Interdisziplinarität

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Interdisziplinarität oder interdisziplinäre Studien beinhalten die Kombination von zwei oder mehr akademischen Disziplinen in einer Aktivität (z. B. einem Forschungsprojekt). Sie bezieht Wissen aus verschiedenen anderen Bereichen wie Soziologie, Anthropologie, Psychologie, Wirtschaft usw. ein. Es geht darum, durch grenzüberschreitendes Denken etwas zu schaffen. Sie ist verwandt mit einer Interdisziplin oder einem interdisziplinären Bereich, einer organisatorischen Einheit, die traditionelle Grenzen zwischen akademischen Disziplinen oder Denkschulen überschreitet, wenn neue Bedürfnisse und Berufe entstehen. Große Ingenieurteams sind in der Regel interdisziplinär, da ein Kraftwerk, ein Mobiltelefon oder ein anderes Projekt die Zusammenführung mehrerer Fachgebiete erfordert. Der Begriff "interdisziplinär" wird jedoch manchmal auf den akademischen Bereich beschränkt.

Der Begriff "interdisziplinär" wird in der Pädagogik der allgemeinen und beruflichen Bildung verwendet, um Studien zu beschreiben, die Methoden und Erkenntnisse mehrerer etablierter Disziplinen oder traditioneller Studienbereiche nutzen. Interdisziplinarität bezieht Forscher, Studierende und Lehrende in das Ziel ein, verschiedene akademische Denkschulen, Berufe oder Technologien - mit ihren spezifischen Perspektiven - bei der Verfolgung einer gemeinsamen Aufgabe zu verbinden und zu integrieren. Die Epidemiologie von HIV/AIDS oder die globale Erwärmung erfordern das Verständnis verschiedener Disziplinen, um komplexe Probleme zu lösen. Interdisziplinarität kann dort angewandt werden, wo das Thema in der traditionellen disziplinären Struktur der Forschungseinrichtungen vernachlässigt oder sogar falsch dargestellt wird, z. B. in der Frauenforschung oder in den Studien über ethnische Gruppen. Interdisziplinarität kann ebenfalls auf komplexe Themen angewandt werden, die nur durch die Kombination der Perspektiven zweier oder mehrerer Bereiche verstanden werden können.

Das Adjektiv interdisziplinär wird vor allem im Bildungsbereich verwendet, wenn Forscher aus zwei oder mehr Disziplinen ihre Ansätze zusammenführen und sie so modifizieren, dass sie für das jeweilige Problem besser geeignet sind, wie z. B. im Fall von Lehrveranstaltungen im Team, bei denen die Studenten ein bestimmtes Thema aus der Sicht mehrerer traditioneller Disziplinen verstehen müssen. So kann zum Beispiel das Thema Landnutzung anders aussehen, wenn es von verschiedenen Disziplinen wie Biologie, Chemie, Wirtschaft, Geographie und Politik untersucht wird.

Interdisziplinarität (lateinisch inter "zwischen", disciplina "Unterweisung, Lehre, Ordnung, Disziplin") bezeichnet die kooperative Nutzung und Weiterentwicklung von Ansätzen, Denkweisen oder zumindest Methoden verschiedener Fachrichtungen.

Eine interdisziplinäre oder fächerübergreifende Arbeitsweise umfasst mehrere voneinander unabhängige Einzelwissenschaften, die einer meist wissenschaftlichen Fragestellung mit ihren jeweiligen Methoden nachgehen. Hierbei spielt eine untergeordnete Rolle, ob diese Fachgebiete selbst interdisziplinäre Ansätze verfolgen oder ob sich diese Ansätze erst durch eine Kombination der Fachgebiete ergeben. In Abgrenzung zur Multidisziplinarität legt Interdisziplinarität nahe, dass Methoden und Arbeitsprozesse kooperativ in der Zusammenarbeit zwischen Vertretern verschiedener Disziplinen entstehen und sich Lösungsstrategien nicht nur durch einen Austausch der Ergebnisse ergeben. Interdisziplinarität bedingt das Zusammenführen verschiedener Teilaspekte, ein reines Nebeneinander dieser Aspekte reicht hierfür nicht aus.

Über diese allgemeine Definition hinaus herrscht in der terminologischen Bedeutung des Begriffs allerdings kein Konsens: Abhängig vom Sprachgebrauch und vom Ausgangsverständnis wird Interdisziplinarität als Methode der Erkenntnisgewinnung verstanden, als normative Zielsetzung wissenschaftlicher Kooperation oder auch als Dialog über Chancen und Grenzen fachübergreifender Zusammenarbeit. Übergreifend kann Interdisziplinarität als "akademische Grundhaltung" verstanden werden, "in der sich Offenheit, Kontextbewusstsein, Anerkennung der eigenen disziplinären Grenzen, Dialoginteresse sowie Kooperations- und Integrationsfähigkeit verbinden."

