Nystagmus

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Nystagmus
Andere NamenTanzende Augen
Optokinetic nystagmus.gif
Horizontaler optokinetischer Nystagmus, eine normale (physiologische) Form des Nystagmus
FachgebietNeurologie, Ophthalmologie, Optometrie

Nystagmus ist ein Zustand unwillkürlicher (oder in manchen Fällen freiwilliger) Augenbewegungen. Er kann von Geburt an vorhanden sein, wird aber meist schon im Säuglingsalter oder später im Leben erworben. In vielen Fällen kann dies zu einer verminderten oder eingeschränkten Sehkraft führen. Aufgrund der unwillkürlichen Augenbewegungen wird es auch als "tanzende Augen" bezeichnet.

Bei normalem Sehvermögen wird der Kopf um eine Achse gedreht, während weit entfernte Bilder durch die Drehung der Augen in die entgegengesetzte Richtung der jeweiligen Achse aufrechterhalten werden. Die Bogengänge im Vestibulum des Ohrs nehmen die Winkelbeschleunigung wahr und senden Signale an die Kerne für die Augenbewegung im Gehirn. Von dort wird ein Signal an die extraokulare Muskulatur weitergeleitet, damit der Blick bei der Bewegung des Kopfes auf ein Objekt fixiert werden kann. Nystagmus tritt auf, wenn die Bogengänge bei unbeweglichem Kopf stimuliert werden (z. B. durch den kalorischen Test oder durch eine Krankheit). Die Richtung der Augenbewegung hängt mit dem stimulierten Bogengang zusammen.

Es gibt zwei Hauptformen des Nystagmus: den pathologischen und den physiologischen Nystagmus, mit Variationen innerhalb jeder Form. Nystagmus kann durch angeborene Störungen oder Schlafentzug, erworbene oder Störungen des zentralen Nervensystems, Toxizität, Arzneimittel, Alkohol oder Drehbewegungen verursacht werden. Früher galt Nystagmus als unbehandelbar, doch in den letzten Jahren wurden mehrere Medikamente zur Behandlung von Nystagmus entwickelt. Nystagmus tritt gelegentlich auch in Verbindung mit Schwindel auf.

Klassifikation nach ICD-10
H55 Nystagmus und sonstige abnorme Augenbewegungen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Nystagmus (aus altgriechisch νυσταγμός nystagmos ‚Schläfrigkeit‘, zu νυστάζειν nystazein ‚nicken‘, ‚schlummern‘) bezeichnet die unkontrollierbaren, rhythmischen Bewegungen eines Organs, üblicherweise der Augen (okulärer Nystagmus), so dass unter Nystagmus in der Regel ein sogenanntes Augenzittern verstanden wird. Er kommt physiologisch oder pathologisch vor, z. B. als typisches Symptom des Schwindels oder alkoholinduzierter Lagerungsnystagmus. Grundsätzlich wird ein krankhafter Nystagmus unterschieden in einen „Rucknystagmus“, der eine langsame Initial- und eine schnelle Rückstellbewegung aufweist, sowie einen „Pendelnystagmus“ ohne erkennbare Geschwindigkeitsunterschiede in der Hin- und Herbewegung. Mit Frequenz und Amplitude werden zudem die Häufigkeit und das Ausmaß des Ausschlags beschrieben. Schlagrichtung und Ausprägung können in Abhängigkeit von der aktuellen Blickrichtung variieren. Am häufigsten sind horizontale Schlagmuster, jedoch kommen auch vertikale und rotatorische Formen vor.

Ursachen

Die Ursache des pathologischen Nystagmus kann angeboren, idiopathisch oder sekundär zu einer vorbestehenden neurologischen Störung sein. Er kann auch vorübergehend durch Desorientierung (z. B. bei Achterbahnfahrten oder wenn sich eine Person im Kreis gedreht hat) oder durch bestimmte Drogen (Alkohol, Lidocain und andere das zentrale Nervensystem dämpfende Mittel, Inhalationsdrogen, Aufputschmittel, Psychedelika und dissoziative Drogen) ausgelöst werden.

Früh einsetzender Nystagmus

Beispiel für einen kongenitalen (früh einsetzenden) Nystagmus

Ein früh einsetzender Nystagmus tritt häufiger auf als ein erworbener Nystagmus. Er kann inselartig sein oder mit anderen Störungen einhergehen (z. B. mikro-ophthalmische Anomalien oder Down-Syndrom). Der früh einsetzende Nystagmus selbst ist in der Regel mild und nicht progredient. Die Betroffenen sind sich ihrer spontanen Augenbewegungen in der Regel nicht bewusst, doch kann das Sehvermögen je nach Schweregrad der Augenbewegungen beeinträchtigt sein.

