschlichen Gruppen anhand der Rasse gibt".

Eduardo Bonilla-Silva, Soziologieprofessor an der Duke University, bemerkt: "Ich behaupte, dass Rassismus mehr als alles andere eine Frage der Gruppenmacht ist; es geht darum, dass eine dominante rassische Gruppe (die Weißen) danach strebt, ihre systemischen Vorteile aufrechtzuerhalten, und dass Minderheiten dafür kämpfen, den rassischen Status quo zu untergraben." Die Praktiken, die unter diesem neuen farbenblinden Rassismus stattfinden, sind subtil, institutionalisiert und angeblich nicht rassistisch. Der farbenblinde Rassismus lebt von der Vorstellung, dass Rasse in den Vereinigten Staaten kein Thema mehr ist. Es gibt Widersprüche zwischen der angeblichen Farbenblindheit der meisten Weißen und dem Fortbestehen eines farbkodierten Systems der Ungleichheit.

Heute verstehen Soziologen Rasse und rassische Kategorien im Allgemeinen als sozial konstruiert und lehnen rassische Kategorisierungsschemata ab, die auf biologischen Unterschieden beruhen.

Politische und praktische Anwendungen

Biomedizin

In den Vereinigten Staaten fördert die Politik der Bundesregierung die Verwendung rassisch kategorisierter Daten, um gesundheitliche Ungleichheiten zwischen rassischen oder ethnischen Gruppen zu erkennen und zu beseitigen. Im klinischen Bereich wird die Rasse manchmal bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten berücksichtigt. Ärzte haben festgestellt, dass bestimmte Krankheiten in bestimmten rassischen oder ethnischen Gruppen häufiger vorkommen als in anderen, ohne dass sie die Ursache für diese Unterschiede kennen. Das jüngste Interesse an einer rassenbasierten Medizin oder einer auf die Rasse ausgerichteten Pharmakogenomik wurde durch die Vermehrung humangenetischer Daten nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im ersten Jahrzehnt des 21. Unter biomedizinischen Forschern gibt es eine lebhafte Debatte über die Bedeutung und Wichtigkeit der Rasse in ihrer Forschung. Befürworter der Verwendung rassischer Kategorien in der Biomedizin argumentieren, dass die fortgesetzte Verwendung rassischer Kategorisierungen in der biomedizinischen Forschung und der klinischen Praxis die Anwendung neuer genetischer Erkenntnisse ermöglicht und einen Anhaltspunkt für die Diagnose bietet. Die Positionen der biomedizinischen Forscher zum Thema Rasse lassen sich in zwei Hauptlager einteilen: diejenigen, die der Ansicht sind, dass das Konzept der Rasse keine biologische Grundlage hat, und diejenigen, die der Ansicht sind, dass es das Potenzial hat, biologisch sinnvoll zu sein. Die Vertreter des letzteren Lagers stützen ihre Argumente häufig auf das Potenzial für eine genombasierte personalisierte Medizin.

Andere Forscher weisen darauf hin, dass die Feststellung eines Unterschieds in der Krankheitsprävalenz zwischen zwei sozial definierten Gruppen nicht unbedingt auf eine genetische Verursachung des Unterschieds schließen lässt. Sie schlagen vor, dass sich die medizinische Praxis weiterhin auf das Individuum konzentrieren sollte und nicht auf dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Sie argumentieren, dass die Überbetonung des genetischen Beitrags zu gesundheitlichen Unterschieden verschiedene Risiken birgt, wie z. B. die Verstärkung von Stereotypen, die Förderung von Rassismus oder das Ignorieren des Beitrags nicht genetischer Faktoren zu gesundheitlichen Unterschieden. Internationale epidemiologische Daten zeigen, dass die Lebensbedingungen und nicht die Rasse den größten Unterschied bei den Gesundheitsergebnissen ausmachen, selbst bei Krankheiten, für die es "rassenspezifische" Behandlungen gibt. Einige Studien haben ergeben, dass Patienten eine rassische Kategorisierung in der medizinischen Praxis nur widerwillig akzeptieren.

Rechtsdurchsetzung

In dem Bestreben, allgemeine Beschreibungen zu liefern, die den Vollzugsbeamten die Arbeit bei der Festnahme von Verdächtigen erleichtern, verwendet das FBI der Vereinigten Staaten den Begriff "Rasse", um das allgemeine Erscheinungsbild (Hautfarbe, Haarstruktur, Augenform und andere leicht erkennbare Merkmale) von Personen zusammenzufassen, die festgenommen werden sollen. Aus der Sicht der Strafverfolgungsbeamten ist es im Allgemeinen wichtiger, eine Beschreibung zu erhalten, die das allgemeine Erscheinungsbild einer Person wiedergibt, als eine wissenschaftlich gültige Kategorisierung durch DNA oder andere Mittel vorzunehmen. Neben der Zuordnung einer gesuchten Person zu einer Rassenkategorie umfasst eine solche Beschreibung daher auch: Größe, Gewicht, Augenfarbe, Narben und andere charakteristische Merkmale.

