Ketoazidose

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Ketoazidose
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Ketonkörper
SpezialgebietEndokrinologie
SymptomeÜbelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Schwäche, ungewöhnlicher Atemgeruch, schnelle Atmung
UrsachenMedikamente, alkoholische Getränke

Ketoazidose ist ein Stoffwechselzustand, der durch eine unkontrollierte Produktion von Ketonkörpern verursacht wird, die eine metabolische Azidose hervorrufen. Während sich Ketose auf jede Erhöhung der Ketone im Blut bezieht, ist Ketoazidose ein spezifischer pathologischer Zustand, der zu Veränderungen des pH-Werts im Blut führt und ärztliche Hilfe erfordert. Die häufigste Ursache für eine Ketoazidose ist die diabetische Ketoazidose, sie kann aber auch durch Alkohol, Medikamente, Toxine und selten durch Hungern verursacht werden.

Klassifikation nach ICD-10
E87.2 Azidose
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Anzeichen und Symptome

Die Symptome der Ketoazidose sind je nach der zugrunde liegenden Ursache unterschiedlich. Zu den häufigsten Symptomen gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Schwäche. Der Atem kann auch den Geruch von Aceton annehmen, da es sich um ein flüchtiges Keton handelt, das ausgeatmet werden kann. Um die metabolische Azidose auszugleichen, kann eine schnelle, tiefe Atmung oder Kussmaulatmung auftreten. Ein veränderter mentaler Status ist bei diabetischer Ketoazidose häufiger als bei alkoholischer Ketoazidose.

Die Ketoazidose zeigt sich klinisch durch unspezifische Symptome wie Atembeschwerden, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Polyurie, Durst und Schwäche. Im weiteren Verlauf des Krankheitsbildes (ketoazidotisches Koma) kommt es zur Trübung des Bewusstseins bis hin zum Verlust, der Kußmaul-Atmung mit Acetongeruch der Atemluft und Austrocknung (Exsikkose). Das Krankheitsbild endet unbehandelt tödlich.

Ursachen

Legende: A: Muskelfaser, B: Aminosäuren, C: Leber, E: Fettsäuren, F: Glukagon, G: Blutgefäß Ablauf: 1. Der Mangel an Insulin führt zur Freisetzung von Aminosäuren aus der Muskelfaser. 2. Aminosäuren werden aus den Muskelfasern freigesetzt, die in der Leber in Glukose umgewandelt werden. 3. Die produzierte Glukose gelangt in großer Menge in den Blutkreislauf. 4. Fettsäuren und Glycerin werden aus dem Fettgewebe freigesetzt, die in der Leber in Ketone umgewandelt werden. 5. Zusammen mit den Fettsäuren und dem Glycerin wird auch die Glukose, die durch den Mangel an Insulin entsteht, in der Leber in Ketone umgewandelt. 6. Die produzierten Ketone gelangen in großer Menge in den Blutkreislauf. Dies führt zu einem hohen Blutzuckerspiegel, Übelkeit, Erbrechen, Durst, übermäßiger Urinproduktion und Unterleibsschmerzen.

Die Ketoazidose wird durch eine unkontrollierte Produktion von Ketonkörpern verursacht. Normalerweise wird die Produktion von Ketonen durch verschiedene Hormone, vor allem Insulin, sorgfältig kontrolliert. Wenn die Mechanismen zur Kontrolle der Ketonkörperproduktion versagen, kann der Ketonspiegel dramatisch ansteigen und gefährliche physiologische Veränderungen wie eine metabolische Azidose verursachen.

Diabetes

Bei der Entstehung einer Ketoazidose häufen sich die organischen Säuren Acetessigsäure und β-Hydroxybuttersäure (Ketonkörper) im Blut an und vermindern dessen pH-Wert, verursacht durch einen langanhaltenden absoluten Insulinmangel.

Dadurch wird die Lipolyse sowie die Gluconeogenese enthemmt, in der Folge entsteht Acetyl-CoA und NADH durch die Lipolyse. Das Acetyl-CoA kann nun nicht (wie „normal“) im Citratcyclus verwertet werden, da dieser zum einen durch die hohe NADH-Konzentration gehemmt wird, zum anderen fehlt Oxalacetat, der Reaktionspartner des Acetyl-CoA, da die enthemmte Gluconeogenese das Oxalacetat als Substrat zur Glucoseherstellung verbraucht. Dadurch akkumuliert das energiereiche Acetyl-CoA in der Zelle, es kann auch nicht zur Fettsäuresynthese verwendet werden, da diese durch das fehlende Insulin nicht genügend stimuliert wird. Um das Acetyl-CoA dennoch verwerten zu können, synthetisieren die Mitochondrien der Hepatozyten nun Ketonkörper. Bei der Entstehung von β-Hydroxybutyrat und Acetoacetat wird jeweils ein Proton abgegeben, da es sich um schwache organische Säuren handelt. Dadurch sinkt der pH-Wert.