Zu den Arten des früh einsetzenden Nystagmus gehören die folgenden, zusammen mit einigen ihrer Ursachen:

  • Infantil:
    • Albinismus
    • Aniridie
    • Beidseitiger angeborener Katarakt
    • Beidseitige Hypoplasie des Sehnervs
    • Idiopathisch
    • Lebersche kongenitale Amaurose
    • Erkrankung des Sehnervs oder der Makula
    • Persistierende Tunica vasculosa lentis
    • Stäbchen-Monochromatismus
    • Visuell-motorisches Syndrom des funktionellen Monophthalmus
  • Latenter Nystagmus
  • Noonan-Syndrom
  • Nystagmus-Blockade-Syndrom

Der X-chromosomale infantile Nystagmus wird mit Mutationen des Gens FRMD7 in Verbindung gebracht, das sich auf dem X-Chromosom befindet.

Der infantile Nystagmus steht auch mit zwei X-chromosomalen Augenkrankheiten in Verbindung, der vollständigen kongenitalen stationären Nachtblindheit (CSNB) und der unvollständigen CSNB (iCSNB oder CSNB-2), die durch Mutationen in einem von zwei Genen auf dem X-Chromosom verursacht werden. Bei CSNB werden Mutationen in NYX (Nyctalopin) gefunden. Bei CSNB-2 handelt es sich um Mutationen von CACNA1F, einem spannungsgesteuerten Kalziumkanal, der bei Mutationen keine Ionen leitet.

Erworbener Nystagmus

Ein Nystagmus, der später in der Kindheit oder im Erwachsenenalter auftritt, wird als erworbener Nystagmus bezeichnet. Die Ursache ist oft unbekannt oder idiopathisch und wird daher als idiopathischer Nystagmus bezeichnet. Weitere häufige Ursachen sind Erkrankungen und Störungen des zentralen Nervensystems, Stoffwechselstörungen sowie Alkohol- und Drogenvergiftung. Bei älteren Menschen ist der Schlaganfall die häufigste Ursache.

Allgemeine Krankheiten und Zustände

Einige der Krankheiten, bei denen Nystagmus als pathologisches Zeichen oder Symptom auftritt, sind die folgenden

  • Aniridie
  • gutartiger paroxysmaler Lagerungsschwindel
  • Hirntumore (Medulloblastom, Astrozytom oder andere Tumore in der hinteren Schädelgrube)
  • Canavan-Krankheit
  • COVID-19
  • Kopftrauma
  • Laterales medulläres Syndrom
  • Ménière-Krankheit und andere Gleichgewichtsstörungen
  • Multiple Sklerose
  • Hypoplasie des Sehnervs
  • Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit
  • Dehiszenzsyndrom des oberen Gehörgangs
  • Tullio-Phänomen
  • Whipple-Krankheit

Toxizität oder Intoxikation, Stoffwechselstörungen und Kombinationen

Quellen der Toxizität, die zu Nystagmus führen können:

Thiaminmangel

Zu den Risikofaktoren für Thiaminmangel oder Beri Beri gehören eine Ernährung mit überwiegend weißem Reis sowie Alkoholismus, Dialyse, chronischer Durchfall und die Einnahme hoher Dosen von Diuretika. In seltenen Fällen kann eine genetische Veranlagung vorliegen, die zu Schwierigkeiten bei der Aufnahme von Thiamin aus der Nahrung führt. Wernicke-Enzephalopathie und Korsakoff-Syndrom sind Formen der trockenen Beriberi.

Erkrankungen und Störungen des zentralen Nervensystems (ZNS)

Bei Störungen des Zentralnervensystems, z. B. bei einem Kleinhirnproblem, kann der Nystagmus in jede Richtung, auch horizontal, verlaufen. Ein rein vertikaler Nystagmus hat seinen Ursprung in der Regel im Zentralnervensystem, ist aber auch eine unerwünschte Wirkung, die häufig bei hoher Phenytoin-Toxizität auftritt. Andere Ursachen der Toxizität, die zu Nystagmus führen können, sind unter anderem:

  • Hirnabszess (zerebellar)
  • Zerebelläre Ataxie
  • Chiari-Malformation
  • Multiple Sklerose
  • Schlaganfall
  • Thalamus-Blutung
  • Trauma
  • Tumor
  • Infantile zerebelläre Netzhautdegeneration

Andere Ursachen

  • Unphysiologische
  • Fehlfunktion des Trochlearisnervs
  • Vestibuläre Pathologie (Ménière-Krankheit, SCDS (Dehiszenzsyndrom des oberen Gehörgangs), BPPV, Labyrinthitis)
  • Exposition gegenüber starken Magnetfeldern (wie bei MRT-Geräten)
  • Langfristiger Lichtmangel, auch Bergmannsnystagmus genannt, nach den Bergleuten des 19. Jahrhunderts, die bei der Arbeit in der Dunkelheit einen Nystagmus entwickelten.
  • Eine leicht abweichende Form des Nystagmus kann von manchen Menschen freiwillig hervorgerufen werden.