Entwicklung

Obwohl "interdisziplinär" und "Interdisziplinarität" häufig als Begriffe des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen werden, hat das Konzept historische Vorläufer, vor allem in der griechischen Philosophie. Julie Thompson Klein bestätigt, dass "die Wurzeln der Konzepte in einer Reihe von Ideen liegen, die im modernen Diskurs mitschwingen - die Ideen einer einheitlichen Wissenschaft, des allgemeinen Wissens, der Synthese und der Integration von Wissen", während Giles Gunn sagt, dass griechische Historiker und Dramatiker Elemente aus anderen Wissensbereichen (wie Medizin oder Philosophie) aufgriffen, um ihr eigenes Material besser zu verstehen. Der Bau der römischen Straßen erforderte Männer, die sich mit Vermessung, Materialkunde, Logistik und verschiedenen anderen Disziplinen auskannten. Jedes breit angelegte humanistische Projekt beinhaltet Interdisziplinarität, und die Geschichte zeigt eine Vielzahl von Fällen, wie die Aufgabe von Leibniz im 17. Jahrhundert, ein System der universellen Gerechtigkeit zu schaffen, das Linguistik, Ökonomie, Management, Ethik, Rechtsphilosophie, Politik und sogar Sinologie erforderte.

Interdisziplinäre Programme entstehen manchmal aus der gemeinsamen Überzeugung, dass die traditionellen Disziplinen nicht in der Lage oder nicht willens sind, ein wichtiges Problem zu lösen. So haben beispielsweise sozialwissenschaftliche Disziplinen wie Anthropologie und Soziologie während des größten Teils des zwanzigsten Jahrhunderts der sozialen Analyse von Technologie wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Infolgedessen haben sich viele Sozialwissenschaftler, die sich für Technologie interessieren, Programmen für Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft angeschlossen, die in der Regel mit Wissenschaftlern aus zahlreichen Disziplinen besetzt sind. Sie können auch aus neuen Forschungsentwicklungen wie der Nanotechnologie hervorgehen, die ohne die Kombination der Ansätze zweier oder mehrerer Disziplinen nicht behandelt werden können. Beispiele hierfür sind die Quanteninformationsverarbeitung, eine Verschmelzung von Quantenphysik und Informatik, und die Bioinformatik, die Molekularbiologie und Informatik miteinander verbindet. Der Forschungsbereich der nachhaltigen Entwicklung befasst sich mit Problemen, die eine Analyse und Synthese über wirtschaftliche, soziale und ökologische Bereiche hinweg erfordern, wobei häufig mehrere sozial- und naturwissenschaftliche Disziplinen integriert werden. Interdisziplinäre Forschung ist auch für die Gesundheitswissenschaften von zentraler Bedeutung, beispielsweise bei der Untersuchung optimaler Lösungen für Krankheiten. Einige Hochschuleinrichtungen bieten akkreditierte Studiengänge in interdisziplinären Studien an.

Auf einer anderen Ebene wird die Interdisziplinarität als Mittel gegen die schädlichen Auswirkungen einer übermäßigen Spezialisierung und Isolierung in Informationssilos angesehen. Einige sind der Ansicht, dass Interdisziplinarität ausschließlich denjenigen zu verdanken ist, die sich auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert haben - d. h. ohne Spezialisten hätten die Interdisziplinären keine Informationen und keine führenden Experten, die sie zu Rate ziehen könnten. Andere wiederum legen den Schwerpunkt der Interdisziplinarität auf die Notwendigkeit, die Disziplinen zu überschreiten, und betrachten eine übermäßige Spezialisierung sowohl in epistemologischer als auch in politischer Hinsicht als problematisch. Wenn die interdisziplinäre Zusammenarbeit oder Forschung zu neuen Problemlösungen führt, werden viele Informationen an die verschiedenen beteiligten Disziplinen zurückgegeben. Daher können sowohl die Disziplinen als auch die Interdisziplinarität in einem komplementären Verhältnis zueinander gesehen werden.

