Anorexie

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Anorexie
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FachgebietEndokrinologie
SymptomeKeine Lust auf Essen, kein Hunger, Schwindel, Schwäche
Todesfälle0

Anorexie ist ein medizinischer Begriff für Appetitlosigkeit. In nicht-wissenschaftlichen Publikationen wird der Begriff oft synonym mit Anorexia nervosa verwendet. Es gibt jedoch viele mögliche Ursachen für eine Appetitlosigkeit, von denen einige harmlos sein können, während andere auf einen ernsten klinischen Zustand hinweisen oder ein erhebliches Risiko darstellen.

Anorexie ist ein Symptom, keine Diagnose. Magersucht ist nicht mit der psychischen Störung Anorexia nervosa zu verwechseln. Da der Begriff "Anorexie" häufig als Kurzform von Anorexia nervosa verwendet wird, muss ein Leistungserbringer, um Verwechslungen zu vermeiden, den Patienten klarmachen, ob er sich lediglich auf einen verminderten Appetit oder auf die psychische Störung bezieht. Magersucht kann sich bei jedem Menschen als Appetitlosigkeit äußern, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Gewicht.

Das Symptom tritt auch bei anderen Tieren auf, z. B. bei Katzen, Hunden, Rindern, Ziegen und Schafen. Bei diesen Tierarten kann die Anorexie auch als Inappetenz bezeichnet werden. Wie beim Menschen kann die Appetitlosigkeit auf eine Reihe von Krankheiten und Zuständen sowie auf umweltbedingte und psychologische Faktoren zurückzuführen sein.

Klassifikation nach ICD-10
R63.0 Anorexie, Appetitverlust
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Die Anorexie (altgriechisch ὄρεξις orexis ‚Verlangen‘ mit Alpha privativum) oder Inappetenz (lateinisch appetītus ‚Verlangen‘) ist der medizinische Fachbegriff für Appetitlosigkeit. Symptome und Beschwerden bei Anorexie sind der Verlust des Appetits oder des Verlangens nach Nahrung („Herabsetzung des Triebes zur Nahrungsaufnahme“). Bei länger andauernder Anorexie lässt das Hungergefühl nach; durch eine eventuell folgende Mangelernährung kann es zu schweren körperlichen Schäden kommen.

Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine psychisch bedingte Sonderform der Anorexie und wird manchmal ebenfalls verkürzend als „Anorexie“ bezeichnet, was medizinisch gesehen jedoch nicht korrekt ist. Anorexie tritt auch als Nebenwirkung von Medikamenten auf, z. B. beim Blutfett-Senker Atorvastatin.

Etymologie

Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen: ανορεξία (ἀν-, "ohne" + όρεξις, buchstabiert órexis, "Appetit").

Häufige Erscheinungsformen

Anorexie äußert sich einfach als verminderter oder fehlender Appetit. Dies kann sich als fehlendes Hungergefühl oder fehlendes Verlangen zu essen äußern. Manchmal bemerken die Betroffenen ihren fehlenden Appetit erst, wenn sie durch die verminderte Nahrungsaufnahme an Gewicht verlieren. In anderen Fällen macht sich die Appetitlosigkeit deutlicher bemerkbar, z. B. wenn einem schon beim Gedanken ans Essen übel wird. Jede Form von vermindertem Appetit, die zu Veränderungen im Körper führt (z. B. Gewichtsverlust oder Muskelabbau) und nicht absichtlich im Rahmen einer Diät erfolgt, ist klinisch bedeutsam.

Physiologie der Anorexie

Die Stimulierung und Unterdrückung des Appetits ist ein komplexer Prozess, an dem viele verschiedene Teile des Gehirns und des Körpers durch den Einsatz verschiedener Hormone und Signale beteiligt sind. Es wird angenommen, dass der Appetit durch das Zusammenspiel von peripheren Signalen an das Gehirn (Geschmack, Geruch, Sehkraft, Darmhormone) sowie durch das Gleichgewicht von Neurotransmittern und Neuropeptiden im Hypothalamus angeregt wird. Beispiele für diese Signale oder Hormone sind Neuropeptid Y, Leptin, Ghrelin, Insulin, Serotonin und Orexine (auch Hypocretine genannt). Alles, was ein Ungleichgewicht dieser Signale oder Hormone verursacht, kann zu dem Symptom der Magersucht führen. Es ist zwar bekannt, dass diese Signale und Hormone zur Kontrolle des Appetits beitragen, doch die komplizierten Mechanismen einer pathologischen Appetitsteigerung oder -minderung werden noch erforscht.