Diagnose

Schnelles Sehen bei horizontalen Augenbewegungen
Schnelles vertikales Augenbewegungssehen

Nystagmus ist sehr auffällig, wird aber selten erkannt. Nystagmus kann mit einer Reihe von nicht-invasiven Standardtests klinisch untersucht werden. Der einfachste ist der kalorische Reflextest, bei dem ein Gehörgang mit warmem oder kaltem Wasser oder Luft gespült wird. Der Temperaturgradient führt zu einer Stimulation des horizontalen Bogengangs und damit zu einem Nystagmus. Nystagmus tritt sehr häufig bei Chiari-Malformation auf.

Die daraus resultierenden Augenbewegungen können mit einem speziellen Gerät, dem Elektronystagmographen (ENG), einer Form der Elektrookulographie (einer elektrischen Methode zur Messung der Augenbewegungen mit externen Elektroden), oder mit einem noch weniger invasiven Gerät, dem Videonystagmographen (VNG), einer Form der Videookulographie (VOG) (einer videobasierten Methode zur Messung der Augenbewegungen mit externen kleinen Kameras, die in Kopfmasken eingebaut sind), aufgezeichnet und quantifiziert werden, das von einem Audiologen angewendet wird. Spezielle Schwingstühle mit elektrischer Steuerung können verwendet werden, um einen Rotationsnystagmus auszulösen.

In den letzten vierzig Jahren wurden bei der Untersuchung des Nystagmus objektive Techniken zur Aufzeichnung der Augenbewegungen angewandt, und die Ergebnisse haben zu einer größeren Messgenauigkeit und einem besseren Verständnis der Erkrankung geführt.

Orthoptisten können auch eine optokinetische Trommel, die Elektrookulographie oder die Frenzel-Brille verwenden, um die Augenbewegungen eines Patienten zu beurteilen.

Nystagmus kann durch nachträgliches Fokussieren von sich bewegenden Objekten, Pathologie, anhaltende Rotation oder Substanzkonsum verursacht werden. Der Nystagmus ist nicht zu verwechseln mit anderen, oberflächlich betrachtet ähnlich aussehenden Augenbewegungsstörungen (sakkadische Oszillationen) wie dem Opsoklonus oder dem Augenflattern, die ausschließlich aus schnellphasigen (sakkadischen) Augenbewegungen bestehen, während der Nystagmus durch die Kombination eines sanften Verfolgens (smooth pursuit) gekennzeichnet ist, das in der Regel dazu dient, das Auge vom Brennpunkt zu entfernen, und von sakkadischen Bewegungen unterbrochen wird, die dazu dienen, das Auge wieder zum Ziel zu bringen. Ohne den Einsatz objektiver Aufzeichnungstechniken kann es sehr schwierig sein, zwischen diesen Zuständen zu unterscheiden.

In der Medizin kann das Vorhandensein von Nystagmus gutartig sein oder auf ein zugrunde liegendes visuelles oder neurologisches Problem hinweisen.

Pathologischer Nystagmus

Ein pathologischer Nystagmus ist gekennzeichnet durch "übermäßige Abweichungen von stationären Netzhautbildern, die das Sehvermögen beeinträchtigen und eine illusorische Bewegung der gesehenen Welt hervorrufen können: Oszillopsie (eine Ausnahme ist der angeborene Nystagmus)".

Wenn ein Nystagmus auftritt, ohne seine normale Funktion zu erfüllen, ist er pathologisch (abweichend vom gesunden oder normalen Zustand). Pathologischer Nystagmus ist das Ergebnis einer Schädigung eines oder mehrerer Bestandteile des vestibulären Systems, einschließlich der Bogengänge, der Ohrmuschelorgane und des Vestibulocerebellums.

Ein pathologischer Nystagmus verursacht in der Regel eine gewisse Beeinträchtigung des Sehvermögens, wobei der Schweregrad dieser Beeinträchtigung sehr unterschiedlich ist. Auch viele Blinde leiden unter Nystagmus, was ein Grund dafür ist, dass manche eine Dunkelbrille tragen.

