Empathie

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A small child hugs an older, injured child
Jemanden zu umarmen, der verletzt ist, ist ein Zeichen von Empathie.

Empathie ist die Fähigkeit, zu verstehen oder zu fühlen, was eine andere Person in ihrem Bezugsrahmen erlebt, d. h. die Fähigkeit, sich in die Lage einer anderen Person zu versetzen. Definitionen von Empathie umfassen ein breites Spektrum an sozialen, kognitiven und emotionalen Prozessen, bei denen es in erster Linie darum geht, andere zu verstehen (und insbesondere die Gefühle anderer). Zu den Arten der Empathie gehören kognitive Empathie, emotionale (oder affektive) Empathie, somatische Empathie und spirituelle Empathie.

Zur Empathie wird gemeinhin auch die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen gezählt, zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft aus Mitgefühl. Die neuere Hirnforschung legt allerdings eine deutliche Unterscheidbarkeit des empathischen Vermögens vom Mitgefühl nahe.

Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung – je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten – sowie die Selbsttranszendenz, um egozentrische Geisteshaltungen überwinden zu können.

Empathie spielt in vielen Wissenschaften und Anwendungsbereichen (z. B. in der Musik) eine fundamentale Rolle, von der Kriminalistik über die Politikwissenschaft, Psychotherapie, Psychologie, Physiologie, Physiotherapie, Pflegewissenschaft, Pädagogik, Philosophie, Sprachwissenschaft, Medizin und Psychiatrie bis hin zum Management oder auch Marketing.

Begriffsgeschichte

Das Wort Empathie geht zurück auf das altgriechische Wort ἐμπάθεια empátheia – gebildet aus dem Substantiv πάθος páthos („Leid, Unglück, Leiden, Leidenschaft“), worauf die Wurzel path- zurückgeht, und der Vorsilbe ἐν/ἐμ en/em („in, an, auf“). Es bedeutet „intensive Gefühlsregung, Leidenschaft“ und entwickelt auf dem Weg zum Neugriechischen die Bedeutungen „Voreingenommenheit, Feindseligkeit, Gehässigkeit“. Auf dieses griechische Wort geht also nur die Herkunft des Wortes „Empathie“, nicht jedoch der Bedeutungsinhalt des modernen Terminus im umgangs- oder fachsprachlichen Gebrauch zurück.

Das griechische συμπάθεια sympátheia „Sympathie“ ist wie das deutsche „Mitgefühl“ gebildet, nämlich aus σύν/σύμ syn/sym („mit“) und der Wurzel path- („leiden, fühlen“) sowie dem Wortbildungssuffix zusammengesetzt. Analog dazu wurden im 19. Jahrhundert aus griechisch ἐν/ἐμ en/em („in, an, auf“) und path- als Lehnübersetzung von deutsch „Einfühlung“ die griechisch-basierten Termini deutsch „Empathie“ und englisch empathy neugebildet, um internationale Fachtermini zu schaffen.

Die Geschichte dieser Termini ist noch ungeklärt. Der deutsche Philosoph Rudolf Hermann Lotze (1817–1881) verwendete den Ausdruck „Empathie“ erstmals 1848. Theodor Lipps entwarf 1902 eine Theorie der Einfühlung als „intrapsychischen Prozess“. Er verfolgte die These von einem menschlichen Zwang zu motorischer Nachahmung. Edward B. Titchener verwendete 1909 erstmals den Ausdruck empathy, als er den „wahren“ Sinn des Wortes „Einfühlung“ in Werken von Theodor Lipps richtig übersetzen wollte.

Das gleiche geschah noch einmal, als das Ehepaar Alix und James Strachey (1887–1967) den Ausdruck „Einfühlung“ in den Werken von Sigmund Freud ins Englische zu übersetzen hatte. Das deutsche „Empathie“ kann dann – mit oder ohne Kenntnis von Lotzes Verwendung – als Entsprechung zu englisch empathy gebildet worden sein.

Painting of two girls sitting on the ground
Die Sichtweise des anderen verstehen

In der Psychoanalyse werden die Begriffe Empathie und Einfühlung in nahezu gleicher Bedeutung verwendet, so dass die Darstellung dieses für die Psychoanalyse zentralen Begriffs beide Bezeichnungen einschließen muss. Sigmund Freud verwendete den Begriff Einfühlung, der dann im Rückgriff auf die griechische Sprachwurzel im Englischen mit empathy übersetzt wurde und aus der angloamerikanischen Literatur auch im Deutschen als Empathie zurückkam. Auch im romanischen Sprachraum steht der Begriff empatia gleichbedeutend für das deutsche Wort Einfühlung.

Definitionen

Allgemein

Seit seiner Einführung in die englische Sprache hat der Begriff "Empathie" sowohl unter Forschern als auch unter Laien eine Vielzahl von (manchmal widersprüchlichen) Definitionen. Die Definitionen von Empathie umfassen ein breites Spektrum von Phänomenen, darunter das Mitgefühl für andere Menschen und den Wunsch, ihnen zu helfen, das Erleben von Emotionen, die mit den Emotionen einer anderen Person übereinstimmen, das Erkennen, was eine andere Person denkt oder fühlt, und das Verringern der Unterschiede zwischen dem Selbst und dem anderen.

Da es bei der Empathie darum geht, die emotionalen Zustände anderer Menschen zu verstehen, ergibt sich die Art und Weise, wie sie charakterisiert wird, aus der Art und Weise, wie Emotionen charakterisiert werden. Wenn zum Beispiel Emotionen durch Körpergefühle charakterisiert werden, dann wird das Verstehen der Körpergefühle eines anderen als zentral für die Empathie angesehen. Wenn Emotionen hingegen durch eine Kombination von Überzeugungen und Wünschen gekennzeichnet sind, dann ist das Verständnis dieser Überzeugungen und Wünsche für die Empathie von größerer Bedeutung. Die Fähigkeit, sich in eine andere Person hineinzuversetzen, ist ein anspruchsvoller Prozess. Die grundlegende Fähigkeit, Emotionen in anderen zu erkennen, ist jedoch möglicherweise angeboren und wird unbewusst erreicht. Die empirische Forschung unterstützt eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verbesserung der Empathie.

Empathie ist kein Alles-oder-Nichts-Prinzip; vielmehr kann eine Person anderen gegenüber mehr oder weniger empathisch sein. Paradigmatisch ausgedrückt zeigt eine Person dann Empathie, wenn sie die Bedeutung der laufenden absichtlichen Handlungen einer anderen Person, der damit verbundenen emotionalen Zustände und der persönlichen Merkmale in einer Weise anerkennt, die der anerkannten Person korrekt und erträglich erscheint.

Die Fähigkeit, die Körpergefühle einer anderen Person zu erkennen, hängt mit den eigenen Nachahmungsfähigkeiten zusammen und scheint auf einer angeborenen Fähigkeit zu beruhen, die Körperbewegungen und Gesichtsausdrücke, die man bei einer anderen Person sieht, mit den propriozeptiven Gefühlen zu verbinden, die man selbst bei der Erzeugung der entsprechenden Bewegungen oder Ausdrücke hat.

Unterscheidungen zwischen Empathie und verwandten Konzepten

Mitgefühl und Sympathie sind Begriffe, die mit Empathie verbunden sind. Eine Person empfindet Mitgefühl, wenn sie merkt, dass andere in Not sind, und dieses Gefühl motiviert die Person, zu helfen. Wie bei der Empathie gibt es auch beim Mitgefühl ein breites Spektrum an Definitionen und vermeintlichen Facetten (die sich mit einigen Definitionen der Empathie überschneiden). Mitgefühl ist ein Gefühl der Fürsorge und des Verständnisses für jemanden, der in Not ist. Manche verstehen unter Mitgefühl auch die empathische Sorge um eine andere Person und den Wunsch, dass es ihr besser geht oder sie glücklicher ist.

Empathie ist auch mit Mitleid und emotionaler Ansteckung verbunden. Man empfindet Mitleid mit anderen, die vielleicht in Schwierigkeiten sind oder Hilfe brauchen. Dieses Gefühl wird als "Mitleid" für jemanden beschrieben. Von emotionaler Ansteckung spricht man, wenn eine Person (insbesondere ein Kleinkind oder ein Mitglied einer Gruppe) die von anderen gezeigten Emotionen nachahmt", ohne dies unbedingt zu erkennen.

Alexithymie beschreibt eine Unzulänglichkeit beim Verstehen, Verarbeiten oder Beschreiben der eigenen Emotionen (im Gegensatz zur Empathie, bei der es um die Emotionen anderer Menschen geht).

Klassifizierung

Empathie hat zwei Hauptkomponenten:

  1. Affektive Empathie, auch emotionale Empathie genannt, ist die Fähigkeit, mit einer angemessenen Emotion auf die mentalen Zustände eines anderen zu reagieren. Unsere Fähigkeit zur emotionalen Empathie beruht auf der emotionalen Ansteckung, d. h. darauf, dass wir vom Gefühls- oder Erregungszustand eines anderen betroffen sind. Die affektive Empathie kann in die folgenden Skalen unterteilt werden:
    • Empathische Anteilnahme: Mitgefühl und Mitleid für andere als Reaktion auf deren Leiden.
    • Persönliches Leid: Gefühle von Unbehagen und Angst als Reaktion auf das Leiden eines anderen. Es besteht kein Konsens darüber, ob persönliches Leid eine Form der Empathie ist oder ob es sich stattdessen um etwas anderes als Empathie handelt. Möglicherweise gibt es einen entwicklungsbedingten Aspekt bei dieser Unterteilung. Kleinkinder reagieren auf die Not anderer, indem sie selbst in Not geraten; erst im Alter von zwei Jahren beginnen sie, auf andere Weise zu reagieren: Sie versuchen zu helfen, zu trösten und zu teilen.
  2. Kognitive Empathie ist die Fähigkeit, die Perspektive oder den mentalen Zustand eines anderen zu verstehen. Die Begriffe soziale Kognition, Perspektivübernahme, Theory of Mind und Mentalisieren werden oft synonym verwendet, aber da es an Studien mangelt, die Theory of Mind mit Arten von Empathie vergleichen, ist unklar, ob diese gleichwertig sind. Obwohl zu den Messinstrumenten für kognitive Empathie auch Selbstauskunftsfragebögen und Verhaltensmessungen gehören, ergab eine Metaanalyse aus dem Jahr 2019 nur eine vernachlässigbare Assoziation zwischen Selbstauskunfts- und Verhaltensmessungen, was darauf hindeutet, dass Menschen im Allgemeinen nicht in der Lage sind, ihre eigenen kognitiven Empathiefähigkeiten genau zu beurteilen. Kognitive Empathie kann in folgende Skalen unterteilt werden:
    • Perspektivübernahme: die Tendenz, spontan die psychologische Perspektive anderer zu übernehmen.
    • Fantasie: die Tendenz, sich mit fiktiven Figuren zu identifizieren.
    • Taktische (oder strategische) Empathie: der bewusste Einsatz der Perspektivenübernahme, um bestimmte gewünschte Ziele zu erreichen.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat sich noch nicht auf eine genaue Definition dieser Konstrukte geeinigt, aber es besteht ein Konsens über diese Unterscheidung. Affektive und kognitive Empathie sind auch unabhängig voneinander; jemand, der sich emotional stark einfühlt, ist nicht unbedingt gut darin, die Perspektive eines anderen zu verstehen.

Entwicklung

Artenübergreifende Entwicklung

Tierverhaltensstudien und neurowissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass Empathie nicht auf den Menschen beschränkt ist (die Interpretation solcher Untersuchungen hängt jedoch zum Teil davon ab, wie weit die Forscher den Begriff der Empathie fassen).

Empathieähnliche Verhaltensweisen wurden bei Primaten beobachtet, sowohl in Gefangenschaft als auch in freier Wildbahn, und insbesondere bei Bonobos, dem vielleicht empathischsten Primaten.

In einer Studie wurde prosoziales Verhalten, das durch Empathie ausgelöst wird, bei Nagetieren nachgewiesen. Nagetiere zeigen Empathie für Käfiggenossen (aber nicht für Fremde), wenn sie Schmerzen haben. Eine einflussreiche Studie von Stephanie Preston und Frans de Waal über die Evolution der Empathie erörtert einen neuronalen Wahrnehmungs-Handlungs-Mechanismus und postuliert ein Bottom-up-Modell der Empathie, das alle Ebenen, von der Zustandsanpassung bis zur Perspektivenübernahme, miteinander verknüpft.

Der Neurobiologe Jean Decety von der University of Chicago stimmt zu, dass Empathie nicht nur beim Menschen vorkommt, sondern dass Empathie tiefgreifende evolutionäre, biochemische und neurologische Grundlagen hat und dass selbst die fortgeschrittensten Formen der Empathie beim Menschen auf grundlegenderen Formen aufbauen und mit Kernmechanismen verbunden bleiben, die mit affektiver Kommunikation, sozialer Bindung und elterlicher Fürsorge zusammenhängen. Zu den neuronalen Schaltkreisen, die an Empathie und Fürsorge beteiligt sind, gehören der Hirnstamm, die Amygdala, der Hypothalamus, die Basalganglien, die Insula und der orbitofrontale Kortex.