Häufige Ursachen

  • Akutes Strahlensyndrom
  • Addisonsche Krankheit
  • Alkoholismus
  • Alkoholentzug
  • Anämie
  • Magersucht (Anorexia nervosa)
  • Angstzustände
  • Blinddarmentzündung
  • Babesiose
  • Benzodiazepin-Entzug
  • Bipolare Störung
  • Krebs
  • Cannabinoid-Hyperemesis-Syndrom
  • Cannabis-Entzug
  • Zöliakie
  • Chronische Nierenerkrankung
  • Chronische Schmerzen
  • Erkältung
  • Verstopfung
  • COPD
  • COVID-19
  • Morbus Crohn
  • Dehydrierung
  • Demenz
  • Depressionen
  • Ebola
  • Fettleberkrankheit
  • Fieber
  • Lebensmittelvergiftung
  • Gastroparese
  • Hepatitis
  • HIV/AIDS
  • Hyperkalzämie
  • Hyperglykämie
  • Hypervitaminose D
  • Hypothyreose und manchmal Hyperthyreose
  • Reizdarm-Syndrom
  • Ketoazidose
  • Nierenversagen
  • Niedriger Blutdruck
  • Manie
  • Stoffwechselstörungen, insbesondere Störungen des Harnstoffzyklus
  • MELAS-Syndrom
  • Übelkeit
  • Opioidgebrauchsstörung
  • Bauchspeicheldrüsenentzündung
  • Psychose
  • Schizophrenie
  • Nebenwirkung von Drogen
  • Störung durch Stimulanzienkonsum
  • Magen-Darm-Grippe
  • Stress
  • Krankhaftes Verhalten
  • Syndrom der oberen Mesenterialarterie
  • Syndrom der unangemessenen antidiuretischen Hormonausschüttung
  • Tuberkulose
  • Thalassämie
  • Colitis ulcerosa
  • Urämie
  • Vitamin-B12-Mangel
  • Zinkmangel
  • Infektion: Die Anorexie bei Infektionen ist Teil der Akute-Phase-Reaktion (APR) auf eine Infektion. Die APR kann durch Lipopolysaccharide und Peptidoglykane aus bakteriellen Zellwänden, bakterielle DNA und doppelsträngige virale RNA sowie virale Glykoproteine ausgelöst werden, die die Produktion einer Vielzahl von proinflammatorischen Zytokinen auslösen können. Diese können sich indirekt auf den Appetit auswirken, indem sie die Produktion von Leptin aus den Fettspeichern ankurbeln, u. a. über periphere Afferenzen an ihren Produktionsorten im Körper. Entzündungszytokine können auch über spezialisierte Transportmechanismen durch die Blut-Hirn-Schranke, über zirkumventrikuläre Organe (die sich außerhalb der Schranke befinden) oder durch Auslösung der Produktion von Eicosanoiden in den Endothelzellen der Hirngefäße direktere Signale an das zentrale Nervensystem senden. Letztendlich wird angenommen, dass die Appetitkontrolle durch diesen Mechanismus durch dieselben Faktoren vermittelt wird, die normalerweise den Appetit kontrollieren, wie Neurotransmitter (Serotonin, Dopamin, Histamin, Noradrenalin, Corticotropin-Releasing-Faktor, Neuropeptid Y und α-Melanozyten-stimulierendes Hormon).

Medikamente

  • Stimulanzien, wie Ephedrin, Amphetamin, Methamphetamin, MDMA, Cathinon, Methylphenidat, Nikotin, Kokain, Koffein usw.
  • Narkotika wie Heroin, Morphin, Codein, Hydrocodon, Oxycodon usw.
  • Antidepressiva können Anorexie als Nebenwirkung haben, vor allem selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin.
  • Byetta, ein Medikament gegen Typ-II-Diabetes, verursacht leichte Übelkeit und Appetitlosigkeit.
  • Abruptes Absetzen von appetitsteigernden Medikamenten, wie Cannabis und Kortikosteroide.
  • Chemikalien, die zur Gruppe der Phenethylamine gehören. (Personen mit Anorexia nervosa nehmen sie möglicherweise ein, um den Appetit zu unterdrücken).
  • Topiramat kann als Nebenwirkung Anorexie verursachen.
  • Andere Medikamente können absichtlich eine Appetitlosigkeit hervorrufen, um den Patienten beim präoperativen Fasten vor einer Vollnarkose zu helfen. Es ist wichtig, vor einer Operation keine Nahrung zu sich zu nehmen, um das Risiko einer Lungenaspiration zu verringern, die tödlich sein kann.

