Waldenser

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Waldenser
Waldenser-Wappen.jpg
Waldensersymbol Lux lucet in tenebris ("Ein Licht leuchtet in der Finsternis")
KlassifizierungProto-Protestantisch
AusrichtungReformiert
TheologieTheologie von Peter Waldo und anderen waldensischen Theologen, heute auch die von Johannes Calvin und anderen reformierten Theologen
RegionItalien, Frankreich, Deutschland, Argentinien, Vereinigte Staaten, Uruguay und anderswo
BegründerPeter Waldo
Herkunftc. 1173
Lyon, Königreich Burgund-Arles im Heiligen Römischen Reich (heute Frankreich)
Getrennt von derkatholischen Kirche

Die Waldenser (auch bekannt als Waldenser (/wɔːlˈdɛnsz, wɒl-/), Vallenses, Valdesi oder Vaudois) sind Anhänger einer kirchlichen Tradition, die als asketische Bewegung innerhalb des westlichen Christentums vor der Reformation begann.

Ursprünglich als "Arme Männer von Lyon" bekannt, breitete sich die Bewegung im späten zwölften Jahrhundert in den Cottischen Alpen im heutigen Frankreich und Italien aus. Die Gründung der Waldenser wird Peter Waldo zugeschrieben, einem wohlhabenden Kaufmann, der um 1173 seinen Besitz verschenkte und apostolische Armut als Weg zur Vollkommenheit predigte. Die Lehren der Waldenser gerieten in Konflikt mit der katholischen Kirche, und 1215 wurden die Waldenser für ketzerisch erklärt, nicht weil sie die apostolische Armut predigten (die auch die Franziskaner predigten), sondern weil sie nicht bereit waren, die Vorrechte der örtlichen Bischöfe in Bezug auf den Inhalt ihrer Predigten anzuerkennen und auch nicht die Normen darüber, wer zum Predigen geeignet war. Papst Innozenz III. bot den Waldensern an, in die Kirche zurückzukehren, was viele taten und den Namen "Arme Katholiken" annahmen. Viele taten dies nicht und waren in den folgenden Jahrhunderten heftigen Verfolgungen, organisierter und allgemeiner Diskriminierung ausgesetzt. Im 16. Jahrhundert gingen die Waldenser unter dem Einfluss des frühen Schweizer Reformators Heinrich Bullinger in der protestantischen Bewegung auf. In mancher Hinsicht könnten die Waldenser des Mittelalters als Proto-Protestanten angesehen werden, aber sie erhoben meist nicht die lehrmäßigen Einwände, die für die protestantischen Führer des 16. Sie schlossen sich dem Protestantismus an: Mit den Beschlüssen von Chanforan am 12. September 1532 wurden sie formell Teil der calvinistischen Tradition. Sie sind Mitglied der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und der ihr weltweit angeschlossenen Organisationen. Im 17. Jahrhundert wurden sie fast ausgelöscht.

Die wichtigste Konfession innerhalb der Bewegung war die Waldenser-Evangelische Kirche, die ursprüngliche Kirche in Italien. Im Jahr 1975 fusionierte sie mit der Evangelisch-methodistischen Kirche zur Union der methodistischen und waldensischen Kirchen - einer mehrheitlich waldensischen Kirche mit einer Minderheit von Methodisten. Eine weitere große Gemeinde ist die Evangelische Waldenserkirche von Río de la Plata in Argentinien, Paraguay und Uruguay.

Auch in Europa (vor allem in der Region Piemont in Norditalien), Südamerika und Nordamerika sind Gemeinden aktiv. Organisationen wie die American Waldensian Society halten die Geschichte der Bewegung aufrecht und erklären ihre Mission als "Verkündigung des christlichen Evangeliums, Dienst an den Ausgegrenzten, Förderung der sozialen Gerechtigkeit, Unterstützung der interreligiösen Arbeit und Eintreten für die Achtung der religiösen Vielfalt und der Gewissensfreiheit".

Ein wichtiges Rückzugsgebiet waren die Waldensertäler in den Westalpen, im Piemont an der Grenze zu Savoyen. Doch auch dort kam es Ende des 17. Jahrhunderts zu Vertreibungen, in deren Folge in Südwestdeutschland und in Hessen mehrere Tausend Waldenser, vielfach in neuen Siedlungen, eine neue Heimat fanden.

Die Bezeichnung Waldenser wurde im Piemont, in Savoyen, Frankreich, in der Schweiz und in den Niederlanden oft zum Synonym nicht nur für Häretiker schlechthin, sondern von ihren Gegnern mit Hexen, Zauberern, Magiern und Astrologen in Teufelsdiensten gleichgedeutet.

Weltweit zählt die Evangelische Waldenserkirche heute etwa 98.000 Mitglieder, davon allein 47.500 in Italien, wo sie seit 1979 mit den Methodisten eine gemeinsame Kirche bilden, die Chiesa Evangelica Valdese (englisch Union of the Methodist and Waldensian Churches).

