Dschihad

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Dschihad (/ɪˈhɑːd/; arabisch: جهاد, romanisiert: jihād [dʒiˈhaːd]) ist ein arabisches Wort, das wörtlich "Streben" oder "Kämpfen" bedeutet, insbesondere mit einem lobenswerten Ziel. In einem islamischen Kontext kann es sich auf fast alle Bemühungen beziehen, das persönliche und soziale Leben mit Gottes Führung in Einklang zu bringen, wie z. B. den Kampf gegen die eigenen schlechten Neigungen, die Missionierung oder die Bemühungen um die moralische Verbesserung der muslimischen Gemeinschaft (Ummah), obwohl es am häufigsten mit Krieg in Verbindung gebracht wird. Im klassischen islamischen Recht (Scharia) bezieht sich der Begriff auf den bewaffneten Kampf gegen Ungläubige, während modernere islamische Gelehrte den militärischen Dschihad im Allgemeinen mit der defensiven Kriegsführung gleichsetzen. In Sufi-Kreisen wird der spirituelle und moralische Dschihad traditionell unter dem Namen "Großer Dschihad" hervorgehoben. Der Begriff hat in den letzten Jahrzehnten durch seine Verwendung durch verschiedene aufständische islamische Extremisten, militante Islamisten und terroristische Personen und Organisationen, deren Ideologie auf dem islamischen Begriff des Dschihad beruht, zusätzliche Aufmerksamkeit erlangt.

Das Wort Dschihad taucht im Koran häufig mit und ohne militärische Konnotationen auf, oft in dem idiomatischen Ausdruck "Streben auf dem Weg Gottes (al-jihad fi sabil Allah)", der ein Gefühl der Selbstverausgabung vermittelt. Sie entwickelten ein ausgeklügeltes Regelwerk für den Dschihad, das auch das Verbot enthält, Personen zu verletzen, die nicht am Kampf beteiligt sind. In der modernen Ära hat der Begriff des Dschihad seine rechtswissenschaftliche Bedeutung verloren und ist stattdessen zu einem ideologischen und politischen Diskurs geworden. Während die modernen islamischen Gelehrten die defensiven und nicht-militärischen Aspekte des Dschihad betonen, haben einige Islamisten aggressive Interpretationen entwickelt, die über die klassische Theorie hinausgehen.

Der Dschihad wird unterteilt in den inneren ("größeren") Dschihad, bei dem es um den Kampf gegen die eigenen niederen Triebe geht, und den äußeren ("kleineren") Dschihad, der wiederum in den Dschihad der Feder/Zunge (Diskussion oder Überzeugung) und den Dschihad des Schwertes unterteilt wird. Die meisten westlichen Autoren sind der Ansicht, dass der äußere Dschihad in der islamischen Tradition Vorrang vor dem inneren Dschihad hat, während ein Großteil der zeitgenössischen muslimischen Meinung die gegenteilige Auffassung vertritt. Die Gallup-Analyse einer großen Umfrage zeigt, dass die Vorstellungen der Muslime in aller Welt vom Dschihad sehr unterschiedlich sind.

Die Bedeutung des Dschihad als bewaffneter Widerstand wurde erstmals im Zusammenhang mit der Verfolgung von Muslimen verwendet, als Muhammad in Mekka war und die Gemeinschaft zwei Möglichkeiten hatte: Auswanderung (Hidschra) oder Dschihad. Im schiitischen Zwölfer-Islam ist der Dschihad eine der zehn Praktiken der Religion. Eine Person, die sich am Dschihad beteiligt, wird Mudschaheddin (Plural: Mudschaheddin) genannt. Der Begriff Dschihad wird im Englischen oft mit "Heiliger Krieg" wiedergegeben, obwohl diese Übersetzung umstritten ist. Heute wird das Wort Dschihad oft ohne religiöse Konnotationen verwendet, wie der englische Begriff crusade.

Der Begriff Dschihad [dʒiˈhaːd] (arabisch جهاد Dschihād, DMG ǧihād ‚Anstrengung, Kampf, Bemühung, Einsatz‘; auch Djihad, Cihad/Cihat oder gelegentlich in der englischen Schreibweise Jihad) bezeichnet im religiösen Sinne ein wichtiges Konzept der islamischen Religion, „die Anstrengung/den Kampf auf dem Wege Gottes“ (al-dschihādu fī sabīli Llāh / الجهاد في سبيل الله / al-ǧihādu fī sabīli Llāh). Seinen Ursprung hat die Dschihadlehre im Koran und der Sunna Mohammeds. (Siehe #Dschihad im Koran)

Etymologisch bezeichnet der Begriff eine auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Anstrengung. Im Koran und der Sunna bezeichnet dieser Begriff primär militärischen Kampf. Aus dem Koran geht nicht eindeutig hervor, ob es sich dabei um einen universellen Kampf gegen Andersgläubige handelt oder dieser Kampf nur defensive Ziele verfolgt: „Das vorhandene Schriftmaterial bedarf der Interpretation, wobei die Haltung der Interpreten von entscheidender Bedeutung ist, die maßgeblich von den unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt wurde und wird.

Nach klassischer islamischer Rechtslehre (Fiqh), deren Entwicklung in die ersten Jahrhunderte nach dem Tode Mohammeds zu datieren ist, dient dieser Kampf der Erweiterung und Verteidigung islamischen Territoriums, bis der Islam die beherrschende Religion ist. In seiner späteren Entwicklung sowie insbesondere im Zuge der Moderne haben muslimische Gelehrte begonnen, nichtmilitärische Aspekte dieses Kampfes zu betonen (Siehe Absatz unten: Nichtmilitärische Auslegungen des Dschihadbegriffs). Muslimische Autoren der Moderne sehen ausschließlich solche Kriege als legitim an, die der Verteidigung islamischer Staaten, der Freiheit der Muslime, den Islam außerhalb dieser zu verkünden, und dem Schutz der Muslime unter nichtislamischer Herrschaft dienen. Dem entspricht ihre Auslegung entsprechender Koranverse.

Der Dschihad stellt als eines der Grundgebote des islamischen Glaubens und eine allen Muslimen auferlegte Pflicht ein wichtiges Glaubensprinzip des Islam dar. Manche sunnitische Gelehrte rechnen den Dschihad als sechste zu den „fünf Säulen des Islams“.

Die Charidschiten zählten den Dschihad zu den fünf Grundpfeilern des Islam.

Die Zwölfer-Schia kennt bis zum Erscheinen des sogenannten verborgenen Imams, Muhammad ibn Hasan, keinen Dschihad zur Erweiterung des islamischen Herrschaftsbereichs, da erst dieser berechtigt ist, diesen zu führen. Die Verteidigung des eigenen Territoriums ist für die Zwölferschiiten dennoch nach wie vor verpflichtend, was allerdings nicht als Dschihad verstanden wird.
Die entsprechende Rechtslehre hat es verstanden, angesichts militärischer Notwendigkeit Wege um diese Regelung zu finden, so dass auch Kriege in Abwesenheit des verborgenen Imam rechtliche Legitimierung erhalten konnten.

Im europäischen Sprachraum wird der Begriff öfter mit dem Ausdruck Heiliger Krieg übersetzt. Dem entgegnen muslimische Autoren, dass Dschihad semantisch nicht nur Kriegsführung bezeichne, es nichtmilitärische Bedeutungen des Dschihadbegriffs gebe und sehen deshalb eine derartige Übersetzung als falsch an und lehnen sie ab.

In der Islamwissenschaft ist eine Umschreibung des Dschihad als Heiliger Krieg im Sinne eines von Gott vorgeschriebenen, seinetwegen geführten und von ihm belohnten Krieges gängig. Eine Gleichsetzung beider Begriffe als solcher stößt in der Forschung allerdings oft auf Ablehnung.

Illustration der Schlacht von Badr (624) im Siyer-i Nebi. Die darin dargestellten Engelsscharen mitsamt Gabriel (Dschibrīl) sind gemäß dem islamischen Schrifttum dem muslimischen Heer zu Hilfe geeilt.

Dschihad ist zudem ein arabischer Vorname, dessen Gebung auch in anderen Schreibweisen im deutschen Sprachraum gesetzlich erlaubt ist.

Etymologie und literarische Ursprünge

Der Begriff Dschihad leitet sich von der arabischen Wurzel jahada ab, was so viel bedeutet wie "Kraft und Mühe aufwenden, alle Mittel einsetzen, um eine Aufgabe zu erfüllen". In seiner erweiterten Bedeutung kann er sowohl den Kampf gegen die Feinde des Islams als auch die Befolgung der religiösen Lehren, die das Gute gebieten und das Böse verbieten, bedeuten. Die friedliche Bedeutung von "Bemühungen um die moralische Verbesserung der Gesellschaft oder um die Verbreitung des Islam" kann als "Dschihad der Zunge" oder "Dschihad der Feder" bezeichnet werden, im Gegensatz zum "Dschihad des Schwertes". Im Fiqh (islamische Rechtswissenschaft) wird der Begriff meist im letztgenannten Sinne verwendet, während er im Sufismus meist im Sinne des Kampfes gegen die nafs al-ammara, d. h. den psychologischen Zustand des Verzehrs durch die eigenen Wünsche, verwendet wird. Der spirituelle und moralische Dschihad wird im Allgemeinen in frommen und mystischen Kreisen hervorgehoben.

Das Hans-Wehr-Wörterbuch des modernen Schriftarabikums definiert den Begriff als "Kampf, Schlacht; Dschihad, heiliger Krieg (gegen die Ungläubigen, als religiöse Pflicht)". In Anbetracht des Bedeutungsspektrums ist es jedoch falsch, den Begriff einfach mit "heiliger Krieg" gleichzusetzen. Der Begriff des Dschihad hat seinen Ursprung in der islamischen Vorstellung, dass die gesamte Menschheit den Islam annehmen wird. Im Koran und im späteren muslimischen Sprachgebrauch wird der Dschihad häufig mit dem Ausdruck fi sabil illah, "auf dem Weg Gottes", verbunden. Muhammad Abdel-Haleem erklärt, dass er "den Weg der Wahrheit und der Gerechtigkeit bezeichnet, einschließlich aller Lehren, die er über die Rechtfertigungen und die Bedingungen für die Führung von Krieg und Frieden gibt."

Im modernen Standardarabisch wird der Begriff Dschihad für einen Kampf für religiöse und weltliche Ziele verwendet. Manchmal wird er auch ohne religiöse Konnotation verwendet und hat eine ähnliche Bedeutung wie das englische Wort "crusade" (wie in "Kreuzzug gegen Drogen"). In arabischen Ländern wird Dschihad auch häufig im neutralen Sinne von "Kampf für eine edle Sache" als Unisex-Name für Kinder verwendet. Der Dschihad wird jedoch in der Regel im religiösen Sinne verwendet, und seine Anfänge werden auf den Koran und die Worte und Taten Mohammeds zurückgeführt.

Koran

Der Dschihad wird im Koran an vier Stellen als Substantiv erwähnt, während sein abgeleitetes Verb an vierundzwanzig Stellen verwendet wird. Mujahid, das aktive Partizip mit der Bedeutung "Dschihadist", wird in zwei Versen erwähnt. In einigen dieser Erwähnungen (siehe At-Tawbah 9/41, 44, 81, 86) wird davon ausgegangen, dass sich das Wort Dschihad direkt auf den Krieg bezieht, und in anderen wird Dschihad im Sinne von "das Bemühen, in Übereinstimmung mit Allahs Willen zu leben" verwendet. Koranische Ermahnungen zum Dschihad wurden von islamischen Gelehrten sowohl im kämpferischen als auch im nicht-kämpferischen Sinne interpretiert. Ahmed al-Dawoody schreibt, dass in elf mekkanischen und dreißig medinensischen Texten insgesamt siebzehn Verweise auf den Dschihad oder Ableitungen davon vorkommen, wobei sich 28 Erwähnungen auf den religiösen Glauben oder den geistigen Kampf und 13 Erwähnungen auf die Kriegsführung oder den physischen Kampf beziehen.

Hadith

Es gibt auch viele Hadithe (Aufzeichnungen über die Lehren, Taten und Aussprüche des islamischen Propheten Muhammad) über den Dschihad, typischerweise unter den Überschriften kitab al-dschihad (Buch des Dschihad) oder faza'il al-dschihad (Tugenden des Dschihad) in Hadith-Sammlungen oder als Thema eigenständiger Werke. Von den 199 Hadithen, die in der Hadith-Sammlung von Bukhari auf den Dschihad verweisen, gehen alle davon aus, dass Dschihad Kriegsführung bedeutet.

Zu den überlieferten Aussprüchen des islamischen Propheten Muhammad, die den Dschihad betreffen, gehören

Der beste Dschihad ist das Wort der Gerechtigkeit gegenüber dem unterdrückenden Sultan.

- zitiert von Ibn Nuhaas und überliefert von Ibn Habbaan

und

Der Gesandte Allahs wurde über den besten Dschihad befragt. Er sagte: "Der beste Dschihad ist der, bei dem dein Pferd erschlagen und dein Blut vergossen wird."

- zitiert von Ibn Nuhaas und überliefert von Ibn Habbaan

Ibn Nuhaas zitierte auch einen Hadith aus dem Musnad Ahmad ibn Hanbal, in dem Muhammad erklärt, dass die höchste Art des Dschihad diejenige ist, "die getötet wird, während das letzte Blut vergossen wird" (Ahmed 4/144).

