Wissenschaftstheorie

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Die Wissenschaftstheorie ist ein Zweig der Philosophie, der sich mit den Grundlagen, Methoden und Auswirkungen der Wissenschaft befasst. Die zentralen Fragen dieser Studie betreffen die Frage, was als Wissenschaft gilt, die Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Theorien und den eigentlichen Zweck der Wissenschaft. Diese Disziplin überschneidet sich mit der Metaphysik, der Ontologie und der Erkenntnistheorie, wenn sie sich beispielsweise mit der Beziehung zwischen Wissenschaft und Wahrheit befasst. Die Wissenschaftstheorie befasst sich mit metaphysischen, epistemischen und semantischen Aspekten der Wissenschaft. Ethische Fragen wie Bioethik und wissenschaftliches Fehlverhalten werden oft als Ethik oder Wissenschaftsforschung und nicht als Wissenschaftsphilosophie betrachtet.

Über viele der zentralen Probleme der Wissenschaftsphilosophie besteht unter Philosophen kein Konsens. Dazu gehört die Frage, ob die Wissenschaft die Wahrheit über unbeobachtbare Dinge enthüllen kann und ob wissenschaftliches Denken überhaupt gerechtfertigt werden kann. Neben diesen allgemeinen Fragen zur Wissenschaft als Ganzes befassen sich Wissenschaftsphilosophen auch mit Problemen, die für bestimmte Wissenschaften (wie Biologie oder Physik) gelten. Einige Wissenschaftsphilosophen nutzen auch aktuelle Ergebnisse der Wissenschaft, um Schlussfolgerungen über die Philosophie selbst zu ziehen.

Während das philosophische Denken in Bezug auf die Wissenschaft mindestens bis in die Zeit von Aristoteles zurückreicht, entstand die allgemeine Wissenschaftsphilosophie als eigenständige Disziplin erst im 20. Charles Sanders Peirce und Karl Popper knüpften an den Positivismus an und schufen moderne Standards für die wissenschaftliche Methodik. Thomas Kuhns Buch The Structure of Scientific Revolutions (Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen) aus dem Jahr 1962 war ebenfalls prägend, da es die Sichtweise des wissenschaftlichen Fortschritts als stetigen, kumulativen Wissenserwerb auf der Grundlage einer festen Methode des systematischen Experimentierens in Frage stellte und stattdessen argumentierte, dass jeglicher Fortschritt relativ zu einem "Paradigma" ist, d. h. zu der Reihe von Fragen, Konzepten und Praktiken, die eine wissenschaftliche Disziplin in einer bestimmten historischen Periode definieren.

In der Folgezeit wurde der kohärente Ansatz in der Wissenschaft, demzufolge eine Theorie dann gültig ist, wenn sie den Beobachtungen als Teil eines kohärenten Ganzen einen Sinn gibt, durch W.V. Quine und andere bekannt. Einige Denker wie Stephen Jay Gould versuchen, die Wissenschaft auf axiomatische Annahmen zu gründen, wie z. B. die Gleichförmigkeit der Natur. Eine lautstarke Minderheit von Philosophen, insbesondere Paul Feyerabend, vertritt die Auffassung, dass es so etwas wie eine "wissenschaftliche Methode" nicht gibt und dass daher alle wissenschaftlichen Ansätze erlaubt sein sollten, einschließlich ausdrücklich übernatürlicher Ansätze. Ein anderer Ansatz, über Wissenschaft nachzudenken, besteht darin, zu untersuchen, wie Wissen aus einer soziologischen Perspektive geschaffen wird, ein Ansatz, der von Wissenschaftlern wie David Bloor und Barry Barnes vertreten wird. Schließlich gibt es eine Tradition in der kontinentalen Philosophie, die die Wissenschaft aus der Perspektive einer strengen Analyse der menschlichen Erfahrung betrachtet.

Die Philosophien der einzelnen Wissenschaften reichen von Fragen über die Natur der Zeit, die durch Einsteins allgemeine Relativitätstheorie aufgeworfen wurden, bis hin zu den Auswirkungen der Wirtschaftswissenschaften auf die öffentliche Politik. Ein zentrales Thema ist die Frage, ob die Begriffe einer wissenschaftlichen Theorie intra- oder intertheoretisch auf die Begriffe einer anderen reduziert werden können. Kann also die Chemie auf die Physik oder die Soziologie auf die Individualpsychologie reduziert werden? Die allgemeinen Fragen der Wissenschaftsphilosophie stellen sich auch in einigen besonderen Wissenschaften mit größerer Spezifität. So stellt sich beispielsweise die Frage nach der Gültigkeit des wissenschaftlichen Denkens in den Grundlagen der Statistik in einem anderen Gewand. Die Frage, was als Wissenschaft gilt und was ausgeschlossen werden sollte, stellt sich in der Philosophie der Medizin als eine Frage von Leben und Tod. Darüber hinaus gehen die Philosophien der Biologie, der Psychologie und der Sozialwissenschaften der Frage nach, ob die wissenschaftliche Erforschung der menschlichen Natur objektiv sein kann oder unweigerlich von Werten und sozialen Beziehungen geprägt ist.

Die Wissenschaftstheorie (auch Wissenschaftsphilosophie, Wissenschaftslehre oder Wissenschaftslogik) ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit den Voraussetzungen, Methoden und Zielen von Wissenschaft und ihrer Form der Erkenntnisgewinnung beschäftigt. Begrifflich wird zwischen der Erkenntnisfähigkeit, dem Erkennen und den Erkenntnissen (den Resultaten des Erkennens) unterschieden, wobei beim allgemeinen Begriff der Erkenntnis anhand des Kontextes entschieden werden muss, was gemeint ist.

Kernfragen der Wissenschaftstheorie lauten :

  1. Welche Charakteristika weist wissenschaftliche Erkenntnis auf und was soll sie leisten? (z. B. abstrakt, mathematisch oder "trocken" zu sein; als Leistungen kommen z. B. in Frage: Erklärung, Vorhersage von experimentellen Ergebnissen, Verstehen von Texten)
  2. Durch welche Methoden kann sie erreicht werden? (Methodologie)
  3. Gibt es überhaupt einen wissenschaftlichen Fortschritt?
  4. Was unterscheidet Wissenschaft von der Pseudowissenschaft?
  5. Welchen erkenntnistheoretischen Status haben wissenschaftliche Theorien und die von ihnen postulierten Entitäten? Ist Wissenschaft eine Form von Wahrheitsfindung oder muss wissenschaftliche Erkenntnis pragmatischer konzipiert werden?
  6. Welchen Einfluss haben ästhetische Faktoren auf wissenschaftliche Erkenntnisse und auf die Entwicklung der Wissenschaften?
  7. Wie soll das Verhältnis der Wissenschaft zur Ethik gestaltet sein?

Die Beschäftigung mit wissenschaftstheoretischen Problemen, vor allem solchen, die die Struktur und Entwicklung wissenschaftlicher Kenntnisse und Methoden betreffen, reicht in ihren Anfängen bis in die Antike zurück (Aristoteles). Weiterführende Untersuchungen zu Teilproblemen der Wissenschaftstheorie finden sich bei Philosophen wie Francis Bacon, René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz, Jean Baptiste le Rond d’Alembert, Denis Diderot, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, später Bernard Bolzano. Wissenschaft wird in diesen Untersuchungen vorwiegend als System wissenschaftlicher Erkenntnisse verstanden und Wissenschaftstheorie ist in diesem Sinne eng mit Erkenntnistheorie und Methodologie verbunden, also der Reflexion der konkret verwendeten Methoden.

Die allgemeine Wissenschaftstheorie stützt sich auf die formale Logik und die Ergebnisse von Untersuchungen zur Wissenschaft, die aus der Sicht der einzelnen Disziplinen gewonnen werden, z. B. Ökonomie, Soziologie, Psychologie u. a., erarbeitet – davon ausgehend – ihr eigenständiges Begriffssystem, verallgemeinert auf dieser Grundlage die disziplinären Erkenntnisse und versucht so ihrerseits zum einheitlichen theoretischen Fundament aller einzelner Forschungsdisziplinen zu werden.

Zeitgenössische Wissenschaftstheorie misst der Tatsache, dass das Betreiben von Wissenschaft eine soziale Aktivität ist, zunehmende Bedeutung bei – im Gegensatz zur traditionellen Wissenschaftstheorie, welche vorrangig auf das Wissenschaft betreibende Individuum fokussierte. Beigetragen haben hierzu etwa soziale Bewegungen wie Umweltaktivismus und Feminismus sowie Bedenken zu sozialen Folgen von durch Wissenschaft ermöglichte Technologien.

Im Rahmen dieses Wandels sind haben zusätzliche Fragen in der Wissenschaftstheorie an Bedeutung gewonnen:

  1. Inwiefern beeinflussen ethische (und nicht nur epistemische) Werte und soziale Normen die Wissensfindung bzw. -produktion? Welche Rolle können und sollten sie spielen?
  2. Welche Auswirkungen auf die Inhalte der Wissenschaften sowie auf das Verständnis von Wissen und wissenschaftlicher Praxis hatte es, dass bis vor historisch betrachtet sehr kurzer Zeit die Wissenschaftsgemeinschaft fast ausschließlich männlich war? Wie beeinflusst die soziale Organisation einer Wissenschaftsgemeinschaft das von ihr produzierte Wissen? (soziale Epistemologie der Wissenschaft) Inwiefern fließen gesellschaftliche Strukturen – wie etwa die privilegierte Position mancher Gruppen – in wissenschaftliche Zielsetzungen und Ideale ein?
  3. Wie genau verliefen in der Vergangenheit Prozesse in den Wissenschaften (z. B. die Lösung von wissenschaftlichen Kontroversen, die Ursachen bahnbrechender Entdeckungen, die Bewertung bestimmter Ideen als implausibel, die Häufigkeit von Replizierbarkeitsstudien) tatsächlich, oft in Kontrast zu formulierten Idealen der Wissenschaft?
  4. Welche Rolle spielt das soziale Element in den Wissenschaften: Verzerrt es die Wissensproduktion, ist es für Wissensfragen nebensächlich, aber in Hinblick auf bestimmte Tendenzen in der Wissenschaftsgemeinschaft aussagekräftig, oder ist es gar für menschliche Rationalität wesentlich, da kognitive Prozesse selbst soziale Prozesse seien?
  5. Sollte Verantwortlichkeit in den Wissenschaften mitgedacht werden?
  6. Wie kann mit Risiken und Unwägbarkeiten in Hinblick auf Folgen von Forschung umgegangen werden? (Diskutierte Lösungsvorschläge beinhalten z. B. Risikoanalysen und Kosten-Nutzen-Analysen). Sollten in die Entscheidung, ob eine Hypothese abgelehnt oder akzeptiert wird, auch die Risiken einer falschen Entscheidung mit hineinspielen?
  7. Ist eine Pluralität an wissenschaftlichen Methoden günstig oder sollte sie langfristig überwunden werden? (Pluralismus vs. Monismus) Gibt es eine einheitliche wissenschaftliche Methode oder ist es zutreffender, von einer Vielzahl von Wissenschaften zu sprechen, die lediglich Familienähnlichkeit aufweisen? (Abgrenzungsproblem)
  8. Sollte Wissenschaft nach Idealen wie Wertfreiheit und klassisch gedachter Objektivität streben oder versperren diese Ideale die Sicht darauf, dass in Wissenschaften inhärent Werturteile getroffen werden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ihren persönlichen Einstellungen und Erfahrungen stets beeinflusst sind?
  9. Welche Alternativen zum Ideal der wertfreien Wissenschaft gibt es? Wie können Rationalität und Objektivität alternativ gedacht werden?

Infolge dieser Diskurse sind Moralphilosophie, Politische Philosophie, Wissenschaftssoziologie und Ethik der Wissenschaften in der Wissenschaftstheorie relevanter geworden.