Die Strafverfolgungsbehörden in England und Wales verwenden bei der Meldung von Straftaten seit 2010 mindestens zwei verschiedene Systeme zur Klassifizierung nach Rasse und ethnischer Herkunft. Das eine ist das System, das bei der Volkszählung 2001 verwendet wurde, wenn sich Personen als Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe identifizieren: W1 (weiß-britisch), W2 (weiß-irisch), W9 (sonstiger weißer Hintergrund); M1 (weiß und schwarz-karibisch), M2 (weiß und schwarz-afrikanisch), M3 (weiß und asiatisch), M9 (sonstiger gemischter Hintergrund); A1 (asiatisch-indisch), A2 (asiatisch-pakistanisch), A3 (asiatisch-bangladeschisch), A9 (sonstiger asiatischer Hintergrund); B1 (schwarz-karibisch), B2 (schwarz-afrikanisch), B3 (sonstiger schwarzer Hintergrund); O1 (chinesisch), O9 (sonstiger Hintergrund). Die anderen Kategorien werden von der Polizei verwendet, wenn sie jemanden visuell als einer ethnischen Gruppe zugehörig identifiziert, z. B. bei einer Kontrolle und Durchsuchung oder einer Festnahme: Weiß - Nordeuropäer (IC1), Weiß - Südeuropäer (IC2), Schwarz (IC3), Asiatisch (IC4), Chinesisch, Japanisch oder Südostasiatisch (IC5), Nahost (IC6) und Unbekannt (IC0). "IC" steht für "Identification Code"; diese Angaben werden auch als Phoenix-Klassifikationen bezeichnet. Die Beamten sind angewiesen, "die gegebene Antwort aufzuzeichnen", auch wenn die Person eine möglicherweise falsche Antwort gibt; ihre eigene Wahrnehmung des ethnischen Hintergrunds der Person wird separat aufgezeichnet. Die Vergleichbarkeit der von den Beamten erfassten Informationen wurde vom Office for National Statistics (ONS) im September 2007 im Rahmen seiner Überprüfung der Gleichstellungsdaten in Frage gestellt; ein Problem war die Anzahl der Berichte, in denen die ethnische Zugehörigkeit mit "Nicht angegeben" angegeben wurde.

In vielen Ländern, wie z. B. Frankreich, ist es dem Staat gesetzlich untersagt, Daten auf der Grundlage der Rasse zu führen.

In den Vereinigten Staaten wurde die Praxis des Racial Profiling sowohl als verfassungswidrig als auch als Verstoß gegen die Bürgerrechte eingestuft. Es gibt eine rege Debatte über die Ursache für die ausgeprägte Korrelation zwischen den erfassten Straftaten, den verhängten Strafen und der Bevölkerung des Landes. Viele betrachten das de facto Racial Profiling als ein Beispiel für institutionellen Rassismus in der Strafverfolgung.

Die Masseninhaftierung in den Vereinigten Staaten wirkt sich unverhältnismäßig stark auf afroamerikanische und lateinamerikanische Gemeinschaften aus. Michelle Alexander, Autorin von The New Jim Crow: Mass Incarceration in the Age of Colorblindness (2010), argumentiert, dass Masseninhaftierung nicht nur als ein System überfüllter Gefängnisse zu verstehen ist. Masseneinkerkerung ist auch "das größere Geflecht von Gesetzen, Regeln, Politiken und Bräuchen, die diejenigen, die als Kriminelle bezeichnet werden, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gefängnisses kontrollieren". Sie definiert es weiter als "ein System, das Menschen nicht nur hinter realen Gittern in realen Gefängnissen einsperrt, sondern auch hinter virtuellen Gittern und virtuellen Mauern", was die Bürgerschaft zweiter Klasse verdeutlicht, die einer unverhältnismäßig großen Zahl von Farbigen, insbesondere Afroamerikanern, auferlegt wird. Sie vergleicht die Masseninhaftierung mit den Jim-Crow-Gesetzen und stellt fest, dass beide als rassische Kastensysteme funktionieren.