Hürden

Da die meisten Teilnehmer an interdisziplinären Unternehmungen in traditionellen Disziplinen ausgebildet wurden, müssen sie lernen, unterschiedliche Perspektiven und Methoden zu schätzen. So kann eine Disziplin, die mehr Wert auf quantitative Strenge legt, Praktiker hervorbringen, die in ihrer Ausbildung wissenschaftlicher sind als andere; im Gegenzug können Kollegen in "weicheren" Disziplinen, die mit quantitativen Ansätzen Schwierigkeiten haben, die breiteren Dimensionen eines Problems und eine geringere Strenge in der theoretischen und qualitativen Argumentation erfassen. Ein interdisziplinäres Programm kann nicht erfolgreich sein, wenn seine Mitglieder in ihren Disziplinen (und in ihren disziplinären Einstellungen) verhaftet bleiben. Denjenigen, denen es an Erfahrung in der interdisziplinären Zusammenarbeit mangelt, kann es auch passieren, dass sie den intellektuellen Beitrag von Kollegen aus anderen Disziplinen nicht voll zu schätzen wissen. Aus disziplinärer Sicht wird interdisziplinäre Arbeit jedoch oft als "weich", wenig rigoros oder ideologisch motiviert angesehen, was denjenigen, die sich für interdisziplinäre Arbeit entscheiden, Steine in den Weg legt. So werden beispielsweise interdisziplinäre Förderanträge häufig von Gutachtern aus etablierten Disziplinen begutachtet; es überrascht daher nicht, dass interdisziplinäre Forscher Schwierigkeiten haben können, Finanzmittel für ihre Forschung zu erhalten. Darüber hinaus wissen Forscher, die noch nicht fest angestellt sind, dass einige der Gutachter, wenn sie sich um eine Beförderung und Festanstellung bemühen, wahrscheinlich kein Engagement für Interdisziplinarität zeigen werden. Sie befürchten vielleicht, dass ein Engagement für interdisziplinäre Forschung das Risiko erhöht, dass ihnen die Festanstellung verweigert wird.

Interdisziplinäre Programme können auch scheitern, wenn sie nicht genügend Autonomie erhalten. So werden interdisziplinäre Lehrkräfte in der Regel auf eine gemeinsame Stelle berufen, auf der sie sowohl für ein interdisziplinäres Programm (z. B. Frauenforschung) als auch für ein traditionelles Fach (z. B. Geschichte) zuständig sind. Wenn das traditionelle Fachgebiet die Entscheidungen über die Festanstellung trifft, werden neue interdisziplinäre Lehrkräfte zögern, sich voll und ganz der interdisziplinären Arbeit zu widmen. Ein weiteres Hindernis ist die allgemein disziplinäre Ausrichtung der meisten Fachzeitschriften, die dazu führt, dass interdisziplinäre Forschung als schwer publizierbar gilt, wenn nicht sogar als Tatsache. Da die traditionelle Haushaltspraxis an den meisten Universitäten die Ressourcen auf die einzelnen Fachbereiche verteilt, ist es außerdem schwierig, das Gehalt und die Zeit eines bestimmten Wissenschaftlers oder Lehrers zu berücksichtigen. In Zeiten knapper Haushaltsmittel führt die natürliche Tendenz, die primäre Klientel zu bedienen (d. h. Studenten, die ihr Hauptfach studieren), dazu, dass die Ressourcen für Lehre und Forschung, die vergleichsweise weit vom Zentrum der Disziplin im traditionellen Sinne entfernt sind, knapp werden. Aus denselben Gründen wird die Einführung neuer interdisziplinärer Studiengänge oft als Konkurrenz zu den knapper werdenden Mitteln empfunden.

Aufgrund dieser und anderer Hindernisse sind interdisziplinäre Forschungsbereiche stark motiviert, selbst zu Disziplinen zu werden. Wenn sie erfolgreich sind, können sie ihre eigenen Forschungsförderungsprogramme einrichten und ihre eigenen Entscheidungen über Anstellungen und Beförderungen treffen. Auf diese Weise senken sie das Risiko des Einstiegs. Beispiele für ehemalige interdisziplinäre Forschungsbereiche, die zu Disziplinen geworden sind, von denen viele den Namen ihrer Mutterdisziplinen tragen, sind die Neurowissenschaften, die Kybernetik, die Biochemie und die Biomedizintechnik. Diese neuen Bereiche werden gelegentlich als "Interdisziplinen" bezeichnet. Andererseits stehen interdisziplinäre Aktivitäten, auch wenn sie heute im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Einrichtungen zur Förderung von Lernen und Lehren sowie von mit Bildung befassten organisatorischen und gesellschaftlichen Einheiten stehen, in der Praxis vor komplexen Hindernissen, ernsthaften Herausforderungen und Kritik. Die wichtigsten Hindernisse und Herausforderungen, mit denen interdisziplinäre Aktivitäten in den letzten zwei Jahrzehnten konfrontiert waren, lassen sich in "fachliche", "organisatorische" und "kulturelle" Hindernisse unterteilen.