Ontogenetische Entwicklung

Im Alter von zwei Jahren beginnen Kinder normalerweise, grundlegende Verhaltensweisen der Empathie zu zeigen, indem sie eine emotionale Reaktion zeigen, die dem emotionalen Zustand der anderen Person entspricht. Noch früher, im Alter von einem Jahr, zeigen Kleinkinder erste Ansätze von Empathie; sie verstehen, dass die Handlungen anderer Menschen ebenso wie ihre eigenen Ziele haben. Kleinkinder trösten manchmal andere oder zeigen sich besorgt um sie. Im zweiten Lebensjahr spielen sie falsche Spiele oder tun so, als ob sie andere täuschen wollten. Solche Handlungen setzen voraus, dass das Kind weiß, was andere glauben, damit es diese Überzeugungen manipulieren kann.

Nach Angaben von Forschern der Universität Chicago, die die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) eingesetzt haben, scheinen Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren von Natur aus dazu neigen, Mitgefühl für andere zu empfinden, die Schmerzen haben. Ihre Ergebnisse stimmen mit früheren fMRI-Studien zur Schmerzempathie bei Erwachsenen überein. Die Forschung ergab, dass zusätzliche Aspekte des Gehirns aktiviert wurden, wenn junge Menschen sahen, wie eine andere Person absichtlich von jemandem verletzt wurde, darunter auch Regionen, die an moralischen Überlegungen beteiligt sind.

Obwohl Kinder bereits im Alter von 18 Monaten bis zwei Jahren in der Lage sind, einige Anzeichen von Empathie zu zeigen, z. B. indem sie versuchen, ein weinendes Baby zu trösten, zeigen die meisten erst im Alter von etwa vier Jahren eine vollständige Theory of Mind. Bei der Theory of Mind handelt es sich um die Fähigkeit, zu verstehen, dass andere Menschen andere Überzeugungen haben als man selbst, und man geht davon aus, dass sie die kognitive Komponente der Empathie beinhaltet. Kinder können in der Regel im Alter von vier Jahren Aufgaben zum Thema "Falscher Glaube" (ein Test für die Theory of Mind) bestehen. Für Menschen mit Autismus ist die Anwendung einer Theory of Mind oft sehr schwierig (z. B. der Sally-Anne-Test).

Empathische Reife ist eine kognitiv-strukturelle Theorie, die an der Yale University School of Nursing entwickelt wurde. Sie befasst sich mit der Frage, wie Erwachsene das Personsein von Patienten begreifen oder verstehen. Die Theorie, die zunächst auf Krankenschwestern und Krankenpfleger angewandt wurde und inzwischen auch auf andere Berufe Anwendung findet, postuliert drei Ebenen kognitiver Strukturen. Die dritte und höchste Ebene ist eine meta-ethische Theorie der moralischen Struktur der Pflege. Erwachsene, die mit Stufe-III-Verständnis arbeiten, synthetisieren Systeme der Gerechtigkeit und der pflegeorientierten Ethik.

Individuelle Unterschiede

Die Skala Empathic Concern (Empathisches Mitgefühl) misst die auf andere ausgerichteten Gefühle des Mitgefühls und der Besorgnis, während die Skala Personal Distress (Persönliches Unbehagen) die auf sich selbst ausgerichteten Gefühle der persönlichen Angst und Unruhe misst. Forscher haben Verhaltens- und Neuroimaging-Daten verwendet, um Extraversion und Verträglichkeit (das Warmth-Altruistic-Persönlichkeitsprofil) zu analysieren. Beide werden mit empathischer Genauigkeit und erhöhter Hirnaktivität in zwei Hirnregionen in Verbindung gebracht, die für die empathische Verarbeitung wichtig sind (medialer präfrontaler Kortex und temporoparietale Verbindung).

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Im Durchschnitt erzielen Frauen bei der Messung des Einfühlungsvermögens, z. B. dem Empathie-Quotienten (EQ), höhere Werte als Männer, während Männer tendenziell höhere Werte beim Systematisierungs-Quotienten (SQ) erzielen. Sowohl Männer als auch Frauen mit Autismus-Spektrum-Störungen erzielen in der Regel niedrigere Werte beim EQ und höhere beim SQ (siehe unten für weitere Einzelheiten zu Autismus und Empathie).

Andere Studien zeigen keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede und legen stattdessen nahe, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede das Ergebnis von Motivationsunterschieden sind, wie z. B. die Aufrechterhaltung von Stereotypen. Geschlechtsspezifische Stereotypen über Männer und Frauen können sich darauf auswirken, wie sie Gefühle ausdrücken. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind gering bis mäßig, etwas widersprüchlich und werden häufig durch die Motivation der Person oder das soziale Umfeld beeinflusst. Bosson et al. sagen, dass "physiologische Messungen von Emotionen und Studien, die Menschen in ihrem täglichen Leben verfolgen, keine konsistenten Geschlechtsunterschiede im Erleben von Emotionen finden", was "darauf hindeutet, dass Frauen bestimmte emotionale Ausdrücke verstärken oder Männer sie unterdrücken können". In einer 2014 in Neuroscience & Biobehavioral Reviews veröffentlichten Übersichtsarbeit heißt es jedoch, dass es Beweise dafür gibt, dass "Geschlechtsunterschiede in der Empathie phylogenetische und ontogenetische Wurzeln in der Biologie haben und nicht nur kulturelle Nebenprodukte sind, die durch die Sozialisation bedingt sind.

Eine in der Zeitschrift Neuropsychologia veröffentlichte Übersichtsarbeit ergab, dass Frauen tendenziell besser in der Lage sind, Gesichtsausdrücke zu erkennen, zu verarbeiten und Emotionen im Allgemeinen wahrzunehmen. Männer neigten dazu, bestimmte Verhaltensweisen wie Wut, Aggression und bedrohliche Signale besser zu erkennen. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2014, die in der Zeitschrift Cognition and Emotion veröffentlicht wurde, ergab einen kleinen Vorteil für Frauen bei der Erkennung nonverbaler Emotionen in 215 Stichproben.

Die Analyse der Neuroscience & Biobehavioral Reviews aus dem Jahr 2014 ergab, dass es von Geburt an geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Empathie gibt, die mit zunehmendem Alter größer werden und über die gesamte Lebensspanne hinweg konsistent und stabil sind. Frauen hatten im Durchschnitt eine höhere Empathie als Männer, während Kinder mit höherer Empathie, unabhängig vom Geschlecht, während der gesamten Entwicklung eine höhere Empathie aufwiesen. Eine Analyse der ereigniskorrelierten Potenziale des Gehirns ergab, dass Frauen, die menschliches Leid sahen, tendenziell höhere ERP-Wellenformen aufwiesen als Männer. Eine Untersuchung der N400-Amplituden ergab, dass Frauen in sozialen Situationen im Durchschnitt eine höhere N400 aufweisen, die positiv mit der selbstberichteten Empathie korreliert. Strukturelle fMRT-Studien ergaben außerdem, dass Frauen ein größeres Volumen an grauer Substanz in den Bereichen des posterioren inferioren frontalen und anterioren inferioren parietalen Kortex aufwiesen, die in der fMRT-Literatur mit Spiegelneuronen in Verbindung gebracht werden. Bei Frauen war auch eine stärkere Verbindung zwischen emotionaler und kognitiver Empathie festzustellen. Die Forscher glauben, dass die Stabilität dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entwicklung wahrscheinlich nicht durch Umwelteinflüsse, sondern eher durch die menschliche Evolution und Vererbung erklärt werden kann. In der Vorgeschichte waren es vor allem die Frauen, die sich um die Kinder kümmerten und sie versorgten. Dies könnte zu einer neurologischen Anpassung geführt haben, so dass Frauen auf nonverbale Äußerungen bewusster und empfänglicher reagieren. Nach der "Primary Caretaker Hypothesis" hatten prähistorische Männer als primäre Versorger keinen solchen Selektionsdruck. Dies könnte die heutigen Geschlechtsunterschiede bei der Erkennung von Emotionen und Empathie erklären.

Umwelteinflüsse

Einige Forschungsarbeiten gehen davon aus, dass Umweltfaktoren wie der Erziehungsstil und die Beziehungen zwischen den Eltern die Entwicklung von Empathie bei Kindern beeinflussen. Empathie fördert pro-soziale Beziehungen und hilft, Aggressionen abzubauen.

Caroline Tisot untersuchte, wie Umweltfaktoren wie der Erziehungsstil der Eltern, die Empathie der Eltern und frühere soziale Erfahrungen die Entwicklung von Empathie bei Kleinkindern beeinflussen. Die untersuchten Kinder wurden gebeten, eine Messung der effektiven Empathie auszufüllen, während die Eltern der Kinder einen Fragebogen ausfüllten, um den Erziehungsstil und die Balanced Emotional Empathy Scale zu bewerten. Die Studie ergab, dass bestimmte Erziehungspraktiken - im Gegensatz zum Erziehungsstil insgesamt - zur Entwicklung von Empathie bei Kindern beitragen. Zu diesen Praktiken gehört es, das Kind zu ermutigen, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen und ihm beizubringen, über seine eigenen Gefühle nachzudenken. Die Entwicklung des Einfühlungsvermögens variierte je nach Geschlecht des Kindes und der Eltern. Väterliche Wärme stand in einem signifikant positiven Zusammenhang mit dem Einfühlungsvermögen von Kindern, insbesondere von Jungen. Mütterliche Wärme stand in einem negativen Zusammenhang mit dem Einfühlungsvermögen von Kindern, insbesondere von Mädchen.

Empathie kann durch ein Hirntrauma wie einen Schlaganfall gestört werden. In den meisten Fällen ist das Einfühlungsvermögen beeinträchtigt, wenn eine Läsion oder ein Schlaganfall auf der rechten Seite des Gehirns auftritt. Eine Schädigung des Frontallappens, der in erster Linie für die Emotionsregulierung zuständig ist, kann die Empathiefähigkeit einer Person stark beeinträchtigen. Menschen mit einer erworbenen Hirnverletzung zeigen ebenfalls ein geringeres Maß an Empathie. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einer traumatischen Hirnverletzung geben selbst an, dass ihre Empathiefähigkeit beeinträchtigt ist.

Empathische Wut und Leidensdruck

Wut

Empathische Wut ist eine Emotion, eine Form des empathischen Distresses. Empathische Wut wird in einer Situation empfunden, in der eine andere Person durch eine andere Person oder Sache verletzt wird.

Empathische Wut beeinflusst das Verlangen zu helfen und zu bestrafen. Zwei Unterkategorien der empathischen Wut sind die empathische Wut aus der Eigenschaft und die empathische Wut aus dem Zustand.

Je höher die Fähigkeit einer Person zur Perspektivenübernahme ist, desto weniger wütend reagiert sie auf eine Provokation. Empathische Besorgnis ist jedoch kein signifikanter Vorhersagefaktor für die Wutreaktion, und ein höherer persönlicher Leidensdruck ist mit einer erhöhten Wut verbunden.

Leidensdruck

Empathischer Distress bedeutet, den wahrgenommenen Schmerz einer anderen Person zu fühlen. Dieses Gefühl kann in empathische Wut, Gefühle der Ungerechtigkeit oder Schuld umgewandelt werden. Diese Emotionen können als pro-sozial empfunden werden; es gibt jedoch unterschiedliche Ansichten darüber, ob sie als Motiv für moralisches Verhalten dienen.

Einfluss auf helfendes Verhalten

Forscher, die sich mit der sozialen Reaktion auf Naturkatastrophen beschäftigten, untersuchten die Eigenschaften von Personen, die Opfern helfen. Die Forscher fanden heraus, dass kognitives Einfühlungsvermögen und nicht emotionales Einfühlungsvermögen das Hilfsverhalten gegenüber den Opfern vorhersagt. Die Übernahme der Perspektive anderer (kognitive Empathie) ermöglicht es den Helfern, sich besser in die Opfer hineinzuversetzen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen, während das Mitfühlen mit den Gefühlen der Opfer (emotionale Empathie) zu emotionalem Stress, Hilflosigkeit und Beschuldigung der Opfer führen kann und eher zu Vermeidung als zu Hilfe führt.

Personen, die ihre Besorgnis für die gefährdeten Personen zum Ausdruck brachten (d. h. affektive Empathie), waren eher bereit, die COVID-19-Pandemieabriegelungsmaßnahmen zu akzeptieren, die Leid verursachen. Das Wissen darüber, wie empathische Gefühle eine altruistische Motivation hervorrufen, kann dazu führen, dass Menschen Strategien zur Unterdrückung oder Vermeidung solcher Gefühle anwenden. Eine solche Betäubung oder der Verlust der Fähigkeit, Empathie für Klienten zu empfinden, ist ein möglicher Faktor für die Erfahrung von Burnout bei Fallbearbeitern in helfenden Berufen. Menschen können ihre Handlungen umso besser kognitiv kontrollieren, je mehr sie verstehen, wie altruistisches Verhalten entsteht, sei es durch die Minimierung von Trauer oder durch die Aktivierung von Spiegelneuronen. Der durch Empathie hervorgerufene Altruismus hat nicht immer prosoziale Auswirkungen. Er könnte beispielsweise dazu führen, dass man sich für diejenigen einsetzt, für die man Empathie empfindet, und zwar auf Kosten anderer potenzieller prosozialer Ziele, was zu einer Art Voreingenommenheit führt. Forscher vermuten, dass Individuen bereit sind, gegen das größere kollektive Wohl zu handeln oder gegen ihre eigenen moralischen Grundsätze der Fairness und Gerechtigkeit zu verstoßen, wenn dies einer Person zugute kommt, für die sie Empathie empfinden.