Variationen

Ein Nystagmus kann dagegen auch krankhaften Ursprungs sein und gehört in diesem Fall zu der Gruppe der supranukleären Augenbewegungsstörungen. In diesem Fall tritt die Augenzuckung in Ruhe auf; zu ihrer Auslösung können allerdings vorher unter Umständen Provokationsbewegungen notwendig sein. Vor allem bestimmte Störungen in der Augenkontrolle bei Erkrankungen im Hirnstamm und Kleinhirn oder im vestibulären System, aber auch bestimmte Drogen wie Ecstasy lösen einen Nystagmus aus. Er ist in diesen Fällen Ausdruck einer Fehlkoordination zwischen zwei wichtigen physiologischen Sinnen: dem Gleichgewichtssinn und dem Sehen.

Der krankhafte Nystagmus kann in einen peripheren und einen zentralen Nystagmus unterteilt werden. Der periphere Nystagmus tritt bei einer Schädigung des Gleichgewichtsorgans (Vestibularorgan) oder des Nervus vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv) auf. Bei einem akuten Ausfall des Gleichgewichtsorgans einer Seite kann man den plötzlich eintretenden und dann mehrere Tage andauernden Ausfallnystagmus beobachten. Eine weitere Form des peripheren Nystagmus tritt beispielsweise beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel auf. Hier sind die Augenbewegungen nur von wenigen Minuten Dauer und von bestimmten Kopfbewegungen auslösbar. Der zentrale Nystagmus ist dagegen Folge einer Schädigung im Gehirn.

Pathologische Nystagmusformen findet man auch häufig bei Kleinkindern. Eine augenärztliche Untersuchung, möglichst bei einem Strabologen in der orthoptischen Fachabteilung einer Praxis oder Augenklinik, ist hier in jedem Fall angezeigt, da ein Nystagmus ein Anzeichen für das Vorliegen eines Albinismus oder anderer Augenerkrankungen sein kann. Häufig ist er Bestandteil des kongenitalen Schielsyndroms.

Je nach Form und Ausmaß des Nystagmus ist eine unterschiedlich ausgeprägte Verminderung der Sehschärfe bis hin zu einer hochgradigen Sehbehinderung die Folge.

Ein Nystagmus kann auch im Rahmen von Syndromen wie z. B. dem Karsch-Neugebauer-Syndrom auftreten.

Physiologischer Nystagmus

Der physiologische Nystagmus ist eine Form der unwillkürlichen Augenbewegung, die Teil des vestibulo-okularen Reflexes (VOR) ist und durch ein abwechselndes gleichmäßiges Verfolgen in eine Richtung und sakkadische Bewegungen in die andere Richtung gekennzeichnet ist.

Variationen

Die Richtung des Nystagmus wird durch die Richtung seiner schnellen Phase definiert (z. B. ist ein rechtsschlagender Nystagmus durch eine sich nach rechts bewegende schnelle Phase und ein linksschlagender Nystagmus durch eine sich nach links bewegende schnelle Phase gekennzeichnet). Die Oszillationen können in der vertikalen, horizontalen oder torsionalen Ebene oder in einer beliebigen Kombination auftreten. Der daraus resultierende Nystagmus wird oft als grobe Beschreibung der Bewegung bezeichnet, z. B. Downbeat-Nystagmus, Upbeat-Nystagmus, Wipp-Nystagmus, periodischer Wechselnystagmus.

Diese beschreibenden Bezeichnungen können jedoch irreführend sein, da viele von ihnen historisch ausschließlich auf der Grundlage der subjektiven klinischen Untersuchung vergeben wurden, die nicht ausreicht, um die tatsächliche Bewegungsbahn der Augen zu bestimmen.

  • Optokinetischer (syn. optikokinetischer) Nystagmus: ein Nystagmus, der durch das Betrachten sich bewegender visueller Reize ausgelöst wird, z. B. bewegte horizontale oder vertikale Linien und/oder Streifen. Fixiert man beispielsweise einen Streifen einer sich drehenden Trommel mit abwechselndem Schwarz und Weiß, zieht sich der Blick zurück und fixiert einen neuen Streifen, während sich die Trommel bewegt. Dabei handelt es sich zunächst um eine Drehung mit der gleichen Winkelgeschwindigkeit, dann kehrt er in einer Sakkade in die entgegengesetzte Richtung zurück. Dieser Vorgang setzt sich unendlich fort. Dies ist der optokinetische Nystagmus und eine Quelle für das Verständnis des Fixationsreflexes.
  • Postrotatorischer Nystagmus: Wenn man sich kontinuierlich auf einem Stuhl dreht und plötzlich anhält, verläuft die schnelle Phase des Nystagmus in die entgegengesetzte Richtung der Drehung, was als "postrotatorischer Nystagmus" bezeichnet wird, während die langsame Phase in die Richtung der Drehung verläuft.

