Chlorprothixen
Strukturformel ⓘ | |||||||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||||||
Freiname | Chlorprothixen | ||||||||||||||||||
Andere Namen |
(Z)-3-(2-Chlor-9H-thioxanthen-9-yliden)-N,N-dimethylpropan-1-amin (WHO, IUPAC) | ||||||||||||||||||
Summenformel | C18H18ClNS | ||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||||||||||||
ATC-Code |
N05AF03 | ||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse |
Antipsychotikum, Sedativum | ||||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||||
Molare Masse | 315,86 g·mol−1 | ||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||||||
Schmelzpunkt |
97,5 °C | ||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten |
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Chlorprothixen ist ein niedrigpotentes Antipsychotikum aus der Gruppe der Thioxanthene. Es wird in Form von Tabletten, Lösungen zum Einnehmen oder Injektionen angewendet zur Behandlung von Unruhe- und Erregungszuständen bei speziellen geistig-seelischen Erkrankungen und von Zuständen, die durch krankhaft gehobene Stimmung und Antrieb gekennzeichnet sind. Da Chlorprothixen körperliche Spannungszustände mildern kann, wird es bei chronischen Schmerzen in manchen Fällen als Mittel der zweiten Wahl zusätzlich zu Analgetika verabreicht. ⓘ
Klinische Daten | |
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Handelsnamen | Truxal, andere |
AHFS/Drugs.com | Micromedex Detaillierte Verbraucherinformationen |
Wege der Verabreichung | Oral, intramuskuläre Injektion |
Wirkstoffklasse | Typisches Antipsychotikum |
ATC-Code |
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Rechtlicher Status | |
Rechtlicher Status |
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Pharmakokinetische Daten | |
Stoffwechsel | Hepatisch |
Eliminationshalbwertszeit | 8-12 Stunden |
Ausscheidung | Fäkalien, Urin |
Bezeichner | |
IUPAC-Bezeichnung
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CAS-Nummer | |
PubChem CID | |
DrugBank | |
ChemSpider | |
UNII | |
KEGG | |
ChEBI | |
ChEMBL | |
Chemische und physikalische Daten | |
Formel | C18H18ClNS |
Molekulare Masse | 315,86 g-mol-1 |
3D-Modell (JSmol) | |
SMILES
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InChI
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(Überprüfen) |
Chlorprothixen, das unter anderem unter dem Markennamen Truxal verkauft wird, ist ein typisches Antipsychotikum aus der Gruppe der Thioxanthene. ⓘ
Medizinische Anwendungen
Die Hauptindikationen von Chlorprothixen sind die Behandlung von psychotischen Störungen (z. B. Schizophrenie) und akuter Manie im Rahmen bipolarer Störungen. ⓘ
Weitere Anwendungsgebiete sind prä- und postoperative Zustände mit Angstzuständen und Schlaflosigkeit, schwere Übelkeit/Erbrechen (bei Krankenhauspatienten), die Linderung von Angstzuständen und Unruhezuständen aufgrund der Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zur Behandlung von Depressionen und - außerhalb der Zulassung - die Linderung von Alkohol- und Opioidentzug. Es kann auch mit Vorsicht zur Behandlung von nicht psychotischer Reizbarkeit, Aggression und Schlaflosigkeit bei pädiatrischen Patienten eingesetzt werden. ⓘ
Eine intrinsische antidepressive Wirkung von Chlorprothixen wurde diskutiert, aber nicht nachgewiesen. Ebenso ist unklar, ob Chlorprothixen eine echte (intrinsische) analgetische Wirkung hat. Chlorprothixen kann jedoch als Co-Medikation bei schweren chronischen Schmerzen eingesetzt werden. Außerdem hat Chlorprothixen, wie die meisten Antipsychotika, antiemetische Wirkungen. ⓘ
Nebenwirkungen
Chlorprothixen hat eine stark sedierende Wirkung mit einer hohen Inzidenz von anticholinergen Nebenwirkungen. Die auftretenden Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, massive Hypotonie und Tachykardie, Hyperhidrose, erhebliche Gewichtszunahme usw.) erlauben normalerweise nicht die Verabreichung einer vollen wirksamen Dosis zur Remission psychotischer Störungen. Daher ist eine gleichzeitige Behandlung mit einem anderen, stärkeren Antipsychotikum erforderlich. ⓘ