Die auf Empathie basierende Sozialisation unterscheidet sich von der Hemmung egoistischer Impulse durch Formung, Modellierung und verinnerlichte Schuldgefühle. Therapeutische Programme zur Förderung altruistischer Impulse durch die Ermutigung zur Perspektivenübernahme und zu empathischen Gefühlen könnten den Einzelnen in die Lage versetzen, zufriedenstellendere zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln, insbesondere auf lange Sicht. Durch Empathie induzierter Altruismus kann die Einstellung gegenüber stigmatisierten Gruppen und die rassistischen Einstellungen und Handlungen gegenüber Menschen mit AIDS, Obdachlosen und Sträflingen verbessern. Der daraus resultierende Altruismus erhöht auch die Zusammenarbeit in Wettbewerbssituationen.

Genetik

Allgemein

Es gibt Hinweise darauf, dass die Messung von Empathie genetisch beeinflusst ist. So zeigen beispielsweise Träger der Deletionsvariante von ADRA2B eine stärkere Aktivierung der Amygdala, wenn sie emotional erregende Bilder sehen. Das Gen 5-HTTLPR scheint die Empfindlichkeit gegenüber negativen emotionalen Informationen zu beeinflussen und wird ebenfalls durch die Deletionsvariante von ADRA2b abgeschwächt. Träger der Doppel-G-Variante des OXTR-Gens haben bessere soziale Fähigkeiten und ein höheres Selbstwertgefühl. Ein Gen in der Nähe von LRRN1 auf Chromosom 3 beeinflusst die menschliche Fähigkeit, Emotionen in anderen zu lesen, zu verstehen und darauf zu reagieren.

Neurowissenschaftliche Grundlagen der Empathie

Die moderne Neurowissenschaft bietet Einblicke in die neuronalen Grundlagen der Fähigkeit des Geistes, Gefühle zu verstehen und zu verarbeiten. In Studien über Spiegelneuronen wird versucht, die neuronale Grundlage für die Fähigkeit des Menschen, Gedanken zu lesen und Emotionen zu teilen, zu messen und damit die Grundlage der Empathiereaktion zu erklären. Menschen, die in Empathie-Tests gute Ergebnisse erzielen, haben besonders aktive Spiegelneuronen-Systeme. Empathie ist ein spontaner Austausch von Gefühlen, der dadurch ausgelöst wird, dass man den emotionalen Zustand eines anderen miterlebt und mitfühlt. Die empathische Person spiegelt oder imitiert die emotionale Reaktion, die sie erwarten würde, wenn sie an der Stelle der anderen Person wäre. Anders als persönliches Leid ist Empathie nicht durch Abneigung gegen die emotionale Reaktion einer anderen Person gekennzeichnet. Diese Unterscheidung ist von entscheidender Bedeutung, da Empathie mit der moralischen Emotion Mitgefühl oder einfühlsamer Sorge und folglich auch mit prosozialem oder altruistischem Handeln verbunden ist.

Eine Person empfindet Empathie, indem sie die Emotionen einer anderen Person nachempfindet, wodurch Empathie sowohl affektiv als auch kognitiv ist. Für soziale Wesen ist das Aushandeln zwischenmenschlicher Entscheidungen ebenso wichtig für das Überleben wie die Fähigkeit, sich in der physischen Landschaft zurechtzufinden.

Meta-Analysen von Studien zur funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) über Empathie bestätigen, dass bei affektiv-perzeptiver Empathie andere Hirnareale aktiviert werden als bei kognitiv-evaluativer Empathie. Affektive Empathie korreliert mit erhöhter Aktivität in der Insula, während kognitive Empathie mit Aktivität im mittleren cingulären Kortex und dem angrenzenden dorsomedialen präfrontalen Kortex korreliert ist. Eine Studie mit Patienten, die verschiedene Arten von Hirnschäden erlitten hatten, bestätigte die Unterscheidung zwischen emotionaler und kognitiver Empathie. Insbesondere der inferiore frontale Gyrus scheint für die emotionale Empathie verantwortlich zu sein, während der ventromediale präfrontale Gyrus die kognitive Empathie zu vermitteln scheint.

Zur Untersuchung der funktionellen Anatomie der Empathie wurde die fMRI eingesetzt. Die Beobachtung des emotionalen Zustands einer anderen Person aktiviert Teile des neuronalen Netzwerks, die an der Verarbeitung desselben Zustands in einem selbst beteiligt sind, sei es Ekel, Berührung oder Schmerz.

Die Erforschung der neuronalen Grundlagen der Empathie stieß auf zunehmendes Interesse, nachdem S.D. Preston und Frans de Waal in einer Veröffentlichung Spiegelneuronen bei Affen entdeckt hatten, die sowohl dann feuern, wenn das Tier einem anderen bei der Ausführung einer Handlung zusieht, als auch, wenn es diese selbst ausführt. Die Forscher vermuten, dass die Wahrnehmung des Zustands eines Objekts neuronale Repräsentationen aktiviert und dass diese Aktivierung die damit verbundenen autonomen und somatischen Reaktionen auslöst oder erzeugt (Kopplung von Wahrnehmung und Handlung), sofern sie nicht unterbunden wird. Dieser Mechanismus ähnelt der gemeinsamen Kodierungstheorie zwischen Wahrnehmung und Handlung. Eine andere Studie liefert Hinweise auf getrennte neuronale Bahnen, die die gegenseitige Unterdrückung in verschiedenen Hirnregionen aktivieren, die mit der Ausführung von "sozialen" und "mechanischen" Aufgaben verbunden sind. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Kognition, die mit dem Denken über den "Geisteszustand einer anderen Person" und den "kausalen/mechanischen Eigenschaften unbelebter Objekte" verbunden ist, neuronal unterdrückt wird, so dass sie nicht gleichzeitig abläuft.

Das Spiegelungsverhalten der motorischen Neuronen während der Empathie kann dazu beitragen, Gefühle zu duplizieren. Solche sympathischen Handlungen können den Zugang zu sympathischen Gefühlen ermöglichen und vielleicht Emotionen wie Freundlichkeit und Vergebung auslösen.

Beeinträchtigung

Ein Unterschied in der Verteilung zwischen affektiver und kognitiver Empathie wurde bei verschiedenen Erkrankungen beobachtet. Psychopathie und Narzissmus werden mit Beeinträchtigungen der affektiven, nicht aber der kognitiven Empathie in Verbindung gebracht, während bipolare Störungen und Borderline-Züge mit Defiziten der kognitiven, nicht aber der affektiven Empathie einhergehen. Autismus-Spektrum-Störungen werden mit verschiedenen Kombinationen in Verbindung gebracht, darunter Defizite bei kognitiver Empathie sowie Defizite sowohl bei kognitiver als auch bei affektiver Empathie. Auch Schizophrenie wird mit Defiziten bei beiden Arten der Empathie in Verbindung gebracht. Aber auch bei Menschen, die nicht an einer solchen Erkrankung leiden, ist das Verhältnis zwischen affektiver und kognitiver Empathie unterschiedlich.

Atypische empathische Reaktionen werden mit Autismus und bestimmten Persönlichkeitsstörungen wie Psychopathie, Borderline-, narzisstischen und schizoiden Persönlichkeitsstörungen, Verhaltensstörungen, Schizophrenie, bipolarer Störung und Depersonalisation in Verbindung gebracht. Sexualstraftäter, die in einem Umfeld aufgewachsen sind, in dem ihnen ein Mangel an Empathie vermittelt wurde, und die Misshandlungen der Art erlitten haben, die sie später begangen haben, empfanden weniger affektive Empathie für ihre Opfer.

Autismus

Die Wechselwirkung zwischen Empathie und Autismus ist ein komplexes und noch nicht abgeschlossenes Forschungsgebiet. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.

Eine Studie an hochfunktionalen Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störungen ergab eine erhöhte Prävalenz von Alexithymie, einem Persönlichkeitskonstrukt, das durch die Unfähigkeit gekennzeichnet ist, emotionale Erregung bei sich selbst oder anderen zu erkennen und zu artikulieren. Einige fMRI-Untersuchungen deuten darauf hin, dass Alexithymie zu einem Mangel an Empathie beiträgt. Der Mangel an empathischer Einfühlung, der mit alexithymen Zuständen einhergeht, kann die Qualität und Zufriedenheit von Beziehungen beeinträchtigen. Die mit dem Autismus-Spektrum verbundenen Empathie-Defizite könnten eher auf eine signifikante Komorbidität zwischen Alexithymie und Autismus-Spektrum-Krankheiten zurückzuführen sein als auf eine soziale Beeinträchtigung.

Im Vergleich zu typisch entwickelten Kindern zeigten hochfunktionale autistische Kinder eine verringerte Aktivität der Spiegelneuronen im inferioren frontalen Gyrus des Gehirns (pars opercularis), während sie emotionale Ausdrücke von neurotypischen Kindern nachahmten und beobachteten. EEG-Befunde zeigten eine signifikant größere Mu-Suppression im sensomotorischen Kortex von autistischen Personen. Die Aktivität in diesem Bereich stand in umgekehrtem Verhältnis zum Schweregrad der Symptome im sozialen Bereich, was darauf hindeutet, dass ein dysfunktionales Spiegelneuronsystem den bei Autismus beobachteten sozialen und kommunikativen Defiziten zugrunde liegen könnte, einschließlich einer beeinträchtigten Theorie des Geistes und kognitiver Empathie. Das Spiegelneuronensystem ist für das emotionale Einfühlungsvermögen von wesentlicher Bedeutung.

Studien deuten darauf hin, dass Autisten eine gestörte Theory of Mind haben. Die Verstandestheorie stützt sich auf Strukturen des Schläfenlappens und des präfrontalen Kortex; die Empathie stützt sich auf die sensomotorischen Kortexe sowie auf limbische und para-limbische Strukturen. Der Mangel an klaren Unterscheidungen zwischen der Theorie des Geistes und der kognitiven Empathie hat möglicherweise zu einem unvollständigen Verständnis der empathischen Fähigkeiten von Menschen mit Asperger-Syndrom geführt; viele Berichte über die empathischen Defizite von Menschen mit Asperger-Syndrom beruhen tatsächlich auf Beeinträchtigungen der Theorie des Geistes. Obwohl autistische Menschen Schwierigkeiten haben, Emotionen zu erkennen und zu artikulieren, haben einige Studien berichtet, dass sie zwar keine kognitive Empathie (die Fähigkeit, die Emotionen einer anderen Person anzunehmen), aber ein überdurchschnittliches Maß an affektiver Empathie (das Nachempfinden der Emotionen einer anderen Person, sobald diese bekannt sind) besitzen.

Personen aus dem autistischen Spektrum geben selbst an, dass sie weniger empathisch sind, weniger oder gar nicht tröstend auf eine leidende Person reagieren und im Vergleich zu Kontrollpersonen ein gleiches oder höheres Maß an persönlichem Kummer verspüren. Die Kombination aus verringerter empathischer Anteilnahme und erhöhtem persönlichen Leidensdruck kann zu einer allgemeinen Verringerung der Empathie führen. Professor Simon Baron-Cohen vermutet, dass es Menschen mit klassischem Autismus häufig sowohl an kognitiver als auch an affektiver Empathie mangelt. Andere Untersuchungen haben jedoch keine Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Fähigkeit von Autisten gefunden, die grundlegenden Absichten oder Ziele anderer Menschen zu verstehen; stattdessen deuten die Daten darauf hin, dass Beeinträchtigungen beim Verstehen komplexerer sozialer Emotionen oder bei der Berücksichtigung der Standpunkte anderer auftreten. Menschen mit Asperger-Syndrom können Probleme haben, die Sichtweise anderer in Bezug auf die Theorie des Geistes zu verstehen, aber die durchschnittliche Person mit dieser Erkrankung zeigt die gleiche empathische Anteilnahme wie die Kontrollpersonen und eine höhere persönliche Belastung als diese. Das Vorhandensein von Personen mit erhöhter persönlicher Belastung auf dem Autismus-Spektrum ist eine mögliche Erklärung dafür, warum einige Menschen mit Autismus ein erhöhtes emotionales Einfühlungsvermögen zu haben scheinen. Obwohl erhöhter persönlicher Kummer eine Auswirkung von erhöhtem Egozentrismus sein kann, hängt emotionale Empathie von der Aktivität der Spiegelneuronen ab (die, wie zuvor beschrieben, bei Menschen mit Autismus reduziert ist), und Empathie ist bei Menschen auf dem Autismus-Spektrum generell reduziert. Empathiedefizite bei Autismus-Spektrum-Störungen könnten eher auf eine Beeinträchtigung der Fähigkeit hinweisen, die Perspektive anderer einzunehmen, während die Empathiedefizite bei Psychopathie eher auf eine Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit auf die Emotionen anderer hinweisen könnten. Diese "Empathiestörungen" machen die Bedeutung der Fähigkeit zur Empathie noch deutlicher, indem sie einige der Folgen einer gestörten Empathieentwicklung veranschaulichen.

Die Empathie-Systematisierungs-Theorie (E-S) klassifiziert Menschen, indem sie ihre Fähigkeiten entlang zweier unabhängiger Dimensionen - Empathie (E) und Systematisierung (S) - testet, um ihren Empathie-Quotienten (EQ) und Systematisierungs-Quotienten (SQ) zu ermitteln. Anhand dieser Werte können fünf "Gehirntypen" unterschieden werden, die mit Unterschieden auf neuronaler Ebene korrelieren sollten. Nach der E-S-Theorie werden Autismus und das Asperger-Syndrom mit unterdurchschnittlichem Einfühlungsvermögen und durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Systemdenken in Verbindung gebracht. Die E-S-Theorie wurde zur Theorie des extremen männlichen Gehirns (Extreme Male Brain) erweitert, die besagt, dass Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Erkrankung eher einen "extremen Typ S"-Gehirntyp haben, der mit überdurchschnittlichem Systemdenken, aber herausgeforderter Empathie einhergeht.