Einleitung

Die Definition der Wissenschaft

Karl Popper in den 1980er Jahren

Die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft wird als Abgrenzungsproblem bezeichnet. Sollten beispielsweise die Psychoanalyse, die Schöpfungslehre und der historische Materialismus als Pseudowissenschaften betrachtet werden? Karl Popper nannte dies die zentrale Frage der Wissenschaftstheorie. Unter den Philosophen hat sich jedoch keine einheitliche Darstellung des Problems durchgesetzt, und einige halten das Problem für unlösbar oder uninteressant. Martin Gardner hat sich für die Anwendung eines Potter-Stewart-Standards ("Ich erkenne es, wenn ich es sehe") zur Erkennung von Pseudowissenschaft ausgesprochen.

Frühe Versuche der logischen Positivisten begründeten die Wissenschaft mit der Beobachtung, während die Nicht-Wissenschaft nicht beobachtbar und daher bedeutungslos war. Popper argumentierte, dass die zentrale Eigenschaft der Wissenschaft die Falsifizierbarkeit ist. Das heißt, dass jede echte wissenschaftliche Behauptung zumindest im Prinzip als falsch erwiesen werden kann.

Ein Studienbereich oder eine Spekulation, die sich als Wissenschaft ausgibt, um eine Legitimität zu erlangen, die sie sonst nicht erreichen könnte, wird als Pseudowissenschaft, Randwissenschaft (obwohl eine Randwissenschaft oft zum Mainstream wird und sich sogar zu einem Paradigmenwechsel entwickelt) oder Junk Science bezeichnet. Der Physiker Richard Feynman prägte den Begriff "Cargo-Kult-Wissenschaft" für Fälle, in denen Forscher glauben, dass sie Wissenschaft betreiben, weil ihre Aktivitäten nach außen hin den Anschein erwecken, dass sie Wissenschaft betreiben, aber in Wirklichkeit fehlt ihnen die "Art von völliger Ehrlichkeit", die eine strenge Bewertung ihrer Ergebnisse ermöglicht.

Wissenschaftliche Erklärung

Eng damit verbunden ist die Frage, was eine gute wissenschaftliche Erklärung ausmacht. Die Gesellschaft erwartet von wissenschaftlichen Theorien nicht nur, dass sie Vorhersagen über künftige Ereignisse liefern, sondern auch, dass sie Erklärungen für Ereignisse liefern, die regelmäßig auftreten oder bereits eingetreten sind. Philosophen haben sich mit den Kriterien befasst, nach denen eine wissenschaftliche Theorie ein Phänomen erfolgreich erklären kann, und mit der Frage, was es bedeutet, dass eine wissenschaftliche Theorie Erklärungskraft hat.

Eine frühe und einflussreiche Darstellung der wissenschaftlichen Erklärung ist das deduktiv-nomologische Modell. Es besagt, dass eine erfolgreiche wissenschaftliche Erklärung das Auftreten der fraglichen Phänomene aus einem wissenschaftlichen Gesetz ableiten muss. Diese Sichtweise ist stark kritisiert worden, was zu mehreren weithin anerkannten Gegenbeispielen für die Theorie geführt hat. Es ist besonders schwierig zu beschreiben, was unter einer Erklärung zu verstehen ist, wenn das zu erklärende Phänomen nicht aus einem Gesetz abgeleitet werden kann, weil es sich um eine zufällige Erscheinung handelt, oder wenn es nicht perfekt aus dem Bekannten vorhergesagt werden kann. Wesley Salmon entwickelte ein Modell, nach dem eine gute wissenschaftliche Erklärung statistisch relevant für das zu erklärende Ergebnis sein muss. Andere haben argumentiert, dass der Schlüssel zu einer guten Erklärung darin liegt, unterschiedliche Phänomene zu vereinen oder einen kausalen Mechanismus zu liefern.

Das bekannteste Modell für wissenschaftliche Erklärungen ist das Deduktiv-nomologische Erklärungsmodell von Carl Gustav Hempel. Dieses Modell hat viele Kritiker. In jüngerer Zeit hat besonders Nancy Cartwright es als unzutreffend kritisiert und ihm ihr Simulacrum-Erklärungsmodell entgegengesetzt.

Eine weitere aktuell diskutierte Erklärungsart ist der Schluss auf die beste Erklärung (Inference to Best Explanation, kurz IBE), eine Form der Abduktion.

Wissenschaft rechtfertigen

Die Erwartungen, die Hühner an das Verhalten von Landwirten stellen können, veranschaulichen das "Problem der Induktion".

Obwohl es oft als selbstverständlich vorausgesetzt wird, ist es keineswegs klar, wie man aus einer Reihe spezifischer Fälle auf die Gültigkeit einer allgemeinen Aussage oder aus einer Reihe erfolgreicher Tests auf die Wahrheit einer Theorie schließen kann. Ein Huhn beobachtet zum Beispiel, dass der Bauer jeden Morgen kommt und ihm Futter gibt, und zwar Hunderte von Tagen hintereinander. Das Huhn kann daher durch induktives Schließen darauf schließen, dass der Bauer ihm jeden Morgen Futter bringt. Doch eines Morgens kommt der Bauer und tötet das Huhn. Inwiefern ist die wissenschaftliche Argumentation vertrauenswürdiger als die des Huhns?

Ein Ansatz besteht darin, anzuerkennen, dass durch Induktion keine Gewissheit erlangt werden kann, aber die Beobachtung von mehr Fällen einer allgemeinen Aussage kann die allgemeine Aussage zumindest wahrscheinlicher machen. Das Huhn hätte also Recht, wenn es aus all diesen Morgen schließen würde, dass der Bauer am nächsten Morgen wahrscheinlich wieder mit Futter kommt, auch wenn es nicht sicher sein kann. Es bleiben jedoch schwierige Fragen über den Prozess der Interpretation eines gegebenen Beweises in eine Wahrscheinlichkeit, dass die allgemeine Aussage wahr ist. Ein Ausweg aus diesen besonderen Schwierigkeiten besteht darin, zu erklären, dass alle Überzeugungen über wissenschaftliche Theorien subjektiv oder persönlich sind, und dass es bei der korrekten Argumentation lediglich darum geht, wie die Beweise die subjektiven Überzeugungen im Laufe der Zeit verändern sollten.

Einige argumentieren, dass Wissenschaftler überhaupt nicht induktiv denken, sondern eher abduktiv, d. h. auf die beste Erklärung schließen. In dieser Sichtweise geht es in der Wissenschaft nicht um die Verallgemeinerung bestimmter Fälle, sondern um die Aufstellung von Hypothesen zur Erklärung des Beobachteten. Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, ist nicht immer klar, was mit der "besten Erklärung" gemeint ist. Ockhams Rasiermesser, das dazu rät, die einfachste verfügbare Erklärung zu wählen, spielt daher in einigen Versionen dieses Ansatzes eine wichtige Rolle. Um auf das Beispiel des Huhns zurückzukommen: Wäre es einfacher anzunehmen, dass der Bauer sich um das Huhn kümmert und es bis in alle Ewigkeit versorgen wird, oder dass der Bauer es für die Schlachtung mästet? Philosophen haben versucht, dieses heuristische Prinzip im Sinne der theoretischen Sparsamkeit oder anderer Maßstäbe zu präzisieren. Obwohl verschiedene Maßstäbe für die Einfachheit als potenzielle Kandidaten vorgeschlagen wurden, wird allgemein anerkannt, dass es so etwas wie einen theorieunabhängigen Maßstab für die Einfachheit nicht gibt. Mit anderen Worten, es scheint so viele verschiedene Maßstäbe für Einfachheit zu geben wie es Theorien gibt, und die Aufgabe, zwischen den Maßstäben für Einfachheit zu wählen, scheint genauso problematisch zu sein wie die Wahl zwischen Theorien. Nicholas Maxwell vertritt seit einigen Jahrzehnten die Auffassung, dass Einheit und nicht Einfachheit der wichtigste nicht-empirische Faktor ist, der die Wahl der Theorie in der Wissenschaft beeinflusst, und dass die anhaltende Präferenz für einheitliche Theorien die Wissenschaft dazu verpflichtet, eine metaphysische These über die Einheit der Natur zu akzeptieren. Um diese problematische These zu verbessern, muss sie in Form einer Hierarchie von Thesen dargestellt werden, wobei jede These mit zunehmender Höhe der Hierarchie an Substanzlosigkeit zunimmt.

Beobachtung untrennbar mit Theorie verbunden

Five balls of light are arranged in a cross shape.
Durch ein Teleskop betrachtet, scheint das Einstein-Kreuz den Beweis für fünf verschiedene Objekte zu liefern, aber diese Beobachtung ist theorielastig. Geht man von der allgemeinen Relativitätstheorie aus, liefert das Bild nur Beweise für zwei Objekte.

Bei ihren Beobachtungen schauen Wissenschaftler durch Teleskope, betrachten Bilder auf elektronischen Bildschirmen, zeichnen Messwerte auf und so weiter. Im Allgemeinen können sie sich auf einer grundlegenden Ebene darauf einigen, was sie sehen, z. B. dass das Thermometer 37,9 Grad C anzeigt. Wenn diese Wissenschaftler jedoch unterschiedliche Vorstellungen von den Theorien haben, die zur Erklärung dieser grundlegenden Beobachtungen entwickelt wurden, können sie sich über das, was sie beobachten, uneinig sein. Vor Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie hätten Beobachter ein Bild des Einsteinkreuzes wahrscheinlich als fünf verschiedene Objekte im Raum interpretiert. Im Lichte dieser Theorie werden die Astronomen jedoch sagen, dass es eigentlich nur zwei Objekte gibt, eines in der Mitte und vier verschiedene Bilder eines zweiten Objekts an den Seiten. Wenn andere Wissenschaftler vermuten, dass mit dem Teleskop etwas nicht stimmt und nur ein Objekt beobachtet wird, gehen sie von einer anderen Theorie aus. Beobachtungen, die nicht von der theoretischen Interpretation getrennt werden können, werden als theorielastig bezeichnet.

Jede Beobachtung beinhaltet sowohl Wahrnehmung als auch Erkenntnis. Das heißt, man macht eine Beobachtung nicht passiv, sondern ist aktiv damit beschäftigt, das beobachtete Phänomen von den umgebenden sensorischen Daten zu unterscheiden. Daher werden Beobachtungen durch das zugrundeliegende Verständnis der Funktionsweise der Welt beeinflusst, und dieses Verständnis kann beeinflussen, was wahrgenommen, bemerkt oder für erwägenswert erachtet wird. In diesem Sinne kann man sagen, dass jede Beobachtung theoriebehaftet ist.

Der Zweck der Wissenschaft

Sollte die Wissenschaft darauf abzielen, die letzte Wahrheit zu ermitteln, oder gibt es Fragen, die die Wissenschaft nicht beantworten kann? Wissenschaftliche Realisten behaupten, dass die Wissenschaft auf Wahrheit abzielt und dass man wissenschaftliche Theorien als wahr, annähernd wahr oder wahrscheinlich wahr ansehen sollte. Im Gegensatz dazu argumentieren die wissenschaftlichen Anti-Realisten, dass die Wissenschaft nicht auf Wahrheit abzielt (oder zumindest nicht erfolgreich ist), insbesondere nicht auf Wahrheit über unbeobachtbare Dinge wie Elektronen oder andere Universen. Instrumentalisten argumentieren, dass wissenschaftliche Theorien nur danach beurteilt werden sollten, ob sie nützlich sind. Ihrer Ansicht nach ist es unerheblich, ob Theorien wahr sind oder nicht, da der Zweck der Wissenschaft darin besteht, Vorhersagen zu treffen und effektive Technologien zu ermöglichen.

Realisten verweisen oft auf den Erfolg neuerer wissenschaftlicher Theorien als Beweis für die Wahrheit (oder Beinahe-Wahrheit) der aktuellen Theorien. Antirealisten verweisen entweder auf die vielen falschen Theorien in der Geschichte der Wissenschaft, auf erkenntnistheoretische Moralvorstellungen, auf den Erfolg falscher Modellierungsannahmen oder auf die weit verbreitete postmoderne Kritik an der Objektivität als Beweis gegen den wissenschaftlichen Realismus. Antirealisten versuchen, den Erfolg wissenschaftlicher Theorien ohne Bezug auf die Wahrheit zu erklären. Einige Antirealisten behaupten, dass wissenschaftliche Theorien nur darauf abzielen, in Bezug auf beobachtbare Objekte genau zu sein, und argumentieren, dass ihr Erfolg in erster Linie nach diesem Kriterium beurteilt wird.