Einem anderen Hadith zufolge ist auch die Unterstützung der eigenen Eltern ein Beispiel für den Dschihad. Es wird auch berichtet, dass Muhammad die Verrichtung der Hadsch als den besten Dschihad für muslimische Frauen ansah.

In den Hadithen wird der Dschihad als einer der Wege ins Paradies hervorgehoben. Demjenigen, der dabei stirbt, werden alle Sünden (außer Schulden) vergeben. Die Teilnahme am Dschihad müsse freiwillig sein und die Absicht müsse rein sein, denn der Dschihad werde nur um Gottes willen geführt, nicht für materiellen Reichtum. Im Gegenteil, der Dschihad verlangte vom Menschen, dass er sowohl sein Leben als auch sein Vermögen aufs Spiel setzt. Der Dschihad wird als eine der höchsten guten Taten eingestuft; einem Hadith zufolge ist er die drittbeste Tat nach dem Gebet und dem guten Verhalten gegenüber den Eltern. Ein Hadith nimmt Männer, deren Eltern noch leben, vom militärischen Dschihad aus, da der Dienst an den Eltern als höherer Dschihad angesehen wird.

Größerer und kleinerer Dschihad

Der Dschihad wird traditionell in den "größeren Dschihad" (innerer Kampf gegen sündiges Verhalten) und den "kleineren Dschihad" (im militärischen Sinne) unterteilt. Das frühe islamische Denken berücksichtigte gewaltfreie Interpretationen des Dschihad, insbesondere für diejenigen Muslime, die nicht an der Kriegsführung in fernen Ländern teilnehmen konnten. Die meisten klassischen Schriften verwenden den Begriff Dschihad im militärischen Sinne. Die Tradition, die zwischen dem "größeren und dem kleineren Dschihad" unterscheidet, ist in keiner der maßgeblichen Hadith-Sammlungen enthalten. Daher wird sie von einigen Islamisten als nicht authentisch abgetan.

Der am häufigsten zitierte Hadith für den "größeren Dschihad" lautet:

Eine Reihe von Kämpfern kam zu Muhammad und er sagte: "Ihr seid vom 'kleinen Dschihad' zum 'großen Dschihad' gekommen." Die Kämpfer fragten: "Was ist der größere Dschihad?" Muhammad antwortete: "Es ist der Kampf gegen die eigenen Leidenschaften."

Dies wurde auch in der Geschichte von Bagdad von Al-Khatib al-Baghdadi, einem islamischen Gelehrten aus dem 11. Jahrhundert, zitiert. Dieser Hinweis führte zur Unterscheidung von zwei Formen des Dschihad: "Großer" und "Kleiner". Einige islamische Gelehrte, wie Ibn Hajar al-Asqalani, sind der Ansicht, dass die Überlieferungskette des Hadith schwach ist.

Das Konzept hat in der islamischen Mystik (Sufismus) "enormen Einfluss" gehabt.

Ibn Hazm nennt vier Arten des Dschihad fi sabilillah (Kampf für die Sache Gottes):

  • Der Dschihad des Herzens (dschihad bil qalb/nafs) befasst sich mit der Bekämpfung des Teufels und dem Versuch, seiner Verführung zum Bösen zu entkommen. Diese Art des Dschihad wurde als der größere Dschihad (al-dschihad al-akbar) angesehen.
  • Der Dschihad mit der Zunge (dschihad bil lisan) (auch Dschihad mit dem Wort, dschihad al-qalam) besteht darin, die Wahrheit zu sagen und das Wort des Islam mit der Zunge zu verbreiten.
  • Der Dschihad mit der Hand (dschihad bil yad) bezieht sich auf die Entscheidung, das Richtige zu tun und Ungerechtigkeit und Unrecht mit Taten zu bekämpfen.
  • Der Dschihad mit dem Schwert (dschihad bis saif) bezieht sich auf qital fi sabilillah (bewaffneter Kampf auf dem Weg Gottes oder heiliger Krieg), der am häufigsten von salafistischen Muslimen und Ablegern der Muslimbruderschaft verwendet wird.

Eine verwandte Hadith-Tradition, die "ihren Weg in die populäre muslimische Literatur gefunden hat" und von der gesagt wird, sie verkörpere "die muslimische Denkweise" des islamischen Goldenen Zeitalters (der Zeitraum von Mitte des 8. bis Mitte des 13. Jahrhunderts nach der Verlegung der abbasidischen Hauptstadt von Damaskus nach Bagdad), lautet

"Die Tinte des Gelehrten ist heiliger als das Blut des Märtyrers".

Der Glaube an die Richtigkeit dieses Hadiths trug dazu bei, dass die nachfolgenden Kalifen Übersetzungen von "griechischen, hebräischen und syrischen wissenschaftlichen und philosophischen Texten" subventionierten, und der Spruch wird bis heute in bestimmten islamischen Traditionen, die Intellektualität über Gewalt stellen, stark betont, beispielsweise in Timbuktu, wo er eine der beiden zentralen Lehren in dem Werk Tuhfat al-fudala des Berber-Gelehrten Ahmed Baba aus dem 16. Im Allgemeinen sind die Hadithe heute jedoch weniger bekannt, da sie laut Akbar Ahmed an einem "allgemeinen Wissensmangel" leiden.

Den klassischen islamischen Gelehrten wie Ibn Qayyim al-Jawziyya zufolge richtet sich der Dschihad gegen vier Arten von Feinden: das niedere Selbst (nafs), Satan, die Ungläubigen und die Heuchler. Die ersten beiden Arten des Dschihad sind rein friedliche geistige Kämpfe. Nach Ibn Qayyim "geht der Dschihad gegen das niedere Selbst dem Dschihad gegen äußere Feinde voraus". Ibn Taymiyyah bestätigt die zentrale Bedeutung des spirituellen Aspekts des Dschihad und schreibt:

"Der Dschihad gegen das niedere Selbst und die Launen ist die Grundlage des Dschihads gegen die Ungläubigen und Heuchler, denn ein Muslim kann keinen Dschihad gegen sie führen, wenn er nicht zuerst den Dschihad gegen sich selbst und seine Begierden geführt hat, bevor er gegen sie auszieht."

Die Teilnahme am größeren Dschihad schloss die Teilnahme am kleineren Dschihad nicht aus. Abd al-Qadir al-Jilani empfahl seinen Anhängern, sowohl den großen als auch den kleinen Dschihad zu führen.

Mindestens ein wichtiger zeitgenössischer Vertreter der schiitischen Twelver, Ayatollah Ruhollah Khomeini, der Führer der iranischen Revolution und Gründer der Islamischen Republik Iran, schrieb eine Abhandlung über den "Großen Dschihad" (d. h. den inneren/persönlichen Kampf gegen die Sünde).

Defensiver und offensiver Dschihad

Die klassischen Gelehrten erörterten die Rechtfertigungsgründe für den Dschihad, einschließlich der Frage, ob er defensiv oder offensiv geführt werden sollte. Allerdings schenkten die klassischen Rechtsgelehrten der Kriegsführung jus in bello (siehe nächster Abschnitt) mehr Aufmerksamkeit als der Rechtfertigung des Krieges jus ad bellum. Die Entscheidung, wann ein Krieg zu führen ist, wurde oft als politische Entscheidung betrachtet, die am besten den politischen Behörden überlassen wird.

Es gab zwei Rechtfertigungen für den Dschihad: einen Verteidigungskrieg gegen eine äußere Aggression oder einen offensiven oder präventiven Angriff gegen einen feindlichen Staat. Der Mehrheit der Rechtsgelehrten zufolge beschränken sich die casus belli (Kriegsgründe) auf Aggressionen gegen Muslime und fitna - die Verfolgung von Muslimen aufgrund ihres religiösen Glaubens. Sie sind der Ansicht, dass Unglaube an sich keine Rechtfertigung für einen Krieg darstellt. Diese Rechtsgelehrten vertreten daher die Ansicht, dass nur Kombattanten bekämpft werden dürfen; Nichtkombattanten wie Frauen, Kinder, Geistliche, Alte, Geisteskranke, Bauern, Leibeigene, Blinde und so weiter dürfen im Krieg nicht getötet werden. So erklärt der Hanafī Ibn Najīm: "Der Grund für den jihād ist aus unserer [der Hanafīs] Sicht kawnuhum harbā ‛alaynā [wörtlich: dass sie sich im Krieg gegen uns befinden]." Die Hanafī-Rechtsgelehrten al-Shaybānī erklären, dass "obwohl der Kufr [Unglaube an Gott] eine der größten Sünden ist, sie zwischen dem Individuum und seinem Gott, dem Allmächtigen, liegt und die Strafe für diese Sünde auf das dār al-jazā' (den Ort der Abrechnung, das Jenseits) verschoben werden soll", und al-Sarakhsī sagt etwas Ähnliches. Der offensive Dschihad beinhaltete Vorstöße in feindliches Gebiet, entweder zur Eroberung und damit zur Erweiterung der muslimischen politischen Ordnung oder um den Feind von Angriffen auf muslimische Gebiete abzuhalten.

Die schiitischen und sunnitischen Theorien des Dschihad sind ähnlich, mit dem Unterschied, dass die Schiiten den offensiven Dschihad nur unter der Führung des Mahdi für gültig halten, von dem man annimmt, dass er sich derzeit in der Verborgenheit befindet, aber irgendwann in der Zukunft zurückkehren wird. Der defensive Dschihad ist im schiitischen Islam jedoch auch vor der Rückkehr des Mahdi zulässig. Tatsächlich betonten schiitische Gelehrte, dass es für die Schia eine religiöse Pflicht sei, alle Muslime (einschließlich der sunnitischen Muslime) gegen Eindringlinge von außen zu verteidigen.

Sie mögen unsere Feinde sein, aber sie sind menschliche Wesen. Sie bestehen aus der Zivilbevölkerung, die aus Frauen und Kindern besteht; wie kann man sie töten, plündern und brandschatzen?

- Ali ibn Abi Talib, Najh Al-Balagha

Regeln der Kriegsführung

Die Regeln verbieten es, Nichtkombattanten anzugreifen oder zu belästigen, wozu Frauen, Kinder unter der Pubertät, ältere Männer, Menschen mit Behinderungen und Kranke gehören. Diplomaten, Kaufleute und Bauern sind ebenfalls immun gegen Angriffe. Mönche gelten als Nichtkombattanten und sind daher ebenfalls immun; auch Kultstätten sollten nicht angegriffen werden. Selbst wenn der Feind die Immunität von Nichtkombattanten missachten würde, könnten die Muslime nicht mit gleicher Münze zurückschlagen. Diese Kategorien verlieren jedoch ihre Immunität, wenn sie an der Bekämpfung, Planung oder Versorgung des Feindes beteiligt sind. Einige Rechtsgelehrte argumentierten, dass die Immunität eher mit dem Status als Nichtkämpfer zusammenhängt als mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten demografischen Klasse. Muhaqqiq al-Hilli vertrat beispielsweise die Ansicht, dass nur alte Männer nur dann immun sind, wenn sie weder kämpfen noch an militärischen Entscheidungsprozessen beteiligt sind.

Bis zu den Kreuzzügen untersagten muslimische Rechtsgelehrte den Einsatz von Handfeuerwaffen, weil diese Waffe wahllos tötete und auch Nichtkombattanten verletzen konnte. Doch während der Kreuzzüge wurde dieses Urteil aus militärischer Notwendigkeit heraus aufgehoben. Die Juristen beschäftigten sich auch mit der Frage, ob ein Feind angegriffen werden darf, der Frauen, Kinder oder Muslime als menschliche Schutzschilde einsetzt. Die meisten Rechtsgelehrten vertraten die Auffassung, dass es zulässig sei, den Feind in Fällen militärischer Notwendigkeit anzugreifen, dass aber Schritte unternommen werden sollten, um den Angriff auf die Kämpfer zu richten und den menschlichen Schutzschild zu vermeiden. Abu Hanifa argumentierte, dass eine solche Regel den Kampf unmöglich machen würde, wenn Muslime aus Angst vor der Tötung von Nichtkombattanten den Kampf einstellen würden, da es in jeder Stadt Zivilisten gebe. Das Verstümmeln der toten Körper des Feindes ist verboten.

Es gibt zwei widersprüchliche Urteile zur Zerstörung von feindlichem Eigentum. In einer militärischen Schlacht ordnete der Prophet Muhammad die Zerstörung der Palmen des Feindes an, um eine Belagerung ohne Blutvergießen zu beenden. Im Gegensatz dazu verbot Abu Bakr die Zerstörung von Bäumen, Gebäuden und Viehbestand. Die meisten Rechtsgelehrten untersagten die unnötige Zerstörung von feindlichem Eigentum, erlaubten sie aber in Fällen militärischer Notwendigkeit, wie der Zerstörung von Gebäuden, in denen der Feind Schutz sucht. Einige Juristen erlaubten auch Zerstörungen, wenn sie den Feind schwächen oder den Krieg gewinnen würden. Viele Rechtsgelehrte warnten vor "unnötigen Zerstörungen", nicht nur aus humanitären, sondern auch aus praktischen Gründen: Es ist nützlicher, das Eigentum des Feindes zu erbeuten, als es zu zerstören. Islamische Gelehrte verboten die Tötung von Tieren, es sei denn, sie ist militärisch notwendig (wie die Tötung von Pferden im Kampf). Der Grund dafür ist, dass Tiere im Gegensatz zu anderem feindlichen Eigentum in der Lage sind, Schmerzen zu empfinden.