Die Theorie des extremen männlichen Gehirns (EMB) besagt, dass Menschen im autistischen Spektrum durch Beeinträchtigungen der Empathie aufgrund von Geschlechtsunterschieden im Gehirn gekennzeichnet sind: Menschen mit Autismus-Spektrum-Krankheiten weisen ein übertriebenes männliches Profil auf. Einige Aspekte der autistischen Neuroanatomie scheinen Extrapolationen der typisch männlichen Neuroanatomie zu sein, die möglicherweise eher durch erhöhte fötale Testosteronspiegel als durch das Geschlecht selbst beeinflusst werden.

Die Theorie des doppelten Empathieproblems besagt, dass frühere Studien über Autismus und Empathie möglicherweise falsch interpretiert wurden und dass autistische Menschen das gleiche Maß an kognitiver Empathie gegenüber anderen Menschen zeigen wie nicht-autistische Menschen.

Häufig wird Empathie als Disposition (Trait) verstanden und operationalisiert. Hier für sprechen eine Reihe von Befunde z. B. die vorhandenen Empathiedefizite bei Menschen die unter Autismus oder Psychopathie leiden, Geschlechtsunterschiede, Bildung, etc. Trotzdem gibt es einige situativen Faktoren (State), die einen Einfluss auf Empathie haben können z. B. die Ähnlichkeit zwischen zwei Personen, Stimmung, kognitive Belastung, etc. Zusammengenommen kann Empathie als Ergebnis einer Interaktion zwischen Situation und Disposition betrachtet werden.

Psychopathie

Psychopathie ist eine Persönlichkeitsstörung, die unter anderem durch antisoziales und aggressives Verhalten sowie emotionale und zwischenmenschliche Defizite wie oberflächliche Emotionen und einen Mangel an Reue und Empathie gekennzeichnet ist. Im Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (DSM) und in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) werden die antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASPD) und die dissoziale Persönlichkeitsstörung aufgeführt, die als Psychopathie bezeichnet werden oder diese beinhalten.

Psychopathie wird mit atypischen Reaktionen auf Stresssignale (z. B. Gesichts- und Stimmausdrücke von Angst und Traurigkeit) in Verbindung gebracht, einschließlich einer verringerten Aktivierung der fusiformen und extrastriatalen kortikalen Regionen, was teilweise für eine beeinträchtigte Erkennung und eine verringerte autonome Reaktionsfähigkeit auf Angstausdrücke und Beeinträchtigungen des Einfühlungsvermögens verantwortlich sein kann. Studien an Kindern mit psychopathischen Tendenzen haben ebenfalls solche Zusammenhänge gezeigt. Die zugrundeliegenden biologischen Oberflächen für die Verarbeitung von Glücksgefühlen sind bei Psychopathen funktionell intakt, wenn auch weniger empfänglich als bei Kontrollpersonen. In der Neuroimaging-Literatur ist nicht klar, ob die Defizite spezifisch für bestimmte Emotionen wie Angst sind. Einige fMRI-Studien berichten, dass die Defizite in der Emotionswahrnehmung bei Psychopathie für alle Emotionen (positive und negative) gelten.

Eine Studie über Psychopathen ergab, dass sie sich unter bestimmten Umständen willentlich in andere einfühlen können und dass ihre empathische Reaktion auf die gleiche Weise wie bei Kontrollpersonen einsetzt. Bei psychopathischen Straftätern wurden die Gehirne gescannt, während sie Videos von einer Person sahen, die einer anderen Person Schaden zufügte. Die empathische Reaktion der Psychopathen setzte auf die gleiche Weise ein wie bei den Kontrollpersonen, als sie angewiesen wurden, sich in die geschädigte Person einzufühlen, und der Bereich des Gehirns, der mit Schmerz in Verbindung steht, wurde aktiviert, als die Psychopathen gebeten wurden, sich vorzustellen, wie sich die geschädigte Person fühlte. Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Psychopathen ihre Empathie nach Belieben einschalten können, was es ihnen ermöglichen würde, sowohl gefühllos als auch charmant zu sein. Das Team, das die Studie durchgeführt hat, sagt, es wisse nicht, wie man diese willentliche Empathie in die spontane Empathie umwandeln kann, die die meisten Menschen haben, obwohl sie vorschlagen, dass es möglich sein könnte, Psychopathen zu rehabilitieren, indem man ihnen hilft, ihren "Empathieschalter" zu aktivieren. Andere Forscher wiesen darauf hin, dass es unklar ist, ob Psychopathen die gleiche Empathie empfinden wie Kontrollpersonen, und stellten die Möglichkeit in Frage, therapeutische Maßnahmen zu entwickeln, die die empathischen Reaktionen automatischer machen würden.

Ein Problem mit der Theorie, dass die Fähigkeit, Empathie ein- und auszuschalten, Psychopathie ausmacht, besteht darin, dass eine solche Theorie gesellschaftlich sanktionierte Gewalt und Bestrafung als Psychopathie einstufen würde, da dies die Aussetzung der Empathie gegenüber bestimmten Personen und/oder Gruppen voraussetzt. Der Versuch, dies durch die Standardisierung von Psychopathietests für Kulturen mit unterschiedlichen Bestrafungsnormen zu umgehen, wird in diesem Zusammenhang kritisiert, da er auf der Annahme beruht, dass Menschen in diskrete Kulturen eingeordnet werden können, während kulturelle Einflüsse in Wirklichkeit gemischt sind und jeder Mensch einem Mosaik von Einflüssen ausgesetzt ist. Psychopathie könnte ein Artefakt der psychiatrischen Standardisierung entlang imaginärer scharfer Linien zwischen den Kulturen sein, im Gegensatz zu einem tatsächlichen Unterschied im Gehirn.

Die von Professor Jean Decety durchgeführten Arbeiten mit großen Stichproben von inhaftierten Psychopathen bieten zusätzliche Erkenntnisse. In einer Studie wurden Psychopathen gescannt, während sie Videoclips sahen, in denen Menschen absichtlich verletzt wurden. Außerdem wurden sie auf ihre Reaktionen auf kurze Videos mit Gesichtsausdrücken von Schmerz getestet. Die Teilnehmer der Gruppe mit hoher Psychopathie zeigten im Vergleich zu den Kontrollteilnehmern eine deutlich geringere Aktivierung im ventromedialen präfrontalen Kortex, in der Amygdala und in den periaqueduktalen grauen Bereichen des Gehirns, aber eine höhere Aktivität im Striatum und in der Insula. In einer zweiten Studie zeigten Personen mit Psychopathie eine starke Reaktion in schmerzaffektiven Hirnregionen, wenn sie sich eine Ich-Perspektive vorstellten, rekrutierten aber nicht die neuronalen Schaltkreise, die bei Kontrollpersonen während einer Ich-Andere-Perspektive aktiviert wurden - insbesondere den ventromedialen präfrontalen Kortex und die Amygdala -, was zu ihrem Mangel an empathischer Anteilnahme beitragen könnte.

Forscher haben untersucht, ob Menschen, die ein hohes Maß an Psychopathie aufweisen, über ein ausreichendes Maß an kognitiver Empathie verfügen, aber nicht in der Lage sind, affektive Empathie einzusetzen. Menschen, die in Psychopathie-Tests hohe Werte erzielen, zeigen mit geringerer Wahrscheinlichkeit affektive Empathie. Es wurde eine starke negative Korrelation festgestellt, die zeigt, dass Psychopathie und mangelnde affektive Empathie stark miteinander korrespondieren. Die DANVA-2-Studie ergab, dass Personen, die auf der Psychopathie-Skala eine hohe Punktzahl erreichten, durchaus in der Lage sind, Emotionen in Gesichtsausdrücken zu erkennen. Daher mangelt es diesen Personen nicht an der Fähigkeit, perspektivisch zu sprechen, wohl aber an Mitgefühl für negative Ereignisse, die anderen widerfahren.

Obwohl Studien darauf hindeuten, dass Psychopathen Defizite bei der Wahrnehmung von Emotionen und der Vorstellung von Schmerzen anderer haben, behauptet Professor Simon Baron-Cohen, dass Psychopathie mit intakter kognitiver Empathie verbunden ist, was eine intakte Fähigkeit zum Lesen und Reagieren auf Verhaltensweisen, soziale Hinweise und die Gefühle anderer bedeuten würde. Psychopathie geht jedoch mit einer Beeinträchtigung der anderen Hauptkomponente der Empathie einher - der affektiven (emotionalen) Empathie -, die die Fähigkeit einschließt, das Leiden und die Emotionen anderer zu spüren (emotionale Ansteckung), und die Betroffenen sind daher nicht vom Leiden ihrer Opfer betroffen. Eine solche Dissoziation von affektiver und kognitiver Empathie ist bei aggressiven Straftätern nachgewiesen worden.

Andere Bedingungen

Atypische empathische Reaktionen werden auch mit einer Reihe anderer Erkrankungen in Verbindung gebracht.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist durch weitreichende Verhaltens- und zwischenmenschliche Schwierigkeiten gekennzeichnet, die sich aus emotionalen und kognitiven Funktionsstörungen ergeben. Dysfunktionales soziales und zwischenmenschliches Verhalten spielt eine Rolle bei der emotionalen Intensität, mit der Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung reagieren. Während Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ihre Emotionen möglicherweise übermäßig zeigen, haben mehrere Autoren darauf hingewiesen, dass sie möglicherweise eine beeinträchtigte Fähigkeit haben, über mentale Zustände zu reflektieren (gestörte kognitive Empathie), sowie eine gestörte Theorie des Geistes. Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung sind nachweislich sehr gut darin, Emotionen in den Gesichtern anderer Menschen zu erkennen, was auf eine erhöhte Empathiefähigkeit schließen lässt. Die Beeinträchtigung der kognitiven Empathie (die Fähigkeit, die Erfahrungen und die Perspektive einer anderen Person zu verstehen) könnte die Ursache für die Neigung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung zu zwischenmenschlichen Störungen sein, während die "hyperemotionale Empathie" die Ursache für ihre emotionale Überreaktivität sein könnte. Eine Studie bestätigte, dass Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung eine signifikante Beeinträchtigung der kognitiven Empathie aufwiesen, während es keine Anzeichen für eine Beeinträchtigung der affektiven Empathie gab.

Ein diagnostisches Kriterium der narzisstischen Persönlichkeitsstörung ist ein Mangel an Einfühlungsvermögen und die fehlende Bereitschaft oder Unfähigkeit, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.

Zu den Merkmalen der schizoiden Persönlichkeitsstörung gehören emotionale Kälte, Distanziertheit und Affektstörungen, die mit der Unfähigkeit einhergehen, anderen gegenüber empathisch und sensibel zu sein.

Eine von Jean Decety und Kollegen an der Universität von Chicago durchgeführte Studie zeigte, dass Personen mit aggressiven Verhaltensstörungen atypische empathische Reaktionen zeigen, wenn sie andere in Not sehen. Probanden mit Verhaltensstörungen reagierten mindestens genauso stark wie Kontrollpersonen auf den Schmerz anderer, zeigten jedoch im Gegensatz zu den Kontrollpersonen eine starke und spezifische Aktivierung der Amygdala und des ventralen Striatums (Bereiche, die eine allgemeine erregende Wirkung von Belohnungen ermöglichen), jedoch eine beeinträchtigte Aktivierung der neuronalen Regionen, die an der Selbstregulierung und der Metakognition (einschließlich des moralischen Denkens) beteiligt sind, sowie eine verminderte Verarbeitung zwischen der Amygdala und dem präfrontalen Kortex.

Schizophrenie ist durch eine Beeinträchtigung des affektiven Einfühlungsvermögens sowie durch schwere kognitive und empathische Beeinträchtigungen gekennzeichnet, die mit dem Empathie-Quotienten (EQ) gemessen werden. Diese Beeinträchtigungen des Einfühlungsvermögens sind auch mit Beeinträchtigungen bei sozialen kognitiven Aufgaben verbunden.

Bei bipolaren Personen sind die kognitive Empathie und die Theory of Mind beeinträchtigt, während die affektive Empathie erhöht ist. Obwohl die kognitive Flexibilität beeinträchtigt ist, ist das Planungsverhalten intakt. Dysfunktionen im präfrontalen Kortex könnten zu einer Beeinträchtigung des kognitiven Einfühlungsvermögens führen, da eine Beeinträchtigung des kognitiven Einfühlungsvermögens mit der Leistung bei neurokognitiven Aufgaben, die kognitive Flexibilität erfordern, in Verbindung gebracht wurde.

Dave Grossman berichtet in seinem Buch On Killing (Über das Töten), wie die militärische Ausbildung bei Soldaten künstlich eine Depersonalisierung hervorruft, die das Einfühlungsvermögen unterdrückt und es ihnen leichter macht, andere Menschen zu töten.

Die Unterdrückung des Einfühlungsvermögens in Bezug auf Arbeitskollegen, Kunden und dergleichen ist eine der drei Hauptkomponenten des beruflichen Burnout, so das Konzept, das dem wichtigsten Diagnoseinstrument, dem Maslach Burnout Inventory (MBI), zugrunde liegt.