Interdisziplinäre Studien und Studien der Interdisziplinarität

Zunächst ist zu unterscheiden zwischen dem Studium der Interdisziplinarität, das heute überall in der Wissenschaft zu finden ist, und dem Studium der Interdisziplinarität, das eine viel kleinere Gruppe von Forschern betrifft. Erstere wird in Tausenden von Forschungszentren in den USA und der ganzen Welt durchgeführt. Für letztere gibt es eine US-amerikanische Organisation, die Association for Interdisciplinary Studies (gegründet 1979), zwei internationale Organisationen, das International Network of Inter- and Transdisciplinarity (gegründet 2010) und das Philosophy of/as Interdisciplinarity Network (gegründet 2009), sowie ein Forschungsinstitut, das sich der Theorie und Praxis der Interdisziplinarität widmet, das Center for the Study of Interdisciplinarity an der University of North Texas (gegründet 2008). Seit dem 1. September 2014 gibt es das Center for the Study of Interdisciplinarity nicht mehr. Dies ist das Ergebnis von Verwaltungsentscheidungen an der University of North Texas.

Ein interdisziplinäres Studium ist ein akademisches Programm oder ein Prozess, der darauf abzielt, breite Perspektiven, Wissen, Fähigkeiten, Verbindungen und Erkenntnistheorie in einem Bildungsumfeld zu synthetisieren. Interdisziplinäre Studiengänge können eingerichtet werden, um das Studium von Themen zu erleichtern, die zwar eine gewisse Kohärenz aufweisen, aber aus einer einzigen disziplinären Perspektive nicht angemessen verstanden werden können (z. B. Frauenforschung oder Mediävistik). Seltener und auf einem fortgeschritteneren Niveau kann die Interdisziplinarität selbst zum Gegenstand des Studiums werden, als Kritik an der Art und Weise, wie die institutionalisierten Disziplinen das Wissen aufteilen.

Im Gegensatz dazu wirft das Studium der Interdisziplinarität Fragen darüber auf, wie Interdisziplinarität funktioniert, über das Wesen und die Geschichte der Disziplinarität und über die Zukunft des Wissens in der postindustriellen Gesellschaft. Die Forscher am Center for the Study of Interdisciplinarity unterscheiden zwischen einer Philosophie "der" und "als" Interdisziplinarität. Erstere bezeichnet einen neuen, eigenständigen Bereich innerhalb der Philosophie, der erkenntnistheoretische und metaphysische Fragen zum Status des interdisziplinären Denkens aufwirft, während letztere auf eine philosophische Praxis verweist, die manchmal als "Feldphilosophie" bezeichnet wird.

Die vielleicht häufigste Klage über interdisziplinäre Studiengänge, sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern, ist der Mangel an Synthese, d. h., die Studierenden werden mit mehreren disziplinären Perspektiven konfrontiert, erhalten aber keine wirksame Anleitung, um die Konflikte zu lösen und zu einer kohärenten Sicht des Themas zu gelangen. Andere haben argumentiert, dass schon die Idee der Synthese oder Integration von Disziplinen fragwürdige politisch-epistemische Verpflichtungen voraussetzt. Kritiker interdisziplinärer Studiengänge sind der Meinung, dass das Ziel angesichts des Wissens und der intellektuellen Reife aller Studenten, mit Ausnahme der Ausnahme, einfach unrealistisch ist; einige Befürworter räumen die Schwierigkeit ein, bestehen aber darauf, dass die Kultivierung von Interdisziplinarität als Geisteshaltung, selbst auf diesem Niveau, sowohl möglich als auch wesentlich für die Ausbildung informierter und engagierter Bürger und Führungskräfte ist, die in der Lage sind, Informationen aus verschiedenen Quellen zu analysieren, zu bewerten und zusammenzufassen, um begründete Entscheidungen zu treffen.

Während viel über die Philosophie und das Versprechen der Interdisziplinarität in akademischen Programmen und in der beruflichen Praxis geschrieben wurde, hinterfragen Sozialwissenschaftler zunehmend die akademischen Diskurse über Interdisziplinarität sowie die Frage, wie Interdisziplinarität in der Praxis tatsächlich funktioniert - und wie sie nicht funktioniert. Einige haben zum Beispiel gezeigt, dass einige interdisziplinäre Unternehmungen, die der Gesellschaft dienen sollen, schädliche Ergebnisse hervorbringen können, für die niemand zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Politik der interdisziplinären Studien