Die Untersuchung erfolgt in der Regel auf einem Drehstuhl. Es kommt hierbei zu einer langsamen horizontalen Augenbewegung gegen die Drehrichtung, gefolgt von schnellen Rückstellbewegungen in Drehrichtung, um ein neues Objekt, wie oben beschrieben, auf der Fovea centralis abzubilden. Der vestibuläre Nystagmus (auch vestibulo-okulärer Reflex) verläuft also mit der Drehrichtung. Mit Abbremsen des Drehstuhl kommt es hingegen (aufgrund der Trägheit der Endolymphe in den Bogengängen) zu einem postrotatorischen, der ursprünglichen Rotationsrichtung entgegengesetzten Nystagmus: Bei einer Rechtsdrehung kommt es demnach anfangs zu einem Rechts-Nystagmus, der mit Beendigung der Drehung in einen Links-Nystagmus übergeht. Dieser Nystagmus kann ebenso wie der unten beschriebene kalorische Nystagmus auch beim Gesunden beobachtet werden, wenn ihm durch die Frenzel-Brille die Möglichkeit zur Fixation genommen wurde.

Vestibuläre Kompensationsbewegungen sind also ein Ergebnis von schnellen, kurzfristigen Drehbewegungen des Kopfes, während der optokinetische Nystagmus durch anhaltende, langsame Kopfbewegungen ausgelöst wird. Das vestibuläre und optokinetische System bilden somit untereinander eine ideale Ergänzung zur Bildstabilisierung.

Behandlung

Der angeborene Nystagmus galt lange Zeit als unbehandelbar, aber in den letzten Jahren wurden Medikamente entdeckt, die bei einigen Patienten vielversprechend sind. Im Jahr 1980 entdeckten Forscher, dass ein Medikament namens Baclofen den periodischen Wechselnystagmus stoppen kann. Später führte Gabapentin, ein Antikonvulsivum, bei etwa der Hälfte der Patienten, die es einnahmen, zu einer Besserung. Zu den anderen Medikamenten, die sich bei einigen Patienten als wirksam gegen Nystagmus erwiesen haben, gehören Memantin, Levetiracetam, 3,4-Diaminopyridin (in den USA für berechtigte Patienten mit Downbeat-Nystagmus im Rahmen eines Programms für erweiterten Zugang kostenlos erhältlich), 4-Aminopyridin und Acetazolamid. Verschiedene therapeutische Ansätze wie Kontaktlinsen, Medikamente, chirurgische Eingriffe und Rehabilitation bei Sehschwäche wurden ebenfalls vorgeschlagen. So wurde beispielsweise vorgeschlagen, dass eine Mini-Teleskopbrille den Nystagmus unterdrückt.

Die chirurgische Behandlung des angeborenen Nystagmus zielt darauf ab, die Kopfhaltung zu verbessern, eine künstliche Divergenz zu simulieren oder die horizontalen Recti-Muskeln zu schwächen. Klinische Versuche mit einem chirurgischen Eingriff zur Behandlung des Nystagmus (der so genannten Tenotomie) wurden im Jahr 2001 abgeschlossen. Die Tenotomie wird inzwischen in zahlreichen Zentren in aller Welt regelmäßig durchgeführt. Die Operation zielt darauf ab, die Augenschwingungen zu reduzieren, was wiederum zu einer Verbesserung der Sehschärfe führt.

Tests mit Akupunktur haben widersprüchliche Beweise für ihre positive Wirkung auf die Symptome des Nystagmus erbracht. Vorteile wurden bei Behandlungen beobachtet, bei denen Akupunkturpunkte im Nackenbereich, insbesondere am Musculus sternocleidomastoideus, verwendet wurden. Zu den Vorteilen der Akupunktur bei der Behandlung von Nystagmus gehören eine Verringerung der Frequenz und eine Verringerung der langsamen Phasengeschwindigkeiten, was zu einer Verlängerung der Foveationsdauer sowohl während als auch nach der Behandlung führte. Nach den Maßstäben der evidenzbasierten Medizin ist die Qualität dieser Studien mangelhaft (die Studie von Ishikawa beispielsweise hatte eine Stichprobengröße von sechs Probanden, war unverblindet und enthielt keine geeigneten Kontrollen), und angesichts der qualitativ hochwertigen Studien, die zeigen, dass Akupunktur keine über Placebo hinausgehende Wirkung hat, müssen die Ergebnisse dieser Studien als klinisch irrelevant betrachtet werden, bis Studien von höherer Qualität durchgeführt werden.

Auch Physio- oder Ergotherapie wird zur Behandlung von Nystagmus eingesetzt. Die Behandlung besteht darin, Strategien zu erlernen, um das beeinträchtigte System zu kompensieren.