Der Begriff Empathie-Defizit-Störung (EDD) hat im Internet an Popularität gewonnen, ist jedoch keine Diagnose im DSM-5. Der Begriff wurde in einem Artikel von Douglas LaBier, PhD, geprägt. In dem Artikel räumt er ein, dass er ihn "erfunden hat, so dass Sie ihn nicht im Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen der American Psychiatric Association finden werden" und dass seine Schlussfolgerungen ausschließlich auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Seine Schlussfolgerungen wurden weder durch klinische Studien validiert, noch haben Studien EDD als eigenständige Störung identifiziert und nicht als ein Symptom, das mit bereits etablierten Diagnosen verbunden ist, die im DSM-5 aufgeführt sind.

Roots of Empathy

Die von Mary Gordon gegründete Roots of Empathy-Initiative in der Kinder- und Schulpädagogik strebt eine mit sozialen Kompetenzen verbundene „emotionale Bildung“ an. Durch eine von der Mutter und dem Lehrer überwachte, direkte soziale Interaktion mit einem Kleinkind können Schüler zusammen mit ihren Klassenmitgliedern den Perspektiven-Wechsel lernen, um dadurch Einfühlung und Sympathie zu entwickeln. Die Stiftung "Gesellschaft macht Schule" hilft Schülern ihre Potentiale zu entdecken, beispielsweise durch das Projekt Persönlichkeitsentwicklung und Werte, auf dem die Kinder soziale Kompetenzen, wie die gewaltfreie Bewältigung von Konflikten und den respektvollen und freundschaftlichen Umgang miteinander, spielerisch erlernen. Carlotas bietet Schülern Raum für den Ausdruck ihrer Erfahrungen und Emotionen an – mit Hilfe von Kunst – damit sie lernen, ihre Empathiefähigkeit wahrzunehmen und diese zu üben, Diversität in der Gesellschaft mit Offenheit und Respekt zu begegnen, und Perfektion von Zufriedenheit zu trennen. Dabei werden Aktivitäten durchgeführt mit dem Ziel, Erfahrungen zu vermitteln, welche den Schülern helfen, mit der Welt, in der sie leben, zurechtzukommen.

Ein weiterer wachsender Untersuchungsschwerpunkt ist die Frage, wie sich Empathie im Unterricht zwischen Lehrern und Lernenden manifestiert. Obwohl allgemeines Einvernehmen darüber besteht, dass Empathie in pädagogischen Kontexten unerlässlich ist, haben Untersuchungen ergeben, dass es schwierig ist, Empathie bei angehenden Lehrern zu entwickeln.

Lernen durch Lehren (LbT) ist eine Methode zur Vermittlung von Empathie. Die Schüler geben neue Inhalte an ihre Mitschüler weiter und müssen daher ständig über die mentalen Prozesse ihrer Mitschüler nachdenken. Dadurch entwickeln die Schüler ein Gespür für Gruppenreaktionen und Vernetzung. Carl R. Rogers leistete Pionierarbeit bei der Erforschung effektiver Psychotherapie und Pädagogik und vertrat die Ansicht, dass Einfühlungsvermögen in Verbindung mit bedingungsloser positiver Wertschätzung oder Fürsorge für die Schüler und Authentizität oder Kongruenz die wichtigsten Eigenschaften sind, die ein Therapeut oder Lehrer haben muss. Andere Forschungsarbeiten und Meta-Analysen bestätigten die Bedeutung dieser personenzentrierten Eigenschaften.

In interkulturellen Kontexten

Einer Theorie zufolge ist Empathie eine von sieben Komponenten, die für die Effektivität der interkulturellen Kommunikation verantwortlich sind. Diese Theorie besagt auch, dass Empathie erlernbar ist. Die Forschung zeigt jedoch auch, dass es Menschen schwerer fällt, sich in andere einzufühlen, die sich von ihnen durch Merkmale wie Status, Kultur, Religion, Sprache, Hautfarbe, Geschlecht und Alter unterscheiden.

Um interkulturelle Empathie zu erreichen, setzen Psychologen Empathie-Trainings ein. Die US-Forscher William Weeks, Paul Pedersen u. a. stellen fest, dass Menschen, die interkulturelle Empathie entwickeln, Erfahrungen oder Perspektiven aus mehr als einer Weltanschauung interpretieren können. Interkulturelle Empathie kann auch die Selbstwahrnehmung und das kritische Bewusstsein für den eigenen Interaktionsstil verbessern, der durch die eigenen kulturellen Ansichten bedingt ist, und eine Sichtweise des Selbst als Prozess fördern. Ein alternativer europäischer Ansatz zur interkulturellen Führung betrachtet vier Hauptdimensionen: Kognitive Führung, Affektive Führung, Beziehungsorientierte Führung und Emotionale Führung.

Praktische Fragen

Die Fähigkeit zur Empathie ist eine in der Gesellschaft geschätzte Eigenschaft. Empathie gilt als Motivationsfaktor für uneigennütziges, prosoziales Verhalten, während ein Mangel an Empathie mit antisozialem Verhalten in Verbindung gebracht wird.

Abgesehen von der automatischen Tendenz, die Emotionen anderer zu erkennen, kann man auch bewusst empathische Überlegungen anstellen. Ein solches empathisches Engagement hilft einer Person, das Verhalten eines anderen zu verstehen und vorauszusehen. Es wurden zwei allgemeine Methoden ermittelt: Eine Person kann fiktive Versionen der Überzeugungen, Wünsche, Charaktereigenschaften und des Kontextes einer anderen Person mental simulieren, um zu sehen, welche emotionalen Gefühle dies auslöst. Oder eine Person kann ein emotionales Gefühl simulieren und dann die Umgebung analysieren, um einen geeigneten Grund für das emotionale Gefühl zu finden, der für diese spezifische Umgebung angemessen ist.

Frühindikatoren für einen Mangel an Empathie:

  1. Sich häufig in langwierige Auseinandersetzungen verwickeln lassen
  2. Frühzeitige Meinungsbildung und vehemente Verteidigung der eigenen Meinung
  3. Meinung, dass andere Menschen übermäßig empfindlich sind
  4. Weigerung, sich andere Standpunkte anzuhören
  5. Andere für Fehler verantwortlich machen
  6. Nicht zuhören, wenn man angesprochen wird
  7. Groll hegen und nur schwer verzeihen können
  8. Unfähigkeit, in einem Team zu arbeiten

Der eigene emotionale Hintergrund eines Empathen kann die Wahrnehmung der Emotionen anderer beeinflussen oder verzerren. In Gesellschaften, die den Individualismus fördern, ist die Fähigkeit zur Empathie geringer. Die Urteile, die Empathie über den emotionalen Zustand anderer liefert, sind nicht sicher. Empathie ist eine Fähigkeit, die sich im Laufe des Lebens allmählich entwickelt und die sich verbessert, je mehr Kontakt wir mit der Person haben, in die wir uns einfühlen.

Empathische Menschen berichten, dass es ihnen leichter fällt, die Perspektive einer anderen Person in einer bestimmten Situation einzunehmen, wenn sie selbst eine ähnliche Situation erlebt haben, und dass sie ein größeres empathisches Verständnis erfahren. Die Forschungsergebnisse zu der Frage, ob ähnliche Erfahrungen in der Vergangenheit die Einfühlungsfähigkeit erhöhen, sind uneinheitlich.

Das Ausmaß, in dem die Emotionen einer Person öffentlich beobachtbar sind oder gegenseitig als solche anerkannt werden, hat erhebliche soziale Auswirkungen. Empathische Anerkennung kann willkommen oder gesellschaftlich erwünscht sein oder auch nicht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wir die Emotionen erkennen, die jemand uns gegenüber während Echtzeit-Interaktionen hat. Auf der Grundlage einer metaphorischen Affinität zur Berührung behauptet die Philosophin Edith Wyschogrod, dass die mit der Empathie einhergehende Nähe die potenzielle Verletzlichkeit beider Parteien erhöht.

Probleme durch zu viel Empathie und einfühlsame Voreingenommenheit

Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen eher in der Lage und bereit sind, sich in diejenigen einzufühlen, die ihnen am ähnlichsten sind. Insbesondere steigt die Empathie mit Ähnlichkeiten in der Kultur und den Lebensbedingungen. Empathie tritt eher zwischen Personen auf, die häufiger miteinander zu tun haben. Ein Maß dafür, wie gut eine Person den spezifischen Inhalt der Gedanken und Gefühle einer anderen Person erfassen kann, wurde von William Ickes entwickelt. In einem Experiment gaben die Forscher zwei Gruppen von Männern Armbänder, je nachdem, welche Fußballmannschaft sie unterstützten. Jeder Teilnehmer erhielt einen leichten Stromschlag und sah dann zu, wie ein anderer denselben Schmerz erlitt. Wenn die Armbänder übereinstimmten, flammten beide Gehirne auf: vor Schmerz und vor empathischem Schmerz. Wenn sie die gegnerische Mannschaft unterstützten, wurde festgestellt, dass der Beobachter wenig Empathie zeigte.

Der Psychologe Paul Bloom, Autor des Buches Against Empathy, weist darauf hin, dass diese Voreingenommenheit zu Tribalismus und gewalttätigen Reaktionen führen kann, wenn es darum geht, Menschen desselben "Stammes" oder derselben sozialen Gruppe zu helfen, z. B. wenn die empathische Voreingenommenheit von Demagogen ausgenutzt wird. Er schlägt "rationales Mitgefühl" als Alternative vor; ein Beispiel dafür ist die Verwendung von effektivem Altruismus, um über wohltätige Spenden rational zu entscheiden, anstatt sich auf emotionale Reaktionen auf Bilder in den Medien zu verlassen. Empathie kann auch von mitfühlenden Bettlern ausgenutzt werden. Bloom verweist auf das Beispiel der Straßenkinder in Indien, die viele Spenden erhalten, weil sie so liebenswert sind, was jedoch zu ihrer Versklavung durch das organisierte Verbrechen führt. Bloom sagt, dass sich jemand zwar besser fühlt und mehr Sinn findet, wenn er dem Menschen vor ihm spendet, aber in manchen Fällen würde er weniger Schaden anrichten und in vielen Fällen mehr Gutes in der Welt tun, wenn er über eine unpersönliche Website an eine effektive Wohltätigkeitsorganisation spenden würde.

Bloom ist der Ansicht, dass ein falscher Einsatz von Empathie und sozialer Intelligenz zu kurzsichtigem Handeln und Engstirnigkeit führen kann. Außerdem hält er die konventionellen unterstützenden Forschungsergebnisse für Gremlins aus voreingenommenen Standards.

Bloom sagt, dass Psychopathen zwar ein geringes Einfühlungsvermögen haben, die in wissenschaftlichen Studien dokumentierte Korrelation zwischen geringem Einfühlungsvermögen und gewalttätigem Verhalten jedoch gleich Null ist. Andere Indikatoren sind viel aussagekräftiger für gewalttätiges Verhalten, wie z. B. mangelnde Selbstbeherrschung. Menschen mit Asperger-Syndrom und Autismus haben ebenfalls ein geringes Einfühlungsvermögen, sind aber häufiger Opfer von Gewalttaten als Täter.

Bloom weist darauf hin, dass Eltern, die kurzfristig zu viel Einfühlungsvermögen haben, ihren Kindern langfristige Probleme bereiten können, indem sie die Disziplin vernachlässigen, Helikopter-Eltern sind oder ihre Kinder wegen des kurzfristigen Unbehagens nicht impfen lassen. Menschen, die nach einer Katastrophe zu viel Empathie empfinden, schicken möglicherweise weiterhin Spenden wie Konserven oder gebrauchte Kleidung, auch wenn sie aufgefordert werden, damit aufzuhören oder stattdessen Bargeld zu schicken. Dies kann die Situation noch verschlimmern, da die Notwendigkeit entsteht, nutzlose Spenden zu entsorgen und Ressourcen von hilfreichen Aktivitäten abzuziehen. Bloom stellt außerdem fest, dass Empathie unethisches Verhalten fördern kann, wenn sie dazu führt, dass Menschen sich mehr um attraktive Menschen kümmern als um hässliche, oder um Menschen der eigenen Rasse im Vergleich zu Menschen einer anderen Rasse. Die Voreingenommenheit gegenüber der Attraktivität kann sich auch auf die Bemühungen zum Schutz der Tierwelt auswirken, indem mehr Geld für den Schutz niedlicher und fotogener Tiere aufgewendet und mehr Gesetze erlassen werden, während die Aufmerksamkeit von ökologisch wichtigeren Arten abgezogen wird.

Empathische Stressmüdigkeit

Übermäßiges Einfühlungsvermögen kann zu "empathischer Belastungsmüdigkeit" führen, insbesondere wenn es mit pathologischem Altruismus verbunden ist. Die medizinischen Risiken sind Erschöpfung, beruflicher Burnout, Schuld, Scham, Angst und Depression.

Tania Singer sagt, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen und Pflegepersonal die Emotionen anderer objektiv betrachten müssen. Sie sollten ihre eigenen Emotionen nicht zu sehr in den anderen investieren, auch auf die Gefahr hin, dass sie ihre eigenen Ressourcen aufbrauchen. Paul Bloom weist darauf hin, dass Krankenschwestern und -pfleger mit hoher Empathie dazu neigen, weniger Zeit mit ihren Patienten zu verbringen, um zu vermeiden, dass sie negative Emotionen empfinden, die mit dem Miterleben von Leiden verbunden sind.