Das islamische Völkerrecht sah vor, dass dem Kampf gegen die nichtmuslimischen Feinde die Aufforderung an diese, den Islam anzunehmen oder – im Falle von Schriftbesitzern – im Gegenzug zur Zahlung der Dschizya in ihrer Religion zu verbleiben (siehe Dhimma), vorausging. Eine Grundlage hierfür bildete Sure 17, Vers 15, wo es heißt:

„… Und wir hätten nie (über ein Volk) eine Strafe verhängt, ohne vorher einen Gesandten (zu ihm) geschickt zu haben.“

Übersetzung nach Paret

Diese Aufforderung vor der Kampfhandlung war zudem Sunna des Propheten als auch seiner unmittelbaren Nachfolger.

Die klassische islamische Völkerrechtslehre verbot zudem – auch auf Basis von Koranversen beziehungsweise Prophetensprüchen – bestimmte Taten während der Kampfhandlungen, darunter die Tötung von Nichtkombattanten wie Frauen, Kindern oder Mönchen (sofern sie sich nicht am Kampf beteiligen), die Verstümmelung sowohl menschlicher als auch tierischer Leichen, Vertragsbruch, die unnötige Zerstörung fremden Guts sowie die Tötung von Geiseln.

In den entsprechenden Rechtswerken werden neben diesen auch andere kriegstechnische Fragen behandelt, wie zum Beispiel die Behandlung von Kriegsgefangenen oder die Verteilung von Beute.

Geschichte des Gebrauchs und der Praxis

Im vorislamischen Arabien führten Beduinen Raubzüge gegen feindliche Stämme und Siedlungen durch, um Beute zu machen. Einigen Gelehrten zufolge (z. B. James Turner Johnson) flößten die islamischen Führer den Kriegern zwar den Glauben an den Dschihad, den "heiligen Krieg", und die Ghaza (Raubzüge) ein, doch die "grundlegende Struktur" dieser beduinischen Kriegsführung "blieb, ... das Rauben, um Beute zu machen". Jonathan Berkey zufolge könnten die Aussagen des Korans zur Unterstützung des Dschihad ursprünglich gegen Muhammads lokale Feinde, die Heiden von Mekka oder die Juden von Medina, gerichtet gewesen sein, aber dieselben Aussagen konnten neu ausgerichtet werden, sobald neue Feinde auftauchten. Einem anderen Gelehrten (Majid Khadduri) zufolge war es die Verlagerung des Schwerpunkts auf die Eroberung und das Einsammeln der Beute von ungläubigen Nicht-Beduinen und weg von den traditionellen Stammesüberfällen zwischen den Beduinen, die es dem Islam ermöglichte, nicht nur zu expandieren, sondern auch die Selbstzerstörung zu vermeiden.

Klassisch

Das Hauptziel des Dschihad als Kriegsführung ist nicht die gewaltsame Bekehrung von Nicht-Muslimen zum Islam, sondern die Ausdehnung und Verteidigung des islamischen Staates. Theoretisch sollte der Dschihad so lange fortgesetzt werden, bis "die gesamte Menschheit entweder den Islam annimmt oder sich der Autorität des muslimischen Staates unterwirft". Bevor dies erreicht war, konnte es Waffenstillstände geben, aber keinen dauerhaften Frieden. Wer "auf dem Weg Gottes" starb, war ein Märtyrer (Schahid), dem die Sünden erlassen wurden und dem der "sofortige Eintritt ins Paradies" gesichert war.

Bernard Lewis zufolge hat das muslimische Recht schon früh den Dschihad im militärischen Sinne als "eine der Hauptpflichten" sowohl des "Oberhaupts des muslimischen Staates", der den Dschihad ausrief, als auch der muslimischen Gemeinschaft festgelegt. Dem Rechtshistoriker Sadakat Kadri zufolge entwickelten islamische Rechtsgelehrte die klassische Dschihad-Lehre erstmals "gegen Ende des achten Jahrhunderts". Unter Anwendung der Naskh-Lehre (dass Gott seine Offenbarungen im Laufe von Mohammeds Mission schrittweise verbesserte) ordneten sie Verse im Koran, die die Harmonie betonten, den eher "konfrontativen" Versen aus Mohammeds späteren Jahren unter und verknüpften Verse über die Anstrengung (Dschihad) mit denen über den Kampf (Qital). Muslimische Rechtsgelehrte des achten Jahrhunderts entwickelten ein Paradigma der internationalen Beziehungen, das die Welt in drei konzeptionelle Bereiche unterteilt, dar al-Islam/dar al-‛adl/dar al-salam (Haus des Islam/Haus der Gerechtigkeit/Haus des Friedens), dar al-harb/dar al-jawr (Haus des Krieges/Haus der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung) und dar al-sulh/dar al-‛ahd/dār al-muwada‛ah (Haus des Friedens/Haus des Bündnisses/Haus der Versöhnung). Der Rechtsgelehrte Sufyan al-Thawri (gest. 161/778) aus dem zweiten/achten Jahrhundert stand an der Spitze einer pazifistischen Schule, die behauptete, dass der Dschihad nur ein Verteidigungskrieg sei. Er stellt auch fest, dass die Rechtsgelehrten, die diese Position vertraten, zu denen er die hanafitischen Rechtsgelehrten al-Awza‛i (gest. 157/774) und Malik ibn Anas (gest. 179/795) sowie andere frühe Rechtsgelehrte zählt, "betonten, dass man den Ungläubigen, insbesondere den Schriftgelehrten, Toleranz entgegenbringen sollte, und rieten dem Imam, nur dann Krieg zu führen, wenn die Bewohner des dar al-harb mit dem Islam in Konflikt gerieten." Die Pflicht des Dschihad war eine kollektive Pflicht (fard al-kifaya). Er sollte nur vom Kalifen geleitet werden, der ihn verzögern konnte, wenn es ihm passte, und Waffenstillstände für jeweils bis zu zehn Jahre aushandeln konnte. Innerhalb der klassischen islamischen Rechtsprechung - deren Entwicklung in die ersten Jahrhunderte nach dem Tod des Propheten zu datieren ist - bestand der Dschihad aus Kriegen gegen Ungläubige, Abtrünnige, und war die einzig zulässige Form der Kriegsführung. (In einer anderen Quelle - Bernard Lewis - heißt es, dass der Kampf gegen Rebellen und Banditen zwar legitim war, aber keine Form des Dschihad darstellte, und dass, während die klassische Auffassung und Darstellung des Dschihad die Kriegsführung im Feld gegen einen ausländischen Feind war, der interne Dschihad "gegen ein ungläubiges, abtrünniges oder anderweitig illegitimes Regime nicht unbekannt war").

Einige argumentieren jedoch, dass der Märtyrertod niemals automatisch eintritt, da es ausschließlich Gott obliegt zu entscheiden, wer dieser Bezeichnung würdig ist.

Die klassischen Handbücher der islamischen Rechtswissenschaft enthielten oft einen Abschnitt namens Buch des Dschihad, in dem die Regeln für die Kriegsführung ausführlich behandelt wurden. Zu diesen Regeln gehören die Behandlung von Nicht-Kriegsteilnehmern, Frauen und Kindern (auch von Anbauflächen oder Wohngebieten) sowie die Aufteilung der Beute. Diese Regeln boten Schutz für die Zivilbevölkerung. Zur Beute gehören Ghanimah (Beute, die durch tatsächliche Kämpfe erlangt wird) und fai (die ohne Kampf erlangt wird, d. h. wenn der Feind sich ergibt oder flieht).

Die erste Dokumentation des Dschihad-Gesetzes wurde von 'Abd al-Rahman al-Awza'i und Muhammad ibn al-Hasan al-Shaybani verfasst. (Es entstand aus den Debatten, die nach dem Tod Muhammads aufkamen.) Obwohl einige islamische Gelehrte unterschiedliche Auffassungen über die Durchführung des Dschihad haben, sind sie sich einig, dass das Konzept des Dschihad immer den bewaffneten Kampf gegen Verfolgung und Unterdrückung beinhaltet.

Sowohl Ibn Taymiyya als auch Ibn Qayyim behaupteten, dass Muhammad niemals Feindseligkeiten initiierte und dass alle Kriege, die er führte, in erster Linie defensiv waren. Er zwang die Nicht-Muslime nie zum Islam und hielt die Waffenstillstände mit den Nicht-Muslimen aufrecht, solange diese sie nicht verletzten. Ibn Taymiyyas Ansichten zum Dschihad werden in seiner Abhandlung mit dem Titel Qāʿidah mukhtaṣarah fī qitāl al-kuffār wa muhādanatuhum wa taḥrīm qatlahum li mujarrad kufrihim erläutert. (Eine verkürzte Regel über den Kampf gegen die Ungläubigen und den Waffenstillstand mit ihnen und das Verbot, sie nur wegen ihres Unglaubens zu töten) Nach Ibn Taymiyya ist jedes menschliche Blut standardmäßig unverletzlich, außer "durch das Recht der Gerechtigkeit". Obwohl Ibn Taymiyya den offensiven Dschihad (Dschihad al-Talab) gegen Feinde erlaubt, die Muslime bedrohen oder ihre Bürger daran hindern, den Islam frei anzunehmen, ist der Unglaube (Kufr) an sich keine Rechtfertigung für Gewalt, weder gegen Einzelpersonen noch gegen Staaten. Nach Ibn Taymīyah ist der Dschihad eine legitime Reaktion auf militärische Angriffe von Ungläubigen und nicht nur aufgrund religiöser Differenzen. Ibn Taymiyya schreibt:

"Was den Frevler betrifft, der nicht kämpft, so gibt es keine Texte, in denen Allah befiehlt, ihn zu bekämpfen. Vielmehr werden die Ungläubigen nur unter der Bedingung bekämpft, dass sie Krieg führen, wie es von der Mehrheit der Gelehrten praktiziert wird und aus dem Buch und der Sunna ersichtlich ist."

So wichtig der Dschihad auch war, er wurde nicht als eine der "Säulen des Islam" betrachtet. Einem Gelehrten (Majid Khadduri) zufolge liegt das daran, dass die fünf Säulen individuelle Verpflichtungen sind, der Dschihad aber eine "kollektive Verpflichtung" der gesamten muslimischen Gemeinschaft ist, die vom islamischen Staat ausgeführt werden soll. Dies sei die Überzeugung "aller Rechtsgelehrten, fast ohne Ausnahme", gelte aber nicht für die Verteidigung der muslimischen Gemeinschaft vor einem plötzlichen Angriff, in diesem Fall sei der Dschihad eine "individuelle Verpflichtung" aller Gläubigen, einschließlich Frauen und Kinder.

Zuvor waren die Gelehrten davon ausgegangen, dass die Organisation des Dschihad in die Zuständigkeit einer zentralisierten Regierung fällt. Dies änderte sich jedoch, als die Autorität des abbasidischen Kalifen schwächer wurde. Al-Mawardi erlaubte den lokalen Gouverneuren, den Dschihad im Namen des Kalifen zu führen. Diese Dezentralisierung des Dschihad wurde nach den Kreuzzügen besonders dringlich. Ali ibn Tahir al-Sulami vertrat die Ansicht, dass alle Muslime dafür verantwortlich seien, Kriege zur Selbstverteidigung zu führen. Al-Sulami ermutigte muslimische Herrscher aus fernen Ländern, den Muslimen zu helfen, die überfallen wurden.

Nach der klassischen schiitischen Lehre war der defensive Dschihad immer zulässig, der offensive Dschihad erforderte jedoch die Anwesenheit des Imams. Eine Ausnahme hiervon bildete im Mittelalter der erste Fatimidenkalif Abdallah al-Mahdi Billah, der sich als Vertreter des Imams ausgab und das Recht beanspruchte, den offensiven Dschihad zu führen.

Nach den Mongoleninvasionen erklärte der schiitische Gelehrte Muhaqqiq al-Hilli den Verteidigungskrieg nicht nur für zulässig, sondern für lobenswert, ja sogar für obligatorisch. Wenn ein Muslim sich nicht an der Verteidigung beteiligen konnte, sollte er zumindest materielle Unterstützung schicken. Dies galt auch dann, wenn die Muslime von einem ungerechten Herrscher regiert wurden.

Frühe muslimische Eroberungen

Zeitalter der Kalifen
  Expansion unter Muhammad, 622-632/A.H. 1-11
  Expansion während des Raschidun-Kalifats, 632-661/A.H. 11-40
  Ausdehnung unter dem Kalifat der Umayyaden, 661-750/A.H. 40-129

In der frühen Ära, die den klassischen Islam (Raschidun-Kalifat) inspirierte und weniger als ein Jahrhundert dauerte, breitete der Dschihad das Reich des Islam auf Millionen von Untertanen und ein Gebiet aus, das "von den Grenzen Indiens und Chinas bis zu den Pyrenäen und dem Atlantik" reichte. Die Rolle der Religion bei diesen frühen Eroberungen ist umstritten. Die arabischen Autoren des Mittelalters glaubten, dass die Eroberungen von Gott befohlen waren, und stellten sie als geordnet und diszipliniert unter dem Kommando des Kalifen dar. Viele moderne Historiker bezweifeln, dass nicht der Dschihad, sondern Hunger und Wüstenbildung die Motivation für die Eroberungen waren. Der berühmte Historiker William Montgomery Watt argumentierte, dass "die meisten Teilnehmer an den [frühislamischen] Expeditionen wahrscheinlich an nichts anderes als an Beute dachten ... Sie dachten nicht daran, die Religion des Islam zu verbreiten". In ähnlicher Weise argumentiert Edward J. Jurji, dass die Beweggründe für die arabischen Eroberungen sicherlich nicht "der Verbreitung des Islam dienten ... Militärische Vorteile, wirtschaftliche Wünsche [und] der Versuch, die Hand des Staates zu stärken und seine Souveränität zu verbessern ... sind einige der entscheidenden Faktoren". Einige neuere Erklärungen führen sowohl materielle als auch religiöse Gründe für die Eroberungen an.