Seit 1998 ist der Stellenwert interdisziplinärer Forschung und Lehre gestiegen und die Zahl der Bachelor-Abschlüsse an US-Universitäten, die als multi- oder interdisziplinäre Studiengänge klassifiziert sind, hat zugenommen. Nach Angaben des National Center of Educational Statistics (NECS) stieg die Zahl der jährlich verliehenen interdisziplinären Bachelor-Abschlüsse von 7.000 im Jahr 1973 auf 30.000 im Jahr 2005. Darüber hinaus haben sich führende Vertreter des Bildungswesens, von der Boyer-Kommission über Carnegies Präsident Vartan Gregorian bis hin zu Alan I. Leshner, CEO der American Association for the Advancement of Science, für interdisziplinäre statt disziplinäre Ansätze zur Problemlösung im 21. Jahrhundert interdisziplinäre statt disziplinäre Ansätze zur Problemlösung befürworten. Dies wurde auch von Bundesfinanzierungsagenturen aufgegriffen, insbesondere von den National Institutes of Health unter der Leitung von Elias Zerhouni, der dafür plädierte, dass Förderanträge eher als interdisziplinäre Kooperationsprojekte denn als Projekte einzelner Forscher und Disziplinen konzipiert werden sollten.

Gleichzeitig wurden viele florierende Bachelor-Studiengänge für interdisziplinäre Studien, die seit 30 oder mehr Jahren bestehen, trotz guter Anmeldezahlen geschlossen. Beispiele hierfür sind Arizona International (früher Teil der University of Arizona), die School of Interdisciplinary Studies an der Miami University und die Abteilung für interdisziplinäre Studien an der Wayne State University; andere wie die Abteilung für interdisziplinäre Studien an der Appalachian State University und das New Century College der George Mason University wurden geschlossen. Stuart Henry sieht diesen Trend als Teil der Hegemonie der Disziplinen in ihrem Versuch, die experimentelle Wissensproduktion in ansonsten marginalisierten Forschungsbereichen wieder zu kolonisieren. Dies ist auf Bedrohungswahrnehmungen zurückzuführen, die scheinbar auf der Vorherrschaft der interdisziplinären Studien gegenüber der traditionellen Wissenschaft beruhen.