Disziplinäre Ansätze

Philosophie

Ethik

In seinem Buch The Ethics of Care and Empathy aus dem Jahr 2007 stellt der Philosoph Michael Slote eine Theorie der pflegeorientierten Ethik vor, die sich auf Empathie stützt. Er behauptet, dass die moralische Motivation auf einer empathischen Reaktion beruht und auch beruhen sollte. Er behauptet, dass unsere natürliche Reaktion auf Situationen von moralischer Bedeutung durch Empathie erklärt wird. Er erklärt, dass die Grenzen und Verpflichtungen der Empathie und damit auch der Moral natürlich sind. Zu diesen natürlichen Verpflichtungen gehört eine größere empathische und moralische Verpflichtung gegenüber Familie und Freunden sowie gegenüber denjenigen, die uns zeitlich und räumlich nahe stehen. Unsere moralische Verpflichtung gegenüber solchen Menschen scheint uns natürlich stärker zu sein als die gegenüber Fremden in der Ferne. Slote erklärt, dass dies auf den natürlichen Prozess der Empathie zurückzuführen ist. Er behauptet, dass Handlungen dann und nur dann falsch sind, wenn sie einen Mangel an voll entwickelter empathischer Fürsorge für andere seitens des Handelnden widerspiegeln oder aufzeigen.

Phänomenologie

In der Phänomenologie beschreibt Empathie das Erleben von etwas aus der Sicht des anderen, ohne dass es zu einer Verwechslung von Selbst und Anderem kommt. Dies stützt sich auf das Gefühl der Handlungsfähigkeit. Im einfachsten Sinne ist dies die Erfahrung des Körpers des anderen als "mein Körper dort drüben". In den meisten anderen Aspekten wird das Erlebte jedoch als die Erfahrung des anderen erlebt; beim Erleben von Empathie ist das Erlebte nicht "meine" Erfahrung, auch wenn ich es erlebe. Empathie gilt auch als Bedingung der Intersubjektivität und als solche als Quelle der Konstitution von Objektivität.

Geschichte

Einige postmoderne Historiker wie Keith Jenkins haben darüber debattiert, ob es möglich ist, sich in Menschen der Vergangenheit einzufühlen oder nicht. Jenkins argumentiert, dass Empathie in der Gegenwart nur deshalb eine so privilegierte Stellung genießt, weil sie sich harmonisch in den vorherrschenden liberalen Diskurs der modernen Gesellschaft einfügt und sich mit John Stuart Mills Konzept der reziproken Freiheit verbinden lässt. Jenkins argumentiert, die Vergangenheit sei ein fremdes Land, und da wir keinen Zugang zu den erkenntnistheoretischen Bedingungen vergangener Zeiten hätten, seien wir nicht in der Lage, uns in die Menschen einzufühlen, die damals lebten.

Psychotherapie

Heinz Kohut hat das Prinzip der Empathie in die Psychoanalyse eingeführt. Sein Prinzip gilt für die Methode des Sammelns von unbewusstem Material. Die Möglichkeit, das Prinzip nicht anzuwenden, ist in der Kur gegeben, etwa wenn man mit einem anderen Prinzip, dem der Realität, rechnen muss.

Wirtschaft und Management

In dem 2009 erschienenen Buch Wired to Care (Verdrahtet, um sich zu kümmern) vertritt der Strategieberater Dev Patnaik die Ansicht, dass ein großer Mangel an Empathie innerhalb großer Unternehmen ein Hauptfehler der heutigen Geschäftspraxis ist. Er stellt fest, dass Menschen in Unternehmen ohne Empathie nur schwer intuitive Entscheidungen treffen können und oft glauben, sie würden ihr Geschäft verstehen, wenn sie sich auf quantitative Untersuchungen stützen können. Er sagt, dass Unternehmen ein Gefühl der Empathie für Kunden schaffen können, und verweist auf Nike, Harley-Davidson und IBM als Beispiele für "Open Empathy Organizations". Solche Unternehmen, so behauptet er, erkennen neue Chancen schneller als ihre Konkurrenten, passen sich leichter an Veränderungen an und schaffen Arbeitsplätze, die den Mitarbeitern ein größeres Gefühl der Aufgabe in ihrem Job vermitteln. In ihrem 2011 erschienenen Buch The Empathy Factor plädiert die Organisationsberaterin Marie Miyashiro in ähnlicher Weise dafür, Empathie an den Arbeitsplatz zu bringen, und schlägt die Gewaltfreie Kommunikation als wirksamen Mechanismus vor, um dies zu erreichen. In Studien der Management Research Group wurde festgestellt, dass Empathie der stärkste Prädiktor für ethisches Führungsverhalten von 22 Kompetenzen in ihrem Managementmodell ist und dass Empathie einer der drei stärksten Prädiktoren für die Effektivität von Führungskräften ist. Eine Studie des Center for Creative Leadership ergab, dass Empathie auch positiv mit der Arbeitsleistung von Mitarbeitern korreliert.

Entwicklung der Zusammenarbeit

Die einfühlsame Perspektivenübernahme spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit in menschlichen Gesellschaften, wie sie in der evolutionären Spieltheorie untersucht wird. In spieltheoretischen Modellen bezieht sich indirekte Reziprozität auf den Mechanismus der Zusammenarbeit, der auf moralischem Ansehen beruht, das Individuen auf der Grundlage ihrer wahrgenommenen Einhaltung einer Reihe von moralischen Regeln, den so genannten sozialen Normen, zugewiesen wird. Es hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit nicht aufrechterhalten werden kann, wenn das Ansehen relativ ist und die Individuen sich über das moralische Ansehen der anderen nicht einig sind (z. B. weil sie unterschiedliche moralische Bewertungsregeln anwenden oder Fehler machen). Wenn Individuen jedoch die Fähigkeit haben, eine einfühlsame Perspektive einzunehmen, kann sich altruistisches Verhalten wieder entwickeln. Darüber hinaus haben evolutionäre Modelle gezeigt, dass sich die einfühlsame Perspektivübernahme selbst weiterentwickeln und prosoziales Verhalten in menschlichen Populationen fördern kann.

Messung

Bemühungen, Empathie zu messen, reichen mindestens bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zurück. Forscher nähern sich der Messung von Empathie aus verschiedenen Perspektiven.

Bei Verhaltensmessungen wird in der Regel das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter, entweder vorher festgelegter oder Ad-hoc-Verhaltensweisen bei den zu beobachtenden Personen bewertet. Sowohl verbale als auch nonverbale Verhaltensweisen wurden von Experimentatoren wie Truax auf Video festgehalten. Andere Experimentatoren, darunter Mehrabian und Epstein, forderten die Versuchspersonen auf, ihre eigenen Gefühle und Verhaltensweisen oder die anderer am Experiment beteiligter Personen zu kommentieren, um den Beurteilern indirekt zu signalisieren, inwieweit sie empathisch arbeiten.

Die physiologischen Reaktionen werden in der Regel durch aufwendige elektronische Geräte aufgezeichnet, die mit dem Körper der Versuchsperson verbunden sind. Die Forscher ziehen dann aus den elektronischen Messwerten Rückschlüsse auf die empathischen Reaktionen der Person.

Körperliche oder "somatische" Messungen können als Verhaltensmessungen auf einer Mikroebene betrachtet werden. Sie messen die Empathie anhand von Gesichtsausdrücken und anderen nicht verbal ausgedrückten Reaktionen. Solche Veränderungen werden vermutlich durch physiologische Veränderungen untermauert, die durch eine Form der "emotionalen Ansteckung" oder Spiegelung hervorgerufen werden. Diese Reaktionen scheinen zwar den inneren emotionalen Zustand des Einfühlenden widerzuspiegeln, könnten aber auch, wenn der Stimulusvorfall länger als nur eine kurze Zeit dauerte, die Ergebnisse emotionaler Reaktionen widerspiegeln, die auf Kognitionen beruhen, die mit der Rollenübernahme verbunden sind ("wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mich...").

Indizes für Empathie in Form von Bildern oder Puppengeschichten wurden eingeführt, um auch sehr jungen Probanden im Vorschulalter die Möglichkeit zu geben, zu antworten, ohne dass sie Fragen lesen und Antworten schreiben müssen. Zu den abhängigen Variablen (Variablen, deren Veränderung durch den Experimentator überwacht wird) für jüngere Versuchspersonen gehören Selbsteinschätzungen auf einer siebenstufigen Smiley-Skala und gefilmte Gesichtsreaktionen.

In einigen Experimenten werden die Versuchspersonen aufgefordert, sich Videoszenarien (entweder inszeniert oder authentisch) anzusehen und schriftliche Antworten zu geben, die dann auf ihren Empathiegrad hin bewertet werden; manchmal werden die Szenarien auch in gedruckter Form dargestellt.

Selbsteinschätzungsmessungen

Bei der Messung von Empathie müssen die Probanden häufig ihre eigene Fähigkeit oder Kapazität zur Empathie selbst angeben, indem sie numerische Antworten im Likert-Stil auf einen gedruckten Fragebogen geben, der die affektiven, kognitiv-affektiven oder weitgehend kognitiven Substrate der Empathiefunktion aufzeigen soll. Einige Fragebögen behaupten, sowohl kognitive als auch affektive Substrate zu erfassen. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2019 stellt jedoch die Gültigkeit von Selbstauskünften zur kognitiven Empathie in Frage und kommt zu dem Ergebnis, dass solche Selbstauskünfte nur eine vernachlässigbar geringe Korrelation mit den entsprechenden Verhaltensmessungen aufweisen.

Im Bereich der Medizin ist ein Messinstrument für Pflegekräfte die Jefferson Scale of Physician Empathy, Health Professional Version (JSPE-HP).

Der Interpersonal Reactivity Index (IRI) gehört zu den ältesten veröffentlichten Messinstrumenten, die noch häufig verwendet werden (erstmals 1983 veröffentlicht) und eine multidimensionale Bewertung der Empathie ermöglichen. Er besteht aus einem Selbstauskunftsfragebogen mit 28 Items, die in vier 7-Item-Skalen unterteilt sind, welche die oben beschriebenen Unterteilungen der affektiven und kognitiven Empathie abdecken. Zu den neueren Selbsteinschätzungsinstrumenten gehört der von Baron-Cohen und Wheelwright entwickelte Empathie-Quotient (EQ), der einen Selbsteinschätzungsfragebogen mit 60 Items umfasst. Eine weitere multidimensionale Skala ist der Fragebogen zur kognitiven und affektiven Empathie (QCAE, erstmals 2011 veröffentlicht).

Die Empathic Experience Scale ist ein Fragebogen mit 30 Items, der Empathie aus einer phänomenologischen Perspektive der Intersubjektivität misst, die eine gemeinsame Basis für die Wahrnehmungserfahrung (Dimension der stellvertretenden Erfahrung) und ein grundlegendes kognitives Bewusstsein (Dimension des intuitiven Verstehens) der emotionalen Zustände anderer bietet.

Internationaler Vergleich der länderspezifischen Empathie

In einer Studie eines US-Forschungsteams aus dem Jahr 2016 wurden die Selbstauskunftsdaten des Interreaktivitätsindex (siehe Messung) länderübergreifend verglichen. Unter den untersuchten Ländern waren die fünf Länder mit den höchsten Empathiewerten (in absteigender Reihenfolge): Ecuador, Saudi-Arabien, Peru, Dänemark und die Vereinigten Arabischen Emirate. Die niedrigsten Werte wurden von Bulgarien, Polen, Estland, Venezuela und Litauen erreicht.

Andere Tiere und Empathie zwischen Arten

Die Forscher Zanna Clay und Frans de Waal untersuchten die sozio-emotionale Entwicklung des Bonobo-Schimpansen. Sie konzentrierten sich auf das Zusammenspiel zahlreicher Fähigkeiten, wie z. B. empathiebezogenes Reagieren, und auf die Frage, wie sich unterschiedliche Aufzuchthintergründe der jungen Bonobos auf ihre Reaktion auf belastende Ereignisse auswirkten - Ereignisse, die sie selbst betrafen (z. B. Verlust eines Kampfes), aber auch belastende Ereignisse bei anderen. Sie fanden heraus, dass Bonobos den Körperkontakt zueinander als Bewältigungsmechanismus suchten. Bonobos suchten mehr Körperkontakt, nachdem sie ein Ereignis beobachtet hatten, das andere Bonobos in Bedrängnis brachte, als nach einem von ihnen selbst erlebten stressigen Ereignis. Von Müttern aufgezogene Bonobos suchten mehr Körperkontakt als verwaiste Bonobos, nachdem ein stressiges Ereignis einem anderen Bonobo zugestoßen war. Dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig die Bindung zwischen Mutter und Kind für eine erfolgreiche sozio-emotionale Entwicklung ist, z. B. für empathieähnliche Verhaltensweisen.

Empathieähnliches Verhalten wurde bei Schimpansen in verschiedenen Aspekten ihrer natürlichen Verhaltensweisen beobachtet. So trösten Schimpansen beispielsweise Opfer von aggressivem Verhalten sowohl in natürlicher als auch in unnatürlicher Umgebung spontan, ein Verhalten, das als Trost bekannt ist. Die Forscher unter der Leitung von Teresa Romero beobachteten diese empathischen und sympathieähnlichen Verhaltensweisen bei Schimpansen in zwei getrennten Gruppen, die im Freien untergebracht waren. In beiden Gruppen wurden tröstende Handlungen beobachtet. Dieses Verhalten findet sich auch beim Menschen, insbesondere bei menschlichen Säuglingen. Eine weitere Ähnlichkeit zwischen Schimpansen und Menschen besteht darin, dass empathieähnliche Reaktionen überproportional häufig gegenüber Verwandten gezeigt wurden. Obwohl auch bei Schimpansen Trost gegenüber familienfremden Personen beobachtet wurde, zeigten Schimpansen, wie auch Menschen, den meisten Trost und die meiste Besorgnis gegenüber nahen/geliebten Personen. Eine weitere Ähnlichkeit zwischen dem Ausdruck von Empathie bei Schimpansen und Menschen besteht darin, dass Weibchen im Durchschnitt mehr Trost spenden als Männchen. Die einzige Ausnahme zu dieser Entdeckung war, dass hochrangige Männchen ebenso viel empathieähnliches Verhalten zeigten wie ihre weiblichen Gegenstücke. Man nimmt an, dass dies auf ein polizeiliches Verhalten und den autoritären Status hochrangiger männlicher Schimpansen zurückzuführen ist.