Postklassischer Gebrauch

Einigen Autoren zufolge entwickelten sich die spirituelleren Definitionen des Dschihad irgendwann nach den 150 Jahren der Dschihad-Kriege und der territorialen Expansion der Muslime, insbesondere nachdem die mongolischen Invasoren Bagdad geplündert und das Kalifat der Abbasiden gestürzt hatten. Der Historiker Hamilton Gibb stellt fest, dass "in der historischen [muslimischen] Gemeinschaft das Konzept des Dschihad allmählich schwächer geworden war und schließlich weitgehend im Sinne der Sufi-Ethik umgedeutet wurde". Johnson stellt fest, dass "trotz der theoretischen Bedeutung der Idee des Dschihad im klassischen islamischen juristischen Denken" das Konzept zur Zeit der Abbasiden nicht mehr im Mittelpunkt der Staatskunst stand.

Rudolph Peters schrieb auch, dass mit der Stagnation des islamischen Expansionismus das Konzept des Dschihad als moralischer oder spiritueller Kampf verinnerlicht wurde. Frühere klassische Werke zum fiqh betonten den Dschihad als Krieg für die Religion Gottes, so Peters. Spätere islamische Gelehrte wie Ibn al-Amir al-San'ani, Muhammad Abduh, Rashid Rida, Ubaidullah Sindhi, Yusuf al-Qaradawi, Shibli Nomani usw. betonten den defensiven Aspekt des Dschihad und unterschieden zwischen dem defensiven Dschihad (dschihad al-daf) und dem offensiven Dschihad (dschihad al-talab oder Dschihad der Wahl). Sie widersprachen der Auffassung, dass der Dschihad al-talab eine gemeinschaftliche Verpflichtung (fard kifaya) sei. Zur Unterstützung dieser Ansicht verwiesen diese Gelehrten auf die Werke klassischer Gelehrter wie Al-Jassas, Ibn Taymiyyah usw. Nach Ibn Taymiyya ist der Grund für den Dschihad gegen Nicht-Muslime nicht ihr Unglaube, sondern die Bedrohung, die sie für die Muslime darstellen. Unter Berufung auf Ibn Taymiyya argumentieren Gelehrte wie Rashid Rida, Al San'ani, Qaradawi usw., dass Ungläubige nur dann bekämpft werden müssen, wenn sie eine Gefahr für die Muslime darstellen. Demnach ist der Dschihad nur als Verteidigungskrieg verpflichtend, um auf Aggression oder "Perfidie" gegen die muslimische Gemeinschaft zu reagieren, und der "normale und gewünschte Zustand" zwischen islamischen und nicht-islamischen Gebieten sei eine "friedliche Koexistenz". Dies entsprach dem westlichen Konzept des "gerechten Krieges". In ähnlicher Weise definierte der islamische Gelehrte Muhammad ibn Abd al-Wahhab im 18. Jahrhundert den Dschihad als eine defensive Militäraktion zum Schutz der muslimischen Gemeinschaft und betonte seinen defensiven Aspekt in Übereinstimmung mit späteren islamischen Schriftstellern des 20. Heute erkennen einige muslimische Autoren nur Kriege, die zum Zweck der territorialen Verteidigung geführt werden, sowie Kriege, die zur Verteidigung der Religionsfreiheit geführt werden, als legitim an.

Zu Ibn Taymiyyahs charakteristischen Themen gehörten die Zulässigkeit des Sturzes eines Herrschers, der als Ungläubiger eingestuft wird, weil er sich nicht an das islamische Recht hält, die absolute Teilung der Welt in dar al-kufr und dar al-Islam, die Bezeichnung aller, die sich nicht an die eigene Auslegung des Islams halten, als Ungläubige und die Aufforderung zur pauschalen Kriegsführung gegen Nicht-Muslime, insbesondere Juden und Christen.

Ibn Taymiyyah erkannte "die Möglichkeit eines Dschihad gegen `ketzerische` und `abweichende` Muslime innerhalb des dar al-Islam. Als häretische und abtrünnige Muslime bezeichnete er jeden, der Neuerungen (bida') propagierte, die dem Koran und der Sunna zuwiderliefen ... und legitimierte den Dschihad gegen jeden, der sich weigerte, das islamische Gesetz zu befolgen oder sich gegen die wahren muslimischen Autoritäten aufzulehnen." Er verwendete eine sehr "weit gefasste Definition" dessen, was eine Aggression oder Rebellion gegen Muslime darstellt, was den Dschihad "nicht nur zulässig, sondern notwendig" macht. Ibn Taymiyyah widmete auch den Fragen des Märtyrertums und des Nutzens des Dschihad eine sorgfältige und ausführliche Aufmerksamkeit: "Im Dschihad kann man in letztem Glück leben und sterben, sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. Ihn aufzugeben bedeutet, beide Arten von Glück ganz oder teilweise zu verlieren".

Bernard Lewis stellt fest, dass die meisten islamischen Theologen in der klassischen Periode (750-1258 n. Chr.) den Dschihad als militärisches Unterfangen verstanden, doch nachdem die islamischen Eroberungen stagnierten und das Kalifat in kleinere Staaten zerfiel, kam der "unwiderstehliche und dauerhafte Dschihad zu einem Ende". Da der Dschihad nicht mehr durchführbar war, wurde er "von der historischen auf die messianische Zeit verschoben". Selbst als das Osmanische Reich im siebzehnten Jahrhundert einen neuen heiligen Expansionskrieg führte, "wurde der Krieg nicht universell fortgesetzt". Sie unternahmen keinen Versuch, Spanien oder Sizilien zurückzuerobern.

In den 1500er Jahren hatte man sich damit abgefunden, dass der dauerhafte Zustand der Beziehungen zwischen dar al-Islam und dar al-harb der des Friedens war.

Schah Ismail von der Safawiden-Dynastie versuchte, das Recht auf einen offensiven Dschihad zu beanspruchen, insbesondere gegen die Osmanen. Die schiitischen Ulama erlaubten dies jedoch nicht und vertraten die klassische Position, dass der wahre Imam einen solchen Krieg führen könne. Während der Qadscharenzeit vertraten die schiitischen Ulama den Standpunkt, dass der Schah für die nationale Sicherheit verantwortlich sei. Sie genehmigten die persisch-russischen Kriege im 19. Jahrhundert als Dschihad.

Im 18. Jahrhundert hatte das Durrani-Reich unter der Herrschaft von Ahmad Shah Durrani und seinem Sohn und Nachfolger Timur Shah Durrani mehrere Dschihads gegen die Sikh-Misls in der Punjab-Region ausgerufen, oft mit dem Ziel, das Territorium zu konsolidieren und die afghanische Herrschaft in der Region fortzusetzen; die Bemühungen unter Ahmad Shah scheiterten, während Timur Shah erfolgreich war.

Kolonialismus und Modernismus

Die Fulani-Dschihad-Staaten in Westafrika, um 1830

Als die Europäer mit der Kolonisierung der muslimischen Welt begannen, war der Dschihad eine der ersten Reaktionen der einheimischen Muslime. Emir Abdelkader organisierte in Algerien einen Dschihad gegen die französische Vorherrschaft, wobei er sich auf bestehende Sufi-Netzwerke stützte. Andere Kriege gegen kolonialistische Mächte wurden häufig zum Dschihad erklärt: Der religiöse Senussi-Orden erklärte 1912 den Dschihad gegen die italienische Kontrolle über Libyen, und der "Mahdi" im Sudan erklärte 1881 den Dschihad sowohl gegen die Briten als auch gegen die Ägypter.

Rashid Rida und Muhammad Abduh vertraten die Ansicht, dass eine friedliche Koexistenz der Normalzustand zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Staaten sein sollte, und beriefen sich dabei auf Verse im Koran, die einen Krieg nur zur Selbstverteidigung erlaubten. Diese Ansicht ließ jedoch immer noch den Dschihad gegen den Kolonialismus offen, der als Angriff auf die Muslime angesehen wurde.

Sayyid Ahmad Khan argumentierte ebenfalls, dass der Dschihad auf Fälle von Unterdrückung beschränkt sei, und da das britische Raj Religionsfreiheit zulasse, bestehe keine Notwendigkeit, den Dschihad gegen die Briten zu führen. Stattdessen formulierte Khan den Dschihad als Rückgewinnung des vergangenen muslimischen wissenschaftlichen Fortschritts, um die muslimische Welt zu modernisieren.

Ein Konzept, das beim antikolonialen Dschihad (oder dem Fehlen eines solchen) eine Rolle spielte, war der Glaube an den Mahdi. Nach der islamischen Eschatologie wird eine messianische Figur namens Mahdi erscheinen und die Gerechtigkeit auf der Erde wiederherstellen. Dieser Glaube hielt die Muslime manchmal davon ab, den Dschihad gegen die Kolonialmächte zu führen, und veranlasste sie stattdessen, passiv auf die Ankunft des Messias zu warten. Solche Botschaften wurden in Algerien verbreitet, um den Dschihad von Emir Abdelkader gegen die Franzosen zu untergraben. Andererseits konnte dieser Glaube eine starke mobilisierende Kraft sein, wenn sich jemand zum Mahdi ausrief. Solche mahdistischen Aufstände gab es in Indien (1810), Ägypten (1865) und im Sudan (1881).

Mit der Wiederbelebung des Islams entstand eine neue "fundamentalistische" Bewegung mit unterschiedlichen Auslegungen des Islams, die häufig den Dschihad stärker betonten. Die wahhabitische Bewegung, die sich ab dem 18. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel ausbreitete, betonte den Dschihad als bewaffneten Kampf. Die so genannten Fulbe-Dschihad-Staaten und einige andere Dschihad-Staaten in Westafrika wurden durch eine Reihe von Angriffskriegen im 19. Keine dieser Dschihad-Bewegungen war siegreich. Die mächtigste, das Sokoto-Kalifat, überdauerte etwa ein Jahrhundert, bis es 1903 in das koloniale Nigeria eingegliedert wurde.

Als der osmanische Kalif während des Ersten Weltkriegs zum "Großen Dschihad" aller Muslime gegen die alliierten Mächte aufrief, gab es Hoffnungen und Befürchtungen, dass sich nicht-türkische Muslime auf die Seite der osmanischen Türkei stellen würden, doch der Aufruf führte nicht zur "Einigung der muslimischen Welt", und die Muslime wandten sich nicht gegen ihre nicht-muslimischen Befehlshaber in den alliierten Streitkräften. (Der Krieg führte zum Ende des Kalifats, da das Osmanische Reich auf der Seite der Verlierer des Krieges stand und sich durch die Zustimmung zu "brutal bestrafenden" Bedingungen ergab. Diese wurden von dem populären Kriegshelden Mustafa Kemal aufgehoben, der ebenfalls ein Säkularist war und später das Kalifat abschaffte).

Vor der iranischen Revolution im Jahr 1922 gab der schiitische Geistliche Mehdi Al-Khalissi eine Fatwa heraus, in der er die Iraker aufforderte, sich nicht an den irakischen Wahlen zu beteiligen, da die irakische Regierung von ausländischen Mächten eingesetzt worden sei. Später spielte er eine Rolle bei der irakischen Revolte von 1920. Zwischen 1918 und 1919 wurde in der schiitischen heiligen Stadt Nadschaf die Liga des Islamischen Erwachens von mehreren religiösen Gelehrten, Stammesführern und Großgrundbesitzern gegründet, die einen britischen Offizier ermordeten, in der Hoffnung, einen ähnlichen Aufstand in Karbala auszulösen, das ebenfalls als heilig für die Schiiten gilt.

Während der irakischen Revolte von 1920 erklärte Großayatollah Muhammad Taqi Shirazi, der Vater von Mohammad al-Husayni al-Shirazi und Großvater von Sadiq Hussaini Shirazi, die britische Herrschaft für unzulässig und rief zum Dschihad gegen die europäischen Besatzer im Nahen Osten auf.

Postkolonialismus

Der Islamismus hat in der muslimischen Welt im 20. Jahrhundert eine zunehmende Rolle gespielt, insbesondere nach den Wirtschaftskrisen der 1970er und 1980er Jahre. Eine der ersten islamistischen Gruppen, die Muslimbruderschaft, betonte in ihrem Glaubensbekenntnis den physischen Kampf und das Märtyrertum: "Gott ist unser Ziel; der Koran ist unsere Verfassung; der Prophet ist unser Führer; der Kampf (Dschihad) ist unser Weg; und der Tod um Gottes willen ist das Höchste unserer Bestrebungen." Hassan al-Banna betonte den Dschihad mit dem Schwert und rief die Ägypter auf, sich auf den Dschihad gegen das britische Empire vorzubereiten (damit war er der erste einflussreiche Gelehrte seit dem indischen Aufstand von 1857, der zum Dschihad mit dem Schwert aufrief). Die Gruppe rief in den 1940er Jahren zum Dschihad gegen Israel auf, und ihr palästinensischer Ableger, die Hamas, rief zu Beginn der ersten Intifada zum Dschihad gegen Israel auf.