Andere

  • Während der postoperativen Erholungsphase nach einer Tonsillektomie oder Adenoidektomie kommt es bei erwachsenen Patienten häufig zu Appetitlosigkeit, bis der Rachen weitgehend verheilt ist (in der Regel 10-14 Tage).
  • Höhenkrankheit
  • Erheblicher emotionaler Schmerz, der durch ein Ereignis (und nicht durch eine psychische Störung) verursacht wird, kann dazu führen, dass ein Mensch vorübergehend jegliches Interesse am Essen verliert.
  • Mehrere Zwölf-Schritte-Programme, darunter Overeaters Anonymous, befassen sich mit psychologischen Problemen, von denen die Mitglieder glauben, dass sie zu Formen des Entzugs führen
  • Psychologischer Stress
  • Groteske oder unsympathische Gedanken oder Gespräche oder das Betrachten ähnlicher Bilder
  • Die Anwesenheit von unattraktiven Dingen wie Abfällen, toten Organismen oder schlechten Gerüchen

Komplikationen

Komplikationen der Anorexie können durch eine unzureichende Nahrungsaufnahme entstehen. Eine unzureichende Nahrungsaufnahme kann zu Dehydrierung, Elektrolytstörungen, Anämie und Nährstoffmangel führen. Diese Ungleichgewichte verschlimmern sich, je länger die Nahrungsaufnahme vermieden wird.

Plötzlicher Herztod

Magersucht ist eine relativ häufige Erkrankung, die bei Patienten zu einem gefährlichen Elektrolyt-Ungleichgewicht führen kann, das ein erworbenes langes QT-Syndrom hervorruft, das einen plötzlichen Herztod zur Folge haben kann. Dies kann sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, und das Risiko wird noch erhöht, wenn die Nahrungsaufnahme nach einer Zeit der Abstinenz wieder aufgenommen wird.

Refeeding-Syndrom

Wenn ein Patient nach längerem Hungertod wieder zu essen beginnt, ist Vorsicht geboten, um die potenziell tödlichen Komplikationen des Refeeding-Syndroms zu vermeiden. Die ersten Anzeichen des Refeeding-Syndroms sind minimal, können aber schnell zum Tod führen. Daher wird die Wiederaufnahme der Nahrung oder der oralen Aufnahme in der Regel langsam begonnen und erfordert eine genaue Beobachtung unter Aufsicht von geschultem medizinischem Fachpersonal. Dies geschieht in der Regel in einem Krankenhaus oder einem Rehabilitationszentrum für Ernährungsfragen.

Behandlung

Die Behandlung einer Anorexie richtet sich nach der Ursache und kann ggf. auch künstliche Ernährung umfassen.

Anorexie kann mit Hilfe von orexigenen Medikamenten behandelt werden.

"Anorexie" vs. "magersüchtig" vs. Anorexia nervosa

Als magersüchtig wird jemand bezeichnet, der stereotyp dünn, gebrechlich und unterernährt aussieht. Dieses Erscheinungsbild wird klassischerweise mit Anorexie in Verbindung gebracht, auch wenn Patienten nur in seltenen Fällen magersüchtig werden. Als magersüchtig oder anorektisch werden auch Substanzen bezeichnet, die eine Magersucht zum Zweck der Gewichtsabnahme hervorrufen.

Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine Essstörung, die durch Nahrungsbeschränkung aufgrund des starken Wunsches, dünn zu bleiben, gekennzeichnet ist. Es handelt sich um eine psychische Diagnose, bei der sich die Betroffenen unabhängig von ihrem Gewicht oder Aussehen als fettleibig betrachten. Die Person zeigt nicht unbedingt Anorexie als ein Symptom in ihrem Bestreben, die Nahrungsaufnahme einzuschränken.

Ursachen

Anorexie stellt ein Allgemeinsymptom dar und kann daher bei einer Reihe von anderen Krankheitseinheiten auftreten. Als Symptom ist es bei fast allen schweren Infektionskrankheiten geläufig, aber auch bei Tumorerkrankungen, bei dauerhaftem Missbrauch psychoaktiver Substanzen oder als eigenständige psychische Störung (Anorexia nervosa, Magersucht). Weitere Ursachen können in einer gastrointestinalen Obstruktion (Verschluss des Magen-Darm-Traktes) begründet sein, z. B. beim Arteria-mesenterica-superior-Syndrom.

Folgen und Komplikationen

Die Unterernährung als Folge der Anorexie kann lebensgefährlich werden und schwere körperliche Schäden verursachen. Sie führt zum Mangel an Nährstoffen mit Abbau von Körpergeweben (Katabolismus), zu Abmagerung (Inanition) bis hin zum Marasmus (Energie- und Proteinmangel) oder zur Kachexie (krankhaft starke Abmagerung).

Schnell eintretende Folgen einer Anorexie sind insbesondere an den Organen mit hoher Stoffwechselaktivität und Bausteinen mit kurzer Halbwertszeit sichtbar, etwa ein [[Albumin|Albumin]]mangel im Blut mit der Bildung von Ödemen (→ Hungerödem).