Werte und Wissenschaft

Werte und Wissenschaft überschneiden sich auf unterschiedliche Weise. Es gibt erkenntnistheoretische Werte, die die wissenschaftliche Forschung hauptsächlich leiten. Das wissenschaftliche Unternehmen ist durch einzelne Praktiker in eine bestimmte Kultur und bestimmte Werte eingebettet. Werte gehen aus der Wissenschaft hervor, sowohl als Produkt als auch als Prozess, und können auf mehrere Kulturen in der Gesellschaft verteilt sein. Wenn es um die Rechtfertigung der Wissenschaft im Sinne einer allgemeinen öffentlichen Beteiligung durch einzelne Praktiker geht, spielt die Wissenschaft die Rolle eines Vermittlers zwischen der Bewertung der Normen und Politiken der Gesellschaft und ihrer beteiligten Individuen, weshalb die Wissenschaft in der Tat Opfer von Vandalismus und Sabotage wird, indem sie die Mittel dem Zweck anpasst.

Wenn unklar ist, was als Wissenschaft gilt, wie der Prozess der Bestätigung von Theorien funktioniert und was der Zweck der Wissenschaft ist, gibt es einen beträchtlichen Spielraum für Werte und andere soziale Einflüsse, um die Wissenschaft zu gestalten. In der Tat können Werte eine Rolle spielen, von der Entscheidung, welche Forschung finanziert wird, bis hin zur Beeinflussung der Theorien, die den wissenschaftlichen Konsens erreichen. Im 19. Jahrhundert beispielsweise beeinflussten die kulturellen Werte der Wissenschaftler in Bezug auf die Rasse die Evolutionsforschung, und die Werte in Bezug auf die soziale Klasse beeinflussten die Debatten über die Phrenologie (die damals als wissenschaftlich galt). Feministische Wissenschaftsphilosophen, Wissenschaftssoziologen und andere untersuchen, wie soziale Werte die Wissenschaft beeinflussen.

Geschichte

Vormoderne

Die Ursprünge der Wissenschaftsphilosophie gehen auf Platon und Aristoteles zurück, die zwischen approximativem und exaktem Schlussfolgern unterschieden, das dreiteilige Schema des abduktiven, deduktiven und induktiven Schlusses aufstellten und auch das Schlussfolgern durch Analogie analysierten. Der arabische Universalgelehrte Ibn al-Haytham (im Lateinischen als Alhazen bekannt) führte seine Forschungen in der Optik durch kontrollierte experimentelle Tests und angewandte Geometrie durch, insbesondere bei seinen Untersuchungen der Bilder, die sich aus der Reflexion und Brechung des Lichts ergeben. Roger Bacon (1214-1294), ein englischer Denker und Experimentator, der stark von al-Haytham beeinflusst war, wird von vielen als Vater der modernen wissenschaftlichen Methode angesehen. Seine Ansicht, dass Mathematik für ein korrektes Verständnis der Naturphilosophie unerlässlich sei, galt als 400 Jahre seiner Zeit voraus.

Moderne

Francis Bacons Statue am Gray's Inn, South Square, London

Francis Bacon (nicht direkt verwandt mit Roger, der 300 Jahre früher lebte) war eine bahnbrechende Figur der Wissenschaftsphilosophie zur Zeit der wissenschaftlichen Revolution. In seinem Werk Novum Organum (1620) - eine Anspielung auf Aristoteles' Organon - skizzierte Bacon ein neues System der Logik, das den alten philosophischen Prozess des Syllogismus verbessern sollte. Bacons Methode stützte sich auf experimentelle Historien, um alternative Theorien auszuschließen. 1637 schuf René Descartes in seiner Abhandlung Diskurs über die Methode einen neuen Rahmen für die Begründung wissenschaftlicher Erkenntnisse, indem er die zentrale Rolle der Vernunft im Gegensatz zur sensorischen Erfahrung befürwortete. Im Gegensatz dazu wurde 1713 in der 2. Auflage von Isaac Newtons Philosophiae Naturalis Principia Mathematica argumentiert, dass "... Hypothesen ... keinen Platz in der experimentellen Philosophie haben. In dieser Philosophie[,] werden die Sätze aus den Phänomenen abgeleitet und durch Induktion allgemein gemacht." Diese Passage beeinflusste eine "spätere Generation von philosophisch interessierten Lesern, die ein Verbot von Kausalhypothesen in der Naturphilosophie aussprachen". Insbesondere David Hume, der später im 18. Jahrhundert seine Skepsis gegenüber der Fähigkeit der Wissenschaft, Kausalität zu bestimmen, zum Ausdruck brachte, formulierte das Problem der Induktion in einer endgültigen Fassung. Die Schriften von John Stuart Mill aus dem 19. Jahrhundert gelten ebenfalls als wichtig für die Herausbildung der heutigen Vorstellungen von der wissenschaftlichen Methode und nehmen spätere Darstellungen der wissenschaftlichen Erklärung vorweg.

Logischer Positivismus

Der Instrumentalismus wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert unter Physikern populär, und danach bestimmte der logische Positivismus das Feld für mehrere Jahrzehnte. Der logische Positivismus akzeptiert nur überprüfbare Aussagen als sinnvoll, lehnt metaphysische Interpretationen ab und vertritt den Verifikationismus (eine Reihe von Erkenntnistheorien, die Logik, Empirie und Linguistik kombinieren, um die Philosophie auf eine Grundlage zu stellen, die mit den Beispielen aus den empirischen Wissenschaften übereinstimmt). In dem Bestreben, die gesamte Philosophie zu überarbeiten und in eine neue wissenschaftliche Philosophie umzuwandeln, vertraten der Berliner und der Wiener Kreis in den späten 1920er Jahren den logischen Positivismus.

In Anlehnung an Ludwig Wittgensteins frühe Sprachphilosophie ermittelten die logischen Positivisten ein Prinzip der Überprüfbarkeit oder ein Kriterium für die kognitive Bedeutung. Ausgehend von Bertrand Russells Logizismus versuchten sie, die Mathematik auf die Logik zu reduzieren. Sie machten sich auch Russells logischen Atomismus, Ernst Machs Phänomenalismus - wonach der Geist nur tatsächliche oder potenzielle Sinneserfahrungen kennt, die den Inhalt aller Wissenschaften, ob Physik oder Psychologie, bilden - und Percy Bridgmans Operationalismus zu eigen. Demnach war nur das Verifizierbare wissenschaftlich und kognitiv bedeutsam, während das Unverifizierbare unwissenschaftlich und kognitiv bedeutungslos war, d. h. metaphysische, emotionale oder ähnliche "Pseudoaussagen", die es nicht wert waren, von den Philosophen weiter geprüft zu werden, deren neue Aufgabe es war, Wissen zu organisieren, anstatt neues Wissen zu entwickeln.

Der logische Positivismus wird gemeinhin so dargestellt, als vertrete er die extreme Position, dass sich die wissenschaftliche Sprache niemals auf etwas Unbeobachtbares beziehen sollte - selbst nicht auf die scheinbar zentralen Begriffe Kausalität, Mechanismus und Prinzipien -, doch das ist eine Übertreibung. Die Rede von solchen unbeobachtbaren Dingen könnte als metaphorisch - direkte Beobachtungen, die abstrakt betrachtet werden - oder schlimmstenfalls metaphysisch oder emotional zugelassen werden. Theoretische Gesetze würden auf empirische Gesetze reduziert, während theoretische Begriffe über Korrespondenzregeln Bedeutung aus Beobachtungsbegriffen gewinnen würden. Die Mathematik in der Physik würde sich über den Logizismus auf die symbolische Logik reduzieren, während die rationale Rekonstruktion die gewöhnliche Sprache in standardisierte Äquivalente umwandeln würde, die alle miteinander vernetzt und durch eine logische Syntax verbunden wären. Eine wissenschaftliche Theorie würde mit ihrer Verifikationsmethode angegeben werden, wobei ein logisches Kalkül oder eine empirische Operation ihre Falschheit oder Wahrheit überprüfen könnte.

In den späten 1930er Jahren flohen die logischen Positivisten aus Deutschland und Österreich nach Großbritannien und Amerika. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele den Phänomenalismus von Mach durch den Physikalismus von Otto Neurath ersetzt, und Rudolf Carnap hatte versucht, die Verifikation durch eine einfache Bestätigung zu ersetzen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde der logische Positivismus zu einem milderen, logischen Empirismus, der in Amerika vor allem von Carl Hempel angeführt wurde, der das Modell der Deckungsgesetze für wissenschaftliche Erklärungen entwickelte, um die logische Form von Erklärungen zu bestimmen, ohne sich auf den verdächtigen Begriff der "Kausalität" zu beziehen. Die logisch-positivistische Bewegung wurde zu einer wichtigen Stütze der analytischen Philosophie und dominierte die Philosophie der Anglosphäre, einschließlich der Wissenschaftstheorie, und beeinflusste die Wissenschaften bis in die 1960er Jahre. Dennoch gelang es der Bewegung nicht, ihre zentralen Probleme zu lösen, und ihre Doktrinen wurden zunehmend angefochten. Dennoch führte sie zur Etablierung der Wissenschaftsphilosophie als eigenständige Teildisziplin der Philosophie, wobei Carl Hempel eine Schlüsselrolle spielte.

Für Kuhn war die Hinzufügung von Epizykeln in der ptolemäischen Astronomie "normale Wissenschaft" innerhalb eines Paradigmas, während die kopernikanische Revolution ein Paradigmenwechsel war.

Thomas Kuhn

In seinem 1962 erschienenen Buch The Structure of Scientific Revolutions (Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen) vertrat Thomas Kuhn die Auffassung, dass der Prozess der Beobachtung und Bewertung innerhalb eines Paradigmas stattfindet, eines logisch konsistenten "Porträts" der Welt, das mit den Beobachtungen übereinstimmt, die in seinem Rahmen gemacht werden. Ein Paradigma umfasst auch die Reihe von Fragen und Praktiken, die eine wissenschaftliche Disziplin definieren. Er charakterisierte die normale Wissenschaft als den Prozess der Beobachtung und des "Rätsellösens", der innerhalb eines Paradigmas stattfindet, während die revolutionäre Wissenschaft entsteht, wenn ein Paradigma ein anderes in einem Paradigmenwechsel überholt.

Kuhn bestritt, dass es jemals möglich ist, die zu prüfende Hypothese vom Einfluss der Theorie, auf der die Beobachtungen beruhen, zu isolieren, und er argumentierte, dass es nicht möglich ist, konkurrierende Paradigmen unabhängig voneinander zu bewerten. Mehr als ein logisch konsistentes Konstrukt kann ein brauchbares Bild der Welt zeichnen, aber es gibt keine gemeinsame Basis, auf der man zwei gegeneinander ausspielen könnte, Theorie gegen Theorie. Jedes Paradigma hat seine eigenen Fragen, Ziele und Interpretationen. Keines der beiden Paradigmen bietet einen Maßstab, nach dem das andere beurteilt werden kann, so dass es keine klare Möglichkeit gibt, den wissenschaftlichen Fortschritt zwischen den Paradigmen zu messen.

Für Kuhn wurde die Wahl des Paradigmas von rationalen Prozessen getragen, aber nicht von ihnen letztlich bestimmt. Bei der Wahl zwischen Paradigmen werden zwei oder mehr "Porträts" der Welt gegenübergestellt, und es wird entschieden, welche Ähnlichkeit am vielversprechendsten ist. Für Kuhn ist die Annahme oder Ablehnung eines Paradigmas ebenso ein sozialer Prozess wie ein logischer Prozess. Kuhns Position ist jedoch nicht die eines Relativisten. Nach Kuhn findet ein Paradigmenwechsel statt, wenn eine signifikante Anzahl von Beobachtungsanomalien im alten Paradigma auftritt und ein neues Paradigma daraus einen Sinn macht. Das heißt, die Wahl eines neuen Paradigmas beruht auf Beobachtungen, auch wenn diese Beobachtungen vor dem Hintergrund des alten Paradigmas gemacht werden.