Chlorprothixen ist strukturell mit Chlorpromazin verwandt, mit dem es im Prinzip alle Nebenwirkungen gemeinsam hat. Allergische Nebenwirkungen und Leberschäden scheinen deutlich weniger häufig aufzutreten. Ältere Menschen sind besonders empfindlich gegenüber anticholinergen Nebenwirkungen von Chlorprothixen (Ausprägung eines Engwinkelglaukoms, schwere Obstipation, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Verwirrtheitszustände und Delirien). Bei Patienten über 60 Jahren sollte die Dosis besonders niedrig sein. ⓘ
Frühe und späte extrapyramidale Nebenwirkungen können auftreten, wurden aber nur sehr selten beobachtet (eine Studie mit einer großen Anzahl von Teilnehmern ergab eine Gesamtzahl von nur 1 %). ⓘ
Die häufigsten Nebenwirkungen sind periphere vegetative Wirkungen wie anticholinerge Effekte durch die Blockade von Muskarinrezeptoren, beispielsweise Mundtrockenheit, Akkommodationsstörung und Mydriasis mit Gefahr eines Glaukomanfalls, Obstipation, Miktionsbeschwerden mit Gefahr einer Harnsperre, Tachykardie. Bei längerer Therapie nehmen diese Effekte allerdings ab. ⓘ
Weitere relevante Nebenwirkungen können durch die Blockade peripherer α1-Adrenozeptoren bedingt sein, also Orthostase mit Blutdruckabfall oder reflektorische Tachykardie, oder durch direkt kardiale Wirkung durch chinidinartige Eigenschaften wie Erregungsleitungsstörungen (PQ-/QRS-Verbreiterung). ⓘ
Zentrale Nebenwirkungen sind Sedierung, Schläfrigkeit, Delir (bei älteren Patienten), Appetitsteigerung, Gewichtszunahme, Schlafstörungen und epileptische Krämpfe bei disponierten Personen. Dyskinesien sind ebenfalls möglich. ⓘ
Überdosierung
Die Symptome einer Überdosierung können Verwirrung, Hypotonie und Tachykardie sein, und es wurde über mehrere Todesfälle berichtet, wobei die Konzentrationen im postmortalen Blut zwischen 0,1 und 7,0 mg/L liegen, während die nicht toxischen Konzentrationen im postmortalen Blut bis zu 0,4 mg/kg betragen können. ⓘ
Wechselwirkungen
Chlorprothixen kann den Plasmaspiegel von gleichzeitig verabreichtem Lithium erhöhen. Um eine Lithium-Intoxikation zu vermeiden, sollten die Lithium-Plasmaspiegel genau überwacht werden. ⓘ
Wird Chlorprothixen gleichzeitig mit Opioiden verabreicht, sollte die Opioiddosis reduziert werden (um ca. 50 %), da Chlorprothixen die therapeutischen Wirkungen und Nebenwirkungen von Opioiden erheblich verstärkt. ⓘ
Die gleichzeitige Anwendung von Chlorprothixen und Tramadol (Ultram) ist zu vermeiden. Bei dieser Kombination kann es zu Krampfanfällen kommen. ⓘ
Wenn Chlorprothixen zusammen mit Benzodiazepinen oder Barbituraten verabreicht wird, ist mit zusätzlichen sedierenden Wirkungen und Verwirrtheitszuständen zu rechnen. Wählen Sie besonders niedrige Dosen dieser Arzneimittel. ⓘ
Besondere Vorsicht ist geboten bei der Kombination von Chlorprothixen mit anderen anticholinergen Arzneimitteln (trizyklische Antidepressiva und Antiparkinsonmittel): Vor allem bei älteren Menschen kann es zu Delirium, hohem Fieber, schwerer Obstipation, sogar Ileus und Glaukom kommen. ⓘ
Pharmakologie
Pharmakodynamik
Standort | Ki (nM) | Spezies | Ref |
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SERT | 110 | ND | |
NET | 21–532 | Mensch | |
DAT | 1,699 | ND | |
5-HT1A | 138–230 | Mensch | |
5-HT2A | 0.30–0.43 | Mensch | |
5-HT2B | ND | ND | ND |
5-HT2C | 4.5 | ND | |
5-HT3 | 398 | ND | |
5-HT6 | 3.0–3.2 | Ratte | |
5-HT7 | 5.0–5.6 | Ratte | |
α1 | 1.0 | ND | |
α2 | 186 | ND | |
β | >10,000 | Säugetier | |
D1 | 12–18 | Mensch | |
D2 | 3.0–5.6 | Mensch | |
D3 | 1.9–4.6 | Mensch | |
D4 | 0.65 | Mensch | |
D5 | 9.0 | Mensch | |
H1 | 0.89–3.8 | Mensch | |
H3 | >1,000 | Mensch | |
mACh | 41 | ND | |
M1 | 11–26 | Mensch | |
M2 | 28–79 | Mensch | |
M3 | 22 | Mensch | |
M4 | 18 | Mensch | |
M5 | 25 | Mensch | |
σ | 603 | ND | |
Die Werte sind Ki (nM). Je kleiner der Wert ist, desto stärker bindet der Wirkstoff an die betreffende Stelle. |