Historische Quellen

Statue von Peter Waldo am Lutherdenkmal in Worms

Das meiste moderne Wissen über die mittelalterliche Geschichte der Waldenser stammt fast ausschließlich aus den Aufzeichnungen und Schriften der römisch-katholischen Kirche, die sie auch als Ketzer verurteilte. Aufgrund der "Knappheit und Unverbundenheit der Dokumente, aus denen wir die Beschreibung der waldensischen Überzeugungen ableiten müssen", stammt ein Großteil dessen, was über die frühen Waldenser bekannt ist, aus Berichten wie dem Glaubensbekenntnis von Valdo von Lyon (1180), dem Liber antiheresis von Durando d'Osca (ca. 1187-1200) und dem Rescriptum der Konferenz von Bergamo (1218). Zu den früheren Dokumenten, die Informationen über die frühe Geschichte der Waldenser liefern, gehören das Testament von Stefano d'Anse (1187), die Manifestatio haeresis Albigensium et Lugdunensium (ca. 1206-1208) und die Anonyme Chronik von Lyon (ca. 1220). Es gibt auch zwei Berichte, die Reinerius Saccho (gest. 1259), ein ehemaliger Katharer, der zum Katholizismus konvertierte, für die Inquisition schrieb und die 1254 unter dem Titel Summa de Catharis et Pauperibus de Lugduno (Über die Katharer und die Armen von Lyon) veröffentlicht wurden.

Lehren

Die Waldenser vertraten und predigten eine Reihe von Lehren, die sie aus der Bibel lasen. Dazu gehören:

  1. Der Sühnetod und die Rechtfertigungsgerechtigkeit Christi;
  2. Die Gottheit;
  3. Der Fall des Menschen;
  4. Die Inkarnation des Sohnes;
  5. die Ablehnung des Fegefeuers als "Erfindung des Antichristen";
  6. Der Wert der freiwilligen Armut;
  7. Vielleicht das allgemeine Priestertum der Gläubigen.

Sie lehnten auch eine Reihe von Konzepten ab, die im christlichen Europa der damaligen Zeit weit verbreitet waren. So vertraten die Waldenser beispielsweise die Ansicht, dass weltliche Ämter und Würden nicht für Prediger des Evangeliums bestimmt seien; dass Reliquien sich nicht von anderen Knochen unterschieden und nicht als etwas Besonderes oder Heiliges angesehen werden sollten; dass Pilgerreisen nur dazu dienten, sein Geld auszugeben; dass man Fleisch an jedem Tag essen könne, wenn einem der Appetit danach sei; dass Weihwasser nicht wirksamer sei als Regenwasser; und dass das Gebet genauso wirksam sei, wenn es in einer Kirche oder in einer Scheune verrichtet werde. Darüber hinaus wurden sie beschuldigt, die Transsubstantiationslehre zu verhöhnen und die katholische Kirche als die Hure der Apokalypse zu bezeichnen. Sie lehnten ab, was sie als Götzendienst der katholischen Kirche ansahen, und betrachteten das Papsttum als den Antichristen von Rom.

Das in okzitanischer Sprache verfasste Gedicht La nobla leyczon ("Die edle Lektion") gibt ein Beispiel für den mittelalterlichen Glauben der Waldenser. Früher glaubte man, dass dieses Gedicht zwischen 1190 und 1240 entstanden ist, aber es gibt Hinweise darauf, dass es in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts geschrieben wurde. Das Gedicht existiert in vier Handschriften: zwei befinden sich an der Universität von Cambridge, eine am Trinity College in Dublin und eine weitere in Genf.

Geschichte

Die Wurzeln der Waldenser sind im Kontext eines gesellschaftlichen Phänomens zu sehen, das eine große Anzahl von Laien im ausgehenden 12. Jahrhundert erfasste: Aufgrund verschiedener Ursachen, insbesondere aber weil sie die „Verweltlichung und die Unwürdigkeit des Klerus […] für den Niedergang des religiösen Lebens verantwortlich machten“, versuchte eine zunehmende Zahl an Christen in Europa, sich selbst aktiv religiös zu betätigen und in freiwillig gewählter Armut dem Vorbild der Apostel Christi folgend das Evangelium zu verkündigen (Vita apostolica). Aus dem großen Kreis dieser Laien sollten sowohl die als häretisch verurteilten Gemeinschaften der Waldenser und der Humiliaten hervorgehen als auch kirchlich anerkannte Orden, etwa die Franziskaner. Aufgrund der theologischen Parallelen zur Reformation werden die Waldenser auch als vorreformatorisch betrachtet – so bezeichnete etwa der im 16. Jahrhundert wirkende Matthias Flacius Illyricus, ein lutherischer Theologe istrischer Herkunft, die Waldenser in seinem Catalogus testium veritatis als „Protestanten vor der Reformation“.

Ursprünge

Der Legende nach verzichtete Peter Waldo auf seinen Reichtum, der ihn beim Predigen behinderte, was andere Mitglieder des katholischen Klerus dazu veranlasste, seinem Beispiel zu folgen. Wegen dieses Verzichts auf Reichtum wurde die Bewegung schon früh als Die Armen von Lyon und Die Armen der Lombardei bezeichnet.

Die Waldenserbewegung zeichnete sich von Anfang an durch Laienpredigten, freiwillige Armut und strikte Befolgung der Bibel aus. Zwischen 1175 und 1185 beauftragte Waldo entweder einen Kleriker aus Lyon mit der Übersetzung des Neuen Testaments in die Volkssprache - die arpitanische (französisch-provenzalische) Sprache - oder war selbst an dieser Übersetzungsarbeit beteiligt.