Der logische Empirist Hans Reichenbach führte diese Unterscheidung 1938 ein.

  • Entdeckungszusammenhang: Reichenbach zufolge braucht der Wissenschaftsphilosoph bei der rationalen Rekonstruktion und der Erklärung von Wissenschaft singuläre und subjektive Einflüsse, denen ein Forscher ausgesetzt ist (Entdeckungszusammenhang), nicht zu berücksichtigen.
  • Begründungszusammenhang: Alles, worauf es ankommt, ist, wie der Wissenschaftler seine Behauptungen – normalerweise in der Form von mathematischen Gleichungen und mittels Logik – rechtfertigt (Rechtfertigungszusammenhang, Begründungszusammenhang, Erklärungszusammenhang).

Karl Popper übernahm diese Trennung unter diesen Bezeichnungen. Da sich der Kritische Rationalismus jedoch gegen Begründung stellte, wird heute das Wort Analysezusammenhang statt Begründungszusammenhang verwendet. Diese Unterscheidung will also zufällige Bedingungen (besonders soziologischer und psychologischer Art) aus wissenschaftlichen (Kausal-)Erklärungen und Begründungen ausschließen.

Aktuelle Ansätze

Die axiomatischen Annahmen des Naturalismus

Alle wissenschaftlichen Untersuchungen beruhen unweigerlich auf zumindest einigen grundlegenden Annahmen, die durch wissenschaftliche Prozesse nicht überprüft werden können. Kuhn stimmt zu, dass die gesamte Wissenschaft auf einer anerkannten Agenda von unbeweisbaren Annahmen über die Beschaffenheit des Universums beruht und nicht nur auf empirischen Fakten. Diese Annahmen - ein Paradigma - umfassen eine Sammlung von Überzeugungen, Werten und Techniken, die von einer bestimmten wissenschaftlichen Gemeinschaft vertreten werden, die ihre Systeme legitimieren und die Grenzen für ihre Untersuchungen festlegen. Für Naturalisten ist die Natur die einzige Realität, das einzige Paradigma. So etwas wie "Übernatürliches" gibt es nicht. Die wissenschaftliche Methode soll zur Erforschung der gesamten Realität eingesetzt werden, und der Naturalismus ist die implizite Philosophie der arbeitenden Wissenschaftler.

Die folgenden Grundannahmen sind erforderlich, um die wissenschaftliche Methode zu rechtfertigen.

  1. dass es eine objektive Realität gibt, die von allen rationalen Beobachtern geteilt wird. "Die Grundlage für Rationalität ist die Annahme einer externen objektiven Realität.". "Als Individuum können wir nicht wissen, ob die Sinnesinformationen, die wir wahrnehmen, künstlich erzeugt werden oder aus einer realen Welt stammen. Jeder Glaube, dass sie aus einer realen Welt außerhalb von uns stammen, ist eigentlich eine Annahme. Es scheint vorteilhafter zu sein, anzunehmen, dass es eine objektive Realität gibt, als mit Solipsismus zu leben, und so nehmen die Menschen diese Annahme gerne an. Tatsächlich haben wir diese Annahme unbewusst getroffen, als wir als Säuglinge begannen, etwas über die Welt zu lernen. Die Welt außerhalb von uns selbst scheint auf eine Art und Weise zu reagieren, die damit vereinbar ist, dass sie real ist. ... Die Annahme des Objektivismus ist unerlässlich, wenn wir unseren Empfindungen und Gefühlen eine zeitgemäße Bedeutung beimessen und ihnen mehr Sinn verleihen wollen." "Ohne diese Annahme gäbe es nur die Gedanken und Bilder in unserem eigenen Geist (der der einzige existierende Geist wäre) und es gäbe keinen Bedarf an Wissenschaft oder irgendetwas anderem."
  2. dass diese objektive Realität von Naturgesetzen beherrscht wird. "Die Wissenschaft geht, zumindest heute, davon aus, dass das Universum wissbaren Prinzipien gehorcht, die weder von Zeit und Ort noch von subjektiven Parametern wie dem, was wir denken, wissen oder wie wir uns verhalten, abhängen." Hugh Gauch argumentiert, dass die Wissenschaft davon ausgeht, dass "die physikalische Welt geordnet und verständlich ist".
  3. dass die Realität durch systematische Beobachtung und Experimente entdeckt werden kann. Stanley Sobottka sagte: "Die Annahme einer äußeren Realität ist notwendig, damit die Wissenschaft funktionieren und gedeihen kann. Wissenschaft ist zum größten Teil die Entdeckung und Erklärung der äußeren Welt". "Die Wissenschaft versucht, Wissen zu produzieren, das so universell und objektiv wie möglich im Bereich des menschlichen Verständnisses ist."
  4. dass die Natur einheitliche Gesetze hat und die meisten, wenn nicht alle Dinge in der Natur zumindest eine natürliche Ursache haben müssen. Der Biologe Stephen Jay Gould bezeichnete diese beiden eng miteinander verbundenen Aussagen als die Konstanz der Naturgesetze und das Funktionieren der bekannten Prozesse. Simpson stimmt zu, dass das Axiom der Einheitlichkeit der Gesetze, ein unbeweisbares Postulat, notwendig ist, damit Wissenschaftler durch induktive Schlussfolgerungen in die unbeobachtbare Vergangenheit extrapolieren können, um sie sinnvoll zu untersuchen.
  5. dass experimentelle Verfahren zufriedenstellend und ohne absichtliche oder unbeabsichtigte Fehler, die die Ergebnisse beeinflussen, durchgeführt werden.
  6. dass die Experimentatoren durch ihre Annahmen nicht signifikant voreingenommen sind.
  7. dass die Zufallsstichprobe repräsentativ für die gesamte Population ist. Eine einfache Zufallsstichprobe (SRS) ist die einfachste probabilistische Option, um eine Stichprobe aus einer Grundgesamtheit zu bilden. Der Vorteil der einfachen Zufallsstichprobe besteht darin, dass der Prüfer garantiert eine Stichprobe auswählt, die die Grundgesamtheit repräsentiert und somit statistisch gültige Schlussfolgerungen gewährleistet.

Kohärenz

Jeremiah Horrocks macht 1639 die erste Beobachtung des Venustransits, wie ihn sich der Künstler W. R. Lavender 1903 vorstellte

Im Gegensatz zu der Auffassung, dass die Wissenschaft auf grundlegenden Annahmen beruht, behauptet der Kohärentismus, dass Aussagen dadurch gerechtfertigt sind, dass sie Teil eines kohärenten Systems sind. Oder besser gesagt, einzelne Aussagen können nicht für sich allein validiert werden: Nur kohärente Systeme können gerechtfertigt werden. Die Vorhersage eines Venustransits ist dadurch gerechtfertigt, dass sie mit den allgemeinen Annahmen über die Himmelsmechanik und früheren Beobachtungen kohärent ist. Wie oben erläutert, ist die Beobachtung ein kognitiver Akt. Das heißt, sie beruht auf einem bereits existierenden Verständnis, einem systematischen Satz von Überzeugungen. Die Beobachtung eines Venustransits erfordert eine ganze Reihe von Hilfsüberzeugungen, z. B. solche, die die Optik von Teleskopen, die Mechanik der Teleskophalterung und das Verständnis der Himmelsmechanik beschreiben. Wenn die Vorhersage fehlschlägt und ein Transit nicht beobachtet wird, ist dies wahrscheinlich eher Anlass für eine Anpassung des Systems, eine Änderung einiger Hilfsannahmen, als für eine Verwerfung des theoretischen Systems.

Nach der Duhem-Quine-These, die auf Pierre Duhem und W.V. Quine zurückgeht, ist es nämlich unmöglich, eine Theorie isoliert zu testen. Man muss immer Hilfshypothesen hinzufügen, um überprüfbare Vorhersagen machen zu können. Um zum Beispiel das Newtonsche Gravitationsgesetz im Sonnensystem zu testen, benötigt man Informationen über die Massen und Positionen der Sonne und aller Planeten. Als es im 19. Jahrhundert nicht gelang, die Umlaufbahn des Uranus vorherzusagen, wurde nicht das Newtonsche Gesetz verworfen, sondern die Hypothese, dass das Sonnensystem nur aus sieben Planeten besteht. Die darauf folgenden Untersuchungen führten zur Entdeckung eines achten Planeten, Neptun. Wenn ein Test fehlschlägt, stimmt etwas nicht. Das Problem besteht jedoch darin, herauszufinden, was dieses Etwas ist: ein fehlender Planet, schlecht kalibrierte Testgeräte, eine unerwartete Krümmung des Raums oder etwas anderes.

Eine Folge der Duhem-Quine-These ist, dass man jede Theorie mit jeder empirischen Beobachtung in Einklang bringen kann, indem man eine ausreichende Anzahl geeigneter Ad-hoc-Hypothesen hinzufügt. Karl Popper akzeptierte diese These und lehnte daher eine naive Falsifikation ab. Stattdessen befürwortete er eine "Survival of the fittest"-Ansicht, bei der die am besten falsifizierbaren wissenschaftlichen Theorien zu bevorzugen sind.

Methodik des "Anything goes

Paul Karl Feyerabend

Paul Feyerabend (1924-1994) vertrat die Auffassung, dass keine Beschreibung der wissenschaftlichen Methode breit genug sein kann, um alle von Wissenschaftlern verwendeten Ansätze und Methoden zu erfassen, und dass es keine nützlichen und ausnahmslosen methodologischen Regeln für den Fortschritt der Wissenschaft gibt. Er argumentierte, dass "der einzige Grundsatz, der den Fortschritt nicht behindert, lautet: anything goes".

Feyerabend sagte, dass die Wissenschaft als eine befreiende Bewegung begonnen habe, dass sie aber im Laufe der Zeit immer dogmatischer und starrer geworden sei und einige unterdrückerische Züge aufgewiesen habe, so dass sie immer mehr zu einer Ideologie geworden sei. Aus diesem Grund sei es unmöglich, eine eindeutige Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Religion, Magie oder Mythologie zu finden. Die ausschließliche Dominanz der Wissenschaft als Mittel zur Steuerung der Gesellschaft hält er für autoritär und unbegründet. Die Propagierung dieses erkenntnistheoretischen Anarchismus brachte Feyerabend bei seinen Gegnern den Titel "der schlimmste Feind der Wissenschaft" ein.

Soziologie der wissenschaftlichen Erkenntnismethodik

Nach Kuhn ist Wissenschaft eine inhärent gemeinschaftliche Tätigkeit, die nur als Teil einer Gemeinschaft ausgeübt werden kann. Für ihn besteht der grundlegende Unterschied zwischen der Wissenschaft und anderen Disziplinen in der Art und Weise, wie die Gemeinschaften funktionieren. Andere, insbesondere Feyerabend und einige postmoderne Denker, haben argumentiert, dass die Unterschiede zwischen den sozialen Praktiken in der Wissenschaft und anderen Disziplinen nicht ausreichen, um diese Unterscheidung aufrechtzuerhalten. Für sie spielen soziale Faktoren eine wichtige und direkte Rolle in der wissenschaftlichen Methode, aber sie dienen nicht dazu, die Wissenschaft von anderen Disziplinen zu unterscheiden. In diesem Sinne ist die Wissenschaft sozial konstruiert, auch wenn dies nicht notwendigerweise die radikalere Vorstellung impliziert, dass die Realität selbst eine soziale Konstruktion ist.