Das moderne muslimische Denken konzentrierte sich auf die Frage, wann man in den Krieg ziehen sollte (jus ad bellum), und schenkte dem Verhalten während des Krieges (jus in bello) nicht viel Aufmerksamkeit. Dies lag daran, dass die meisten muslimischen Theoretiker das humanitäre Völkerrecht als mit den islamischen Anforderungen vereinbar ansahen. In jüngster Zeit haben die Muslime jedoch als Reaktion auf die Angriffe bestimmter Terrorgruppen auf die Zivilbevölkerung wieder begonnen, über das Verhalten im Krieg zu diskutieren.

Laut Rudolph F. Peters und Natana J. DeLong-Bas brachte die neue "fundamentalistische" Bewegung eine Neuinterpretation des Islam und ihre eigenen Schriften zum Dschihad hervor. In diesen Schriften ging es weniger um rechtliche Argumente, um die Aussagen der verschiedenen islamischen Rechtsschulen oder um Lösungen für alle möglichen Situationen. "Sie betonen eher die moralischen Rechtfertigungen und die den Regeln zugrunde liegenden ethischen Werte als die detaillierte Ausarbeitung dieser Regeln. Sie neigten auch dazu, die Unterscheidung zwischen dem Großen und dem Kleinen Dschihad zu ignorieren, weil sie die Muslime "von der Entwicklung des Kampfgeistes ablenkt, der ihrer Meinung nach erforderlich ist, um die islamische Welt von westlichen Einflüssen zu befreien".

Die zeitgenössischen islamischen Fundamentalisten wurden häufig von den Ideen des mittelalterlichen islamischen Rechtsgelehrten Ibn Taymiyyah und des ägyptischen Journalisten Sayyid Qutb zum Dschihad beeinflusst.

Sayyid Qutb, islamistischer Autor und einflussreicher Führer der Muslimbruderschaft

Der sehr einflussreiche Führer der Muslimbruderschaft, Sayyid Qutb, predigte in seinem Buch Meilensteine, dass der Dschihad "keine vorübergehende Phase, sondern ein permanenter Krieg ist ... Der Dschihad für die Freiheit kann nicht aufhören, bis den satanischen Kräften ein Ende gesetzt und die Religion in ihrer Gesamtheit für Gott gereinigt ist". Wenn Nicht-Muslime einen "Krieg gegen den Islam" führten, sei der Dschihad gegen sie nicht offensiv, sondern defensiv. Er beharrte auch darauf, dass Christen und Juden mushrikeen (nicht monotheistisch) seien, weil (so behauptete er) ihre Priester oder Rabbiner "die Autorität haben, Gesetze zu machen, die von ihnen gemacht wurden [und] von Gott nicht erlaubt sind" und "der Gehorsam gegenüber Gesetzen und Urteilen eine Art von Anbetung ist".

Ein späterer Ideologe, Muhammad abd-al-Salam Faraj, wich von einigen Lehren Qutbs über den Dschihad ab. Während Qutb den Dschihad als eine Proklamation der "Befreiung der Menschheit" betrachtete (bei der die Menschheit die freie Wahl zwischen Islam und Unglauben hat), sah Faraj den Dschihad als Mittel zur Eroberung der Welt und zur Wiedererrichtung des Kalifats. Faraj legitimierte Lügen, nächtliche Angriffe (auch wenn dabei versehentlich Unschuldige getötet werden) und die Zerstörung von Bäumen der Ungläubigen. Seine Ideen beeinflussten ägyptische islamistische Extremistengruppen und Ayman al-Zawahiri, die spätere Nummer 2 bei al-Qaida.

Viele Muslime (darunter Gelehrte wie al-Qaradawi und Sayyid Tantawi) verurteilten islamische Terroranschläge gegen Zivilisten, da sie diese als Verstoß gegen die Regeln des Dschihad ansahen, die es verbieten, Nichtkombattanten anzugreifen.

Während der sowjetischen Invasion in Afghanistan bewaffnete sich die schiitische Bevölkerung Afghanistans wie die Sunniten gegen die kommunistische Regierung und die mit ihr verbündeten sowjetischen Streitkräfte und wurde kollektiv als afghanische Mudschaheddin bezeichnet, obwohl sie ein überwiegend sunnitisches Land ist. Die schiitischen Dschihadisten in Afghanistan waren als "Teheraner Acht" bekannt und wurden von der iranischen Regierung im Kampf gegen die kommunistische afghanische Regierung und die verbündeten sowjetischen Streitkräfte in Afghanistan unterstützt.

Anschlag auf israelische Zivilisten am 18. August 2011

Im Ersten Weltkrieg richtete Max Freiherr von Oppenheim eine Denkschrift betreffend Die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde an Kaiser Wilhelm II. Der Aufruf zum Dschihad durch Mehmed V. erfolgte am 11. November 1914.

Selbstmordattentäter werden dabei als Schahīd (Märtyrertum im Islam) bezeichnet, denen ein Platz im Paradies sicher ist. An sich gilt Suizid im Islam als Sünde, die im Jenseits mit der endlosen Wiederholung des Moments des Todes bestraft wird.

Der Internationale Islamische Gelehrtenrat, der nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 Stellung zu islamistisch-extremistisch motivierter Gewalt bezog, verurteilte in dem Manifest von Mekka „Extremismus, Gewalt und Terrorismus“, beteuerte, dass diese „nicht im Geringsten zum Islam gehören“ und hielt fest: „Dschihad ist kein Terrorismus.

Infolge Anschläge solcher Art ist es insbesondere in der westlichen Welt zu einer wachsenden Islamkritik wie auch Islamfeindlichkeit gekommen.

Abdullah Azzam

In den 1980er Jahren befürwortete Abdullah Azzam den Dschihad gegen die "Ungläubigen". Azzam gab eine Fatwa heraus, in der er zum Dschihad gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans aufrief und erklärte, dass dies eine individuelle Verpflichtung für alle fähigen Muslime sei, da es sich um einen defensiven Dschihad zur Abwehr der Eindringlinge handele. Seine Fatwa wurde von einer Reihe von Geistlichen unterstützt, darunter auch von führenden saudischen Geistlichen wie Sheikh Abd al-Aziz ibn Baz.

Azzam behauptete, dass "jeder, der sich den Zustand der Muslime heute anschaut, feststellen wird, dass ihr großes Unglück darin besteht, dass sie den Dschihad aufgegeben haben", und er warnte auch davor, dass "ohne Dschihad der Schirk (die Vereinigung von Partnern mit Allah) sich ausbreiten und die Oberhand gewinnen wird". Der Dschihad sei so wichtig, dass die "Abwehr" der Ungläubigen "die wichtigste Verpflichtung nach dem Iman [Glauben]" sei.

Azzam plädierte auch für eine breitere Auslegung der Frage, wen man im Dschihad töten dürfe, eine Auslegung, von der einige glauben, dass sie einige seiner Schüler, darunter Osama bin Laden, beeinflusst haben könnte.

Als charismatischer Redner reiste Azzam in Dutzende von Städten in Europa und Nordamerika, um für die Unterstützung des Dschihad in Afghanistan zu werben. Er inspirierte junge Muslime mit Geschichten über wundersame Taten während des Dschihad - Mudschaheddin, die riesige Kolonnen sowjetischer Truppen praktisch im Alleingang besiegten, die von Panzern überrollt wurden, aber überlebten, die erschossen wurden, aber von Kugeln verschont blieben. Es wurden Engel gesehen, die auf Pferden in die Schlacht ritten, und herabfallende Bomben wurden von Vögeln abgefangen, die den Jets vorausflogen und einen schützenden Baldachin über den Kämpfern bildeten. In Afghanistan richtete er ein "Dienstleistungsbüro" für ausländische Kämpfer ein, und mit Unterstützung seines ehemaligen Schülers Osama bin Laden und saudischer Wohltätigkeitsorganisationen wurden ausländische Mudschaheddin oder solche, die es werden wollten, versorgt. Zwischen 1982 und 1992 gingen schätzungsweise 35.000 muslimische Freiwillige nach Afghanistan, um gegen die Sowjets und ihr afghanisches Regime zu kämpfen. Tausende weitere besuchten Grenzschulen, in denen es von ehemaligen und zukünftigen Kämpfern nur so wimmelte. Saudi-Arabien und die anderen konservativen Golfmonarchien leisteten ebenfalls beträchtliche finanzielle Unterstützung für den Dschihad - bis 1982 jährlich 600 Millionen Dollar. Auch die CIA finanzierte Azzams Maktab al-Khidamat und andere Organisationen über die Operation Cyclone.

Azzam sah Afghanistan als den Beginn des Dschihad, um die Ungläubigen aus vielen Ländern zurückzudrängen - aus den südlichen Sowjetrepubliken Zentralasiens, aus Bosnien, den Philippinen, Kaschmir, Somalia, Eritrea, Spanien und vor allem aus seinem Heimatland Palästina. Die Niederlage der Sowjets in Afghanistan soll "die dschihadistische Tendenz von einer Randerscheinung zu einer wichtigen Kraft in der muslimischen Welt gemacht haben".

Nach dem Sieg in Afghanistan kehrten viele der Tausenden von Kämpfern in ihre Heimatländer wie Ägypten, Algerien, Kaschmir oder in Länder wie Bosnien zurück, um den Dschihad fortzusetzen. Nicht alle ehemaligen Kämpfer stimmten mit Azzams Wahl der Ziele überein (Azzam wurde im November 1989 ermordet), aber ehemalige afghanische Kämpfer führten in den 1990er Jahren ernsthafte Aufstände in Ägypten, Algerien, Kaschmir und Somalia an oder nahmen daran teil und schufen später einen "transnationalen Dschihadistenstrom".

Im Februar 1998 veröffentlichte Osama bin Laden in der Zeitung Al-Quds al-Arabi eine "Erklärung der Islamischen Weltfront für den Dschihad gegen die Juden und die Kreuzfahrer". Am 11. September 2001 wurden in den Vereinigten Staaten vier Passagierflugzeuge entführt und stürzten ab, wobei das World Trade Center zerstört und das Pentagon beschädigt wurde.

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Im schiitischen Islam ist der Dschihad eine der zehn Praktiken der Religion (wenn auch nicht eine der fünf Säulen). Traditionell unterscheidet sich die schiitische Lehre der Zwölfer von der des sunnitischen Islams in Bezug auf das Konzept des Dschihad, wobei der Dschihad in der schiitischen Theologie als "zweitrangig" angesehen wird und der "bewaffnete Aktivismus" der Schiiten "auf den unmittelbaren geografischen Bereich einer Person beschränkt ist".

Aufgrund ihrer Geschichte der Unterdrückung verbanden die Schiiten den Dschihad auch mit bestimmten leidenschaftlichen Zügen, insbesondere mit dem Gedenken an Ashura. Mahmoud M. Ayoub sagt:

In der islamischen Tradition wird der Dschihad oder der Kampf auf dem Weg Gottes, sei es als bewaffneter Kampf oder als jede Form des Widerstands gegen das Unrecht, allgemein als eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Glauben eines Menschen als Muslim angesehen. Die schiitische Tradition ging noch einen Schritt weiter und machte den Dschihad zu einer der Säulen oder Grundlagen (arkan) der Religion. Wenn also Husayns Kampf gegen das Regime der Umayyaden als ein Akt des Dschihad angesehen werden muss, dann muss nach Ansicht der Gläubigen auch die Teilnahme der Gemeinschaft an seinem Leiden und ihr Aufstieg zur Wahrheit seiner Botschaft als eine Erweiterung des heiligen Kampfes des Imams selbst angesehen werden. Der Hadith, dem wir den Titel dieses Kapitels entnommen haben, macht dies sehr deutlich. Ja'far al-Sadiq soll gegenüber al-Mufaddal, einem seiner engsten Schüler, erklärt haben: "Der Seufzer des Trauernden über das Unrecht, das uns angetan wurde, ist ein Akt des Lobpreises (tasbih) [Gottes], seine Trauer um uns ist ein Akt der Anbetung, und sein Bewahren unseres Geheimnisses ist ein Kampf (jihad) auf dem Weg Gottes"; der Imâm fügte dann hinzu: "Dieser Hadith sollte in goldenen Buchstaben eingraviert werden".

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Damit erhielt der Begriff des Dschihad (heiliger Kampf) eine tiefere und persönlichere Bedeutung. Ob durch Weinen, durch das Verfassen und Rezitieren von Gedichten, durch Mitgefühl und Wohltaten für die Armen oder durch das Tragen von Waffen - der schiitische Muslim sah sich in der Lage, dem Imam in seinem Kampf gegen das Unrecht (zulm) zu helfen und für sich selbst das gleiche Verdienst (thawab) zu erlangen wie diejenigen, die tatsächlich für ihn gekämpft haben und gestorben sind. Die ta'ziyah, im weiteren Sinne die Teilhabe am gesamten Leben der leidenden Familie Muhammads, ist für die schiitische Gemeinschaft zur wahren Bedeutung des Mitgefühls geworden.

Im syrischen Bürgerkrieg haben schiitische und sunnitische Kämpfer den Dschihad gegeneinander geführt. Im Jemen hat die Houthi-Bewegung Aufrufe zum Dschihad als Teil ihrer Ideologie und ihrer Rekrutierung verwendet.

Entwicklung des Begriffs in der islamischen Rechtsprechung

Einige Beobachter haben eine Entwicklung der Dschihad-Regeln festgestellt - von der ursprünglichen "klassischen" Doktrin zu der des salafistischen Dschihadismus des 21. Dem Rechtshistoriker Sadarat Kadri zufolge wurde in den letzten Jahrhunderten durch schrittweise Änderungen der islamischen Rechtslehre (die von Islamisten entwickelt wurden, die ansonsten jede bid'ah (Neuerung) in der Religion verurteilen) "normalisiert", was einst "undenkbar" war. "Der Gedanke, dass Muslime sich für Gott in die Luft sprengen könnten, war vor 1983 undenkbar, und erst Anfang der 1990er Jahre hat jemand versucht, die Tötung unschuldiger Muslime, die sich nicht auf einem Schlachtfeld befanden, zu rechtfertigen."