Viele Forschungsergebnisse scheinen darin übereinzustimmen, dass die Auswirkungen der Rasse des Opfers bei der Entscheidung über eine Verhaftung wegen Gewalt gegen Frauen möglicherweise eine rassistische Voreingenommenheit zugunsten weißer Opfer beinhalten. Eine Studie aus dem Jahr 2011 mit einer nationalen Stichprobe von Verhaftungen wegen Gewalt gegen Frauen ergab, dass eine Verhaftung von Frauen wahrscheinlicher war, wenn das männliche Opfer weiß und die Täterin schwarz war, während eine Verhaftung von Männern wahrscheinlicher war, wenn das weibliche Opfer weiß war. Sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Verhaftungen in Fällen von Gewalt gegen Frauen war es wahrscheinlicher, dass verheiratete Paare verhaftet wurden als Paare, die sich in einer Beziehung befanden oder geschieden waren. Es sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Faktoren der Behörden und der Gemeinschaft zu verstehen, die das Verhalten der Polizei beeinflussen, und um herauszufinden, wie Diskrepanzen bei IPV-Interventionen bzw. bei den Instrumenten der Justiz beseitigt werden können.

Jüngste Arbeiten, bei denen DNA-Cluster-Analysen zur Bestimmung des rassischen Hintergrunds verwendet werden, wurden von einigen Kriminalbeamten genutzt, um die Suche nach der Identität von Verdächtigen und Opfern einzugrenzen. Befürworter der Erstellung von DNA-Profilen bei strafrechtlichen Ermittlungen führen Fälle an, in denen sich Hinweise auf der Grundlage von DNA-Analysen als nützlich erwiesen haben, doch ist diese Praxis unter Medizinethikern, Strafverteidigern und einigen Vertretern der Strafverfolgungsbehörden nach wie vor umstritten.

Die australische Verfassung enthält eine Zeile über "Menschen jeglicher Rasse, für die es als notwendig erachtet wird, besondere Gesetze zu erlassen", obwohl es keine vereinbarte Definition von Rasse in dem Dokument gibt.

Forensische Anthropologie

In ähnlicher Weise nutzen forensische Anthropologen hochgradig vererbbare morphologische Merkmale menschlicher Überreste (z. B. Schädelmaße), um die Identifizierung des Körpers zu erleichtern, auch im Hinblick auf die Rasse. In einem Artikel aus dem Jahr 1992 stellte der Anthropologe Norman Sauer fest, dass Anthropologen im Allgemeinen das Konzept der Rasse als gültige Darstellung der menschlichen biologischen Vielfalt aufgegeben haben, mit Ausnahme der forensischen Anthropologen. Er fragte: "Wenn es keine Rassen gibt, warum sind forensische Anthropologen dann so gut darin, sie zu identifizieren?" Er schloss daraus:

[Die erfolgreiche Zuordnung einer Skelettprobe zu einer Rasse ist keine Bestätigung des Rassenkonzepts, sondern eher eine Vorhersage, dass ein Individuum zu Lebzeiten einer bestimmten sozial konstruierten "Rassen"-Kategorie zugeordnet wurde. Ein Exemplar kann Merkmale aufweisen, die auf afrikanische Abstammung hindeuten. In diesem Land wird diese Person wahrscheinlich als Schwarzer bezeichnet, unabhängig davon, ob eine solche Rasse in der Natur tatsächlich existiert oder nicht.

Die Identifizierung der Abstammung einer Person hängt von der Kenntnis der Häufigkeit und Verteilung phänotypischer Merkmale in einer Population ab. Dies erfordert nicht die Verwendung eines Rassenklassifizierungsschemas, das auf nicht verwandten Merkmalen beruht, obwohl das Rassenkonzept in den Vereinigten Staaten in medizinischen und rechtlichen Zusammenhängen weit verbreitet ist. In einigen Studien wurde berichtet, dass Rassen mit Hilfe bestimmter Methoden, wie z. B. der von Giles und Elliot entwickelten Methode, mit einem hohen Maß an Genauigkeit bestimmt werden können. Diese Methode lässt sich jedoch zuweilen nicht auf andere Zeiten und Orte übertragen; so sank beispielsweise bei einem erneuten Test der Methode zur Identifizierung von amerikanischen Ureinwohnern die durchschnittliche Trefferquote von 85 % auf 33 %. Frühere Informationen über die Person (z. B. Volkszählungsdaten) sind ebenfalls wichtig, um die "Rasse" einer Person genau bestimmen zu können.