Michel Foucault versuchte zu analysieren und aufzudecken, wie die Disziplinen innerhalb der Sozialwissenschaften die von ihren Vertretern angewandten Methoden entwickelt und übernommen haben. In Werken wie Die Archäologie des Wissens verwendete er den Begriff Humanwissenschaften. Sie sind vielmehr ein interdisziplinärer Raum für die Reflexion über den Menschen, der Gegenstand der herkömmlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse ist und nun als Objekt betrachtet wird, das zwischen diesen konventionellen Bereichen angesiedelt ist und natürlich mit Disziplinen wie Anthropologie, Psychologie, Soziologie und sogar Geschichte in Verbindung steht. Foucault, der die realistische Sichtweise wissenschaftlicher Forschung ablehnt, argumentierte in seinem gesamten Werk, dass der wissenschaftliche Diskurs nicht einfach eine objektive Untersuchung von Phänomenen ist, wie Natur- und Sozialwissenschaftler gerne glauben, sondern vielmehr das Produkt von Systemen von Machtbeziehungen ist, die darum kämpfen, wissenschaftliche Disziplinen und Wissen innerhalb bestimmter Gesellschaften zu konstruieren. Mit den Fortschritten wissenschaftlicher Disziplinen wie der Psychologie und der Anthropologie wurde das Bedürfnis, Bevölkerungen in konstruierte soziale Identitäten einzuteilen, zu kategorisieren, zu normalisieren und zu institutionalisieren, zu einem Grundpfeiler der Wissenschaften. Konstruktionen dessen, was als "normal" und "abnormal" galt, stigmatisierten und ächten Menschengruppen wie psychisch Kranke und sexuelle und geschlechtliche Minderheiten.

Einige (wie Quine) behaupten jedoch, dass die wissenschaftliche Realität ein soziales Konstrukt ist:

Physikalische Objekte werden begrifflich als bequeme Vermittler in die Situation importiert, und zwar nicht per Definition im Sinne von Erfahrung, sondern einfach als irreduzible Postulate, die erkenntnistheoretisch mit den Göttern von Homer vergleichbar sind ... Ich für meinen Teil glaube, als physikalischer Laie, an physikalische Objekte und nicht an Homers Götter; und ich halte es für einen wissenschaftlichen Fehler, etwas anderes zu glauben. Aber was die erkenntnistheoretische Grundlage betrifft, so unterscheiden sich die physischen Objekte und die Götter nur im Grad und nicht in der Art. Beide Arten von Entitäten treten in unsere Vorstellungen nur als kulturelle Postulate ein.

Die öffentliche Gegenreaktion der Wissenschaftler gegen solche Ansichten, insbesondere in den 1990er Jahren, wurde als Wissenschaftskrieg bekannt.

Eine wichtige Entwicklung der letzten Jahrzehnte war die Untersuchung der Entstehung, Struktur und Entwicklung wissenschaftlicher Gemeinschaften durch Soziologen und Anthropologen - darunter David Bloor, Harry Collins, Bruno Latour, Ian Hacking und Anselm Strauss. Konzepte und Methoden (wie Rational Choice, Social Choice oder Spieltheorie) aus den Wirtschaftswissenschaften wurden ebenfalls angewandt, um die Effizienz wissenschaftlicher Gemeinschaften bei der Produktion von Wissen zu verstehen. Dieser interdisziplinäre Bereich ist unter dem Namen Wissenschafts- und Technologiestudien bekannt geworden. Hier besteht der Ansatz der Wissenschaftsphilosophie darin, zu untersuchen, wie wissenschaftliche Gemeinschaften tatsächlich funktionieren.

Kontinentale Philosophie

Die Philosophen der kontinentalen philosophischen Tradition werden traditionell nicht als Wissenschaftsphilosophen eingestuft. Sie haben jedoch viel über die Wissenschaft zu sagen, wobei sie zum Teil Themen der analytischen Tradition vorweggenommen haben. So vertrat Friedrich Nietzsche in seiner Genealogie der Sitten (1887) die These, dass das Motiv für die Suche nach Wahrheit in den Wissenschaften eine Art asketisches Ideal ist.

Hegel mit seinen Berliner Schülern
Skizze von Franz Kugler

Im Allgemeinen betrachtet die kontinentale Philosophie die Wissenschaft aus einer weltgeschichtlichen Perspektive. Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) war einer der ersten Philosophen, die diese Sichtweise vertraten. Philosophen wie Pierre Duhem (1861-1916) und Gaston Bachelard (1884-1962) verfassten ihre Werke ebenfalls mit diesem weltgeschichtlichen Ansatz, der Kuhns Werk von 1962 um eine Generation oder mehr vorausging. Bei all diesen Ansätzen geht es um eine historische und soziologische Hinwendung zur Wissenschaft, bei der die gelebte Erfahrung (eine Art Husserl'sche "Lebenswelt") im Vordergrund steht, und nicht um einen fortschrittsorientierten oder antihistorischen Ansatz, wie er in der analytischen Tradition betont wird. Dieser kontinentale Gedankenstrang lässt sich durch die Phänomenologie von Edmund Husserl (1859-1938), die späten Werke von Merleau-Ponty (Nature: Course Notes from the Collège de France, 1956-1960) und die Hermeneutik von Martin Heidegger (1889-1976) verfolgen.

Die größte Wirkung auf die kontinentale Tradition in Bezug auf die Wissenschaft ging von Martin Heideggers Kritik der theoretischen Haltung im Allgemeinen aus, zu der natürlich auch die wissenschaftliche Haltung gehört. Aus diesem Grund ist die kontinentale Tradition sehr viel skeptischer gegenüber der Bedeutung der Wissenschaft im menschlichen Leben und in der philosophischen Forschung geblieben. Nichtsdestotrotz gab es eine Reihe wichtiger Arbeiten, insbesondere die eines Kuhnschen Vorläufers, Alexandre Koyré (1892-1964). Eine weitere wichtige Entwicklung war die Analyse des historischen und wissenschaftlichen Denkens durch Michel Foucault in Die Ordnung der Dinge (1966) und seine Studie über Macht und Korruption innerhalb der "Wissenschaft" des Wahnsinns. Zu den postheideggerianischen Autoren, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur kontinentalen Wissenschaftsphilosophie beigetragen haben, gehören Jürgen Habermas (z. B. Truth and Justification, 1998), Carl Friedrich von Weizsäcker (The Unity of Nature, 1980; deutsch: Die Einheit der Natur (1971)) und Wolfgang Stegmüller (Probleme und Ergebnisse der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, 1973-1986).

Andere Themen

Reduktionismus

Bei der Analyse wird eine Beobachtung oder Theorie in einfachere Konzepte zerlegt, um sie zu verstehen. Reduktionismus kann sich auf eine von mehreren philosophischen Positionen beziehen, die mit diesem Ansatz zusammenhängen. Eine Form des Reduktionismus geht davon aus, dass sich Phänomene auf niedrigeren Analyse- und Untersuchungsebenen wissenschaftlich erklären lassen. Ein historisches Ereignis kann vielleicht mit soziologischen und psychologischen Begriffen erklärt werden, die wiederum mit Begriffen der menschlichen Physiologie beschrieben werden können, die wiederum mit Begriffen der Chemie und Physik beschrieben werden können. Daniel Dennett unterscheidet den legitimen Reduktionismus von dem, was er als gierigen Reduktionismus bezeichnet, der echte Komplexität leugnet und zu schnell zu pauschalen Verallgemeinerungen übergeht.

Soziale Verantwortlichkeit

Eine weitreichende Frage, die die Neutralität der Wissenschaft betrifft, betrifft die Bereiche, die die Wissenschaft erforschen will, d. h. welche Teile der Welt und der Menschheit von der Wissenschaft untersucht werden. Philip Kitcher argumentiert in seinem Buch Wissenschaft, Wahrheit und Demokratie argumentiert, dass wissenschaftliche Studien, die versuchen, eine Bevölkerungsgruppe als weniger intelligent, erfolgreich oder emotional rückständig im Vergleich zu anderen darzustellen, einen politischen Rückkopplungseffekt haben, der diese Gruppen weiter vom Zugang zur Wissenschaft ausschließt. So untergraben solche Studien den breiten Konsens, der für eine gute Wissenschaft erforderlich ist, indem sie bestimmte Menschen ausschließen und sich damit letztlich als unwissenschaftlich erweisen.

Philosophie der Einzelwissenschaften

Es gibt keine philosophiefreie Wissenschaft; es gibt nur eine Wissenschaft, deren philosophisches Gepäck ungeprüft übernommen wird.

- Daniel Dennett, Darwin's Dangerous Idea, 1995

Neben den allgemeinen Fragen zu Wissenschaft und Induktion beschäftigen sich viele Wissenschaftsphilosophen auch mit grundlegenden Problemen in bestimmten Wissenschaften. Sie untersuchen auch die Auswirkungen der einzelnen Wissenschaften auf allgemeinere philosophische Fragen. Im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert ist die Zahl derjenigen, die sich mit der Philosophie einer bestimmten Wissenschaft beschäftigen, gestiegen.

Philosophie der Statistik

Das oben erörterte Problem der Induktion tritt in einer anderen Form in den Debatten über die Grundlagen der Statistik auf. Der Standardansatz für statistische Hypothesentests vermeidet Aussagen darüber, ob Beweise eine Hypothese unterstützen oder wahrscheinlicher machen. Stattdessen liefert der typische Test einen p-Wert, d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass der Beweis so ist, wie er ist, unter der Annahme, dass die getestete Hypothese wahr ist. Wenn der p-Wert zu niedrig ist, wird die Hypothese analog zur Falsifikation verworfen. Im Gegensatz dazu wird bei der Bayes'schen Inferenz versucht, den Hypothesen Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen. Verwandte Themen in der Philosophie der Statistik sind Wahrscheinlichkeitsinterpretationen, Overfitting und der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität.

Philosophie der Mathematik

Die Philosophie der Mathematik befasst sich mit den philosophischen Grundlagen und Implikationen der Mathematik. Die zentralen Fragen sind, ob Zahlen, Dreiecke und andere mathematische Einheiten unabhängig vom menschlichen Geist existieren und was die Natur mathematischer Sätze ist. Unterscheidet sich die Frage, ob "1+1=2" wahr ist, grundlegend von der Frage, ob ein Ball rot ist? Wurde die Infinitesimalrechnung erfunden oder entdeckt? Eine damit zusammenhängende Frage ist, ob das Erlernen von Mathematik Erfahrung oder allein den Verstand erfordert. Was bedeutet es, ein mathematisches Theorem zu beweisen, und woher weiß man, ob ein mathematischer Beweis korrekt ist? Philosophen der Mathematik versuchen auch, die Beziehungen zwischen Mathematik und Logik, menschlichen Fähigkeiten wie der Intuition und dem materiellen Universum zu klären.

Philosophie der Physik

Ungelöstes Problem in der Physik:

Wie führt die Quantenbeschreibung der Realität, die Elemente wie die "Überlagerung von Zuständen" und den "Kollaps der Wellenfunktion" umfasst, zu der von uns wahrgenommenen Realität?

(weitere ungelöste Probleme in der Physik)

Die Philosophie der Physik befasst sich mit den grundlegenden philosophischen Fragen, die der modernen Physik zugrunde liegen, d. h. der Erforschung von Materie und Energie und ihrer Wechselwirkungen. Die wichtigsten Fragen betreffen die Natur von Raum und Zeit, Atome und Atomismus. Dazu gehören auch die Vorhersagen der Kosmologie, die Interpretation der Quantenmechanik, die Grundlagen der statistischen Mechanik, Kausalität, Determinismus und die Natur der physikalischen Gesetze. Klassischerweise wurden einige dieser Fragen im Rahmen der Metaphysik untersucht (z. B. die Fragen nach Kausalität, Determinismus sowie Raum und Zeit).

Philosophie der Chemie

Die Philosophie der Chemie ist das philosophische Studium der Methodik und des Inhalts der Wissenschaft der Chemie. Sie wird von Philosophen, Chemikern und Philosophen-Chemiker-Teams erforscht. Sie umfasst die Erforschung allgemeiner wissenschaftsphilosophischer Fragen in Bezug auf die Chemie. Können beispielsweise alle chemischen Phänomene durch die Quantenmechanik erklärt werden oder ist es nicht möglich, die Chemie auf die Physik zu reduzieren? Ein weiteres Beispiel: Chemiker haben die Philosophie der Bestätigung von Theorien im Zusammenhang mit der Bestätigung von Reaktionsmechanismen diskutiert. Die Bestimmung von Reaktionsmechanismen ist schwierig, da sie nicht direkt beobachtet werden können. Chemiker können eine Reihe von indirekten Maßnahmen ergreifen, um bestimmte Mechanismen auszuschließen, aber sie sind sich oft nicht sicher, ob der verbleibende Mechanismus korrekt ist, weil es viele andere mögliche Mechanismen gibt, die sie nicht getestet oder an die sie nicht einmal gedacht haben. Philosophen haben auch versucht, die Bedeutung von chemischen Begriffen zu klären, die sich nicht auf bestimmte physikalische Einheiten beziehen, wie z. B. chemische Bindungen.