In einem im Juni 2017 aktualisierten Cochrane-Review zu Interventionen bei Augenbewegungsstörungen aufgrund von erworbenen Hirnverletzungen wurden drei Studien zu pharmakologischen Interventionen bei erworbenem Nystagmus identifiziert, die jedoch zu dem Schluss kamen, dass diese Studien keine ausreichenden Belege für die Wahl der Behandlung liefern.

Die Möglichkeiten einer Behandlung sind abhängig von Art, Ursache und Ausmaß des Nystagmus und seiner Kompensationsmechanismen (so vorhanden). Man wird in erster Linie bestrebt sein, die Sehschärfe zu verbessern und die Neutralzone in das Gebrauchsblickfeld – im Idealfall in die Primärposition – zu verlagern. Möglichkeiten hierzu bestehen in der Anpassung von Prismengläsern, jedoch in der Regel durch die Ausführung einer oder mehrerer Augenmuskeloperationen, die zudem eine deutliche Reduzierung einer ggf. bestehenden Kopfzwangshaltung anstreben. Wird zur relativen Nystagmusberuhigung eine Konvergenzbewegung genutzt, kann auch dies in einigen Fällen operativ umgesetzt werden, wenn ein brauchbares Binokularsehen besteht.

Durch eine medikamentöse Behandlung mit Gabapentin oder Memantin konnten in kleineren Studien positive Resultate erzielt werden. In einer Fallstudie konnte ebenfalls gezeigt werden, dass Cannabiskonsum bei kongenitalem Nystagmus während der Wirkungsdauer die Intensität des Augenzitterns verringern und damit die Sehschärfe erhöhen kann.

Epidemiologie

Nystagmus ist eine relativ häufige klinische Erkrankung, von der eine von mehreren tausend Personen betroffen ist. Eine in Oxfordshire, Vereinigtes Königreich, durchgeführte Untersuchung ergab, dass im Alter von zwei Jahren bei einem von 670 Kindern ein Nystagmus auftrat. Die Autoren einer anderen Studie im Vereinigten Königreich schätzten die Inzidenz auf 24 von 10.000 (ca. 0,240 %), wobei sie feststellten, dass die Rate bei weißen Europäern offenbar höher ist als bei Personen asiatischer Herkunft.

Strafverfolgung

In den Vereinigten Staaten gehört der Test auf horizontalen Blick-Nystagmus zu einer Reihe von Nüchternheitstests, die von Polizeibeamten eingesetzt werden, um festzustellen, ob ein Verdächtiger unter Alkoholeinfluss gefahren ist. Bei diesem Test wird die Pupille des Verdächtigen beobachtet, während sie einem sich bewegenden Objekt folgt, wobei Folgendes festgestellt wird

  1. Fehlen einer gleichmäßigen Verfolgung,
  2. deutlicher und anhaltender Nystagmus bei maximaler Abweichung und
  3. das Einsetzen des Nystagmus vor einem Winkel von 45 Grad.

Der Horizontal-Blick-Nystagmus-Test ist stark kritisiert worden, und es wurden erhebliche Fehler in der Testmethodik und -analyse festgestellt. Die Gültigkeit des Horizontal-Blick-Nystagmus-Tests als Nüchternheitstest im Feld bei Personen mit einem Blutalkoholspiegel zwischen 0,04 und 0,08 wird jedoch durch von Fachleuten überprüfte Studien gestützt, und es wurde festgestellt, dass er einen genaueren Hinweis auf den Blutalkoholgehalt liefert als andere Standard-Nüchternheitstests im Feld.

Physiologischer Nystagmus

Optokinetischer Nystagmus

Der physiologische Nystagmus dient dazu, das durch die Linse projizierte Bild so konstant auf der Netzhaut zu halten, dass eine Wahrnehmung möglich ist. Sowohl Bewegungen des betrachteten Objekts als auch Eigenbewegungen des Auges, des Kopfes und des gesamten Organismus im Raum führen zu Bewegungen des Lichtreizes auf der Netzhaut. Wenn die Winkelgeschwindigkeit dieser Lichtreflexe zu groß wird (>5°/s), kann das Bild nicht mehr scharf wahrgenommen werden. Bei Augen mit einer Retina wie beim Menschen ist es darüber hinaus sinnvoll, den Fokus stets im Bereich des schärfsten Sehens (Fovea centralis) zu halten (siehe dazu Blickbewegung). Ein Beispiel für einen physiologischen Nystagmus ist der optokinetische Nystagmus, der auftritt, wenn sich Wahrnehmungsobjekte relativ zur Netzhaut kontinuierlich bewegen, etwa beim Blick aus einem fahrenden Zug.