In einem anderen Ansatz sagte der Anthropologe C. Loring Brace:

Die einfache Antwort ist, dass sie als Mitglieder der Gesellschaft, die die Frage stellt, in die sozialen Konventionen eingeweiht sind, die die erwartete Antwort bestimmen. Sie sollten sich auch der biologischen Ungenauigkeiten bewusst sein, die in dieser "politisch korrekten" Antwort enthalten sind. Die Skelettanalyse ermöglicht keine direkte Beurteilung der Hautfarbe, aber sie erlaubt eine genaue Einschätzung der ursprünglichen geografischen Herkunft. Die afrikanische, ostasiatische und europäische Abstammung kann mit einem hohen Grad an Genauigkeit bestimmt werden. Afrika bedeutet natürlich "schwarz", aber "schwarz" bedeutet nicht afrikanisch.

Im Zusammenhang mit einer NOVA-Sendung über Rasse im Jahr 2000 schrieb er einen Aufsatz gegen die Verwendung des Begriffs.

Eine Studie aus dem Jahr 2002 ergab, dass etwa 13 % der menschlichen kraniometrischen Unterschiede zwischen Regionen bestehen, während 6 % zwischen lokalen Populationen innerhalb von Regionen und 81 % innerhalb lokaler Populationen bestehen. Im Gegensatz dazu wurde bei der Hautfarbe (die häufig zur Definition der Rasse herangezogen wird) das entgegengesetzte Muster der genetischen Variation beobachtet, wobei 88 % der Variation zwischen den Regionen bestand. Die Studie kam zu dem Schluss, dass die Aufteilung der genetischen Vielfalt bei der Hautfarbe atypisch ist und nicht für Klassifizierungszwecke verwendet werden kann. In ähnlicher Weise ergab eine Studie aus dem Jahr 2009, dass sich anhand des Schädels einer Person mit Hilfe der Kraniometrie genau bestimmen lässt, aus welchem Teil der Welt sie stammt; diese Studie ergab jedoch auch, dass es keine abrupten Grenzen gibt, die die kraniometrische Variation in verschiedene Rassengruppen aufteilen. Eine andere Studie aus dem Jahr 2009 zeigte, dass Schwarze und Weiße in den USA unterschiedliche Skelettmorphologien aufweisen und dass es innerhalb der Kontinente signifikante Unterschiede in diesen Merkmalen gibt. Dies legt nahe, dass eine Einteilung der Menschen in Rassen auf der Grundlage von Skelettmerkmalen die Definition vieler verschiedener "Rassen" erforderlich machen würde.

Im Jahr 2010 argumentierte der Philosoph Neven Sesardic, dass forensische Anthropologen die Rasse einer Person mit einer Genauigkeit von nahezu 100 % nur anhand von Skelettresten klassifizieren können, wenn mehrere Merkmale gleichzeitig analysiert werden. Die Behauptung von Sesardic wurde von dem Philosophen Massimo Pigliucci bestritten, der Sesardic vorwarf, die wissenschaftlichen Beweise herausgepickt zu haben und zu Schlussfolgerungen zu gelangen, die im Widerspruch zu ihnen stehen. Konkret argumentierte Pigliucci, dass Sesardic eine Arbeit von Ousley et al. (2009) falsch dargestellt und nicht erwähnt habe, dass diese nicht nur Unterschiede zwischen Individuen verschiedener Rassen, sondern auch zwischen Individuen verschiedener Stämme, lokaler Umgebungen und Zeiträume festgestellt hätten.

Geschichte

Frühere Klassifikationen

Eine systematische Klassifizierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft entwickelte schon Aristoteles. Dabei übernahm er die damals unter den Griechen herrschende Überzeugung, dass alle anderen Völker („Barbaren“) in charakterlicher und kultureller Hinsicht unterlegen seien, und erklärte dies aus den andersartigen klimatischen Verhältnissen, denen sie ausgesetzt waren. Dieses Konzept des Barbaren wurde von den Römern übernommen. Mit dem Aufstieg des Christentums zur Staatsreligion trat jedoch ein neues Klassifikationsschema an seine Stelle, das die Menschen nach ihrer Religion unterschied: Christen, Juden, Heiden und Häretiker, später ergänzt durch die Muslime. Diese Klassifikation blieb in der christlichen Welt bis in die frühe Neuzeit maßgebend.

Reconquista und Kolonialismus

Die Einteilung der Menschen nach ihrem Glauben wurde problematisch, als in Spanien nach dem Abschluss der Reconquista (Alhambra-Edikt) 1492 die Zwangsbekehrung der zahlreichen Juden zum Christentum verordnet wurde und in der Folge viele der zwangsweise „Bekehrten“ insgeheim ihre bisherige Religion weiter pflegten oder dessen verdächtigt wurden (siehe auch Geschichte der Juden in Spanien). In diesem Zusammenhang erlangte neben der Reinheit des Glaubens auch die Idee einer „limpieza de sangre“ (etwa: „Reinheit des Blutes“; gemeint war wohl ‚Reinheit der Herkunft‘) Bedeutung; der Begriff „Rasse“ bürgerte sich ein, um die Herkunft von Menschen, Familien oder größeren Gruppen (jüdisch, christlich oder maurisch) zu benennen (zu „Herkunft“ siehe auch Soziale Herkunft, Abstammung).