Bei Hunden wurde angenommen, dass sie empathieähnliche Reaktionen gegenüber menschlichen Spezies zeigen. Die Forscher Custance und Mayer setzten einzelne Hunde mit ihrem Besitzer und einem Fremden in ein Gehege. Wenn die Teilnehmer sich unterhielten oder summten, zeigte der Hund keine Verhaltensänderungen; wenn die Teilnehmer jedoch so taten, als würden sie weinen, richteten die Hunde ihr Verhalten auf die Person in Not aus, unabhängig davon, ob es sich um den Besitzer oder einen Fremden handelte. Die Hunde näherten sich den Teilnehmern, wenn sie weinten, auf unterwürfige Weise, indem sie an der verzweifelten Person schnüffelten, sie ableckten und beschnupperten. Die Hunde näherten sich den Teilnehmern nicht in der üblichen Form von Aufregung, Schwanzwedeln oder Hecheln. Da die Hunde ihre empathieähnlichen Reaktionen nicht nur auf ihren Besitzer richteten, wird angenommen, dass Hunde generell nach Menschen suchen, die ein beunruhigendes Körperverhalten zeigen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Hunde die kognitive Fähigkeit zur Empathie besitzen, es könnte aber auch bedeuten, dass domestizierte Hunde über Generationen hinweg gelernt haben, in Not geratene Menschen zu trösten, weil sie für dieses spezielle Verhalten belohnt wurden.

Haushühner (Gallus gallus domesticus) zeigen emotionale und physiologische Reaktionen, wenn sie Zeuge von Küken in Not werden. Die Forscher Edgar, Paul und Nicol fanden heraus, dass sich die Herzfrequenz der Mutterhenne in Situationen, in denen das Küken in Gefahr war, erhöhte, sie stimmte Alarmsignale an, sie verringerte ihr persönliches Putzen und ihre Körpertemperatur stieg. Diese Reaktionen erfolgten unabhängig davon, ob das Küken das Gefühl hatte, dass es in Gefahr war oder nicht. Mutterhühner erlebten nur dann eine stressbedingte Hyperthermie, wenn das Verhalten des Kükens mit der wahrgenommenen Bedrohung korrelierte. Das mütterliche Verhalten von Tieren kann als Empathie wahrgenommen werden, könnte aber auch von den evolutionären Prinzipien des Überlebens und nicht von Emotionalität geleitet sein.

Der Mensch kann sich in andere Arten einfühlen. Eine Studie an einer Reihe von Organismen hat gezeigt, dass die Stärke der menschlichen empathischen Wahrnehmung (und der mitfühlenden Reaktionen) gegenüber einem Organismus negativ damit korreliert, wie lange die gemeinsamen Vorfahren unserer Arten zurückliegen. Mit anderen Worten: Je näher eine Spezies phylogenetisch mit uns verwandt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir Empathie und Mitgefühl für sie empfinden.

Der Verhaltensforscher und Zoologe Frans de Waal sieht in der menschlichen Fähigkeit zur Empathie den Teil unseres evolutionären Erbes, auf dem die Voraussetzungen zu sozialem und moralischem Verhalten basieren.

In der Fiktion

Die Kraft der Empathie ist zu einer häufigen Fähigkeit in der Fiktion geworden, insbesondere in den Superhelden-Medien. Benutzer, die als "Empathen" bekannt sind, haben die Fähigkeit, die Emotionen und Körperempfindungen anderer zu spüren und sie in einigen Fällen zu beeinflussen oder zu kontrollieren.

Obwohl es sich manchmal um eine spezifische Fähigkeit handelt, die von den Nutzern ausgeübt wird, wie z. B. bei der Marvel-Comic-Figur Empath, wurde die Fähigkeit auch häufig mit der Telepathie in Verbindung gebracht, wie z. B. im Fall von Jean Grey.

In der neu aufgelegten Fernsehserie Charmed ist die Figur Maggie Vera eine Hexe mit der Kraft der Empathie. Später erweitern sich ihre Kräfte, so dass sie die Emotionen anderer kontrollieren und gelegentlich auch Emotionen in reine Energie umwandeln kann. In Staffel 4 lernt sie, die Kräfte anderer Menschen zu replizieren, indem sie sie einfühlsam versteht.

Definitionen und Klassifikation von Empathie

Kognitive Empathie oder Perspektivenübernahme

Es kann nach heutigem Wissensstand von einer innerlichen und einer äußerlichen Perspektivenübernahme gesprochen werden. Vom Menschen ist bekannt, dass er sich in den inneren Zustand eines anderen hinein versetzen kann. Bei Tieren konnte beobachtet werden, dass sie ausschließlich etwas übernehmen konnten, was sie am äußeren Verhalten eines anderen wahrnahmen. Beispielsweise übernimmt das Schimpansen­junge die äußerlich wahrnehmbare Umwelt, die ein anderer Schimpanse manipuliert, z. B. einen Stock, der vom anderen Schimpansen geworfen wird, daraufhin nimmt das Junge einen Stock und experimentiert durch eigene Wurfversuche. Demgegenüber ist ein Menschenkind befähigt, auch den inneren Zustand bzw. die Sichtweise eines anderen zu übernehmen, die beispielsweise einen beobachteten Stockwurf ausgelöst hat.

Soziale Empathie

Der Begriff Soziale Empathie wurde von Elisabeth Segal eingebracht. Darunter versteht sie die Fähigkeit, Menschen in ihrem Kontext (Umfeld) zu verstehen. Dieser Kontext hat eine gesellschaftliche/soziokulturelle und eine interpersonelle (zwischenmenschliche) Dimension. Die zwischenmenschliche Dimension hat Gemeinsamkeiten mit sozialen Fähigkeiten (Social Skills) und ist der dritte Bestandteil der Empathie (neben der emotionalen und kognitiven Empathie). Neurobiologisch ist die soziale Empathie auf der oberen limbischen Ebene angesiedelt und dient den Erfordernissen des sozialen Zusammenlebens und Kooperation. Mit anderen Worten: Menschen müssen das Verhalten sozialer Systeme verstehen und vorhersagen können, wenn sie erfolgreich in und mit diesen Systemen leben wollen (evolutionärer Vorteil).

Entwicklung von Empathie beim Kind

Erworbene oder angeborene Fähigkeit zur Empathie

Die außerhalb rein wissenschaftlicher Texte heutzutage wohl häufigste Verwendung des Begriffs Empathie betrifft das eigentlich bei allen Säugetieren vorhandene natürliche Verständnis zwischen Mutter und Neugeborenem. Hier ist die Unterscheidung zwischen erworbener und angeborener Fähigkeit zur Empathie von großer Bedeutung.

Allgemein wird, unter anderem in der Kinderpsychologie, davon ausgegangen, dass sich bewusste Empathie bei Kleinkindern erst zum Ende des 2. Lebensjahres entwickelt, zum Beispiel ab der Selbsterkennung in Spiegeln. Hier spielt das Selbstkonzept eine große Rolle, denn erst die Ausbildung eines globalen Selbstkonzepts ermöglicht eine Trennung zwischen dem Selbst und anderen Personen. Dann entsteht ein Bewusstsein darüber, dass das emotionale Miterleben mehr das Unwohlsein eines anderen widerspiegelt als die eigene Lage. Ein Sozialverhalten von Kleinstkindern vor dieser Entwicklungsstufe wird in den Wissenschaften oft jedoch lediglich als „Gefühlsansteckung“ interpretiert und bezeichnet. Der Schritt von der Gefühlsansteckung zur Empathie wird durch die Möglichkeit einer „Teil-Identifikation“ erreicht. Bei der Teil-Identifikation empfindet man einerseits mit den anderen mit, andererseits merkt das Kind, dass es nicht selbst betroffen ist. Neuere Forschungen der Psychologie, Verhaltensforschung und Neurophysiologie beschreiben auch eine andere Existenz von Empathie hinter der Ebene der Gefühlsansteckung.

Die sozial determinierte und von der Erziehung angestrebte Empathie hat prinzipiell das Ziel, eine gruppenspezifische psychische Identität zu erreichen. Aus der bereits von Kleinstkindern gezeigten erheblichen Individualität schließen Psychologen wie Arno Gruen auf die Existenz einer angeborenen Empathiefähigkeit. Erste umstrittene Versuche zeigen, dass Kleinstkinder lange vor dem Alter, in dem sie durch sozial determinierte Empathie beeinflussbar sind, kommunikationsfähig und auch -bereit sind. Da Kommunikation jedoch gemäß Carl Rogers (1959) Empathie erfordert (siehe auch: Gewaltfreie Kommunikation), sind offenbar also auch Kleinstkinder bereits empathiefähig.

Auch Rupert Lay weist frühkindliche Aktionen nach, die auf Empathie im Sinne von Kommunikation zwecks Grenzfindung (anderer und dann eigener Grenzen) schließen lassen.

Nach Ansicht einiger Psychologen geht die angeborene Fähigkeit zur Empathie durch kulturelle Einflüsse (Erziehung) verloren und wird durch kognitive Empathie ersetzt. Arno Gruen sieht in der daraufhin fehlenden Möglichkeit zu einer individuellen Kommunikationsbereitschaft und der Erfolglosigkeit einzelner Personen in den heutigen Industriegesellschaften die Hauptursache für individuelle Aggression, die verstärkt von Jugendlichen ausgeht.

Manfred Cierpka sieht bereits vor dem Erreichen einer Empathiefähigkeit die positive, aber auch die negative Einflussnahme von direkten Bezugspersonen auf Kleinstkinder, die im Extremfall zu einer später auftretenden totalen Emotionsverweigerung führen kann.

Die US-amerikanische Psychologin Carolyn Zahn-Waxler hat beobachtet, dass schon einjährige Kinder spielerisch die Bezugspersonen (Mutter) irritieren – zum Beispiel die Kooperation beim Anziehen bewusst verweigern. Diese Spiele seien erste Kommunikationsversuche im Sinne der soziologischen Systemtheorie nach Niklas Luhmann: Das Problem Doppelte Kontingenz wird von Seiten des Kindes durch Errichten eines Alter Ego aufgelöst, mit dem im Bewusstsein „diskutiert“ wird. Durch die Reaktion (Information) der Bezugsperson lernt das Kleinstkind die Grenzen Anderer erkennen und findet seine eigenen Grenzen, das Kind erweitert sein Bewusstsein, und zwischen der Bezugsperson und dem Kind bildet sich eine Emergente Ordnung. Wird dieser Kommunikationsversuch des Kindes jedoch nicht wahrgenommen und sogar mit negativen Emotionen (im Regelfall Ärger der Mutter über die Verweigerung) beantwortet, entstehen schon beim Kleinstkind Urängste.

Die Unterscheidung und Trennung von entweder Gefühlsansteckung oder Empathie beiderseits (sowohl seitens des Kindes als auch seitens der Bezugspersonen) wird gerade bei Kleinstkindern für besonders bedeutsam gehalten, da Letztere vom Kind aus nonverbal ausgedrückt und deswegen – auch weil die angeborene Fähigkeit zur Empathie bei Kleinstkindern noch weitgehend unerforscht ist – oft nicht richtig wahrgenommen wird.

Empathie als Forschungsgegenstand

Operationalisierung und Messung

Die große Bedeutung der Empathie für die Bewältigung praktischer Aufgaben in verschiedenen Lebensbereichen scheint in den meisten Wissenschaften unbestritten zu sein. Ein Problem ist die unüberschaubare Vielzahl von (mehrdeutigen) Definitionen und (subjektiven) Interpretationen dieses Begriffes. Nur durch eine Operationalisierung dieses Konstruktes ist es möglich, reliable und valide Modelle zu entwickeln, um daraus seriöse Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Zur Operationalisierung und Messung der Empathie wurden verschiedene physiologische Verfahren und psychologische Tests entwickelt. Ein Beispiel ist der auch in einer deutschen Version verfügbare Interpersonal Reactivity Index von Mark Davis. Dieser Index besteht aus vier Skalen:

  1. Fantasy Scale zur Erfassung der Fähigkeit, sich als Akteur in fiktive Geschichten hineinzuversetzen und entsprechend zu handeln.
  2. Perspective Thinking zur Erfassung der Fähigkeit, den Standpunkt eines anderen Menschen zu verstehen, also die Welt „mit seinen Augen zu sehen“ (kognitive Empathie).
  3. Empathic Concern zur Erfassung der Sympathie für andere und der Fähigkeit, deren Gefühle nachzuvollziehen (emotionale Empathie).
  4. Personal distress zur Erfassung der persönlichen Betroffenheit, wenn andere Menschen in emotional belastende Situationen oder Nöte geraten.

Judith Hall und Co-Autoren schrieben 2001, dass sich dieser Test und seine zahlreichen Modifikationen in der Praxis bewährt haben: „… they have been used with considerable success with adults and adolescents“.