Im Jahr 1179 reisten Waldo und einer seiner Schüler nach Rom, wo sie von Papst Alexander III. und der römischen Kurie empfangen wurden. Sie mussten ihren Glauben vor einem Gremium von drei Geistlichen erläutern und dabei auch Themen ansprechen, die damals innerhalb der Kirche diskutiert wurden, wie das allgemeine Priestertum, das Evangelium in der Vulgärsprache und die Frage der freiwilligen Armut. Die Ergebnisse der Versammlung waren nicht eindeutig, und das Dritte Laterankonzil im selben Jahr verurteilte zwar die Ideen Waldos, nicht aber die Bewegung selbst; die Führer der Bewegung waren noch nicht exkommuniziert worden.

Die Waldenser setzten sich über das Dritte Laterankonzil hinweg und predigten weiterhin nach ihrem eigenen Verständnis der Heiligen Schrift. Im Jahr 1184 wurden Waldo und seine Anhänger exkommuniziert und aus Lyon vertrieben. Die katholische Kirche erklärte sie zu Häretikern und erklärte, der Hauptfehler der Gruppe sei die Verachtung der kirchlichen Macht. Rom beschuldigte die Waldenser außerdem, unzählige Irrtümer zu lehren.

Waldo und seine Anhänger entwickelten ein System, bei dem sie von Stadt zu Stadt zogen und sich heimlich mit kleinen Gruppen von Waldensern trafen. Dort beichteten sie ihre Sünden und hielten Gottesdienste ab. Ein umherziehender Waldenserprediger wurde als barba bezeichnet. Die Gruppe gewährte dem barba Unterschlupf und half bei den Vorbereitungen, um heimlich in die nächste Stadt weiterzuziehen. Waldo starb möglicherweise im frühen 13. Jahrhundert, möglicherweise in Deutschland; er wurde nie gefangen genommen, und sein Schicksal bleibt ungewiss.

Die frühen Waldenser gehörten zu einer von drei Gruppen:

  • Sandaliati (die mit den Sandalen) erhielten heilige Aufträge und sollten den Ketzern das Gegenteil beweisen;
  • Doctores unterrichteten und bildeten Missionare aus;
  • Novellani predigten der allgemeinen Bevölkerung.

Sie wurden auch Insabbatati, Sabati, Inzabbatati oder Sabotiers genannt - Bezeichnungen, die sich aus der ungewöhnlichen Art von Sabot, die sie als Schuhwerk verwendeten, ergaben.

Viele Waldenser behaupteten, dass Leute wie Claudius von Turin und Berengar von Tours die ersten Vertreter der Sekte waren, aber in der heutigen Zeit wird der Anspruch der Waldenser auf ein hohes Alter nicht mehr akzeptiert.

Katholische Reaktion

Illustrationen, die die Waldenser als Hexen darstellen, in Le champion des dames, von Martin Le France, 1451
Piemontesische Kinder, die von ihren Eltern getrennt wurden

Die katholische Kirche betrachtete die Waldenser als unorthodox, und im Jahr 1184 wurden sie auf der Synode von Verona unter der Schirmherrschaft von Papst Lucius III. exkommuniziert. Papst Innozenz III. ging auf dem Vierten Laterankonzil 1215 sogar noch weiter und verurteilte die Waldenser offiziell als Ketzer. Im Jahr 1211 wurden mehr als 80 Waldenser in Straßburg als Ketzer verbrannt; diese Aktion leitete eine jahrhundertelange Verfolgung ein, die die Bewegung fast vernichtete. Von 1304 bis 1307 regierten die Waldenser kurzzeitig Buda, die Hauptstadt Ungarns. Die Waldenser exkommunizierten ihrerseits Papst Benedikt XI.

Im Jahr 1487 erließ Papst Innozenz VIII. eine Bulle zur Ausrottung der Ketzereien der Waadtländer. Alberto de' Capitanei, Erzdiakon von Cremona, reagierte auf die Bulle, indem er einen Kreuzzug organisierte, um ihren Auftrag zu erfüllen, und startete eine Offensive in den Provinzen Dauphiné und Piemont. Karl I., Herzog von Savoyen, griff schliesslich ein, um seine Territorien vor weiteren Unruhen zu bewahren, und versprach den Waadtländern Frieden, aber erst nachdem die Offensive das Gebiet verwüstet hatte und viele Waadtländer in die Provence oder nach Süditalien geflohen waren.

Der Theologe Angelo Carletti di Chivasso, den Innozenz VIII. 1491 gemeinsam mit dem Bischof von Mauriana zum Apostolischen Nuntius und Kommissar ernannte, war an der Erzielung einer friedlichen Einigung zwischen Katholiken und Waldensern beteiligt.

Am 22. Juni 2015 bat Papst Franziskus die Waldenser für die erlittenen Verfolgungen um Verzeihung.

Reformation

Als die Nachricht von der Reformation die Waldensertäler erreichte, beschloss die Tavola Valdese, die Gemeinschaft mit dem aufkommenden Protestantismus zu suchen. Auf einer Versammlung, die 1526 in Laus, einer Stadt im Chisone-Tal, stattfand, wurde beschlossen, Abgesandte zu entsenden, um die neue Bewegung zu untersuchen. Im Jahr 1532 trafen sie sich mit deutschen und schweizerischen Protestanten und passten schließlich ihren Glauben an den der reformierten Kirche an.