Eine bedeutende Rolle bei der weiteren Etablierung des Rassebegriffs und der Entwicklung von Rassentheorien spielte der europäische Kolonialismus (einschließlich der Eroberung Amerikas und des transatlantischen Sklavenhandels) seit dem 15. und 16. Jahrhundert, wodurch fortlaufend neues Wissen über bislang unbekannte Weltteile, Ethnien und Sitten nach Europa gelangte. Dabei stützten sich die Kenntnisse über fremde „Rassen“ in jener Zeit zu großen Teilen auf Berichte von Eroberern und Missionaren, welche stark rassistisch geprägt waren. Beliebt waren in damaligen Reiseberichten auch das Motiv des „edlen Wilden“, die religiöse Interpretation auf Grundlage der biblischen Genesis oder die Gleichsetzung fremder Völker mit den Verlorenen Stämmen Israels.

19. Jahrhundert

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war, wie der Historiker Christian Geulen schreibt, „die Epoche der wohl breitesten und vielfältigsten Verwendung des Rassenbegriffs“. Während er in der Naturwissenschaft nur am Rande rezipiert wurde, erfreute er sich in anderen Bereichen, von der Kategorisierung der neuen sozialen Lebensformen in den ausufernden Elendsquartieren der Arbeiter in Industriestädten bis zur Kennzeichnung individueller Merkmale, großer Beliebtheit. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts jedoch machte sich, angestoßen durch die 1859 publizierte Evolutionstheorie Charles Darwins, eine „Biologisierung“ der Ethnologie geltend, wodurch der Begriff der Rasse wieder verstärkt als biologische Kategorie wahrgenommen wurde.

Karte der Verbreitung der Menschenrassen aus Meyers Konversationslexikon, 4. Auflage. 1885–1890

Als neue Quelle für Kenntnisse fremder „Rassen“ kamen im 19. Jahrhundert Berichte von Forschungsreisen hinzu, an denen Zoologen, Anthropologen und Völkerkundler teilnahmen.

Unter den Naturwissenschaftlern und Naturphilosophen jenes Jahrhunderts, die sich mit der Materie befassten, waren neben Blumenbach Georges Cuvier, James Cowles Prichard und Louis Agassiz bedeutend. Cuvier zählte drei Rassen, Prichard sieben, Agassiz acht. Andere Autoren entwickelten noch feinere Unterteilungen; so unterschied Jean Baptiste Bory de Saint-Vincent 24 und Joseph Deniker allein in Europa 29 Rassen. Die Tendenz, eine immer größere Anzahl von Rassen zu unterscheiden und den Begriff der Rasse dem der Nation anzunähern, machte sich besonders ab Mitte des 19. Jahrhunderts geltend.

Großen Einfluss erlangte der französische Schriftsteller Arthur de Gobineau mit seinem 1852 bis 1854 in vier Bänden erschienenen Essai sur l’inégalité des races humaines (Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen), in dem er das etablierte Motiv des Rassenkampfes durch das Thema Rassenvermischung ergänzte und versuchte, die Geschichte der Völker und Nationen auf diese beiden Faktoren zurückzuführen. Entscheidend für die kulturelle Entwicklung sei, dass sich fortschreitende Völker in ihren Rasse-Eigenschaften von anderen unterscheiden, und die Vermischung der Rassen führe zum Niedergang. Dies wurde von zahlreichen anderen Autoren aufgegriffen und bildete die theoretische Grundlage für vielfältige rassistische Praktiken bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. (Die Vorstellung, dass Rassenmischung schädlich sei, war damals plausibel, da man die Vererbung an das Blut gebunden dachte, bei dessen fortschreitender Mischung wertvolle Anlagen durch Verdünnung verloren gingen.) Folgenreich war auch Gobineaus Übertragung des ursprünglich in der Sprachwissenschaft geprägten Begriffes „Arier“ in den Bereich der Rassentheorien. Gobineau erhob die „Arier“ zur „Herrenrasse“, die er als höchsten Kultur- und Zivilisationsträger der Menschheit ansah und der gegenüber alle anderen Menschenrassen folglich als minderwertig zu gelten hätten. Sein Essai entfaltete seine Wirkung insbesondere im deutschen Sprachraum, wo sich vor allem Karl Ludwig Schemann als Übersetzer des Essais und Cosima Wagner, die einflussreiche Ehefrau des Komponisten Richard Wagner, stark dafür einsetzten.