Die erste oder "klassische" Dschihad-Lehre, die gegen Ende des 8. Jahrhunderts entwickelt wurde, betonte den Dschihad des Schwertes (Dschihad bil-saif) und nicht den "Dschihad des Herzens", enthielt jedoch viele rechtliche Einschränkungen, die aus der Auslegung des Korans und der Hadithen entwickelt wurden, wie z. B. detaillierte Regeln für "die Einleitung, die Durchführung und die Beendigung" des Dschihad, die Behandlung von Gefangenen, die Verteilung der Beute usw. Sofern es nicht zu einem plötzlichen Angriff auf die muslimische Gemeinschaft kam, war der Dschihad keine "persönliche Verpflichtung" (fard ayn), sondern eine "kollektive" (fard al-kifaya), die "auf dem Weg Gottes" (fi sabil Allah) zu erfüllen war, und er konnte nur vom Kalifen geleitet werden, "dessen Ermessensspielraum bei der Durchführung nahezu absolut war." (Damit sollten Vorfälle wie der Dschihad der Kharijia gegen den Kalifen Ali und dessen Ermordung vermieden werden, da sie der Ansicht waren, dass er kein Muslim mehr war). Der Märtyrertod als Folge eines Angriffs auf den Feind ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit war lobenswert, aber der Tod durch die eigene Hand (im Gegensatz zum Tod durch den Feind) verdiente einen besonderen Platz in der Hölle. Die Kategorie des Dschihad, die als kollektive Verpflichtung angesehen wird, wird in westlichen Texten manchmal vereinfacht als "offensiver Dschihad" bezeichnet.

Der islamische Theologe Abu Abdullah al-Muhajir gilt als der wichtigste Theoretiker und Ideologe hinter der modernen dschihadistischen Gewalt. Seine theologischen und rechtlichen Begründungen beeinflussten Abu Musab al-Zarqawi von al-Qaida sowie mehrere dschihadistische Terrorgruppen, darunter ISIS. Zarqawi verwendete in den Ausbildungslagern der AQI ein Manuskript von al-Muhajirs Ideen, das später von ISIS übernommen wurde und als Die Jurisprudenz des Dschihad oder Die Jurisprudenz des Blutes bezeichnet wird.

Mark Towsend von The Guardian beschreibt das Buch als Rationalisierung der Ermordung von Nichtkombattanten" und zitiert Salah al-Ansari von Quilliam, der feststellt: "In fast allen westlichen und arabischen Gelehrtenkreisen herrscht ein erschreckender Mangel an Untersuchungen und Besorgnis über diesen abscheulichen und gefährlichen Text [The Jurisprudence of Blood]". Charlie Winter von The Atlantic beschreibt es als ein "theologisches Handbuch, das zur Rechtfertigung der abscheulichen Taten der Gruppe verwendet wird". Er erklärt:

Muhajirs intellektuelles Vermächtnis, das von Überlegungen zu den Vorzügen des Enthauptens, Folterns oder Verbrennens von Gefangenen bis hin zu Gedanken über Attentate, Belagerungskrieg und den Einsatz biologischer Waffen reicht, ist ein entscheidender Bestandteil des literarischen Korpus von ISIS - und in der Tat alles, was danach kommt -, eine Möglichkeit, praktisch alles zulässig zu machen, vorausgesetzt, es kann als vorteilhaft für den Dschihad ausgegeben werden. [...] Muhajir zufolge ist der Selbstmord, um Menschen zu töten, nicht nur eine theologisch fundierte Handlung, sondern auch eine lobenswerte, etwas, das unabhängig von seinem Ausgang geschätzt und gefeiert werden sollte. [...] weder Zarqawi noch seine Erben haben zurückgeblickt und Muhajirs Werk großzügig genutzt, um den Einsatz von Selbstmordtaktiken in der Folgezeit zu normalisieren, so dass sie zur wichtigsten militärischen und terroristischen Methode - ob defensiv oder offensiv - geworden sind, die der ISIS heute einsetzt. Muhajirs Theorie war einfach - er bot eine theologische Lösung an, die es jedem, der es wünscht, ermöglicht, die koranischen Verbote gegen Selbstmord zu umgehen.

Auch der Psychologe Chris E. Stout erörtert den von Al Muhajir inspirierten Text in seinem Buch Terrorismus, politische Gewalt und Extremismus. Er geht davon aus, dass Dschihadisten ihre Handlungen als "für das größere Wohl" betrachten; sie befinden sich in einer "auf der Erde geschwächten" Situation, die den Terrorismus zu einem gültigen Mittel der Lösung macht.

Aktuelle Verwendung

Der Begriff "Dschihad" hat sowohl eine gewalttätige als auch eine nicht-gewalttätige Bedeutung erlangt. Nach John Esposito kann er einfach das Streben nach einem moralischen und tugendhaften Leben, die Verbreitung und Verteidigung des Islam sowie den Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung bedeuten. Die relative Bedeutung dieser beiden Formen des Dschihad ist umstritten. Rudoph Peters schreibt, dass in der heutigen Welt traditionalistische Muslime den Dschihad auf der Grundlage klassischer Werke über den Fiqh verstehen; modernistische Muslime betrachten den Dschihad als gerechten Krieg im Sinne des Völkerrechts und betonen seine defensiven Aspekte; und Fundamentalisten sehen ihn als Erweiterung des Islam und Verwirklichung islamischer Ideale. David Cook schreibt, dass Muslime den Dschihad sowohl in klassischen als auch in zeitgenössischen Texten in einem militärischen Sinne verstanden haben. Für Cook stammt die Vorstellung, dass der Dschihad in erster Linie gewaltfrei ist, in erster Linie von Sufi-Texten und den westlichen Gelehrten, die sie studieren, oder von muslimischen Apologeten. Gallup hat erklärt, dass seine Umfragen zeigen, dass das Konzept des Dschihad unter Muslimen "wesentlich nuancierter ist als die einzige Bedeutung, in der westliche Kommentatoren den Begriff immer wieder verwenden".

Öffentliche Meinung der Muslime

In einer Gallup-Umfrage wurden Muslime in acht Ländern befragt, was der Dschihad für sie bedeutet. Im Libanon, in Kuwait, Jordanien und Marokko war die häufigste Antwort die "Pflicht gegenüber Gott", eine "göttliche Pflicht" oder eine "Anbetung Gottes", ohne militärische Konnotationen. In der Türkei, im Iran, in Pakistan und in Indonesien beinhalteten viele der Antworten "das eigene Leben für den Islam/Gott/eine gerechte Sache opfern" oder "gegen die Gegner des Islam kämpfen". Andere in der muslimischen Welt gebräuchliche Bedeutungen des Begriffs "Dschihad" sind "Verpflichtung zu harter Arbeit", "Förderung des Friedens" und "Leben der Grundsätze des Islam". Die Terminologie wird auch auf den Kampf für die Befreiung der Frau angewandt.

Andere geistige, soziale und wirtschaftliche Kämpfe

Der schiitische Gelehrte Mahmoud M. Ayoud erklärt: "Das Ziel des wahren Dschihad ist es, eine Harmonie zwischen Islam (Unterwerfung), Iman (Glaube) und Ihsan (rechtschaffenes Leben) zu erreichen." Der Dschihad ist ein Prozess, der sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Reformen umfasst, er wird als Dschihad fi sabil Allah ("Kampf auf dem Weg Gottes") bezeichnet und kann mit den Mitteln des Korans (Dschihad bi-al-qur'an) durchgeführt werden. Nach Ayoud ist der größte Dschihad der Kampf eines jeden Muslims gegen die sozialen, moralischen und politischen Übel. Je nach den sozialen und politischen Umständen kann der Dschihad jedoch als sechste grundlegende Verpflichtung (farid) der gesamten muslimischen Gemeinschaft (ummah) betrachtet werden, wenn ihre Integrität in Gefahr ist, in diesem Fall wird der Dschihad zu einer "absoluten Verpflichtung" (fard 'ayn), oder wenn soziale und religiöse Reformen ernsthaft behindert werden. Andernfalls ist er eine "begrenzte Pflicht" (fard kifayah), die denjenigen obliegt, die direkt beteiligt sind. Diese Regeln gelten für den bewaffneten Kampf oder den "Dschihad des Schwertes".

In der Neuzeit hat der pakistanische Gelehrte und Professor Fazlur Rahman Malik den Begriff verwendet, um den Kampf für eine "gerechte moralisch-soziale Ordnung" zu beschreiben, während der tunesische Präsident Habib Bourguiba damit den Kampf für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bezeichnet hat.

Nach Angaben der BBC ist eine dritte Bedeutung des Dschihad der Kampf für den Aufbau einer guten Gesellschaft. In einem Kommentar zum Hadith Sahih Muslim mit dem Titel al-Minhaj erklärte der mittelalterliche islamische Gelehrte Yahya ibn Sharaf al-Nawawi, dass "eine der kollektiven Pflichten der Gemeinschaft als Ganzes (fard kifaya) darin besteht, einen gültigen Protest einzulegen, religiöse Probleme zu lösen, Kenntnisse über das göttliche Gesetz zu haben, das Richtige zu gebieten und falsches Verhalten zu verbieten".

Die Wissenschaftlerin Natana J. Delong-Bas listet eine Reihe von Arten des "Dschihad" auf, die von Muslimen vorgeschlagen wurden

  • erzieherischer Dschihad (dschihad al-tarbiyyah);
  • missionarischer Dschihad oder Aufruf der Menschen zum Islam (dschihad al-da'wah)

Andere "Arten", die erwähnt werden, sind

  • "Intellektueller" Dschihad (sehr ähnlich dem missionarischen Dschihad).
  • "Wirtschaftlicher" Dschihad (gute Taten, die mit Geld zu tun haben, z. B. Ausgaben im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, Hilfe für die "Armen und Unterdrückten") Der tunesische Präsident Habib Bourguiba benutzte den Dschihad, um den Kampf für die wirtschaftliche Entwicklung in Tunesien zu beschreiben. Im Iran gibt es ein Ministerium für Dschihad in der Landwirtschaft.
  • Dschihad Al-Nikah, oder sexueller Dschihad, "bezieht sich auf Frauen, die sich dem Dschihad anschließen, indem sie den Kämpfern Sex anbieten, um ihre Moral zu stärken". Der Begriff geht auf eine Fatwa zurück, von der man annimmt, dass sie von der syrischen Regierung erfunden wurde, um ihre Gegner zu diskreditieren, und die Verbreitung dieses Phänomens ist umstritten.
Verwendung durch einige Nicht-Muslime
  • Das Justizministerium der Vereinigten Staaten hat seine eigenen Ad-hoc-Definitionen des Dschihad in Anklagen gegen an terroristischen Aktivitäten beteiligte Personen verwendet:
    • "Wie in dieser ersten ergänzenden Anklageschrift verwendet, ist 'Dschihad' das arabische Wort für 'heiliger Krieg'. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Dschihad auf die Anwendung von Gewalt, einschließlich paramilitärischer Aktionen gegen Personen und Regierungen, die als Feinde der fundamentalistischen Version des Islam angesehen werden."
    • In der Anklageschrift gegen mehrere Personen, darunter José Padilla, heißt es: "Der Begriff 'gewalttätiger Dschihad' oder 'Dschihad', wie er in dieser ergänzenden Anklageschrift verwendet wird, umfasst die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Akten physischer Gewalt, einschließlich Mord, Verstümmelung, Entführung und Geiselnahme."
  • "Kämpfe und Kriegsführung mögen manchmal notwendig sein, aber sie sind nur ein kleiner Teil des gesamten Dschihad oder Kampfes", so Karen Armstrong.
  • "Der Dschihad ist ein propagandistisches Mittel, das im Bedarfsfall auf den bewaffneten Kampf zurückgreift - zwei Bestandteile, die vielen ideologischen Bewegungen gemeinsam sind", so Maxime Rodinson.
  • Der Akademiker Benjamin R. Barber verwendet den Begriff Dschihad, um auf die Widerstandsbewegung fundamentalistischer ethnischer Gruppen hinzuweisen, die ihre Traditionen, ihr Erbe und ihre Identität vor der Globalisierung (die er als "McWorld" bezeichnet) schützen wollen.

Ansichten anderer Gruppen

Ahmadiyya

Im Ahmadiyya-Islam ist der Dschihad in erster Linie ein persönlicher innerer Kampf und sollte nicht gewaltsam aus politischen Motiven geführt werden. Gewalt ist die letzte Option, die nur zum Schutz der Religion und des eigenen Lebens in extremen Verfolgungssituationen eingesetzt werden darf.

Koranisten

Koranisten glauben nicht, dass das Wort Dschihad heiliger Krieg bedeutet. Sie glauben, dass es Kampf oder Streben bedeutet. Sie glauben, dass es sowohl militärische als auch nicht-militärische Aspekte beinhalten kann. Wenn er sich auf den militärischen Aspekt bezieht, wird er in erster Linie als Verteidigungskrieg verstanden.