Die schweizerische und die französische reformierte Kirche schickten William Farel und Anthony Saunier zum Treffen von Chanforan, das am 12. Oktober 1532 stattfand. Farel lud sie ein, sich der Reformation anzuschließen und die Geheimhaltung aufzugeben. Es wurde ein Glaubensbekenntnis mit reformierten Lehren formuliert, und die Waldenser beschlossen, ihre Gottesdienste offen in französischer Sprache abzuhalten.

Die französische Bibel, die von Pierre Robert Olivétan mit Hilfe von Calvin übersetzt und 1535 in Neuenburg veröffentlicht wurde, basierte zum Teil auf einem Neuen Testament in der waldensischen Volkssprache. Die waldensischen Kirchen sammelten 1500 Goldkronen, um die Kosten für die Veröffentlichung zu decken.

Gemetzel von Mérindol (1545)

Massaker an den Waldensern von Mérindol im Jahr 1545

Außerhalb des Piemonts schlossen sich die Waldenser den lokalen protestantischen Kirchen in Böhmen, Frankreich und Deutschland an. Nachdem die Waldenser aus ihrer Abgeschiedenheit herausgetreten waren und es Berichte über Aufruhr gab, erließ der französische König Franz I. am 1. Januar 1545 den "Arrêt de Mérindol" und stellte ein Heer gegen die Waldenser in der Provence auf. Die Anführer der Massaker von 1545 waren Jean Maynier d'Oppède, der erste Präsident des provenzalischen Parlaments, und der militärische Befehlshaber Antoine Escalin des Aimars, der mit 2.000 Veteranen, den Bandes de Piémont, aus den Italienischen Kriegen zurückkehrte. Das Massaker von Mérindol forderte je nach Schätzung Hunderte bis Tausende von Toten und verwüstete mehrere Dörfer.

Der Vertrag vom 5. Juni 1561 gewährt den Protestanten der Täler eine Amnestie, die Gewissens- und Religionsfreiheit einschließt. Die Gefangenen wurden freigelassen und die Flüchtlinge durften in ihre Heimat zurückkehren. Trotz dieses Vertrages hatten die Waadtländer zusammen mit den anderen französischen Protestanten während der französischen Religionskriege (1562-1598) zu leiden.

Bereits 1631 begannen protestantische Gelehrte, die Waldenser als frühe Vorläufer der Reformation zu betrachten, ähnlich wie die Anhänger von John Wycliffe und Jan Hus, die ebenfalls von den Behörden verfolgt wurden.

Obwohl die Waldenser unter dem französischen König Heinrich IV. mit dem Edikt von Nantes im Jahr 1598 einige Rechte und Freiheiten erhielten, nahm die Verfolgung im 17. Jahrhundert wieder zu, als der Herzog von Savoyen 1655 versuchte, die Waldenser auszurotten. Dies führte zum Exodus und zur Zerstreuung der Waldenser in andere Teile Europas und sogar in die westliche Hemisphäre.

Piemontesische Ostern

Im Januar 1655 befahl der Herzog von Savoyen den Waldensern, an der Messe teilzunehmen oder sich in die oberen Täler ihrer Heimat zurückzuziehen, und gab ihnen zwanzig Tage Zeit, ihre Ländereien zu verkaufen. Der Befehl sollte die Waadtländer mitten im Winter dazu bewegen, sich für Ersteres zu entscheiden. Der Grossteil der Bevölkerung entschied sich jedoch für Letzteres, verliess ihre Häuser und Ländereien in den unteren Tälern und zog in die oberen Täler. Es wurde geschrieben, dass diese Verfolgten, darunter alte Männer, Frauen, kleine Kinder und Kranke, "durch die eisigen Gewässer wateten, die gefrorenen Gipfel erklommen und schliesslich die Häuser ihrer verarmten Brüder in den oberen Tälern erreichten, wo sie herzlich aufgenommen wurden."

Mitte April, als klar wurde, dass die Bemühungen des Herzogs, die Waadtländer zum Katholizismus zu zwingen, gescheitert waren, versuchte er es mit einem anderen Ansatz. Unter dem Deckmantel falscher Berichte über Aufstände der Waadtländer schickte der Herzog Truppen in die oberen Täler, um die dortige Bevölkerung niederzuschlagen. Er verlangte, dass die Bevölkerung die Truppen in ihren Häusern einquartieren sollte, was die Bevölkerung auch befolgte. Der Einquartierungsbefehl war jedoch eine List, um den Truppen einen leichten Zugang zur Bevölkerung zu ermöglichen. Am 24. April 1655, um 4 Uhr morgens, fiel der Startschuss für ein allgemeines Massaker.