Beispiele

  • Archäologie: In der Archäologie spielen naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Forschungen eine große Rolle. So werden beispielsweise die Erkenntnisse von den Nachbarwissenschaften Geschichtswissenschaft, Ethnologie oder Anthropologie intensiv genutzt, auch biologische, geowissenschaftliche und paläoklimatologische Forschungen werden immer bedeutsamer.
  • Geologie: Fachleute der Wildbachverbauung untersuchen gemeinsam mit Geologie, Bodenmechanik, Geotechnik und Geodäsie die Bewegungen eines Steilhanges und die Gefahr von Muren.
  • Kindheitsforschung Die Kindheitsforschung untersucht die Lebensbedingungen von Kindern unter anthropologischen, wirtschaftlichen, geschichtlichen, soziologischen und anderen Gesichtspunkten.
  • Kommunikationswissenschaft: Die Kommunikationswissenschaft greift Theorien, Modelle, Konzepte usw. anderer, eigenständiger Fachbereiche wie etwa der Soziologie, der Politologie und der Volkswirtschaftslehre auf und entwickelt sie so entschieden mit.
  • Medizin: Im Bereich der Medical Humanities wird versucht, eine Verbindung zwischen der naturwissenschaftlich orientierten Biomedizin und den Human- und Geisteswissenschaften zu ermöglichen.
  • Medizintechnik: Ein Arzt für Innere Medizin kooperiert mit einem Röntgenfacharzt und mit Physikern oder Ingenieuren, um neue Methoden oder Geräte zu entwickeln.
  • Neurojurisprudenz: Die Neurojurisprudenz erforscht mögliche Konsequenzen der Neurowissenschaften für die Rechtsordnung.
  • Ökologie: Die Forschung zu den komplexen Problemlagen des globalen Wandels setzt eine interdisziplinäre Herangehensweise voraus, um unter anderem Basisinformationen für politische Handlungen liefern zu können. Je nach Fragestellung findet beispielsweise eine Zusammenarbeit zwischen Biologen, Hydrologen, Psychologen, Juristen, Ökonomen und Geographen statt. Oft findet in einem Projekt neben der interdisziplinären Kooperation auch eine transdisziplinäre Kooperation statt.
  • Paläontologie: Ein Paläontologe arbeitet mit Zoologen, Botanikern und Geowissenschaftlern zusammen, um mit deren Ergebnissen ein möglichst umfassendes Bild ausgestorbener Tier- oder Pflanzenarten zu entwerfen.
  • Politologie: Die Politologie greift Theorien, Modelle, Konzepte usw. anderer, eigenständiger Fachbereiche wie der Soziologie, der Volkswirtschaftslehre und der Allgemeinen Staatslehre auf und entwickelt sie so entschieden mit.
  • Provenienzforschung: Bei der Klärung des Weges von Kunstwerken in öffentliche und private Kunstsammlungen und auch in Bezug auf menschliche Überreste in naturwissenschaftlichen Sammlungen kommen interdisziplinäre Forschungen zum Tragen.
  • Rechtswissenschaft: Die Forschung zu juristischen Konflikten etwa von Grundrechten erfordert die Arbeit in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen zugleich, im Konflikt von Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit etwa von Rechtswissenschaft, Philosophie, Psychologie sowie Literaturwissenschaft und Linguistik, um die grundlegenden Wirkungen der Prozesse des Lesens auf die Menschen und Mitmenschen juristisch beurteilen zu können.
  • Sozialökonomie: Die Sozialökonomie nach Alfred Oppolzer und Ernst Langthaler stellt einen interdisziplinäre Ansatz zur Beschreibung historischer sozialer Vorgänge dar.
  • Sportwissenschaft: Die Sportwissenschaft ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die in Kooperation mit einer Reihe anderer Wissenschaften wie etwa der Soziologie, der Ethik, der Biologie, der Medizin, der Biomechanik oder der Pädagogik die Probleme und Erscheinungsformen im Bereich von Sport und Bewegung erforscht.
  • Verkehrswissenschaften: Die Verkehrswissenschaften sind ein Wissenschaftsbereich, der sich mit den relevanten Problemen und Ereignissen der Verkehrswelt auseinandersetzt und bei der Aufarbeitung der für diese charakteristischen Ortsveränderungen von Menschen, Waren, Nachrichten mit den spezialisierten juristischen, ökologischen, technischen, psychologischen oder pädagogischen Disziplinen zusammenarbeitet.
  • Verwaltungswissenschaft: In der Verwaltungswissenschaft wird die öffentliche Verwaltung sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene unter staats- und politikwissenschaftlichen sowie historischen und ökonomischen Aspekten untersucht.
  • Wagnisforschung: Die Wagnisforschung ist ein in den Humanwissenschaften verorteter, interdisziplinär strukturierter Forschungsbereich, der sich mit dem bewussten Eingehen und Erleben von Grenzsituationen auseinandersetzt. Dazu werden etwa die Erkenntnisse der Evolutionstheorie, der Kulturanthropologie, der Sozialwissenschaften, der Verhaltensforschung, der Differentiellen Psychologie, der Ethik oder der Pädagogik kooperativ aufgearbeitet und evaluiert.
  • Wirtschaftsinformatik: Ein Wirtschaftsinformatiker arbeitet häufig mit Wirtschaftswissenschaftlern und Informatikern zusammen. Daneben entwickelt er eigene Methoden für einige Problemtypen, in denen sich die Verfahren der zwei anderen Wissenschaften als unzureichend erwiesen haben.
  • Wirtschaftswissenschaft: Ein Wirtschaftsingenieur arbeitet z. B. im Management eines Industrieunternehmens und fördert dort Verständnis und Zusammenarbeit zwischen Betriebswirten, Controllern und Ingenieuren verschiedener Branchen mit seinem eigenen, interdisziplinären Fachwissen (vgl. dazu die Qualitätsmanagement-Methode Quality Function Deployment oder auch Six Sigma). Ähnliche Aufgabengebiete bearbeitet auch das Patentingenieurwesen.

Historische Beispiele

Es gibt viele Beispiele dafür, dass eine bestimmte Idee, fast zur gleichen Zeit, in verschiedenen Disziplinen auftaucht. Ein Beispiel ist der Übergang von der Fokussierung auf "spezialisierte Segmente der Aufmerksamkeit" (die eine bestimmte Perspektive einnehmen) zur Idee einer "unmittelbaren sensorischen Wahrnehmung des Ganzen", einer Aufmerksamkeit für das "Gesamtfeld", einem "Sinn für das gesamte Muster, für Form und Funktion als Einheit", einer "integralen Idee von Struktur und Konfiguration". Dies geschah in der Malerei (mit dem Kubismus), der Physik, der Poesie, der Kommunikation und der Bildungstheorie. Marshall McLuhan zufolge ist dieser Paradigmenwechsel auf den Übergang von einer Ära, die von der Mechanisierung geprägt war und die Sequenzialität mit sich brachte, zu einer Ära zurückzuführen, die von der augenblicklichen Geschwindigkeit der Elektrizität geprägt war und die Gleichzeitigkeit mit sich brachte.