Dschihad im Koran

Seinen Ursprung hat die Dschihadlehre im Koran und der Sunna Mohammeds. In diesen Quellen wird der Begriff im militärischen Sinne, als Kampf gegen einen Feind verstanden. Die entsprechenden Koranverse wurden vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung des Propheten und seiner Anhängerschaft mit ihren polytheistisch-arabischen sowie jüdischen und christlichen Gegnern offenbart. Diese Verse sowie die Mohammed zugeschriebenen Aussprüche und Taten, seine Sunna, bildeten die primäre Grundlage für die spätere Entwicklung der Dschihadlehre im islamischen Recht.

Im Koran kommt das Nomen Dschihad viermal vor. Zusammen mit seinen unterschiedlichen Verbformen ist es im Koran fünfunddreißig Mal vorzufinden. Dem folgt meist der Zusatz „auf dem Wege Gottes“, „mit Gut und Blut“ oder eine Kombination beider:

„Diejenigen, die glaubten und ausgewandert sind und sich mit ihrem Vermögen und mit ihrer eigenen Person auf dem Weg Gottes eingesetzt haben, sind untereinander Freunde. (…)“

Sure 8:72 nach Khoury

Bei der Benutzung eines dieser bzw. beider Zusätze ist stets ein bewaffneter Kampf gemeint. Zu Beginn seiner prophetischen Karriere schloss sich Mohammeds Anhängerschaft aus wenigen, meist einflussarmen Personen zusammen. Als Mohammed den Götzenkult der Quraisch zu kritisieren begann, kam es zu Verspottungen der Heilsbotschaft des Propheten bis hin zu offenen Ausschreitungen gegenüber den Anhängern der neuen Glaubensgemeinschaft von Seiten der heidnischen Mekkaner. Ein Gebot zum Kampf gegen diese existierte vor der Auswanderung Mohammeds nach Medina, der Hidschra, noch nicht. Aufgrund ihrer völligen Unterlegenheit blieb der damaligen Gemeinschaft Mohammeds nichts anderes übrig, als die Unterdrückung von Seiten der Quraisch ohne Gegenwehr zu ertragen und sie möglichst zu ignorieren:

„Und verkünde laut, was dir befohlen wird, und wende dich von den Polytheisten ab. Wir schützen dich vor den Spöttern, die Gott einen anderen Gott zur Seite stellen. Sie werden es noch zu wissen bekommen.“

15:94-96 nach Khoury

Auch in der Zeit unmittelbar nach der Ankunft der Muhādschirūn, der aus Mekka stammenden muslimischen „Auswanderer“, in Yathrib wurde die Anhängerschaft Mohammeds vor einer militärischen Konfrontation mit den Mekkanern zurückgehalten. Bestätigt wird dies unter anderem durch folgenden Koranvers, in dem es retrospektiv darauf Bezug nehmend heißt:

„Hast du nicht jene gesehen, zu denen man (anfänglich) sagte: ‚Haltet eure Hände (vom Kampf) zurück und verrichtet das Gebet und gebt die Almosensteuer?‘ Als ihnen dann (später) vorgeschrieben wurde, zu kämpfen, fürchtete auf einmal ein Teil von ihnen die Menschen, wie man Gott fürchtet oder (gar) noch mehr. (…)“

4:77 nach Paret

Erst in den Folgemonaten wurde der Vers offenbart, den die islamische Koranexegese mehrheitlich als den ersten Aufruf zum Kampf ansieht:

„Erlaubnis (zum Kampf) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen ja Unrecht getan wurde – und Gott hat gewiß die Macht, sie zu unterstützen – (ihnen), die zu Unrecht aus ihren Wohnstätten vertrieben wurden, nur weil sie sagen: Unser Herr ist Gott. (…)“

22:39-40 nach Khoury

Der Krieg der Muslime auf der Arabischen Halbinsel durchlief mehrere Phasen und mündete schließlich in einem allgemeinen Kampf gegen die arabischen Götzendiener zum einen …:

„Und wenn die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Polytheisten, wo immer ihr sie findet, greift sie, belagert sie und lauert ihnen auf jedem Weg auf. Wenn sie umkehren, das Gebet verrichten und die Abgabe entrichten, dann laßt sie ihres Weges ziehen: Gott ist voller Vergebung und barmherzig.“

9:5 nach Khoury

… und die Schriftbesitzer, die Juden und Christen, auf der Halbinsel zum anderen:

„Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“

Sure 9:29 nach Paret

Diese Koranverse, auch bekannt als die Schwertverse, wurden in der klassischen Koranexegese mehrheitlich als Aufruf zu einem allgemeinen Kampf gegen die nichtmuslimische Welt verstanden. Einzelne Koranexegeten dieser Periode haben indes den letzteren Koranvers lediglich auf die Schriftbesitzer der arabischen Halbinsel bezogen.

Die Auswanderer aus Mekka, denen in Yathrib mehrheitlich jegliche finanzielle Grundlage fehlte, folgten dem altarabischen Brauch der Razzia und begannen Karawanen der Quraisch zu überfallen und zu plündern. Die Übernahme dieses schon zu vorislamischen Zeiten gängigen Konzepts der Karawanenüberfälle, die nun als Dschihad bezeichnet wurden, beschränkte sich nicht auf einen Namenswechsel: Während solche Raubzüge zuvor einen Angriff eines Stammes gegen einen anderen ungeachtet ihres damaligen Verhältnisses bedeuteten, war Dschihad der Kampf einer religiösen Gemeinschaft gegen Andersgläubige. Damit einhergehend expandierte diese Gemeinschaft, da ein Stamm von diesen Feldzügen nicht mehr betroffen war, sobald er den Islam annahm. „Es war dieses 'religiöse' [sic] Wesen des Dschihad, das die Energien der Araber auf so eine Weise lenkte, dass sie in weniger als einem Jahrhundert ein Imperium begründeten, das sich vom Atlantik und den Pyrenäen im Westen bis zum Oxus und dem Punjab im Osten erstreckte. Es scheint so gut wie sicher zu sein, dass diese Expansion sich ohne das Dschihadkonzept nicht ereignet hätte.

Die Tatsache, dass in einzelnen Koranversen das Verb dschahada (dt.: „sich anstrengen“, „kämpfen“) ohne einen der weiter oben erwähnten Zusätze benutzt wird, legt dar, dass diese Karawanenüberfälle zunächst keinen religiösen Charakter hatten. So heißt es zum Beispiel in Sure 16, Vers 110:

„Alsdann wird dein Herr jenen, welche nach Prüfungen auswanderten und alsdann kämpften und standhaft waren – siehe, dein Herr wird hernach wahrlich verzeihend und barmherzig sein.“

Übersetzung nach Henning

Dieser religiöse Charakter, gewöhnlicherweise durch einen solchen Zusatz gekennzeichnet, sei – so Watt – den Überfällen erst später hinzugefügt worden, als Mohammed eine Beteiligung der medinensischen Muslime, der sogenannten Helfer, an den Raubzügen zu verlangen begann und entsprechende Koranverse offenbart wurden:

„O ihr, die ihr glaubt, fürchtet Gott und sucht ein Mittel, zu Ihm zu gelangen, und setzt euch auf seinem Weg ein, auf daß es euch wohl ergehe.“

Sure 5:35 nach Khoury

Die Helfer hatten sich bis dahin nur dazu verpflichtet, den Muslimen aus Mekka bei einem Angriff der Quraisch militärisch beizustehen und die jeweiligen Quellen, darunter mehrere Koranverse, machen klar, dass bis zur Schlacht von Badr im Jahre 624 n. Chr. sich hauptsächlich bis ausschließlich Emigranten an den jeweiligen Karawanenüberfällen beteiligt hatten.

Im Zuge dieser Raubzüge kam es zu militärischen Konfrontationen größeren Ausmaßes zwischen den Quraisch und den Anhängern Mohammeds, die erst 628 n. Chr. temporär durch einen Friedensvertrag, den sogenannten „Vertrag von al-Hudaibiya“, beendet wurden. Auf den Bruch dieses Vertrags von Seiten der Mekkaner folgte die Eroberung Mekkas 630 n. Chr. Als Mohammed am achten Juni 632 n. Chr. verstarb, erstreckte sich der islamische Herrschaftsbereich über die gesamte Arabische Halbinsel.

Siehe auch: Mohammed#Die medinensische Periode der Prophetie (622–630)

Der Koran nimmt mehrmals Bezug auf den Kampf gegen Ungläubige. Viele Verse fordern die Muslime zum Kampf auf und versprechen den Gefallenen unter ihnen Belohnungen im Jenseits.

„Und du darfst ja nicht meinen, daß diejenigen, die um Gottes willen getötet worden sind, (wirklich) tot sind. Nein, (sie sind) lebendig (im Jenseits), und ihnen wird bei ihrem Herrn (himmlische Speise) beschert.“

3:169 nach Paret; siehe auch: 3:157–158 sowie 170–172

Die muslimischen Kommentatoren sind sich uneinig darüber, ob die Märtyrer des Kampfes erst am Ende der Zeit das Leben wiedererlangen (so die Mu'taziliten) oder bereits jetzt als lebendig gelten sollen. Für die Vertreter der zweiten Meinung gilt, dass die Seelen der Märtyrer weiterleben und Gott loben und verehren. Der Koran droht den “Heuchlern”, die sich nicht am Kampf beteiligen, mit Höllenstrafen:

„Diejenigen, die zurückgelassen worden sind (anstatt ins Feld mitgenommen zu werden), freuen sich darüber, daß sie hinter dem Gesandten Gottes (oder: im Gegensatz zum Gesandten Gottes) (der seinerseits ausgerückt ist) daheim geblieben sind. Es ist ihnen zuwider, mit ihrem Vermögen und in eigener Person um Gottes willen Krieg zu führen (w. sich abzumühen), und sie sagen: ‚Rückt (doch) nicht in der Hitze aus!‘ Sag: Das Feuer der Hölle ist heißer (als die Sommerhitze, in der dieser Feldzug stattfindet). Wenn sie doch Verstand annehmen würden! Sie werden nur kurz (w. wenig) zu lachen, aber (dereinst) lange (w. viel) zu weinen haben. (Dies geschieht ihnen) zum Lohn für das, was sie begangen haben.“

9:81–82 nach Paret; siehe auch: 48:16

Weitere Verse behandeln kriegsrechtliche Fragen, wie beispielsweise die Behandlung von Kriegsgefangenen, den Ausschluss vom Kriegsdienst oder Waffenstillstände. Zwei Textstellen im Koran sprechen vom „Abmühen um Gottes Willen“: Sure 29, Vers 69:

„Diejenigen aber, die sich um unseretwillen abmühen (…), werden wir unsere Wege führen. Gott ist mit denen, die fromm sind.“

Übersetzung nach Paret

… sowie Sure 22, Vers 77–78:

„Ihr Gläubigen! Verneigt euch (beim Gottesdienst), werft euch (in Anbetung) nieder, dienet eurem Herrn und tut Gutes! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergehen. Und müht euch um Gottes willen ab, wie es sich gehört! (…)“

Übersetzung nach Paret

Diese Verse können als Aufforderung zur Bemühung, um sich „den bösen Gelüsten und Verführungen entgegenzustemmen“ interpretiert werden. Die klassische Koranexegese hat sie allerdings auf Kriegsführung bezogen.

Ob der Koran Krieg nur zum Zweck der Verteidigung sanktioniert oder einen allgemeinen Kampf gegen Andersgläubige vorsieht ist unklar und obliegt der Exegese, da die Absichten und Ziele des Dschihad aus dem Koran nicht eindeutig hervorgehen. Die darin enthaltenen Kriegsverordnungen haben eher den Charakter der Werbung von Kämpfern und behandeln keine kriegsethischen Fragen.

Dschihad in der Hadith-Literatur

Neben dem Koran behandeln auch die maßgeblichen Hadithsammlungen den Dschihad, die jeweils ein ganzes Kapitel zu diesem Thema enthalten. Darin enthaltene, auf Mohammed zurückgeführte Überlieferungen behandeln unter anderem die Vorzüge des Kampfes auf dem Wege Gottes, die jenseitige Belohnung derjenigen, die sich an diesem Kampf beteiligen und vor allem derjenigen, die bei diesem Kampf ums Leben kommen.

So wird in der kanonischen Hadithsammlung Bucharis folgender dem Propheten zugeschriebener Ausspruch im Kapitel über den Einsatz für die Sache Gottes verzeichnet:

„Ein Mann kam zum Gesandten Gottes (…) und sagte: ‚Nenn mir ein Werk, das dem Einsatz für die Sache Gottes hinsichtlich des Lohnes, den wir von Gott dafür zu erwarten haben, gleichkommt!‘ Der Prophet (…) erwiderte: ‚Ich kenne kein solches Werk! Oder bist du etwa in der Lage, während der Zeit, da der Glaubenskämpfer für die Sache Gottes streitet, in der Moschee im Gebet zu verweilen, ohne zu ermüden, und gleichzeitig zu fasten, ohne es zu brechen?‘ Der Mann sagte: ‚Nein. Wer wäre dazu schon in der Lage!‘“

In der Aussage diesem Hadith ähnlich wird folgender Ausspruch auf den Propheten zurückgeführt:

„Niemand im Paradies möchte wieder zurückkehren, mit Ausnahme des Märtyrers, der im Kampf für die Sache Gottes gefallen ist. Er möchte auf die Erde zurückkehren, um noch zehnmal getötet zu werden, nach all den Ehrenbezeigungen, die ihm im Paradies zuteil wurden.“

Hier verbindet sich die Lehre vom Dschihad, dem bewaffneten Kampf, mit dem Gedanken des Martyriums. Das islamische Schrifttum ist in und außerhalb der kanonischen Hadithsammlungen des 9. Jahrhunderts reich an Werken über den Dschihad und über die Vorzüge desselben als religiöse Pflicht.