Am häufigsten ist für die Anhäufung organischer Säuren im Blut die katabole Stoffwechselsituation bei Insulinmangelzuständen im Rahmen eines entgleisten Diabetes mellitus ursächlich (diabetische Ketoazidose). Als weitere typische Ursache gilt die massive Erhöhung der β-Hydroxybuttersäure im Blut infolge Alkoholkonsums (alkoholische Ketoazidose). Alkohol hemmt die Gluconeogenese und die Oxidation freier Fettsäuren in der Leber ebenfalls durch einen erhöhten NADH-Spiegel (pro mol Ethanol entsteht bei vollständiger Oxidation 2 mol NADH und 1 mol Acetyl-CoA)l. Auch Erbkrankheiten wie ein angeborener Mangel an Succinyl-CoA Acetoacetate Transferase (SCOT-Mangel) können auslösend sein.

Mitte Mai 2015 warnte die US-Arzneisicherheitsbehörde FDA vor Auftreten einer schweren Ketoazidose unter Therapie mit SGLT2-Inhibitoren wie Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin. Die Indikation von Dapagliflozin (Handelsname FORXIGA®) wurde vom Hersteller AstraZeneca am 1. November 2021 per Rote-Hand-Brief aufgehoben.

Alkohol

Die alkoholische Ketoazidose wird durch eine komplexe Physiologie verursacht, die in der Regel das Ergebnis eines längeren und starken Alkoholkonsums in Verbindung mit einer schlechten Ernährung ist. Chronischer Alkoholkonsum kann zu einer Erschöpfung der hepatischen Glykogenspeicher führen, und der Ethanol-Stoffwechsel beeinträchtigt die Glukoneogenese zusätzlich. Dies kann die Verfügbarkeit von Glukose verringern und zu Hypoglykämie und einer erhöhten Abhängigkeit vom Fettsäure- und Ketonstoffwechsel führen. Ein zusätzlicher Stressor wie Erbrechen oder Dehydrierung kann zu einem Anstieg der gegenregulierenden Hormone wie Glukagon, Cortisol und Wachstumshormon führen, was die Freisetzung freier Fettsäuren und die Ketonproduktion weiter steigern kann. Der Ethanol-Stoffwechsel kann auch den Milchsäuregehalt im Blut erhöhen, was ebenfalls zu einer metabolischen Azidose beitragen kann.

Verhungern

Hungern ist eine seltene Ursache für eine Ketoazidose, die in der Regel eher eine physiologische Ketose ohne Ketoazidose verursacht. Eine Ketoazidose durch Verhungern tritt am häufigsten im Zusammenhang mit einer zusätzlichen Stoffwechselbelastung wie Schwangerschaft, Stillzeit oder akuter Krankheit auf.

Medikamente

Bestimmte Medikamente können ebenfalls zu erhöhten Ketonwerten führen, z. B. SGLT2-Hemmer, die eine euglykämische Ketoazidose verursachen. Eine Überdosierung von Salicylaten oder Isoniazid kann ebenfalls eine Ketoazidose verursachen.

Gifte

Eine Ketoazidose kann die Folge der Einnahme von Methanol, Ethylenglykol, Isopropylalkohol und Aceton sein.

Pathophysiologie

Ketone werden hauptsächlich aus freien Fettsäuren in den Mitochondrien der Leberzellen gebildet. Die Produktion von Ketonen wird stark durch Insulin reguliert, und ein absoluter oder relativer Mangel an Insulin liegt der Pathophysiologie der Ketoazidose zugrunde. Insulin ist ein starker Hemmstoff für die Freisetzung von Fettsäuren, so dass ein Insulinmangel zu einer unkontrollierten Freisetzung von Fettsäuren aus dem Fettgewebe führen kann. Insulinmangel kann auch die Ketonproduktion verstärken und die periphere Verwendung von Ketonen hemmen. Dies kann bei vollständigem Insulinmangel (z. B. bei unbehandeltem Diabetes) oder bei relativem Insulinmangel bei erhöhtem Glukagon und gegenregulierenden Hormonen (z. B. bei Hunger, starkem chronischem Alkoholkonsum oder Krankheit) auftreten.