Philosophie der Astronomie

Die Philosophie der Astronomie versucht, die Methoden und Technologien zu verstehen und zu analysieren, die von den Fachleuten dieser Disziplin eingesetzt werden, und konzentriert sich darauf, wie Beobachtungen des Weltraums und astrophysikalische Phänomene untersucht werden können. Da sich Astronomen auf Theorien und Formeln aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie Chemie und Physik stützen und diese anwenden, ist das Streben nach Verständnis, wie Wissen über den Kosmos erlangt werden kann, sowie die Beziehung, die unser Planet und unser Sonnensystem innerhalb unserer persönlichen Sichtweise unseres Platzes im Universum haben, ein Hauptanliegen der philosophischen Erkenntnisse darüber, wie Fakten über den Weltraum wissenschaftlich analysiert und mit anderen etablierten Erkenntnissen konfiguriert werden können.

Philosophie der Geowissenschaften

Die Philosophie der Geowissenschaften befasst sich mit der Frage, wie der Mensch Wissen über die Funktionsweise des Systems Erde, einschließlich der Atmosphäre, Hydrosphäre und Geosphäre (feste Erde), erlangt und verifiziert. Das Wissen und die Denkweise der Geowissenschaftler haben wichtige Gemeinsamkeiten mit anderen Wissenschaften, weisen aber auch besondere Merkmale auf, die sich aus der komplexen, heterogenen, einzigartigen, langlebigen und nicht manipulierbaren Natur des Systems Erde ergeben.

Philosophie der Biologie

Peter Godfrey-Smith erhielt den Lakatos-Preis 2009 für sein Buch Darwinian Populations and Natural Selection (Darwinsche Populationen und natürliche Selektion), in dem die philosophischen Grundlagen der Evolutionstheorie erörtert werden.

Die Biologiephilosophie befasst sich mit erkenntnistheoretischen, metaphysischen und ethischen Fragen in den biologischen und biomedizinischen Wissenschaften. Obwohl sich Wissenschaftsphilosophen und Philosophen im Allgemeinen schon seit langem für die Biologie interessieren (z. B. Aristoteles, Descartes, Leibniz und sogar Kant), hat sich die Biologiephilosophie erst in den 1960er und 1970er Jahren zu einem eigenständigen Bereich der Philosophie entwickelt. Wissenschaftsphilosophen begannen, den Entwicklungen in der Biologie immer mehr Aufmerksamkeit zu schenken, von der Entstehung der modernen Synthese in den 1930er und 1940er Jahren über die Entdeckung der Struktur der Desoxyribonukleinsäure (DNS) im Jahr 1953 bis hin zu den jüngsten Fortschritten in der Gentechnik. Andere Schlüsselideen wie die Reduzierung aller Lebensprozesse auf biochemische Reaktionen sowie die Einbeziehung der Psychologie in eine umfassendere Neurowissenschaft werden ebenfalls behandelt. Die Forschung im Bereich der aktuellen Biologiephilosophie umfasst die Untersuchung der Grundlagen der Evolutionstheorie (z. B. die Arbeiten von Peter Godfrey-Smith) und der Rolle von Viren als hartnäckige Symbionten in Wirtsgenomen. Infolgedessen wird die Evolution der genetischen Ordnung als das Ergebnis kompetenter Genom-Editoren gesehen, im Gegensatz zu früheren Darstellungen, in denen Fehlerreplikationen (Mutationen) dominierten.

Philosophie der Medizin

Ein Fragment des hippokratischen Eides aus dem dritten Jahrhundert.

Neben der Medizinethik und der Bioethik ist die Philosophie der Medizin ein Zweig der Philosophie, der die Erkenntnistheorie und die Ontologie/Metaphysik der Medizin umfasst. Innerhalb der Erkenntnistheorie der Medizin hat die evidenzbasierte Medizin (EBM) (oder evidenzbasierte Praxis (EBP)) Aufmerksamkeit erregt, insbesondere die Rolle von Randomisierung, Verblindung und Placebokontrollen. Zu den Ontologien, die für die Philosophie der Medizin von besonderem Interesse sind, gehören der kartesische Dualismus, die monogenetische Auffassung von Krankheit und die Konzeptualisierung von "Placebos" und "Placebo-Effekten", die mit diesen Untersuchungsbereichen zusammenhängen. Ein wachsendes Interesse gilt auch der Metaphysik der Medizin, insbesondere der Idee der Kausalität. Medizinphilosophen könnten nicht nur daran interessiert sein, wie medizinisches Wissen entsteht, sondern auch an der Natur solcher Phänomene. Die Verursachung ist von Interesse, weil ein Großteil der medizinischen Forschung darauf abzielt, kausale Zusammenhänge zu ermitteln, z. B. was Krankheiten verursacht oder was dazu führt, dass Menschen wieder gesund werden.

Philosophie der Psychiatrie

Die Philosophie der Psychiatrie befasst sich mit philosophischen Fragen im Zusammenhang mit Psychiatrie und Geisteskrankheiten. Der Wissenschafts- und Medizinphilosoph Dominic Murphy nennt drei Bereiche, die in der Philosophie der Psychiatrie untersucht werden. Der erste betrifft die Untersuchung der Psychiatrie als Wissenschaft, wobei die Instrumente der Wissenschaftsphilosophie im weiteren Sinne eingesetzt werden. Der zweite Bereich umfasst die Untersuchung der Konzepte, die in der Diskussion über psychische Krankheiten verwendet werden, einschließlich der Erfahrung von psychischen Krankheiten und der normativen Fragen, die sie aufwerfen. Der dritte Bereich betrifft die Verbindungen und Diskontinuitäten zwischen der Philosophie des Geistes und der Psychopathologie.

Philosophie der Psychologie

Wilhelm Wundt (sitzend) mit Kollegen in seinem psychologischen Laboratorium, dem ersten seiner Art.

Die Philosophie der Psychologie befasst sich mit Fragen der theoretischen Grundlagen der modernen Psychologie. Einige dieser Fragen sind erkenntnistheoretischer Natur und betreffen die Methodik psychologischer Untersuchungen. Ist es zum Beispiel die beste Methode für das Studium der Psychologie, sich nur auf die Reaktion des Verhaltens auf äußere Reize zu konzentrieren, oder sollten sich Psychologen auf die mentale Wahrnehmung und die Denkprozesse konzentrieren? Wenn letzteres der Fall ist, stellt sich die wichtige Frage, wie die internen Erfahrungen anderer gemessen werden können. Selbstberichte über Gefühle und Überzeugungen sind möglicherweise nicht zuverlässig, denn selbst in Fällen, in denen es für die Testpersonen keinen offensichtlichen Anreiz gibt, ihre Antworten absichtlich zu verfälschen, können Selbsttäuschung oder selektive Erinnerung ihre Antworten beeinflussen. Und selbst wenn die Selbstauskünfte korrekt sind, wie können dann die Antworten verschiedener Personen verglichen werden? Selbst wenn zwei Personen auf einer Likert-Skala die gleiche Antwort geben, können sie sehr unterschiedliche Dinge erleben.

Andere Themen in der Philosophie der Psychologie sind philosophische Fragen über die Natur des Geistes, des Gehirns und der Kognition und werden vielleicht eher als Teil der Kognitionswissenschaft oder der Philosophie des Geistes betrachtet. Sind Menschen zum Beispiel rationale Wesen? Haben sie in irgendeiner Weise einen freien Willen, und wie verhält sich dies zu der Erfahrung, Entscheidungen zu treffen? Die Philosophie der Psychologie verfolgt auch die aktuellen Arbeiten in den kognitiven Neurowissenschaften, der Psycholinguistik und der künstlichen Intelligenz und hinterfragt, was diese in der Psychologie erklären können und was nicht.

Die Philosophie der Psychologie ist ein relativ junges Gebiet, da die Psychologie erst seit Ende des 19. Insbesondere die Neurophilosophie hat sich erst in jüngster Zeit durch die Arbeiten von Paul Churchland und Patricia Churchland zu einer eigenen Disziplin entwickelt. Die Philosophie des Geistes hingegen war schon eine etablierte Disziplin, bevor die Psychologie überhaupt ein Studienfach war. Sie befasst sich mit Fragen zum Wesen des Geistes, zu den Eigenschaften der Erfahrung und zu speziellen Themen wie der Debatte zwischen Dualismus und Monismus.

Philosophie der Sozialwissenschaften

Die Philosophie der Sozialwissenschaften befasst sich mit der Logik und den Methoden der Sozialwissenschaften, wie der Soziologie und der Kulturanthropologie. Die Philosophen der Sozialwissenschaften befassen sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den Sozial- und den Naturwissenschaften, mit den kausalen Beziehungen zwischen sozialen Phänomenen, mit der möglichen Existenz sozialer Gesetze und mit der ontologischen Bedeutung von Struktur und Handeln.

Der französische Philosoph Auguste Comte (1798-1857) begründete die erkenntnistheoretische Perspektive des Positivismus in The Course in Positivist Philosophy, einer Reihe von Texten, die zwischen 1830 und 1842 veröffentlicht wurden. Die ersten drei Bände des Kurses befassten sich hauptsächlich mit den bereits existierenden Naturwissenschaften (Geowissenschaften, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie), während die letzten beiden Bände das unvermeidliche Aufkommen der Sozialwissenschaften betonten: die "Soziologie". Für Comte mussten die Naturwissenschaften notwendigerweise zuerst kommen, bevor die Menschheit ihre Anstrengungen angemessen auf die anspruchsvollste und komplexeste "Königinnenwissenschaft" der menschlichen Gesellschaft selbst richten konnte. Comte schlägt ein evolutionäres System vor, das besagt, dass die Gesellschaft bei ihrer Suche nach der Wahrheit drei Phasen durchläuft, und zwar nach einem allgemeinen "Gesetz der drei Stufen". Diese sind (1) das Theologische, (2) das Metaphysische und (3) das Positive.

Der Positivismus von Comte schuf die ersten philosophischen Grundlagen für die formale Soziologie und die Sozialforschung. Durkheim, Marx und Weber werden in der Regel als die Väter der modernen Sozialwissenschaft genannt. In der Psychologie wurde im Behaviorismus historisch gesehen ein positivistischer Ansatz bevorzugt. Der Positivismus wurde auch von "Technokraten" vertreten, die an die Unvermeidbarkeit des sozialen Fortschritts durch Wissenschaft und Technologie glauben.

Die positivistische Perspektive wird mit dem "Szientismus" in Verbindung gebracht, der Auffassung, dass die Methoden der Naturwissenschaften auf alle Bereiche der Forschung angewendet werden können, seien es philosophische, sozialwissenschaftliche oder andere. Bei den meisten Sozialwissenschaftlern und Historikern hat der orthodoxe Positivismus seit langem an Zustimmung verloren. Heute berücksichtigen Praktiker sowohl in den Sozial- als auch in den Naturwissenschaften stattdessen die verzerrende Wirkung der Voreingenommenheit des Beobachters und strukturelle Beschränkungen. Diese Skepsis wurde durch eine allgemeine Schwächung deduktivistischer Darstellungen der Wissenschaft durch Philosophen wie Thomas Kuhn und neue philosophische Bewegungen wie den kritischen Realismus und den Neopragmatismus begünstigt. Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas hat die rein instrumentelle Rationalität dahingehend kritisiert, dass wissenschaftliches Denken selbst zu einer Ideologie wird.

Philosophie der Technik

Die Technikphilosophie ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit dem Wesen der Technik befasst. Zu den spezifischen Forschungsthemen gehören die Rolle des impliziten und expliziten Wissens bei der Schaffung und Nutzung von Technologie, die Art der Funktionen in technologischen Artefakten, die Rolle der Werte bei der Gestaltung und die Ethik im Zusammenhang mit der Technologie. Technologie und Ingenieurwesen können beide die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse beinhalten. Die Philosophie der Technik ist ein aufstrebendes Teilgebiet der umfassenderen Philosophie der Technik.