Illustration des Massakers von 1655 in La Torre, aus Samuel Morelands History of the Evangelical Churches of the Valleys of Piedmont, veröffentlicht 1658 in London

Die Truppen des Herzogs schlachteten die Einwohner nicht einfach ab. Es wird berichtet, dass sie eine unprovozierte Kampagne von Plünderungen, Vergewaltigungen, Folterungen und Morden entfesselten. In einem Bericht von Peter Liegé heißt es:

Kleine Kinder wurden ihren Müttern aus den Armen gerissen, an den winzigen Füßen gepackt und mit dem Kopf gegen die Felsen geschleudert; oder sie wurden zwischen zwei Soldaten geklemmt und ihre zitternden Gliedmaßen mit voller Wucht zerrissen. Ihre verstümmelten Körper wurden dann auf die Straßen oder Felder geworfen, um von den Bestien gefressen zu werden. Die Kranken und Alten wurden in ihren Häusern lebendig verbrannt. Einigen wurden Hände, Arme und Beine abgehackt und die abgetrennten Teile mit Feuer behandelt, um die Blutung zu stillen und ihr Leiden zu verlängern. Einige wurden bei lebendigem Leib gehäutet, andere bei lebendigem Leib geröstet, wieder andere ausgeweidet oder in ihren eigenen Obstgärten an Bäume gebunden und ihnen das Herz herausgeschnitten. Einige wurden grausam verstümmelt, und bei anderen wurde das Gehirn gekocht und von den Kannibalen gegessen. Einige wurden in den Furchen ihrer eigenen Felder festgebunden und in den Boden gepflügt, so wie man Dung in den Boden pflügt. Andere wurden lebendig begraben. Väter wurden mit den Köpfen ihrer Söhne um den Hals zu Tode marschiert. Die Eltern mussten zusehen, wie ihre Kinder erst geschändet [vergewaltigt] und dann massakriert wurden, bevor sie selbst sterben durften.

Dieses Massaker wurde als Piemonteser Ostern bekannt. Schätzungsweise 1.700 Waldenser wurden abgeschlachtet; das Massaker war so brutal, dass es in ganz Europa Empörung auslöste. Protestantische Herrscher in Nordeuropa boten den verbliebenen Waldensern Zuflucht. Oliver Cromwell, der damalige Herrscher in England, setzte sich für die Waldenser ein, schrieb Briefe, sammelte Spenden, rief zu einem allgemeinen Fasten in England auf und drohte mit der Entsendung von Streitkräften zur Rettung. Das Massaker veranlasste John Milton zu einem Gedicht über die Waldenser, "On the Late Massacre in Piedmont". Schweizer und niederländische Calvinisten richteten eine "Untergrundbahn" ein, um viele der Überlebenden nach Norden in die Schweiz und sogar bis in die Niederländische Republik zu bringen, wo die Ratsherren der Stadt Amsterdam drei Schiffe charterten, um am Weihnachtstag 1656 etwa 167 Waldenser in ihre Stadtkolonie in der Neuen Welt (Delaware) zu bringen. Diejenigen, die in Frankreich und im Piemont zurückblieben, bildeten eine Guerilla-Widerstandsbewegung, die von einem Bauern, Joshua Janavel, angeführt wurde und bis in die 1660er Jahre andauerte.

Waldenserkirche in Florenz, Italien

Aufhebung des Edikts von Nantes und die "glorreiche Rückkehr"

1685 widerrief Ludwig XIV. das Edikt von Nantes von 1598, das seinen protestantischen Untertanen in Frankreich Religionsfreiheit garantiert hatte. Französische Truppen, die in die waldensischen Gebiete der Täler Chisone und Susa in der Dauphiné entsandt wurden, zwangen 8.000 Waadtländer zum Übertritt zum Katholizismus und weitere 3.000 zur Ausreise nach Deutschland.

Im Piemont folgte der Cousin Ludwigs, der frischgebackene Herzog von Savoyen, Victor Amadeus II., seinem Onkel und hob den Schutz der Protestanten im Piemont auf. Im Zuge der erneuten Verfolgung und in Anlehnung an das piemontesische Ostermassaker nur drei Jahrzehnte zuvor erließ der Herzog am 31. Januar 1686 ein Edikt, das die Zerstörung aller Waadtländer Kirchen anordnete und alle Bewohner der Täler aufforderte, sich innerhalb von fünfzehn Tagen unter Androhung von Tod und Verbannung öffentlich zu ihrem Irrtum zu bekennen. Doch die Waadtländer blieben widerstandsfähig. Nach Ablauf der fünfzehn Tage rückte ein Heer von 9.000 französischen und piemontesischen Soldaten gegen die schätzungsweise 2.500 Waadtländer in die Täler ein, musste aber feststellen, dass jedes Dorf eine Verteidigungseinheit organisiert hatte, die die französischen und piemontesischen Soldaten in Schach hielt.

Am 9. April erließ der Herzog von Savoyen ein neues Edikt, das die Waldenser aufforderte, ihre Waffen innerhalb von acht Tagen niederzulegen und zwischen dem 21. und 23. April ins Exil zu gehen. Wenn sie dazu in der Lage waren, durften sie ihr Land und ihre Besitztümer an den Meistbietenden verkaufen.

Der Waldenserpastor Henri Arnaud (1641-1721), der bei den früheren Säuberungen aus dem Piemont vertrieben worden war, kehrte aus Holland zurück. Am 18. April hielt er vor einer Versammlung in Roccapiatta einen aufrüttelnden Appell und überzeugte die Mehrheit für den bewaffneten Widerstand. Als der Waffenstillstand am 20. April ablief, waren die Waldenser zum Kampf bereit.