Acetessigsäure und β-Hydroxybutyrat sind die am häufigsten vorkommenden zirkulierenden Ketonkörper. Ketonkörper sind sauer; bei physiologischen Konzentrationen verhindert das Säure-Basen-Puffersystem des Körpers jedoch, dass sie den pH-Wert des Blutes verändern.

Behandlung

Therapeutisch stehen die Beendigung des ursächlichen, katabolen Stoffwechselgeschehen durch Blutzuckerkorrektur (Gabe von Insulin) sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr aufgrund der begleitenden Exsikkose im Vordergrund. Neben den ärztlichen allgemeinen notfall- oder intensivmedizinischen Maßnahmen zum Erhalt der Vitalfunktionen ist, um weitere potenziell lebensbedrohliche Veränderungen früh genug erkennen zu können, eine konsequente laborchemische Überwachung der Betroffenen notwendig. Insbesondere nennenswerte Abweichungen von Blutzucker- und Kaliumspiegel im Blut bedürfen in der Frühphase häufig prompten Eingreifens.

Die Behandlung hängt von der zugrunde liegenden Ursache der Ketoazidose ab. Die diabetische Ketoazidose wird mit Insulininfusion, intravenöser Flüssigkeitszufuhr, Elektrolytersatz und unterstützender Pflege behandelt. Die alkoholische Ketoazidose wird mit intravenösem Traubenzucker und unterstützenden Maßnahmen behandelt und erfordert in der Regel kein Insulin. Eine Hungerketoazidose kann mit intravenösem Traubenzucker behandelt werden, wobei auf Elektrolytveränderungen zu achten ist, die beim Refeeding-Syndrom auftreten können.

Epidemiologie

Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind prädisponiert, eine Ketoazidose zu entwickeln, darunter Menschen mit Diabetes, Menschen mit längerem und starkem Alkoholkonsum in der Vorgeschichte, schwangere Frauen, stillende Frauen, Kinder und Säuglinge.

Menschen mit Diabetes, die nur sehr wenig oder gar kein Insulin produzieren, sind prädisponiert, eine Ketoazidose zu entwickeln, insbesondere in Krankheitszeiten oder wenn sie die Insulindosis auslassen. Dazu gehören Menschen mit Typ-1-Diabetes oder zu Ketose neigender Diabetes.

Längerer starker Alkoholkonsum stellt ein Risiko für Ketoazidose dar, insbesondere bei Menschen mit schlechter Ernährung oder gleichzeitiger Krankheit.

Schwangere Frauen haben einen hohen Spiegel an Hormonen, darunter Glucagon und humanes Plazenta-Laktogen, die die zirkulierenden freien Fettsäuren erhöhen, was die Ketonproduktion steigert. Auch stillende Frauen neigen zu einer erhöhten Ketonproduktion. Bei diesen Bevölkerungsgruppen besteht das Risiko einer Ketoazidose im Zusammenhang mit metabolischen Stressfaktoren wie Fasten, kohlenhydratarmen Diäten oder akuten Krankheiten.

Kinder und Säuglinge verfügen über geringere Glykogenspeicher und können bei akuten Erkrankungen, insbesondere bei Magen-Darm-Erkrankungen, hohe Spiegel an Glukagon und gegenregulierenden Hormonen entwickeln. Dadurch können Kinder und Säuglinge leicht Ketone bilden, was zwar selten ist, aber bei akuter Krankheit zu einer Ketoazidose führen kann.

Untersuchung

Notfallmedizinisch geben Anamnese, klinische Erscheinung, ein häufig auftretender Acetongeruch des Atems wertvolle Hinweise. Wegweisende Untersuchung unter stationären Bedingungen ist die Blutgasanalyse (pH < 7,25, erniedrigter pCO2, HCO3 < 15 mmol/l und negativer BE). Bei der diabetisch induzierten Ketoazidose findet sich ein deutlich erhöhter Blutzuckerspiegel (über 240 mg/dl), bei der alkoholischen kann er sowohl erniedrigt als auch normal oder leicht erhöht sein. Die Bestimmung des Acetons im Urin oder Blut ergibt einen stark erhöhten Wert.