Realistische Theorien

Wissenschaftlicher Realismus

Hauptvertreter sind Ernan McMullin und Stathis Psillos, ihrem Selbstverständnis nach auch Hilary Putnam und Richard Boyd, obwohl Putnams interner Realismus und Boyds Konstruktivismus bezüglich natürlicher Arten etwas von den klassischen Doktrinen abweichen.

Der Wissenschaftliche Realismus lässt sich auf zwei Hauptaussagen bringen:

  1. Die Begriffe einer wissenschaftlichen Theorie beziehen sich auf reale Entitäten, das heißt auf Objekte, die in der Wirklichkeit existieren. (Die Bedeutung von Begriffen wie „Elektron“ besteht in der Bezugnahme auf solche Teilchen in der wirklichen Welt.)
  2. Die Geschichte der Wissenschaften ist als eine Annäherung an die Wahrheit zu verstehen. Wissenschaftliche Arbeiten bestätigen dabei, im Erfolgsfall, die entsprechenden Theorien.

Unter anderem unter dem Titel "Wissenschaftlicher Realismus" (aber auch: "Kritischer Realismus" oder "Transzendentaler Realismus") firmiert die britische Schule des Realismus um Roy Bhaskar. Zentrale Thesen sind: (1) die These von der erkenntnistheoretischen Sackgasse ("epistemic fallacy"), die darin besteht, sich in der Wissenschaftstheorie primär auf die Erkenntnis zu beziehen anstatt auf das Erkannte und zu Erkennende; (2) eine von der Struktur des Experiments abgeleitete, hermeneutische Begründung der objektiven Realität gesetzmäßiger Zusammenhänge; (3) die These von der Wandelbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse im menschlichen Handeln. Vorläufer dieser Schule sind Mary Hesse und Rom Harre. William Outhwaite arbeitete die Konsequenzen des Transzendentalen Realismus für die Sozialwissenschaften heraus und ordnete sie in die Hauptströmungen der Philosophie ein.

Struktureller Realismus

Hauptvertreter: John Worrall

Dem Strukturellen Realismus zufolge ist Wissenschaft nicht in der Lage, den Inhalt der Realität zu erkennen. Wissenschaft beschreibt vielmehr die Struktur der Realität. Nicht auf die in Theorieformulierungen erwähnten Objekte (Elektronen, Äther etc.) kommt es an, sondern die mathematischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen (wenn eine Theorie wahr ist) der Ordnung der Natur.

In Structural Realism argumentiert Worrall dafür u. a. so: Die mathematischen Gleichungen, die Fresnel durch Theoretisierungen über den lichttragenden Äther gewann, stehen in Kontinuität zu den maxwellschen Gleichungen, die die Eigenschaften von elektromagnetischen Feldern beschreiben. Der Äther wurde verworfen, aber die Gleichungen gelten heute noch.

Die These des epistemischen strukturellen Realisten lautet: Bezüglich der strukturellen Aussagen unserer Theorien sind wir epistemisch besser gestellt als bezüglich der nicht-strukturellen. Kritiker wenden meist ein, dass diese Unterscheidung nicht trennscharf gezogen werden könne. Eine mögliche Antwort liegt in der Analyse mathematischer theoretischer Strukturen.

Entitätenrealismus

Hauptvertreter: Ian Hacking, Nancy Cartwright

Der „Entitätenrealismus“ hält wissenschaftliche Theorien nicht für wahr und lehnt oft sogar die Metapher von Theorien als eindeutigen Abbildungen der Welt ab. Theorien und insbesondere die in ihnen erwähnten Naturgesetze sind in dieser Position lediglich nützliche Hilfsmittel. Dennoch glaubt der Entitätenrealist an viele Entitäten, die in den Wissenschaften postuliert werden, beispielsweise Zellorganellen und Elektronen. Er glaubt allerdings nicht an die Realität aller in der Formulierung einer Theorie erwähnten Entitäten, sondern nur an diejenigen, mit denen man über Experimente kausal interagieren kann. Intervention und Manipulierbarkeit sind aus seiner Sicht geeignete Rechtfertigungen für das Wissen über die Dinge der Welt. Dies drückt sich insbesondere in Ian Hackings berühmtem Zitat über Elektronen aus: „If you can spray them, then they are real.“

Raffinierter Falsifikationismus

Imre Lakatos, der an die Signifikanz der Wissenschaftsgeschichte glaubte, sie jedoch gegen Kuhns Unterstellung eines irrationalen Moments verteidigen wollte, verwarf die Auffassung von Kuhn zugunsten einer Modifikation von Poppers Methode. Die wesentliche Änderung ist die Aufgabe von Poppers Verbot der konventionalistischen Wendung („Immunisierung“) durch Ad-hoc-Hypothesen. Theorien müssen bei ihm nicht durch bessere ersetzt werden, wenn sie falsifiziert, d. h. von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt werden, sondern dürfen unter gewissen Bedingungen mit einem Schutzgürtel aus Ad-hoc-Hypothesen versehen werden. Dieser muss dazu dienen, bewusste oder auch unbewusste Grundüberzeugungen im Kern der Theorie zu schützen, die ein sogenanntes Forschungsprogramm bilden und den Paradigmen bei Kuhn entsprechen. Nur die über diesen Kern hinausgehenden Zusatzannahmen werden modifiziert. Die Grundüberzeugungen, die den Kern eines Forschungsprogramms ausmachen, können und sollen nach Lakatos erst dann aufgegeben werden, wenn das Forschungsprogramm sich degenerativ entwickelt und durch ein besseres Forschungsprogramm ersetzt werden kann.

Die Sichtweise von Lakatos ist jedoch kein Teil des kritischen Rationalismus geworden, weil die Wissenschaftsgeschichte dort nicht als wesentlich angesehen wird.

Nicht-Realistische Theorien

Konventionalismus

Hauptvertreter: Henri Poincaré, Ernst Mach

Ernst Mach betrachtete wissenschaftliche Theorien als möglichst einfache, neutrale und pragmatische Beschreibungen der Welt. Diese These wird auch als Denkökonomie bezeichnet. Da er jede wissenschaftliche Theorie immer in einem konkreten, empirischen Gesamtzusammenhang sah, lehnte er jeden allgemeinen Wahrheitsanspruch ab. Wissenschaft wird bei Mach so zu einer nützlichen Konvention, die auch psychologische Komponenten berücksichtigen muss.

Instrumentalismus

Theorien können, dieser Position zufolge, nicht wörtlich genommen werden und auch nicht wahr oder falsch sein. Die in Theorieformulierungen erwähnten Begriffe (die sog. theoretischen Terme) sind lediglich nützliche Hilfsmittel, um die beobachteten oder in Experimenten gefundenen Sachverhalte zu verallgemeinern und zu strukturieren. Dass eine Theorie „Atome“ erwähnt, legt diese daher keinesfalls auf die wirkliche Existenz kleinster Teilchen fest.

Historizismus

In der historizistischen Wissenschaftstheorie wird die Auffassung vertreten, dass wissenschaftliches Arbeiten nur aufgrund von Festsetzungen möglich ist, die sich vor allem aus den historisch gewordenen Grundpositionen der Erkenntnistheorie, den wissenschaftlichen Traditionen, den historisch gewordenen Persönlichkeiten der Wissenschaft und aus der gesamten historischen Situation erklären lassen. Der Hauptvertreter der historizistischen Wissenschaftstheorie ist Kurt Hübner durch sein grundlegendes Werk Kritik der wissenschaftlichen Vernunft. Der wissenschaftstheoretische Historizismus hat viele Beziehungen zum Konventionalismus, zum Instrumentalismus und vor allem zum Relativismus.

Sozialkonstruktivismus

Hauptvertreter: David Bloor, Harry Collins, Trevor Pinch, Karin Knorr-Cetina

Sozialkonstruktivisten behaupten, dass auch scheinbar objektive naturwissenschaftliche Tatsachen tatsächlich das Ergebnis von Prozessen der sozialen Konstruktion und abhängig von der sozialen Situation des Labors, der Forschungseinrichtung etc. sind.

Radikaler Konstruktivismus

Hauptvertreter: Ernst von Glasersfeld, Jean Piaget

Die Kernaussage des radikalen Konstruktivismus ist, dass eine Wahrnehmung kein Abbild einer bewusstseinsunabhängigen Realität liefere, sondern dass Realität für jedes Individuum immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung darstelle. Deshalb sei Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität unmöglich; jede Wahrnehmung sei vollständig subjektiv.

Konstruktiver Empirismus

Hauptvertreter: Bas van Fraassen

Vertreter des Konstruktiven Empirismus sind agnostisch gegenüber theoretischen Begriffen einer Theorie (Atom, Gen o. ä.). Entscheidend sei nicht, wovon eine Theorie spricht, sondern ob sie sich an den Beobachtungen bestätigt. „Beobachtungen“ kann üblicherweise die Zuhilfenahme von Instrumenten einschließen. Das Ziel von Wissenschaft ist nach dieser Auffassung empirische Adäquatheit.

Konstruktiver Realismus

Vertreter: Friedrich Wallner

Friedrich Wallner unterscheidet in seiner Ontologie zwischen der Wirklichkeit – dem menschlichen Bewusstsein gegenüberstehend –, der konstruierten Realität mit ihren (sub)disziplinären Mikrowelten und der Lebenswirklichkeit – kulturspezifisch tradierte Systeme von Regeln und Überzeugungen.

Das Ziel ist die Darstellung des Zirkels von Gegenstand und Methode in der Forschung und dessen Berücksichtigung bei der Deutung der Wissenschaft. Wie der Solipsismus ist er sich der Ungewissheit des Gegenstandes bewusst, erkennt aber, dass es einer Vielzahl von Handlungen bedarf, um zu einem inhaltlichen Sinn zu kommen. Als Methode der (Selbst)-Erkenntnis wird die Verfremdung angeboten.

Nach Kurt Greiner bietet die CR-Wissenschaftsphilosophie eine „epistemologische Serviceleistung an die Wissenschaft … und adäquates Handwerkszeug“, das Wissenschaftler, Forscher und Anwender in die Lage versetzen soll, ihre disziplinären Handlungs- und Aktivitätsweisen sinnvoll zu reflektieren. Sie stellt jedoch fest, dass das geschaffene Wissen zwar gangbare „Handlungsmöglichkeiten in Form von Satzsystemen darstellt, die sich durch technische Verwertbarkeit legitimieren …“, aber nicht als objektive Wirklichkeit, sondern als „Weltenkonstruktion… im Erfahrungsrahmen der reziproken Objekt-Methode-Relation“ zu verstehen ist.

Gesellschaftskritische Theorien

Kritische Theorie

Die Kritische Theorie ist eine deutsche Sonderentwicklung der Wissenschaftstheorie im Umfeld der Frankfurter Schule, die der Wissenschaft die Kritik der Gesellschaft als Hauptaufgabe zuweist. Zeitweise war ihr Hauptvertreter Jürgen Habermas mit dem Werk Erkenntnis und Interesse.

Methodische Programme

Kritischer Rationalismus

Der maßgeblich von Karl Popper entwickelte Kritische Rationalismus beinhaltet eine Wissenschaftstheorie (Falsifikationismus), der zufolge sicheres oder rechtfertigbares Wissen nicht möglich ist und daher auch nicht das Ziel der Wissenschaft sein kann. Stattdessen fasst der Kritische Rationalismus Wissenschaft als methodisches Vorgehen durch Versuch und Irrtum auf, bei dem Theorien mehr oder weniger gut geprüfte Hypothesen sind, die sich beständig durch weitere Überprüfungen bewähren müssen. Der Forscher versucht seine Hypothesen zu verallgemeinern, zu verfeinern und sie durch Experimente in Frage zu stellen, um ihre Schwächen herauszufinden, so dass sie durch neue, verbesserte Hypothesen ersetzt werden können („trial and error“). Im Unterschied zu positivistischen Richtungen geht der Kritische Rationalismus auch bei nachhaltiger Bewährung einer Theorie nicht davon aus, dass dies ein Argument dafür ist, die Theorie für wahr, gesichert oder begründet zu halten. Er ist jedoch der Auffassung, dass durch die ständige Fehlerkorrektur eine Annäherung an die Wahrheit möglich ist und die Wahrheit sogar erreicht werden kann, der Forscher jedoch nicht sicherstellen kann, dass dies der Fall ist. Trotz dieses Eingeständnisses behält der Kritische Rationalismus den absoluten Wahrheitsbegriff der Korrespondenztheorie bei und distanziert sich vom Relativismus.