Entsprechende Traditionen behandeln auch kriegsrechtliche Fragen, wie die Behandlung von Gefangenen oder das Verbot, Frauen und Kinder zu töten.

Dschihad im klassischen islamischen Recht

Der Dschihad als religiöse Pflicht

Die militärische Expansion des Dar al-Islam ist eine kollektive Pflicht der islamischen Gemeinschaft, d. h., dass, sofern eine ausreichende Anzahl an Truppen bereitsteht, der Rest aller Muslime von dieser Pflicht befreit ist. Sofern sich niemand am Dschihad beteiligt, sündigt die gesamte islamische Gemeinschaft. Der jeweilige muslimische Herrscher hat die Pflicht, mindestens einmal im Jahr den Dar al-Harb anzugreifen. Sofern dies aus irgendeinem Grund vorerst nicht möglich sein sollte, ist es ihm erlaubt, dieses jährliche Unternehmen zu verschieben. (Vgl. Absatz unten: Hudna)

Zu einer individuellen Pflicht wird der Dschihad im Verteidigungsfall, wobei jede wehrfähige Person im angegriffenen Gebiet zu kämpfen hat. Sofern ihre militärische Stärke nicht ausreichen sollte, gilt diese Pflicht auch den jeweiligen benachbarten Gebieten. Des Weiteren wird der Kampf zur individuellen Pflicht der jeweiligen Personen, wenn der Kalif sie zum Kriegsdienst bestimmt oder sie einen Schwur leisten, am Dschihad teilzunehmen.

Ausgeschlossen vom Kriegsdienst sind unter anderem Frauen, Kinder, Sklaven, körperlich oder geistig Behinderte sowie Personen, die aus materiellen Gründen nicht teilnehmen können. Als Begründung für diese Ausnahmebedingungen zitieren die jeweiligen Rechtsgelehrten entsprechende Koranverse beziehungsweise Überlieferungen von Aussprüchen, die dem Propheten zugeschrieben werden.

Schließung von Friedensverträgen

Die historischen Verträge zwischen den muslimischen Eroberern und den Bevölkerungen der jeweiligen Gebiete sind in den Geschichtswerken, bei at-Tabari und al-Baladhuri – um hier nur die frühesten Kompilationen zu nennen –, überliefert und in der Forschung mehrfach erörtert worden. Im Allgemeinen verzeichnen diese Verträge die Sicherheitsgarantie für Leben und Besitz, die Gewährung freien Abzugs für diejenigen, die nicht unter islamischer Herrschaft leben wollen, aber auch die Verpflichtung, Kirchen und Befestigungsanlagen nicht zu zerstören. (Siehe auch: Dhimma)

Hudna

Das klassisch-islamische Recht sah den Kriegszustand als den gewöhnlichen Zustand der Beziehungen zwischen dem Dār al-Islām und dem Dār al-Harb an. Ein zeitlich unbegrenztes Friedensabkommen mit Letzterem sah es nicht vor. Für einen bestimmten Zeitraum konnte der Kriegszustand durch einen Waffenstillstand, eine sogenannte hudna, eingestellt werden. Die Dauer solcher Verträge ist in den Rechtsschulen nicht einstimmig festgelegt. Von den Hanafiten abgesehen darf nach jeder Rechtsschule ein solcher Vertrag nur temporäre Geltung besitzen.

Ausschlaggebend für das Konzept der hudna ist unter anderem Sure 9, Vers 1, in der „eine bindende Abmachung“ mit den Heiden erwähnt wird …:

„Eine Aufkündigung (…) von seiten Gottes und seines Gesandten (gerichtet) an diejenigen von den Heiden (…), mit denen ihr eine bindende Abmachung eingegangen habt (…)“

Übersetzung nach Paret

… sowie Sure 8, Vers 61:

„Und wenn sie (d. h. die Feinde) sich dem Frieden zuneigen, dann neige (auch du) dich ihm zu (und laß vom Kampf ab)! Und vertrau auf Gott! Er ist der, der (alles) hört und weiß.“

Übersetzung nach Paret

Ferner war der 628 geschlossene Vertrag Mohammeds mit den Mekkanern bei al-Hudaibiya, bei dem ein zwei-, nach anderen Quellen ein zehnjähriges Waffenstillstandsabkommen abgeschlossen wurde, von entsprechender Bedeutung.

Aman

Einem außerhalb des islamischen Herrschaftsbereichs lebenden Nichtmuslim ist es möglich, durch einen sogenannten aman, eine Schutzerklärung eines Muslims, als Musta'min auf islamischem Gebiet ohne jegliche Steuerverpflichtungen zu verweilen, solange er dort keine permanente Residenz begründet. Als rechtliche Grundlage dient hierfür Sure 9, Vers 6:

„Und wenn einer von den Heiden dich um Schutz angeht, dann gewähre ihm Schutz, damit er das Wort Gottes hören kann! Hierauf laß ihn (unbehelligt) dahin gelangen, wo er in Sicherheit ist! Dies (sei ihnen zugestanden), weil es Leute sind, die nicht Bescheid wissen.“

Übersetzung nach Paret; vgl. 16:112

Dschihad und Glaubensfreiheit

Dem Angriff gegen den nichtmuslimischen Feind ging das Angebot voraus, zum Islam überzutreten oder einen Dhimma-Vertrag zu schließen. Eine Zwangsbekehrung zum Islam sieht die Dschihadlehre nicht als Zweck des Kampfes an. Die in Sure 2, Vers 256 formulierte Norm „In der Religion gibt es keinen Zwang“, die einigen klassischen Korankommentaren zufolge durch spätere Koranverse wie den Schwertvers abrogiert worden ist, und die Dschihad-Theorie vom bewaffneten Kampf gegen Ungläubige schließen sich gegenseitig nicht zwangsläufig aus, da den Nichtmuslimen Religionsfreiheit nach ihrer Niederlage gewährt werden konnte. Klassische Korankommentatoren, die den Vers nicht als abrogiert ansahen, tendierten dazu, zu argumentieren, dass sich der Vers nur auf die Schriftbesitzer beziehe, denen die Möglichkeit offenstand, als Dhimmis unter muslimischer Autorität zu leben, ohne zum Islam zu konvertieren.

Der Dschihad zwecks Konversion beschränkte sich lediglich auf die frühislamische Zeit, auf die Unterwerfung der arabischen Stämme zur Zeit Mohammeds und kurz nach seinem Tode. Diese Auffassung im klassischen islamischen Recht war zwar nicht unumstritten, jedoch wird sie in der Moderne im Allgemeinen als geltende Norm akzeptiert.

Der tunesische Gelehrte und Koranexeget Tahir ibn Āschūr (1879–1970) harmonisiert den Inhalt der Sure 2:256 und die religiösen Pflicht des Dschihad wie folgt: Der Vers sei zur Zeit nach der Eroberung Mekkas 630 n. Chr. offenbart worden und abrogiere alle Verse und Prophetensprüche, denen zufolge das Kriegsziel die Konversion der Bekämpften sei. Seit der Offenbarung dieses Verses habe sich das Kriegsziel dahingehend geändert, dass es nicht mehr die Konversion, sondern die Unterwerfung der Bekämpften und ihre Akzeptanz islamischer Dominanz ist. Einen ähnlichen Standpunkt vertrat der syrische Gelehrte al-Qāsimī (1866–1914).

Siehe auch

  • Gerechter Krieg
  • Heiliger Krieg
  • ʿAbdallāh ibn al-Hurr al-Qaisī
  • Cihat (türkischer Vorname mit nahezu identischer Aussprache)
  • El Dschihad (Propagandazeitung im Ersten Weltkrieg)

Literatur

zum Dschihadkonzept selbst
  • Rüdiger Lohlker: Dschihadismus: Materialien (= Islamica; Utb-studi-e-book; UTB, 3132). E-book, 1. Auflage, UTB, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8252-3132-3.
  • Mathias von Bredow: Der Heilige Krieg (ǧihād) aus der Sicht der mālikitischen Rechtsschule. Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06557-1.
  • Ella Landau-Tasseron: Is Jihād comparable to just war? A review article in Jerusalem Studies in Arabic and Islam. Band 34, 2008, S. 535–550.
  • Reuven Firestone: Jihād. In: Andrew Rippin (Hrsg.): The Blackwell Companion to the Qur’an. Blackwell Publications, Malden MAS 2006, ISBN 978-1-4051-1752-4, S. 308–320.
  • Peter Heine: Terror in Allahs Namen. Extremistische Kräfte im Islam. Herder, Freiburg 2001, ISBN 3-451-05240-7, S. 17–30 (Dschihâd).
  • Reuven Firestone: Jihād: The Origin of Holy War in Islam. Oxford University Press, New York 1999, ISBN 978-0-19-512580-1. (Voransicht auf GoogleBooks).
  • Patrick Franke: Rückkehr des Heiligen Krieges? Dschihad-Theorien im modernen Islam in André Stanisavljevic und Ralf Zwengel (Hrsg.): Religion und Gewalt. Der Islam nach dem 11. September. Mostar Friedensprojekt e.V., Potsdam 2002, ISBN 978-3-00-009936-6, S. 47–68.
  • Paul L. Heck: Jihad Revisited. In: Journal of Religious Ethics. Nr. 32, 2004, S. 95–128, doi:10.1111/j.0384-9694.2004.00156.x.
  • Alfred Morabia: Le Gihad dans l’Islam médiéval. Le „combat sacré“ des origines au XIIe siècle. Éditions Albin Michel, Paris 1993. (Voransicht auf Google Books)
  • Rudolph Peters: Islam and colonialism: the doctrine of Jihad in modern history (= Religion and society. Band 20; Zugleich Dissertation, Amsterdam 1979). Mouton, 's-Gravenhage 1980, ISBN 978-90-279-3347-8. (Voransicht auf GoogleBooks).
  • Rudolph Peters: Jihad in Classical and Modern Islam: a reader. Markus Wiener, Princeton 1996, ISBN 978-1-55876-109-4.
  • Oskar Rescher: Beiträge zur Dschihâd-Literatur. Heft II: Die Dschihâd-Traditionen aus dem Kenz el-ummâl. Stuttgart 1920.
  • Oskar Rescher: Das Kapitel über den Dschihâd aus Ibn Tûmert’s Kitâb. Aus dem Arabischen übersetzt (= Beiträge zur Dschihâd-Literatur. Heft 3). W. Heppeler, Stuttgart 1921.
  • Emile Tyan: Art. „Djihād“ In The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band II, S. 538a–540a.
  • Ruth Wechsel, Muḥammad ibn ʻAbd Allāh Ibn Abī Zamanayn: Das Buch Qidwat al-ġāzī. Ein Beitrag zur Geschichte der ǧihād-Literatur. Inaugurations-Dissertation, Universität Bonn, Bonn 1970.
zu angrenzenden Fragen
  • Rüdiger Lohlker: Theologie der Gewalt: Das Beispiel IS. Facultas, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-8252-4648-8.
  • Elhakam Sukhni: Das gezielte Töten von Zivilisten und Nichtkombattanten im salafitisch-ǧihādistischen Diskurs. In: Rauf Ceylan, Benjamin Jokisch (Hrsg.): Salafismus in Deutschland. Entstehung, Radikalisierung und Prävention. Frankfurt a. M. 2014.
  • Muhammad Hamidullah: The Muslim Conduct of State: being a treatise on siyar, that is Islamic notion of public international law, consisting of the laws of peace, war and neutrality, together with precedents from orthodox practice and preceded by a historical and general introduction. Ashraf Printing Press, Lahore 1987. S. 159–280 (Voransicht auf GoogleBooks)
  • Majid Khadduri: War and Peace in the Law of Islam. Lawbook Exchange, Clark NJ 2007, ISBN 978-1-58477-695-6, S. 51–140 (Voransicht auf GoogleBooks).
  • Albrecht Noth: Heiliger Krieg und Heiliger Kampf in Islam und Christentum (= Bonner historische Forschungen. Band 28). Röhrscheid, Bonn 1966.
  • Adel Théodore Khoury: Was sagt der Koran zum Heiligen Krieg? (=Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern. Band 789). Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, ISBN 978-3-579-00789-2.
  • Albrecht Noth: Glaubenskriege des Islam im Mittelalter. In: Herrmann (Hrsg.): Glaubenskriege in Vergangenheit und Gegenwart. Referate, gehalten auf dem Symposium der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften, Hamburg, am 28. und 29. Oktober 1994 (= Veröffentlichung der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg. Nr. 83). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 978-3-525-86272-8, S. 109–122.
  • Fred M. Donner: The Sources of Islamic Conceptions of War. In: John Kelsay und James Turner Johnson (Hrsg.): Just War and Jihad: Historical and Theoretical Perspectives on War and Peace in Western and Islamic Traditions. Greenwood Press, New York 1991, ISBN 978-0-313-27347-6, S. 31–70.
  • John Kelsay: Arguing the Just War in Islam. Harvard University Press, Cambridge MAS 2007, ISBN 978-0-674-02639-1. (Voransicht auf GoogleBooks)
  • William Montgomery Watt: Islamic Conceptions of the Holy War. In: Thomas Patrick Murphy: The Holy War. Ohio State University Press, Columbus 1974, ISBN 978-0-8142-0245-6, S. 141–156. (Online verfügbar).

Weblinks

Wiktionary: Dschihad – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Primärliteratur
Sekundärliteratur

Einzelnachweise und andere Anmerkungen