In den folgenden sechs Wochen leisteten sie einen tapferen Kampf, doch als sich der Herzog am 8. Juni nach Turin zurückzog, schien der Krieg entschieden: 2.000 Waldenser waren getötet worden; weitere 2.000 hatten die katholische Theologie des Konzils von Trient "angenommen". Weitere 8'000 waren inhaftiert worden, von denen mehr als die Hälfte innerhalb von sechs Monaten an absichtlich herbeigeführten Hungersnöten oder an Krankheiten starb.

Etwa zwei- oder dreihundert Waadtländer flohen in die Berge und begannen im Laufe des nächsten Jahres einen Guerillakrieg gegen die katholischen Siedler, die das Waadtländer Land übernehmen wollten. Diese "Unbesiegbaren" setzten ihre Angriffe fort, bis der Herzog schliesslich einlenkte und sich zu Verhandlungen bereit erklärte. Die "Unbesiegbaren" erreichten, dass die gefangenen Waadtländer aus dem Gefängnis entlassen wurden und sicher nach Genf gelangten. Als der Herzog diese Erlaubnis am 3. Januar 1687 erteilte, verlangte er jedoch, dass die Waadtländer sofort ausreisen oder zum Katholizismus übertreten sollten. Dieses Edikt führte dazu, dass rund 2'800 Waadtländer das Piemont in Richtung Genf verliessen, von denen nur 2'490 die Reise überlebten.

Arnaud und andere suchten nun Hilfe bei den verbündeten europäischen Mächten. Er wandte sich direkt von Genf aus an Wilhelm von Oranien, während andere, darunter der junge L'Hermitage, nach England und in andere Länder geschickt wurden, um dort um Unterstützung zu werben. Oranien und die Verbündeten freuen sich über jeden Vorwand, um Frankreich zu ärgern, dessen territoriale Übergriffe an allen Fronten unerträglich sind. Der Augsburger Bund wurde 1686 unter Oranien gegründet, das Arnaud seine Unterstützung zusagte. Im August 1689, mitten in den Kriegen zwischen dem Augsburger Bund und Frankreich, führte Arnaud 1.000 Schweizer Exilanten, die von den Niederländern mit modernen Waffen ausgestattet worden waren, zurück ins Piemont. Mehr als ein Drittel der Truppe kam während des 130 Meilen langen Marsches ums Leben. Es gelang ihnen, ihre Präsenz im Piemont wiederherzustellen und die katholischen Siedler zu vertreiben, aber sie wurden weiterhin von französischen und piemontesischen Truppen belagert.

Am 2. Mai 1689 waren nur noch 300 Waldenser übrig, die von 4.000 französischen Truppen mit Kanonen auf einem hohen Gipfel namens Balsiglia in die Enge getrieben wurden. Der französische Befehlshaber war so zuversichtlich, seine Aufgabe am nächsten Morgen zu erfüllen, dass er eine Nachricht nach Paris schickte, die besagte, dass die waldensischen Truppen bereits vernichtet seien. Als die Franzosen am nächsten Morgen erwachten, entdeckten sie jedoch, dass die Waldenser, geführt von einem ihrer Leute, der mit der Balsiglia vertraut war, bereits in der Nacht vom Gipfel herabgestiegen und nun meilenweit entfernt waren.

Die Franzosen nahmen die Verfolgung auf, doch nur wenige Tage später beendete ein plötzlicher Bündniswechsel des Herzogs von Frankreich zum Augsburger Bund die französische Verfolgung der Waldenser. Der Herzog erklärte sich bereit, die Waldenser zu verteidigen, und forderte alle anderen Waadtländer Exilanten auf, in ihre Heimat zurückzukehren, um die piemontesischen Grenzen gegen die Franzosen zu schützen, was als "glorreiche Rückkehr" bekannt wurde.

Religiöse Freiheit nach der Französischen Revolution

Eingang zur Waldenserkirche in Rom, Italien

Nach der Französischen Revolution wurde den Waldensern im Piemont die Gewissensfreiheit zugesichert und 1848 gewährte ihnen der Herrscher von Savoyen, König Karl Albert von Sardinien, die Bürgerrechte.

Die Waldenser genossen Religionsfreiheit und begannen, aus ihren Tälern auszuwandern. Zur Zeit der italienischen Einigung hatten die Waldenser Gemeinden auf der ganzen Halbinsel, von denen einige durch Predigttätigkeit, andere durch Migration entstanden. Armut, gesellschaftliche Diskriminierung und demografischer Druck veranlassten die Waldenser jedoch zur Auswanderung, zunächst als Saisonarbeiter an die Côte d'Azur und in die Schweiz, später nach Colonia Valdense in Uruguay, Jacinto Aráuz in der argentinischen Pampa und schließlich in die Vereinigten Staaten. Diejenigen, die in Italien blieben, erlebten einen sozialen Aufstieg. Jahrhunderts dominierten die Waldenser die Turiner Schokoladenindustrie und werden allgemein für die Erfindung der Gianduja (Haselnussschokolade) verantwortlich gemacht.