Analytische Philosophie

Die Analytische Philosophie ist anfangs als eine philosophische Richtung aus dem logischen Empirismus hervorgegangen. Die heutige analytische Philosophie zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie eigentlich keine philosophische Position ist, sondern aus teilweise recht unterschiedlichen Strömungen mit sehr unterschiedlichen Grundvoraussetzungen besteht. Diese haben jedoch methodisch gemeinsam, dass Probleme in einer möglichst klaren exakten Sprache verfasst werden und mit Hilfe formaler Instrumentarien (wie der mathematischen Logik oder z. B. semantischer und formal-ontologischer Hilfsmittel) bearbeitet werden. Dementsprechend gibt es auch sehr unterschiedliche wissenschaftstheoretische Positionen, die von analytischen Philosophen vertreten werden. Die zeitgenössische Wissenschaftstheorie wird in großen Teilen von analytisch geschulten Philosophen betrieben und umfasst ganz unterschiedliche Themenfelder. Dazu gehören etwa Theorien über die Struktur wissenschaftlicher Theorien, über deren ontologische Verpflichtungen, über die Erklärung ihrer Begriffe, über die Natur, Reichweite und Kriterien wissenschaftlicher Erkenntnis usw. Philosophen, die in einem der Punkte gleichartige Positionen verteidigen, können an anderen Punkten gegensätzlicher Auffassung sein. Trotzdem lassen sich teilweise geteilte Gesamtauffassungen und Schulbildungen benennen, deren heutige Ausarbeitung und Modifikation aber oft stark divergiert. Zu derartigen Gesamtbildern über das Wesen der Wissenschaft könnte man etwa den von W. Quine vertretenen Naturalismus zählen oder das Strukturalistische Theorienkonzept, welches u. a. von J.D.Sneed und Wolfgang Stegmüller vertreten wurde.

Erlanger oder Methodischer Konstruktivismus

Hauptvertreter: Paul Lorenzen und Wilhelm Kamlah, sowie Jürgen Mittelstraß, Kuno Lorenz, Peter Janich, Friedrich Kambartel, Christian Thiel und Harald Wohlrapp, einst auch Oswald Schwemmer.

Der wissenschaftskritische Ansatz Erlanger Ursprungs zielt auf die methodisch einwandfreie Re-Konstruktion der Wissenschaftssprache im Allgemeinen und der einzelwissenschaftlichen Terminologien im Besonderen, der Logik in Form einer dialogischen Argumentationslehre, der konstruktiv begründbaren Mathematik im engeren (Arithmetik, Analysis) wie im weiteren Sinn (Wahrscheinlichkeitstheorie, Geometrie und Kinematik), der protophysikalischen Messlehre sowie der ethischen Prinzipien und darauf gründenden politischen Wissenschaft mit dem Ziel einer „Theorie der technischen und politischen Vernunft“. Kern des Erlanger Konstruktivismus ist die allgemein lehr- und lernbare und damit von jedermann nachvollziehbare Konstruktion von Begriffen als Grundelemente aller theoriegestützten Praxis.

Theorie und Evidenz

Bis in das 16. Jahrhundert dominierte das Aristotelische Wissenschaftskonzept mit seinem induktiv-axiomatisch-deduktiven Aufbau wissenschaftstheoretische Debatten. Mit der Entstehung der experimentellen Naturwissenschaften erhielt die Empirie eine weitere Aufgabe in der Theoriebildung: die Überprüfung. Francis Bacon prägte den Begriff des Experimentum crucis, das nach Karl Popper nicht die Richtigkeit einer Theorie beweisen kann, sondern nur deren Falschheit (Falsifikation).

Diese falsifikationistische Wissenschaftsauffassung wurde anhand zweier Problembereiche herausgefordert: dem Holismus und der „theoriegeladenen Beobachtung“. Die Duhem-Quine-These besagt, dass eine Theorie immer als Ganzes und nicht bloß eine einzelne Aussage der Theorie bestätigt bzw. falsifiziert wird. In der empirischen Überprüfung steht immer ein Komplex aus Theorie, Hilfshypothesen und Randbedingungen zur Debatte. Norwood Russell Hanson und Thomas S. Kuhn waren der Ansicht, Beobachtungen seien grundsätzlich „Theorie-beladen“ ('theory-laden'). Fakten sind in diesem Sinne niemals 'nackt' und eine fundamentalistische Erkenntniskonzeption, nach der sich unser Wissen auf neutrale Beobachtungen zurückführen lässt, daher inadäquat.

Zwei Sichtweisen in Bezug auf Theorie und Modell

  • Syntaktische Sicht bzw. logiko-linguistische Sicht (assoziiert mit Rudolf Carnap und Richard Bevan Braithwaite)
Theorien sind axiomatisch-deduktive Kalküle bestehend aus Symbolen und Regeln. Bedeutung gewinnen die Terme der Theorie durch Referenz auf Beobachtungen bzw. durch Korrespondenzregeln. Modelle haben lediglich heuristische und pädagogische Funktion (Carnap zufolge). Braithwaite jedoch versteht Modelle als weitere mögliche Interpretationen des Kalküls. Die Syntaktische Sicht hält man in der heutigen Diskussion ebenso wie den Logischen Empirismus, auf dem die syntaktische Sicht beruht, für überholt. (Es ist anzumerken, dass der Term „syntaktische Sicht“ nicht von deren Proponenten benutzt wurde, sondern eine retrospektive Bezeichnung von Vertretern der sogenannten „semantischen Sicht“ ist.)
  • Semantische Sicht bzw. modell-theoretische Sicht (assoziiert mit Patrick Suppes, der sich auf Alfred Tarski bezieht. Weitere wichtige Vertreter: Frederick Suppe, Bas van Fraassen, Wolfgang Stegmüller, Carlos Ulises Moulines, Ronald Giere)
Theorien werden als Mengen von Modellen definiert. Modelle sind grundsätzlich nicht-linguistische Entitäten und werden als Realisierungen von Theorien entsprechend Modellen in der Modelltheorie der Mathematischen Logik verstanden. Realisierungen sind konkrete Verknüpfungen und Objekte, die von der Theorie abstrakt formuliert werden. Ein Beispiel für das mathematische Vorbild dieser Sichtweise ist die mathematische Gruppentheorie.

Dem Wechsel zur semantischen, modellorientierten Sicht entspricht häufig ein Fokus auf deren Hauptproblemfeld der Repräsentation.

Modellkonstruktion und Analogien

Modelle werden oft durch einen Analogieschluss mit anderen Systemen konstruiert. Mary Hesse unterscheidet positive, negative und neutrale Analogien. Aspekte zwischen Modell und System sind ähnlich (positiv), verschieden (negativ), oder nicht determinierbar (neutral). Neutrale Analogien motivieren weitere Untersuchungen der Eigenschaften des realen Systems, das durch das Modell repräsentiert werden soll.

Geschichte der Wissenschaftstheorie

Herkömmliche Bezeichnungen der Disziplin sind auch „Wissenschaftslogik“, „Wissenschaftslehre“ und „Methodologie“.

Die Beschäftigung mit der Frage der richtigen und exakten Erkenntnisgewinnung ist eine der zentralen Fragen der Philosophie und wird seit Jahrtausenden von den größten Denkern der Menschheit bearbeitet. Vorläufer der heutigen Wissenschaftstheorie sind v. a. einzelne Fachwissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich jeweils mit grundlegenden methodischen Fragen der Wissensgewinnung unter Blickwinkel ihres Faches auseinandersetzten. Man verwendete damals den Begriff „Induktive Philosophie“ dafür. Ein erster Lehrstuhl wurde 1870 an der Universität Zürich eingerichtet, der jedoch ohne größeren Einfluss blieb. Erst als Ernst Mach 1895 auf die Professur für „Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften“ an der Universität Wien berufen wurde, gewann das Fach an Bedeutung. Von der „Wissenschaftstheorie“ als eigenständigem Begriff kann man erst ab den 1920er Jahren reden. Damals gründete sich der Wiener Kreis, der Ausgangspunkt des Neopositivismus. Viele Themen und Positionen die in diesem Kreis geäußert wurden, bestimmen auch heute noch einen Teil der fachinternen Diskussion der Wissenschaftstheorie. Zwar mit dem Wiener Kreis in Austausch stehend, dessen Ansichten aber größtenteils ablehnend, entwickelte Karl Popper seine falsifikationistische Herangehensweise des Kritischen Rationalismus, die er erstmals 1935 in Logik der Forschung präsentierte.

Den abstrakten Betrachtungen über das 'Wesen' der Wissenschaft setzte Ludwik Fleck ebenfalls 1935 eine Analyse der sozialen Konstruktion von Wissenschaft anhand einer Fallstudie entgegen. Sein Buch Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache wurde jedoch lange Zeit wenig beachtet. Eine Wende zu einer stärker historisch ausgerichteten Diskussion brachte erst Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (Original 1962) von Thomas S. Kuhn. Einen Generalangriff auf Grundannahmen des logischen Positivismus unternahm Paul Feyerabend mit Against Method.

In Frankreich gibt es keine strikte Trennung zwischen Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte. Die französische Tradition der historischen Epistemologie (Épistémologie) geht auf Gaston Bachelard und Georges Canguilhem zurück.

Paul Hoyningen-Huene gliedert die Geschichte der Wissenschaftstheorie – verstanden als die Antworten auf die Frage, was Wissenschaft ist –, schematisch in vier Phasen:

  • Antike (Plato, Aristoteles) bis Beginn 17. Jahrhundert: Wissenschaft wird verstanden als absolut sicheres Wissen. Die Sicherheit des wissenschaftlichen Wissens wird durch seine Ableitung (Deduktion) aus evidenten Axiomen (deren Wahrheit aus ihnen selbst "herausleuchtet") etabliert.
  • 17. Jhdt. bis Mitte/Ende 19. Jhdt.: Diese zweite Phase stimmt mit der ersten hinsichtlich der verlangten absoluten Sicherheit des wissenschaftlichen Wissens überein, jedoch werden zu dessen Etablierung nicht mehr nur deduktive Schlüsse, sondern allgemeiner "die wissenschaftliche Methode" zugelassen, was insbesondere induktive Verfahren umfasst. Die wissenschaftliche Methode (oder "wissenschaftliche Methoden") werden als strikt zu befolgende Regeln verstanden.
  • Ende 19. Jhdt. bis spätes 20. Jhdt.: Diese dritte Phase stimmt mit der zweiten hinsichtlich der Verwendung der wissenschaftliche(n) Methode(n) zur Gewinnung wissenschaftlichen Wissens überein, gibt aber die Forderung nach absoluter Sicherheit des Wissens auf. Wissenschaftliches Wissen wird jetzt als "fallibel", d. h. als nicht endgültig und daher prinzipiell revidierbar angesehen.
  • Spätes 20. Jhdt. bis heute: Der Glaube an die Existenz einer wissenschaftlichen Methode als ein für die wissenschaftliche Arbeit strikt bindendes Regelwerk erodiert. Damit verschwindet neben der absoluten Sicherheit des Wissens nun auch das zweite konstitutive Merkmal wissenschaftlichen Wissens. Das verleiht der allgemeinen Frage, was das wissenschaftliche Wissen im Kontrast zu anderen Wissensarten eigentlich auszeichnet, erneute Aktualität.

Carlos Ulises Moulines unterteilt die Entwicklung der Wissenschaftstheorie seit 1885 in fünf Phasen:

  • Aufkeimen (ca. 1885 bis zum Ersten Weltkrieg)
  • Entfaltung (1918 bis 1935)
  • klassische Phase (ca. 1935 bis 1970)
  • historizistische Phase (ca. 1960 bis 1985)
  • modellistische Phase (ab den 1970er Jahren)