Bemühungen um Vereinfachung und Verteidigung des Konzepts

In einem Artikel im Social Science Journal wird versucht, eine einfache, vernünftige Definition von Interdisziplinarität zu geben, die die Schwierigkeiten bei der Definition dieses Konzepts umgeht und die Notwendigkeit verwandter Konzepte wie Transdisziplinarität, Pluridisziplinarität und Multidisziplinarität überflüssig macht:

"Zunächst lässt sich eine Disziplin bequem als ein vergleichsweise in sich geschlossener und isolierter Bereich menschlicher Erfahrung definieren, der über eine eigene Gemeinschaft von Experten verfügt. Interdisziplinarität lässt sich am besten als die Zusammenführung charakteristischer Komponenten von zwei oder mehr Disziplinen verstehen. Im akademischen Diskurs bezieht sich Interdisziplinarität in der Regel auf vier Bereiche: Wissen, Forschung, Bildung und Theorie. Interdisziplinäres Wissen setzt die Vertrautheit mit Komponenten von zwei oder mehr Disziplinen voraus. In der interdisziplinären Forschung werden Komponenten zweier oder mehrerer Disziplinen bei der Suche oder Schaffung neuer Erkenntnisse, Verfahren oder künstlerischer Ausdrucksformen kombiniert. Interdisziplinäre Bildung verbindet Komponenten von zwei oder mehr Disziplinen in einem einzigen Lehrprogramm. Die interdisziplinäre Theorie macht interdisziplinäres Wissen, interdisziplinäre Forschung oder interdisziplinäre Bildung zu ihrem Hauptgegenstand".

Der interdisziplinäre Reichtum zweier beliebiger Wissens-, Forschungs- oder Bildungsbereiche kann wiederum anhand von vier Variablen bewertet werden: Anzahl der beteiligten Disziplinen, die "Distanz" zwischen ihnen, die Neuartigkeit einer bestimmten Kombination und das Ausmaß ihrer Integration.

Interdisziplinäres Wissen und interdisziplinäre Forschung sind wichtig, denn:

  1. "Kreativität erfordert oft interdisziplinäres Wissen.
  2. Immigranten leisten oft wichtige Beiträge zu ihrem neuen Fachgebiet.
  3. Disziplinäre begehen oft Fehler, die am besten von Personen erkannt werden können, die mit zwei oder mehr Disziplinen vertraut sind.
  4. Einige lohnende Forschungsthemen liegen in den Zwischenräumen zwischen den traditionellen Disziplinen.
  5. Viele intellektuelle, soziale und praktische Probleme erfordern interdisziplinäre Ansätze.
  6. Interdisziplinäres Wissen und interdisziplinäre Forschung dienen dazu, uns an das Ideal der Einheit des Wissens zu erinnern.
  7. Interdisziplinäre Wissenschaftler genießen eine größere Flexibilität in ihrer Forschung.
  8. Mehr noch als engstirnige Disziplinaristen gönnen sich Interdisziplinäre oft das intellektuelle Äquivalent einer Reise in neue Länder.
  9. Interdisziplinäre Wissenschaftler können dazu beitragen, die Kommunikationslücken in der modernen Wissenschaft zu schließen und so deren enorme intellektuelle Ressourcen für mehr soziale Rationalität und Gerechtigkeit zu mobilisieren.
  10. Indem sie fragmentierte Disziplinen überbrücken, könnten Interdisziplinäre eine Rolle bei der Verteidigung der akademischen Freiheit spielen."

Zitate

"Der moderne Verstand teilt, spezialisiert sich, denkt in Kategorien: Der griechische Instinkt war das Gegenteil, die Dinge als ein organisches Ganzes zu sehen [...]. Die Olympischen Spiele waren dazu bestimmt, die Fähigkeiten des ganzen Menschen zu testen, nicht nur eine spezielle Fähigkeit [...]. Das große Ereignis war der Fünfkampf, wer ihn gewann, war ein Mann. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass man bis in die Neuzeit nie etwas vom Marathonlauf gehört hat: Die Griechen hätten ihn als eine Ungeheuerlichkeit angesehen."

"Früher konnte man die Menschen einfach in Gelehrte und Unwissende einteilen, in solche, die mehr oder weniger das eine, und solche, die mehr oder weniger das andere waren. Aber Ihr Spezialist lässt sich in keine dieser beiden Kategorien einordnen. Er ist nicht gelehrt, denn er ist formal unwissend über alles, was nicht in sein Fachgebiet fällt; aber er ist auch nicht unwissend, denn er ist "Wissenschaftler" und "kennt" seinen eigenen kleinen Teil des Universums sehr gut. Wir werden sagen müssen, dass er ein gelehrter Ignorant ist, was eine sehr ernste Angelegenheit ist, da es impliziert, dass er eine Person ist, die unwissend ist, nicht in der Art und Weise eines Unwissenden, sondern mit all der Petulanz eines Gelehrten in seinem eigenen Spezialgebiet."