Auch die waldensische Wissenschaft blühte im neunzehnten Jahrhundert auf. Kopien der Romaunt-Fassung des Johannesevangeliums wurden in Paris und Dublin aufbewahrt. Die Manuskripte dienten als Grundlage für ein 1848 veröffentlichtes Werk von William Stephen Gilly, in dem er die Geschichte des Neuen Testaments im Gebrauch der Waldenser beschrieb. Das Waldenser-Kolleg begann 1855 mit der Ausbildung von Geistlichen, zunächst in Torre Pellice. Einige Jahre später zog die Waldenserschule nach Florenz und 1922 nach Rom um. Die wirtschaftliche und soziale Integration hat die Aufnahme der Waldenser in die italienische Gesellschaft erleichtert. Schriftsteller wie Italo Calvino und Politiker wie Domenico Maselli und Valdo Spini sind waldensischer Abstammung. Die Kirche hat auch Intellektuelle als neue Anhänger und Unterstützer angezogen und genießt eine beträchtliche finanzielle Unterstützung von nicht gläubigen Italienern.

Im Jahr 2015 bat Papst Franziskus nach einem historischen Besuch in einem Waldensertempel in Turin im Namen der katholischen Kirche die waldensischen Christen um Vergebung für ihre Verfolgung. Der Papst entschuldigte sich für die "unchristlichen und sogar unmenschlichen Positionen und Handlungen" der Kirche.

Merkmale der modernen waldensischen Kirche

Die heutige Waldenserkirche versteht sich als protestantische Kirche in der reformierten Tradition, die ursprünglich von Huldrych Zwingli und Johannes Calvin begründet wurde. Sie erkennt das 1655 veröffentlichte Glaubensbekenntnis, das sich auf das reformierte Bekenntnis von 1559 stützt, als lehrmäßige Grundlage an. Sie lässt nur zwei Zeremonien zu, die Taufe und das Abendmahl. Die oberste Autorität wird von einer jährlichen Synode ausgeübt, und die Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden werden von einem Konsistorium unter dem Vorsitz des Pfarrers verwaltet.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden Waldensergemeinden in Ländern gegründet, die so weit von Frankreich entfernt sind wie Uruguay und die Vereinigten Staaten, wo die aktiven Waldensergemeinden das Ziel der Waldenserbewegung fortführen. Das gegenwärtige und historische geistliche Erbe der Waldenser beschreibt sich selbst als Verkündigung des Evangeliums, Dienst an den Ausgegrenzten, Förderung der sozialen Gerechtigkeit, Förderung der interreligiösen Arbeit und Eintreten für die Achtung der religiösen Vielfalt und der Gewissensfreiheit. Heute ist die Waldenserkirche Mitglied der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, des Weltrats der Methodisten, des Bundes der Evangelischen Kirchen in Italien und des Ökumenischen Rates der Kirchen.

Petrus Valdes

Valdes († vor 1218), ein reicher Kaufmann aus Lyon, gab nach einem Läuterungserlebnis sein Vermögen auf, organisierte um 1176/77 Armenspeisungen und hielt mit seinen Anhängern Wanderpredigten auf Basis volkssprachlicher Evangelienübersetzungen ab. Es kam unausweichlich zum Konflikt mit der katholischen Kirche, weil diese das Recht auf Predigt ihrem eigenen Klerus vorbehalten sah, und weil die Freigabe des Predigtrechts an Laien die Kirche in ihrer Existenz grundlegend in Frage gestellt hätte. Valdes wurde 1182/83, nachdem er dem durch den Lyoner Erzbischof Jean Bellesmains verhängten Predigtverbot nicht Folge leisten wollte, von diesem exkommuniziert und mit seinen Anhängern aus der Umgebung der Stadt vertrieben. Die Waldenser verbreiteten sich danach zunächst in Südfrankreich und von dort aus in viele Gegenden Europas.

Kennzeichen der frühen Waldenser

Die frühen Anhänger von Valdes, sowohl Männer als auch Frauen, verzichteten auf persönlichen Besitz, lebten von selbstversorgender Arbeit oder vom Betteln, trugen einfache Gewänder und Sandalen und wurden deshalb in Südfrankreich als Arme von Lyon (auch: Leonisten) bezeichnet. Sie ließen sich die Bibel in die Volkssprache übersetzen und folgten dem biblischen Auftrag Christi an seine Jünger: Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen (Mk 16,15 EU) und hielten als Wanderprediger Predigten ab. Zwar wurden Missstände in der katholischen Kirche von den Armen von Lyon stets kritisiert, doch betrachteten sie sich selbst zunächst durchaus noch als Mitglieder dieser Kirche. Dies änderte sich, nachdem die Armen von Lyon trotz Predigtverbot die öffentliche Verkündigung der Evangelien nicht aufgeben wollten und die Armutsbewegung förderten, weshalb sie von kirchlicher Seite zunehmend als Häretiker betrachtet wurden. Als solche wurden sie erstmals in der im Jahr 1184 nach dem Konzil von Verona niedergelegten Bulle Ad Abolendam aufgeführt. Die Armen von Lyon beharrten ihrerseits auf biblizistischen Lesarten der Evangelien und Anschauungen, die jenen der katholischen Kirche zuwiderliefen. Daneben entwickelten die norditalienischen Waldenser, die Lombardischen Armen, die nicht von Spenden, sondern (ähnlich wie die Humiliaten) von Handarbeit in Arbeitsgemeinschaften (Werkkommunen) lebten, eigene Vorstellungen.