Im Rahmen der Kolonialisierung und der christlichen Mission in Afrika wurden im 19. Jahrhundert verschiedene ethnologisch inspirierte Rassentheorien aufgestellt, unter anderem die von John Hanning Speke begründete Hamitentheorie. Diese sagte aus, dass diejenigen Völker, deren Sprache über Nominalklassen verfügt, kulturell höherwertiger seien als andere. Es wurde argumentiert, dass sich solche Völker kulturell an die abendländisch-morgenländischen Zivilisationen anschließen ließen. Diese Theorie diente zur Auswahl von „Herrenvölkern“ in den jeweils besetzten Territorien.

Ein weiteres Motiv der „Rassenkunde“, das gegen Ende des Jahrhunderts aufkam und bald sehr populär wurde, war die Eugenik als Idee, die Entwicklung von Rassen künstlich zu steuern. Zu den einflussreichsten Verfechtern dieses Anliegens gehörten Francis Galton und Houston Stewart Chamberlain. Ähnliche Ansichten vertrat auch Ernst Haeckel.

In der Theosophie der russisch-amerikanischen Okkultistin Helena Blavatsky wurde um 1888 die Lehre von den Wurzelrassen verbreitet, der zufolge sich die spirituelle Menschheitsentwicklung so vollzieht, dass die Seele des einzelnen Menschen in Körper der verschiedenen „Wurzelrassen“ wiedergeboren wird. Diese Lehre griff im frühen 20. Jahrhundert die Ariosophie auf, in abgeschwächter Form auch Rudolf Steiners Anthroposophie.

20. Jahrhundert

„Eugenik ist die Selbststeuerung der menschlichen Evolution“: Logo der zweiten Internationalen Eugenik-Konferenz, 1921

Ende des 19. Jahrhunderts war die Entwicklung der Rassentheorien im Wesentlichen abgeschlossen. Die Menschheit wurde demnach in drei oder vier Großrassen wie Europide, Mongolide, Australide und Negride sowie eine Vielzahl von Rassen untergliedert. Um die Jahrhundertwende trat die Eugenik in den Vordergrund der rassentheoretischen Erörterungen, und in den folgenden Jahrzehnten wurde sie in der Praxis umgesetzt. Erste Projekte zur Züchtung von „rassisch hochwertigen“ Menschen durch gezielte Partnerwahl wurden in Deutschland und England schon in den 1890er Jahren begonnen, und parallel traten in den USA und in Skandinavien erste Fortpflanzungsverbote und Zwangssterilisationen sogenannter „Minderwertiger“ in Kraft. Auch in außereuropäischen Kolonien wurden eugenische Projekte gestartet, und 1912 fand in London der erste eugenische Weltkongress statt. In den 1920er und 1930er Jahren galt die Eugenik als eine der innovativsten Wissenschaften, und sie wurde fast überall auch staatlich unterstützt.

Die schärfste Zuspitzung und Radikalisierung erfuhr das rassenbiologische Denken im Nationalsozialismus. Dort war es nicht nur Bestandteil der Propaganda, sondern ein zentraler Punkt der Ideologie und der betriebenen Politik. Adolf Hitlers Buch Mein Kampf enthielt ein umfangreiches Kapitel über Eugenik, und den von ihm entfesselten Krieg einschließlich der sogenannten Konzentrationslager betrachtete er als einen Überlebenskampf zwischen Rassen. 1935 wurde der Lebensborn gegründet. Unterstützt wurde die „Nationalsozialistische Rassenhygiene“ auch von deutschen Wissenschaftlern. Von den bekanntesten Anthropologen, Humangenetikern und Rassenhygienikern der NS-Zeit, deren Personalakten im Berlin Document Center (BDC) lagern, waren mehr als 90 % Mitglieder der NSDAP. Ein Zentrum der rassenbiologischen Ideologie war die Universität Jena. Dort lehrten im Nationalsozialismus vier Professoren für menschliche Rassenkunde: Hans F. K. Günther, Karl Astel, Gerhard Heberer und Victor Julius Franz.