"Es ist Brauch unter denen, die man 'Praktiker' nennt, jeden Mann, der zu einem weiten Überblick fähig ist, als Visionär zu verdammen: kein Mann wird für würdig gehalten, in der Politik eine Stimme zu haben, wenn er nicht neun Zehntel der wichtigsten relevanten Fakten ignoriert oder nicht kennt."

Gründe und Formen der Interdisziplinarität

Wissenschaftliche Forschung ist durch arbeitsteilige Prozesse gekennzeichnet. Spezialisierung in einzelnen Fächern ist die Konsequenz. Allerdings ist die Wirklichkeit, die die wissenschaftliche Forschung reflektiert, vielschichtig und komplex. Eine Unterteilung in Einzelwissenschaften, die oft willkürlich ist, findet in der Wirklichkeit nur selten statt; die Probleme sind nicht immer entsprechend den disziplinären Grenzen zugeschnitten, sondern umfassen oft mehrere Fächer. Forschungsfragen können also häufig nicht aus einem einzelnen Fach heraus beantwortet werden, sodass eine Zusammenarbeit zwischen (inter) den Disziplinen notwendig ist. Der Didaktiker Siegbert A. Warwitz führt das am Beispiel der Sportwissenschaft aus: „Sporterziehung kann sich nicht mehr im bloßen Tun, selbst nicht im nur begründeten Tun und der reflektierenden Begleitung des Vollzugs, erschöpfen. Sporterziehung impliziert darüber hinaus eine kognitive Komponente, das Fach und die fachliche Arbeit grundsätzlich, d. h. nach den Wurzeln, Ausprägungen, Möglichkeiten, Werten, Mißwüchsen, Missbräuchen hin zu durchdenken.“ Der Sportwissenschaftler Klaus Willimczik hat die daraus erwachsenden Konsequenzen für die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Disziplinen wie der Medizin, der Biomechanik, der Psychologie, der Soziologie oder der Pädagogik ausführlich dargestellt.

Einige wissenschaftliche Fachrichtungen wie die Biochemie oder die Geotechnik, die Sportwissenschaft oder die Verkehrswissenschaft sind aus längerer interdisziplinärer Zusammenarbeit entstanden (vgl. Interdisziplinäre Wissenschaft). Daneben sind auch weniger stark strukturierte Formen der fächerübergreifenden oder interdisziplinären Forschung heute üblich geworden wie etwa die Gorillaforschung oder die Wagnisforschung. Oft praktiziert auch der einzelne Wissenschaftler eine persönliche Interdisziplinarität, indem er Kompetenzen unterschiedlicher Disziplinen in sich vereint, etwa in der Schuldidaktik in Form des Projektunterrichts.

Wesentlich für die fächerübergreifende Zusammenarbeit ist, dass über die Fachgrenzen hinweg ein Verständigungsprozess stattfindet, d. h. eine gemeinsame Sprache zur Beschreibung und Lösung der Probleme gefunden wird, aber auch Kriterien, beispielsweise zur Bewertung der Qualität der wissenschaftlichen Leistung, geteilt werden. Prinzipien, nach denen Wissenschaftler fächerübergreifend arbeiten und zusammenarbeiten können, sind im Verhältnis der Disziplinen (a) das Prinzip der Gleichordnung der Disziplinen, (b) das Prinzip der Transzendierung der Disziplinen, (c) das Prinzip der Identifikation des Forschungsgegenstandes, (d) das Prinzip der Minimalität beim Wissenstransfer, (e) das Prinzip der Synergie und (f) das Prinzip der Integration; Prinzipien die Sprache betreffend sind (a) das Prinzip der Einheit, (b) das Prinzip der Alltagssprache und (c) das Prinzip des Vergleichs.

Ab wann von interdisziplinärer Arbeit gesprochen wird, kann sich in verschiedenen Fachrichtungen stark unterscheiden. So würde ein Ingenieur für Nachrichtentechnik die Zusammenarbeit mit einem Ingenieur für Hochspannungstechnik nicht als interdisziplinär bezeichnen. Dagegen sprechen Mediziner bereits von Interdisziplinarität bei Zusammenarbeit von Urologie und Gynäkologie, obwohl diese Fachrichtungen nahe verwandt sind.