Formen

Man unterscheidet den Rucknystagmus, der in Schlagrichtung eine schnellere Phase aufweist, vom selteneren Pendelnystagmus, der durch eine gleichbleibende Frequenz und das Fehlen einer eindeutigen Schlagrichtung gekennzeichnet ist. In den meisten Fällen tritt ein horizontales Augenzittern auf, jedoch existieren auch vertikale und rotatorische Formen.

Blickhalteschwäche

Es sind blickrichtungsabhängige Formen des Nystagmus bekannt, denen zugrunde liegt, dass ein Innervations-Impuls nicht auf einem konstanten Level gehalten werden kann. Je nach Ursache und Ausmaß unterscheidet man:

  • Endstellungsnystagmus (geringe Ausprägung, tritt erst jenseits von 35° Blickwendung auf und wird noch nicht als krankhaft gewertet)
  • Blickrichtungsnystagmus (mittlere Ausprägung, tritt bereits bei Deviationen unter 35° auf)
  • blickparetischer Nystagmus (schwere Ausprägung mit Rückdrift in der langsamen Phase bis zur Mitte).

Blickhalteschwächen sind nicht zu verwechseln mit Blicklähmungen, bei denen bereits der für rasche Augenbewegungen notwendige Innervations-Impuls gestört ist. Die Ursachen sind unterschiedlich und reichen von medikamentösen Auslösern (z. B. Antiepileptika oder Beruhigungsmittel) bis hin zu Schäden des Hirnstamms oder des Kleinhirns.

Spontannystagmus

Diese Form des Nystagmus tritt ohne eine Provokation des Gleichgewichtsinnes oder ohne Darbieten eines Fixationsreizes auf. Zu Untersuchungszwecken eignet sich deshalb die sogenannte Frenzelbrille. Es wird hierbei unterschieden zwischen peripherer und zentraler Störung.

Fixationsnystagmus

Im Gegensatz zum vestibulären Spontannystagmus wird ein Fixationsnystagmus durch visuelle Reize nicht gebremst, sondern schlägt ungehindert weiter, in manchen Fällen sogar verstärkt.

Kongenitaler Nystagmus

Der kongenitale Nystagmus tritt in der Regel erst ab dem 2. bis 3. Lebensmonat auf und kann sich in den folgenden Wochen zum Teil drastisch verstärken. Visuelle Zuwendungen sind häufig kaum erkennbar. Man geht bei der Beurteilung von folgenden Charakteristika aus:

  • das Zittern wird durch Fixation nicht gebremst, sondern eher noch verstärkt
  • die Schlagform ist pathologisch
  • die Schlagebene ist meist horizontal, auch bei Blick nach oben oder unten
  • die Intensität (Frequenz und Amplitude) ändert sich mit der Blickrichtung
  • in der Nähe besteht häufig eine (relative) Nystagmusberuhigung
  • der optokinetische Nystagmus ist deutlich gestört.

Darüber hinaus zeigte eine wissenschaftliche Studie eine mit rund 85 % deutlich höhere Prävalenz von Astigmatismus > 1,25 dpt bei Personen mit einem kongenitalen Nystagmus als bei Normalpersonen.

Okulärer Nystagmus

Okulärer Nystagmus wird durch Störungen im visuellen System, welche ein normales Fixationsverhalten nicht zulassen, verursacht. In Frage kommen hierbei z. B. organische Ursachen wie Linsentrübungen oder Aniridie.

Latenstyp-Nystagmus

Ein Latenstyp-Nystagmus oder auch „Nystagmus vom Latenstyp“ (früher: latenter Nystagmus oder Nystagmus latens) ist dadurch charakterisiert, dass seine Schlagrichtung bei Fixation mit dem rechten Auge nach rechts weist, bei Fixation mit dem linken Auge jedoch nach links. Durch das Abdecken eines Auges verstärkt er sich häufig noch bzw. wird dann erst auffällig sichtbar. Ein „latenter Nystagmus“ oder „Nystagmus latens“ weist zwar dieselben Merkmale hinsichtlich der Schlagrichtung auf, wird jedoch in aller Regel kompensiert und ist erst sichtbar, wenn das beidäugige Sehen (Binokularsehen) unterbrochen wird.

Erworbener Fixationsnystagmus

Diese Form des Nystagmus kommt häufig bei der Multiplen Sklerose vor und ist dem kongenitalen Nystagmus sehr ähnlich. Auch zerebrale Durchblutungsstörungen und Angiome können ein Auslöser sein. Auch bei der Lepra ist der Nystagmus ein bereits im Mittelalter bekanntes Symptom.