In einem medizinischen Lehrbuch wurde 1940 „für das deutsche Volk eine rassische Zusammensetzung hauptsächlich aus vier Rassenelementen angenommen“, von denen ein so genanntes nordisches Rassenelement das vorherrschende sein solle. Außerdem wurden weitere angebliche Rassen – eine „alpine oder ostische Rasse“, eine „dinarische“ und eine „mediterrane oder westische Rasse“ sowie eine „dalische oder fälische“ und eine „ostbaltische Rasse“ – aufgeführt und beschrieben. Analog schrieb Otto Palandt 1939 im Gesetzeskommentar zum Blutschutzgesetz, dass „das deutsche Volk sich aus Angehörigen verschiedener Rassen (der nordischen, fälischen, dinarischen, ostischen, ostbaltischen, westischen Rasse) und ihren Mischlingen zusammensetzt.“

1942 veröffentlichte der Anthropologe Ashley Montagu, der spätere UNESCO-Berichterstatter zum Statement of Race, sein Buch Man’s Most Dangerous Myth: The Fallacy of Race, eine einflussreiche Erörterung, die argumentierte, dass Rasse ein soziales Konzept ohne genetische Grundlage sei.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Gräueln des Holocaust setzte die UNESCO 1949 ein Komitee von Anthropologen und Soziologen aus verschiedenen Ländern ein, das eine Erklärung zur Rassenproblematik erarbeitete, die 1950 veröffentlicht wurde. Darin wurde festgehalten, dass im allgemeinen Sprachgebrauch zumeist Menschengruppen als „Rassen“ bezeichnet wurden, welche der gültigen Definition dieses Begriffs in der Wissenschaft nicht entsprachen, etwa Amerikaner, Katholiken oder Juden. Insofern im Rahmen der Wissenschaft von Menschenrassen gesprochen werde (etwa bei der Unterscheidung von Mongoliden, Negroiden und Caucasoiden), beziehe sich das nur auf physische und physiologische Unterschiede. Dagegen gebe es keine Belege für nennenswerte Rassenunterschiede bei geistigen Eigenschaften wie der Intelligenz oder dem Temperament, und auch nicht in sozialer oder kultureller Hinsicht. Des Weiteren gebe es aus der Sicht der Biologie keine Hinweise darauf, dass eine Vermischung von Rassen nachteilige Auswirkungen habe. An diese Erklärung schloss sich 1965 das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung an. In der Praxis blieb allerdings in den Südstaaten der USA noch bis in die späten 1960er Jahre die Rassentrennung erhalten, und in Südafrika wurde die Apartheid erst 1990 überwunden.

„Rassen“ in der biomedizinischen Forschung

Der Begriff „Rasse“ (race) erlebte, abseits seiner sonstigen Verwendungen, eine gewisse Renaissance innerhalb der biomedizinischen Forschung in den USA. Dies steht in Zusammenhang mit den Pharmakogenetik genannten Bestrebungen, individuelle Merkmale des Erbguts, die sich auf die Neigung zu Krankheiten oder die Reaktion auf Medikamente auswirken können, zur Verbesserung der Therapie nutzbar zu machen. Zwar strebt die sogenannte personalisierte Medizin eigentlich eine individuelle Behandlung jedes Menschen an, aber einige Mediziner sehen auch schon in der differenzierten Behandlung von Menschengruppen unterschiedlicher genetischer Abstammung einen Vorteil (sogenannte stratifizierte, also geschichtete Medizin). In den USA gilt seitens staatlicher Stellen wie der FDA die Empfehlung, Daten zur „Rasse“ (race), neben Angaben zum Lebensalter und zum Geschlecht, zum Beispiel im Rahmen von klinischen Studien zu erheben, deren erste Fassung stammt von 2003. Für Empfänger staatlicher Forschungsgelder, etwa des HHS, ist dies zwingend vorgeschrieben. Die verwendeten Kategorien sind diejenigen der amerikanischen Statistikbehörden und des Zensus (vgl. Artikel Race (United States Census)), erhoben werden sie nach der Selbsteinschätzung der Teilnehmer. Durch die Richtlinien soll, unter anderem, verhindert werden, dass durch die Auswahl der Testpersonen (vorher meist „weiße“, junge und überwiegend gesunde Angehörige der sozialen Mittel- und Oberschichten, z. B. Studenten) die besonderen Bedürfnisse zahlreicher Menschengruppen in den Studien unerkannt bleiben. Von Anfang an stand aber auch die Entwicklung von für bestimmte Patientengruppen maßgeschneiderten Medikamenten im Fokus. Die Verwendung des so definierten Rassenbegriffs ist innerhalb wie außerhalb der fachlichen Debatte von Anfang an umstritten gewesen. Viele sind der Ansicht, die Daten würden nur durch die politischen Vorgaben und, weil sie nun einmal da seien, verwendet, nicht, weil ein besonderer Nutzen der Anwendung empirisch ermittelt worden wäre; sie könnten ein durch Fakten nicht mehr abgedecktes Eigenleben entwickeln. Außerdem verfälschen weitere Variable das Bild, beispielsweise gehören Menschen mit schwarzer Hautfarbe gerade auch in den USA meist der sozialen Unterschicht mit einer bestimmten Lebensweise an, wodurch auch statistisch signifikante Ergebnisse als kausales Erklärungsmodell zweifelhaft sind. Direkt nach genetischen Markern ermittelte direkte Herkunftsnachweise könnten den Zuordnungen aber möglicherweise überlegen sein.