Empathiefähigkeit als Schlüsselkompetenz: Definition und Messung

In einer neueren Studie haben Nathan Spreng und Co-Autoren aus rund 20 Instrumenten zur Messung der Empathie den „Toronto Empathy Questionnaire“ (Fragenkatalog; Fragebogen) als Synthese entwickelt und mithilfe von drei empirischen Erhebungen mit 200, 79 und 64 Probanden validiert. Das Besondere an diesem Test (Fragebogen) ist die Operationalisierung der Empathie als Fähigkeit mit konkreten Verhaltensbeschreibungen. Dies ist der erste Schritt zu einer Definition der Empathie als erlernbare bzw. trainierbare Kompetenz (Empathiefähigkeit). Demnach lässt sich die Empathie mithilfe der nachfolgenden fünf Dimensionen oder Skalen messen:

  1. Korrektes Entschlüsseln nonverbaler Botschaften
  2. Die gleichen Emotionen wie andere empfinden (Mitgefühl)
  3. Ähnliche Gedanken und Erinnerungen erleben
  4. Auslösen gleicher physiologischer Reaktionen (Herzschlag, Beklemmung, „feuchte Hände“ etc.)
  5. Auslösen helfender oder unterstützender Handlungsimpulse.

Die nebenstehende Grafik fasst die Kerngedanken dieses Konzeptes zusammen und zeigt Beispiele für Test-Items.

Erkenntnistheorie

Die Fähigkeit zur innerlichen Perspektivenübernahme (engl. perspective taking) zeichnet Menschen – zur äußerlichen Perspektivenübernahme auch den Menschenaffen und wahrscheinlich einige andere höhere Spezies – aus (siehe Theory of Mind). Aus Sicht der Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie ist dann ein Wechsel der Perspektiven verlangt, wenn grundlegend verschiedene Theorien bestehen oder wenn unterschiedliche Betrachtungsweisen und Bezugssysteme notwendig sind, um die ganze Wirklichkeit zu erfassen, beispielsweise Bewusstsein und Hirnvorgänge (Leib-Seele-Problem). Dieser Perspektivismus des Denkens hat direkte Folgen für die Methoden der Forschung.

Differenzielle Psychologie und Diagnostik

In der Differenziellen Psychologie und in der psychologischen Diagnostik stellt sich die Frage, ob sich Menschen in ihrer Fähigkeit, die psychischen Zustände und Motive einer anderen Person zu erkennen, unterscheiden. Offensichtlich fällt dieser Blickwechsel vielen Menschen außerordentlich schwer, sich zumindest näherungsweise in einen anderen Menschen hinein zu versetzen. Andere behaupten von sich, dass sie das gut könnten. Dieses Einfühlungsvermögen (Empathie) ist nicht nur im Zusammenleben der Menschen, sondern auch für die Ausbildung von Psychologen und Psychotherapeuten wichtig.

Eine Forschungsübersicht von Funder (1999) zur Frage, ob es wirklich gute psychologische Beurteiler in dem Sinne gibt, dass sie im Alltag andere Menschen gut einzuschätzen verstehen (Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit, auch deren aktuelles Befinden), stellt fest, dass keine hinreichenden Belege für die Annahme einer besonderen Fähigkeit, ein „guter Beurteiler“ zu sein, vorliegen. Allerdings wären die Untersuchungen noch zu einfach angelegt, um solche Begabungen wirklich erfassen zu können. Welche Maßstäbe sollen hier gelten? So wird in der psychologischen Forschung versucht, mehrere Aspekte zu unterscheiden: Erstens, was ein Anderer denkt, zweitens, was ein Anderer fühlt, und drittens, ob er mitfühlend auf die Lage des Anderen reagiert.

Anwendungen der Empathie

  • In der Psychotherapie bedeutet Empathie eine Strategie der Stimmungsübertragung vom Patienten auf den Therapeuten. Dadurch ist es dem Therapeuten möglich, die Emotionen und die Stimmung des Patienten bei sich selbst zu erleben und somit besser zu verstehen. Es ist ein aktiver Prozess des einfühlenden Verstehens. Dieser ist notwendig, weil Patienten belastende Emotionen in der Regel leugnen, ablehnen, bekämpfen oder vermeiden. Der Therapeut muss daher eine korrigierende, akzeptierende und wertschätzende Haltung einnehmen, damit er die belastenden Emotionen besser nachvollziehen und geeignete therapeutische Maßnahmen effektiver einleiten kann.
  • Im Management und insbesondere bei der direkten Führung von Mitarbeitern spielen die Motivation, das Engagement und die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern eine zentrale Rolle. Die Motive und Beweggründe der Mitarbeiter, die ihrem Verhalten zugrunde liegen, kann man nicht unmittelbar beobachten; sie lassen sich im Wesentlichen nur durch Empathie erschließen. Außerdem sind viele Motive den Betroffenen gar nicht bewusst und können sich je nach Situation verändern. Grundsätzlich kann man andere Menschen nur dann motivieren (oder Demotivation vermeiden), wenn man sie nicht nur rational, sondern vor allem nachempfindend versteht. Aus diesen Gründen gilt die Empathie als wesentlicher Bestandteil der Führungskompetenz.
  • Im Marketing, insbesondere beim persönlichen Verkauf und bei der Vermarktung wissens- und technologieintensiver Produkte und Dienstleistungen, kommt es darauf an, dass die betreffenden Mitarbeiter sich sehr gut in die Gedanken- und Gefühlswelt des Kunden hineinversetzen und das Angebot möglichst passend auf seine – oft unausgesprochenen – Motive und Wünsche ausrichten können. Empathie ist somit eine wesentliche Voraussetzung für die effiziente Gestaltung des Vertriebsprozesses und besonders wichtig bei der Entwicklung der Vertriebskompetenzen.
  • Als Beispiel aus der Psychologie sei das Konzept der „Sozialen Intelligenz“, dem Ausgangspunkt der Forschung zum Thema „Emotionale Intelligenz“ von David Wechsler, angeführt, das eine Schlüsselstellung sowohl in dieser Disziplin als auch in der Managementlehre einnimmt und heute unter den Stichwörtern „Selbstregulation“ und „Volition“ weiterentwickelt wurde.

Empathie in der Psychiatrie

In der klassischen deutschen Psychiatrie galt bis in die 1970er Jahre die Einfühlbarkeit als Kriterium der Unterscheidung zwischen Neurose und Psychose. Die Psychose bzw. die Geisteskrankheit wurde insbesondere als uneinfühlbare und dazu auch unverständliche seelische Manifestation angesehen.

Psychoanalytische Behandlung

Nachdem Freud sich in seiner Behandlungstechnik von der Hypnose abgewandt hatte, maß er der Einfühlung als Zugang zum Patienten einerseits eine so zentrale Bedeutung zu, dass er sie zur Grundbedingung der psychoanalytischen Behandlung erklärte. Er verstand sie als die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, und somit als Erkenntniszugang, durch den insbesondere auch das verstehbar werde, was dem Patienten selbst zunächst fremd sei. Zugleich diene sie einem positiven Beziehungsaufbau, den man sich verscherzen könne, wenn man stattdessen z. B. eine wertende Position einnähme. Freud stellt der Einfühlung andererseits auch eine distanziertere Haltung gegenüber, die wichtig sei, um die Arbeitsbeziehung aufrechtzuerhalten, und weil er eine zu starke Mitbewegung mit den auch neurotischen Anteilen und vor allem den sexuell gefärbten Übertragungsgefühlen der Patienten fürchtete.

In Bezug auf die Fragen der Behandlung nimmt der Diskurs um diese beiden Pole einen breiten Raum ein. Gemeinsam ist den verschiedenen Ausprägungen und Betonungen die Aussage, dass Empathie zwischen den eigenen Gefühlen und denen des anderen unterscheiden kann. Das unterscheidet sie von der Identifizierung, bei der dies nicht der Fall ist. Milch hebt im Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe zusammenfassend vier Aspekte der psychoanalytischen Definition der Empathie hervor. Empathie bedeutet demnach: „1. eine Beziehung zwischen zwei Personen, 2. ein Aufrechterhalten der Grenzen zwischen Selbst und Objekt, 3. eine intrapsychische Erfahrung, 4. eine allgemeine menschliche Fähigkeit oder therapeutische Kapazität einschließlich des Wissens, Verstehens und Wahrnehmens bez. des Erlebens einer anderen Person.“ Einfühlung gilt in der Psychoanalyse als Möglichkeit einer vorbewussten, emotionalen Erkenntnis, die mit dem Wissen und den intellektuellen Erkenntnissen zusammengebracht werden muss. Diese Auffassung mündet in das Konzept des einfühlenden und Szenischen Verstehens von Hermann Argelander und Alfred Lorenzer.

Bei Heinz Kohut und der von ihm begründeten Selbstpsychologie wird die Empathie zum entscheidenden Wirkfaktor der psychoanalytischen Behandlung. Nicht mehr allein die Bewusstmachung des zuvor Unbewussten bewirkt die Heilung des Selbst, sondern diese wird vor allem dadurch ermöglicht, dass der Analytiker den Patienten mit angemessener Empathie begleitet. Dadurch kann dieser im Rahmen der schützenden Abstinenz eine neue korrigierende Beziehungserfahrung machen, diese nach und nach in die eigene psychische Organisation aufnehmen, so dass es zu einer umwandelnden Verinnerlichung kommt. Mit der Betonung dieses Beziehungsaspektes, dem mit Kohut zahlreiche Psychoanalytiker folgten, wurde dennoch die Arbeit des auch kognitiven Verstehens und des Deutens nicht aufgegeben. Mit dem Patienten fühlen und über ihn nachdenken gehören auch nach dem italienischen Psychiater und Psychoanalytiker Stefano Bolognini, dem Autor einer umfassenden Zusammenschau der psychoanalytischen Konzepte zur Einfühlung, untrennbar zum Kern psychoanalytischer Behandlung.

Verbindungen und Weiterführungen

Im Kontext der Entwicklungspsychologie besteht eine Wechselbeziehung zwischen der mütterlichen Einfühlung und der Entstehung einer sicheren Bindung im Sinne der Bindungstheorie. Die Erkenntnisse finden sich in allgemein verständlicher Form auch in ratgebenden Veröffentlichungen für Eltern wieder.

Verknüpfungen und Abgrenzungen bestehen im Behandlungskontext zu den psychoanalytischen Konzepten der Gegenübertragung und der projektiven Identifizierung.

Als eine Weiterführung kann das Konzept der Mentalisierung angesehen werden.

Missbrauch der Empathie für manipulative Zwecke

Immanuel Kant gehört zu den ersten Gelehrten, die auf den möglichen Missbrauch der Empathie durch Politiker in einer Volksherrschaft (Demokratie) hingewiesen haben. Macht über das Volk werde in Zukunft nicht mehr der Herr des Schwertes, sondern der Meister des Wortes haben. Wolf Schneider hat dazu einige Zitate zusammengetragen, die zeigen, dass ein Nachempfinden der Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen durch Politiker oder Massenmedien bzw. Journalisten eine wichtige Voraussetzung für wirksame Manipulation ist:

  • Die Sprache sei volkstümlich und simpel. Joseph Goebbels: „Weil wir die Sprache des Volkes sprachen, haben wir das Volk erobert“.
  • Reizwörter sind unermüdlich zu wiederholen, weil das bloße Wiederholen eines Reizes genügt, um Sympathie auszulösen. Heinrich von Kleist: „Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr“; Goebbels: „Das Volk will nicht immer neue Eindrücke, sondern es will die alten Eindrücke in immer verfeinerter Form“.
  • Man ziele aufs Gefühl: Hitler: „Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit so feminin veranlagt und eingestellt, daß weniger nüchterne Überlegung als vielmehr gefühlsmäßige Empfindung sein Denken und Handeln bestimmt“. Es gelte, „das Instinktmäßige zu wecken und aufzupeitschen“.
  • Was ist der kürzeste Weg ins Herz? Die am weitesten verbreiteten Instinkte und Leidenschaften, die man aufstacheln muss, sind nach William Gerard Hamilton (1729–1796) Neid, Angst, Wünsche, Hoffnungen und Hass.

Heute betreiben sowohl Politiker als auch Intellektuelle und (kommerzielle) Massenmedien dieses „Geschäft“ mit Gefühlen (Stichwort Einschaltquoten). Das erzeuge, so Joseph Schumpeter, eine feindselige, für den Kapitalismus in seiner Existenz bedrohliche soziale Atmosphäre. Der Grund: Nach Ansicht von Schumpeter entwickelt die Masse des Volkes nie aus eigener Initiative heraus feste Ansichten. Vielmehr bedarf es Gruppen, in deren Interesse es ist, den Groll zu steigern, zu organisieren, zu hegen und zu pflegen. Das Entfalten von Revolten durch das Auslösen der besonders wirksamen, negativen Emotionen wie Angst, Neid, Wut, Frustration oder Ohnmacht sei ein Geschäft, das sich bei Erfolg auszahle (verkaufte Auflage, Popularität etc.). Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Berufsstand der Intellektuellen, wozu insbesondere Journalisten zählen. Diese Personengruppe beherrscht den Umgang mit dem gesprochenen oder geschriebenen Wort – allerdings trägt sie keine Verantwortung für praktische Dinge (oder für die Folgen ihrer Handlungen). Ferner fehlen ihr Informationen aus erster Hand, wie man sie nur durch tatsächliche Erfahrung erwerben kann. Schumpeter stellt abschließend die rhetorische Frage, ob es sich um Leute handle, „… die über alles reden, weil sie nichts verstehen?“