Spasmus nutans

Klassifikation nach ICD-10
F98.4 Stereotype Bewegungsstörungen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Der Spasmus nutans ist eine Nystagmusform, die irgendwann im ersten Lebensjahr auftritt und nach einer Dauer von etwa ein bis zwei Jahren spontan wieder verschwindet. Die Ursachen hierfür sind bislang nicht bekannt. Häufig weist der Spasmus nutans eine wesentlich höhere Frequenz als ein kongenitaler Nystagmus auf. Auch ist die Ausprägung am rechten und linken Auge oft unterschiedlich. Zudem funktioniert die optokinetische Reaktion, was eine Klassifizierung als Fixationsnystagmus in Frage stellt.

Kompensationsmechanismen

Relative Beruhigungen eines Nystagmus sind in manchen Fällen durch Kompensationsmechanismen möglich, zum Beispiel beim Blick in die Nähe (Konvergenz, Akkommodation) oder durch Einnahme einer Kopfzwangshaltung, bspw. eine häufig entgegengesetzt der Schlagrichtung eingenommene Kopfdrehung. Die Blickrichtung, bei der der Nystagmus am ruhigsten und somit der Visus am höchsten ist, nennt man Neutralzone. Ein häufiger Kompensationsmechanismus des Spasmus nutans besteht in einem sogenannten head nodding, einem Kopfwackeln, dessen Frequenz jedoch in der Regel deutlich unter der des Nystagmus liegt.

Beziehungen zu frühkindlichem Schielen

Während Patienten mit kongenitalem Nystagmus nur selten ein Schielen (Strabismus) aufweisen, findet sich bei einem Nystagmus vom Latenstyp fast immer auch ein frühkindlicher Strabismus, meist in Form eines ausgeprägten Innenschielens. Ein Erklärungsversuch dieser Korrelation bestand früher darin, dass man das Schielen als Versuch wertete, den Nystagmus zu beruhigen, weshalb der Begriff des Nystagmusblockierung-Syndroms gefunden wurde. Da jedoch die ursächlichen Beziehungen zwischen Nystagmus und Strabismus bislang noch nicht gänzlich erforscht sind, bevorzugt man den Begriff des kongenitalen Schielsyndroms.

Diagnostik

Um einen Nystagmus genauer zu beschreiben, wird bei der Untersuchung durch den Augenarzt, Hals-Nasen-Ohrenarzt oder Neurologen die sogenannte Frenzel-Brille eingesetzt. Mittels Elektronystagmographie (ENG) kann die Augenbewegung und damit der Nystagmus aufgezeichnet und ausgewertet werden. Eine weitere apparative Untersuchungsmethode besteht in der Video-Okulographie.

Dokumentation

Zur grafischen Befunddokumentation eines Nystagmus gibt es ein Schema, aus dem unmittelbar der Nystagmustyp ersichtlich ist. Hierzu verwendet man verschiedene Pfeilsymbole zur Darstellung der Amplitude, Frequenz und Schlagrichtung. Diese werden in ein Grundschema bei den jeweiligen Blickrichtungen bzw. Primär- und Sekundärpositionen eingetragen. Besteht ein Rucknystagmus, wird die Pfeilspitze in Schlagrichtung gezeichnet, liegt ein Pendelnystagmus vor, so wird der Pfeil mit zwei Pfeilspitzen versehen.

Thermische Prüfung

Der kalorische Nystagmus wird ausgelöst mittels einer Reizung des Vestibularorgans durch das Einbringen von kaltem (22–27 °C) oder warmem (40–45 °C) Wasser in den äußeren Gehörgang. Dadurch ändert sich die Entladungsrate des Vestibularorgans, was vom Gehirn als Drehung interpretiert wird. Durch den sogenannten vestibulo-okulären Reflex (VOR) entsteht ein Rucknystagmus – bei Warmspülung in Richtung des gespülten Ohres, bei Kaltspülung zur Gegenseite. Merkspruch: „Heiß – homolateral, kalt – kontralateral“.

Bis vor einigen Jahren nahm man an, dass durch die Temperaturunterschiede eine Endolymphströmung induziert würde. Tatsächlich zeigte sich in Versuchen unter Ausschluss der Gravitation im Weltraum aber weiterhin ein Auftreten des kalorischen Nystagmus, wodurch eine andere, bisher unbekannte Ursache diese Reaktion bedingen muss.

Differenzierung

Ein Nystagmus ist nicht zu verwechseln mit Mikrosakkaden, Lokaladaption, einem okulären Tremor oder dem Blepharospasmus. Hierzu siehe die Artikel Augenbewegung und Obliquus-superior-Myokymie.