Chlorprothixen ist ein Antagonist der folgenden Rezeptoren:
- 5-HT2, 5-HT6, 5-HT7: antipsychotische Wirkung, Sedierung/Anxiolyse, antidepressive Wirkung, Gewichtszunahme
- D1, D2, D3, D4, D5: antipsychotische Wirkungen, Sedierung, extrapyramidale Nebenwirkungen, Prolaktinerhöhung, Depression, Apathie/Anhedonie, Gewichtszunahme
- H1: Sedierung, Gewichtszunahme
- Muskarinische Acetylcholinrezeptoren: anticholinerge Wirkungen, Hemmung extrapyramidaler Nebenwirkungen
- α1-Adrenerge: Hypotonie, Sedierung, Anxiolyse ⓘ
Aufgrund seines starken Serotonin-5-HT2A- und Muskarin-Acetylcholinrezeptor-Antagonismus verursacht Chlorprothixen relativ milde extrapyramidale Symptome. Dies steht im Gegensatz zu den meisten anderen typischen Antipsychotika. Aus diesem Grund wird Chlorprothixen manchmal auch als atypisches Antipsychotikum bezeichnet. ⓘ
Chlorprothixen wirkt auch als FIASMA (funktioneller Inhibitor der sauren Sphingomyelinase). ⓘ
Pharmakokinetik
Ein Metabolit von Chlorprothixen ist N-Desmethylchlorprothixen. ⓘ
Geschichte
Chlorprothixen war das erste der Thioxanthen-Antipsychotika, das synthetisiert wurde. Es wurde 1959 von Lundbeck eingeführt. ⓘ
Lometralin, Tametralin und Sertralin wurden Berichten zufolge durch strukturelle Veränderung von Chlorprothixen gewonnen. ⓘ
Gesellschaft und Kultur
Markennamen
Chlorprothixen wird hauptsächlich unter dem Markennamen Truxal verkauft. ⓘ
Verfügbarkeit
Chlorprothixen ist in ganz Europa und in anderen Teilen der Welt erhältlich. Das Medikament war früher in den Vereinigten Staaten unter dem Markennamen Taractan erhältlich, aber diese Formulierung wurde inzwischen eingestellt und das Medikament ist in diesem Land nicht mehr erhältlich. ⓘ
Wirkung
Chlorprothixen besitzt ein sehr breites Wirkungsspektrum. Es wirkt in erster Linie sedierend, in höheren Dosen antipsychotisch, antiemetisch, lokalanästhetisch, ganglienblockierend, anticholinerg, antiadrenerg und antihistaminisch. Die Wirkung kommt zustande durch die postsynaptische Blockade an Dopamin D1- und D2-, 5-HT2-, Alpha-1, H1- sowie Muskarin-Rezeptoren. Chlorprothixen wirkt zudem als FIASMA (funktioneller Hemmer der sauren Sphingomyelinase). ⓘ
Indikation
Mögliche Indikationen sind das agitiert-ängstliche oder depressive Syndrom meist im Rahmen von psychotischen oder bipolaren Störungen. Im Unterschied zu Deutschland besitzt Chlorprothixen in der Schweiz auch eine spezifische und offizielle Indikation für die Behandlung von Angst, Unruhe und Aggressivität bei Alkoholikern und Toxikomanen sowie zur Begleitmedikation bei chronischen Schmerzen. ⓘ
Gegenanzeigen
Chlorprothixen darf nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Thioxanthene und bei Zuständen tiefer Bewusstlosigkeit (komatöse Zustände). Beim Vorliegen krankhaft trauriger Verstimmung (endogene Depression) darf Chlorprothixen nur unter besonderer Vorsicht angewendet werden. ⓘ
Vergiftung
Vergiftungserscheinungen sind ähnlich denen einer Atropin-Vergiftung, also bei geringen Dosen Mundtrockenheit, Trockenheit der Haut, leichte Bradykardie. ⓘ
Bei höheren Dosen kommt es zu Durst, Tachykardie, Mydriasis, Blendungsgefühl, Lichtscheu, bei fortschreitender Vergiftung zu Schluckstörungen (durch Versiegen der Speichelproduktion), Akkommodation ist nicht mehr möglich, Darmatonie, Harnverhalt, Ruhelosigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen, AV-Block. ⓘ
Im Endstadium steigt die Körpertemperatur als Folge der Hemmung der Schweißsekretion und durch die Störung der zentralen Regulation; die Haut ist heiß, trocken und rot. Schließlich kann die zentrale Erregung in Somnolenz und Atemlähmung übergehen. ⓘ
Pharmazeutisch-chemische Information
Salze des Chlorprothixens sind Chlorprothixenacetat, Chlorprothixencitrat und Chlorprothixenhydrochlorid. Das E-Isomer (E)-3-(2-Chlor-9H-thioxanthen-9-yliden)-N,N-dimethylpropan-1-amin kann als Verunreinigung im Chlorprothixenhydrochlorid auftreten. ⓘ
Handelsnamen
Monopräparate
- Taractan (USA), Truxal (CH, AT), sowie Generika (D). ⓘ