In Europa wird der Begriff Rasse in allen Zusammenhängen vermieden, es werden aber statistische Daten zur Ethnie erhoben, einem Begriff, der neben sozialen Komponenten auch zumindest teilweise im Sinne einer gemeinsamen Abstammung und genetischen Verwandtschaft gedeutet wird (vgl. Ethnizität). Die erhobenen Gruppenzugehörigkeiten unterscheiden sich innerhalb der EU und von den in den USA verwendeten, ihre Verwendung in der medizinischen Forschung ist hier nur ausnahmsweise üblich.

Grundlage des Ansatzes ist, dass Menschen über ihre biologischen Vorfahren auch einen Anteil ihrer genetischen Variation erben. Jedes Allel geht dabei irgendwann auf eine Mutation zurück. Allele von Menschen mit extrem vielen Nachkommen sind dadurch in dieser Nachkommenschaft gruppenspezifisch angereichert, wobei aber immer weitere Allele von den anderen Vorfahren und aus späteren, neuen Mutationen hinzu kommen. Durch die sehr hohe genetische Uniformität der Menschheit im Vergleich zu anderen Tierarten (die auf das geringe genetische Alter der heutigen Population aufgrund erst wenige zehntausend Jahre zurückliegender Wanderungsbewegungen zurückgeht) ist der Anteil allerdings im Vergleich zu anderen Arten gering. Etwa 85 bis 90 Prozent der häufigeren Allele (das sind diejenigen, die in mindestens fünf Prozent der Bevölkerung vorhanden sind) sind zwischen den Menschen auf verschiedenen Kontinenten identisch verteilt. Unter den Allelen sind einige, die die Fitness von Individuen reduzieren oder Krankheiten auslösen, sie werden zusammen als die „Mutationslast“ bezeichnet. Durch die Geschichte der menschlichen Ausbreitung, bei der oft die Abkömmlinge einer kleinen Gründerpopulation ganze Kontinente neu besiedeln konnten, konnten sich seltene nachteilige Allele nach dem Modell des „seriellen genetischen Flaschenhalses“ in (außer-afrikanischen) menschlichen Populationen möglicherweise anreichern. Andere breiteten sich wohl quasi huckepack durch Kombination mit günstigen Allelen, oder pleiotrope günstige Effekte auf andere Merkmale, aus. Berühmte Fälle von Erbkrankheiten aufgrund krankheitsfördernder Allele in Menschengruppen sind das Tay-Sachs-Syndrom bei den Aschkenasim (den mittel- und nordeuropäischen Juden und ihren Nachfahren), die Mukoviszidose bei allen Europäern oder die Sichelzellenanämie bei einigen Populationen afrikanischer Herkunft.

Trotz der umfangreichen Forschungen zum möglichen Nutzen unterschiedlicher Medikamente für Menschen unterschiedlicher „Rassen“ sind die bisherigen Erfolge dieses Ansatzes gering geblieben. Einige zunächst vielversprechende Fallstudien, vor allem zu Betablockern oder Warfarin bei Herzerkrankungen, erbrachten letztlich kaum klinisch verwendbare Resultate, da sich die individuelle Variation als zu groß erwiesen hat, so dass letztlich doch wieder das individuelle Genom entscheidend ist. Berühmt geworden ist die Kontroverse um BiDil, das erste Medikament, das von der amerikanischen FDA im Jahr 2005 spezifisch zur Behandlung von Herzerkrankungen bei Schwarzen zugelassen worden ist. Obwohl viele Ärzte bereit waren, das Mittel besonders bei Patienten mit schwarzer Hautfarbe zu verabreichen, hat die heftige Kritik inzwischen zu einem deutlichen Rückgang der Erwartungen geführt. Wichtige Kritikpunkte sind der geringe wissenschaftliche und methodische Standard einiger der zur Zulassung herangezogenen Studien sowie bekannt gewordene Marketing-Überlegungen des Herstellers (das Mittel, eine Mischung zweier lange bekannter Substanzen, wäre für ein allgemein anwendbares Medikament nur noch sehr kurze Zeit patentierbar gewesen). In einigen Fachbereichen, wie der Psychiatrie, wird der bisherige Nutzen des Ansatzes insgesamt in Frage gestellt.