Zusammenfassend lassen sich die frühen Waldenser in religiöser Auffassung und Lebensart in folgender Weise kennzeichnen:

  • hohe Bedeutung des persönlichen Bibelstudiums
  • hohe Bedeutung der Beichte
  • Verbreitung des Evangeliums durch Laienprediger (Predigt)
  • Leben in freiwilliger Armut bzw. persönlicher Besitzlosigkeit (Vita apostolica)
  • Ablehnung der Heiligenverehrung
  • Ablehnung des Fegefeuers
  • Ablehnung des Ablasses
  • Ablehnung des Eides
  • Ablehnung aller Kirchensatzungen
  • Ablehnung der weltlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere der Todesstrafe
  • Ablehnung der dualistischen Lehre der Katharer

Im Gegensatz zu den Armen von Lyon lehnten die Lombardischen Armen die Bedeutung der sieben Sakramente ab und vertraten die donatistische Auffassung, dass Wirksamkeit und Gültigkeit der Beichte nur erlangt werden könne, wenn deren Spender selbst ein sünden- bzw. makelloses Leben führt. Noch im Lauf des Mittelalters verwischten sich diese Auffassungsunterschiede innerhalb des Waldensertums, weitgehend zugunsten der Standpunkte der Lombardischen Armen.

Verbreitung

Nach ihrer Vertreibung aus Lyon 1182/83 gewannen die Waldenser vor allem im südfranzösischen Languedoc neue Anhänger, waren aber bereits um 1184 auch in Oberitalien aktiv. In Spanien und Nordostfrankreich tauchten sie in den 1190er Jahren auf. Wenig nach 1200 dürften die Waldenser den süddeutschen Sprachraum erreicht haben. Bis 1250 existierten hier bereits starke Gemeinden, insbesondere im österreichischen Donauraum und in Bayern, aber auch in Schwaben und im oberen Rheinland. Nach Mittel-, Ost- und Norddeutschland drangen die Waldenser vermutlich erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts vor, in dessen Verlauf es danach auch Waldenser in Polen, Böhmen, der Slowakei und Ungarn gab. Vermutlich während des 15. Jahrhunderts verschwanden die Waldenser weitgehend aus dem deutschen Sprachgebiet. Als mögliche Ursachen dafür werden die Hinwendung der Waldenser zum Hussitentum oder ein erfolgreiches Vorgehen der Inquisition gesehen. Die heutigen Waldensergemeinden in Deutschland gehen auf Wiederansiedelungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zurück, z. B. in Hessen unter Thomas Gautier.

Auch in der Provence wohnten Waldenser. Sie wurden dort am Ende des Mittelalters von den Feudalherren angesiedelt, um die damals verlassenen Orte neu zu beleben. In Mérindol im Luberon fanden mehrere Waldensersynoden statt.

Gruppen, Organisation und Bezeichnungen

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts existierten zwei waldensische Großgruppen: Die südfranzösischen Armen von Lyon und die oberitalienischen Lombardischen Armen unter ihrem Wortführer Giovanni de Ronco. Der deutsche Sprachraum wurde von beiden Gruppen missioniert. Obwohl 1218 ein Einigungsversuch zwischen Armen von Lyon und Lombardischen Armen bei einer eigens dafür einberufenen Versammlung in Bergamo scheiterte, dürfte die Gruppenunterscheidung im Zuge der späteren Verfolgungen noch während des 13. Jahrhunderts an Bedeutung verloren haben. Zu einer bedeutenden Abspaltung kam es im Jahr 1207, als der waldensische Gelehrte Durandus von Osca (in der deutschsprachigen Literatur oft: Durandus von Huesca) mit einer großen Anzahl von italienischen Glaubensbrüdern zur römischen Kirche zurückkehrte. Dabei legte Papst Innozenz III. eine Professio fidei Waldensibus praescripta, ein Glaubensbekenntnis, vor, das Durandus von Huesca und andere Waldenser, die zur Kirche zurückkehren wollten, ablegen mussten. Dieses Glaubensbekenntnis enthält allerdings auch den Widerruf von dualistischen Irrtümern, die von den Waldensern nicht vertreten wurden, sondern für die Katharer charakteristisch waren. Diese rückkehrwilligen Waldenser erhielten die Bezeichnung Katholische Arme (Pauperes Catholici) und gingen nach 1245 im Augustinerorden auf.

Innerhalb der waldensischen Gemeinschaften standen über den einfachen Gläubigen die waldensischen Prediger, die im deutschen Sprachraum auch Meister, Kunden oder Beichtiger genannt wurden. Im französischen Sprachraum wurden sie oft als Barben (okzitanisch: „Onkel“ – für einen Bibelkundigen) bezeichnet. Das Predigeramt konnte erst nach einer längeren Ausbildung erworben werden. Die Hauptaufgabe der Prediger bestand in der Predigt, der Missionierung und der Gewinnung von Spendengeldern bzw. der Verteilung von Einkünften. Gepredigt wurde sowohl auf Wanderschaft, die üblicherweise von zwei Predigern gemeinsam angetreten wurde, als auch in eigens eingerichteten Hausgemeinschaften bzw. Versammlungszentren, die als Schulen bezeichnet wurden. Obwohl das mittelalterliche Waldensertum eher flach organisiert war, bildete es trotz Verfolgung immer wieder regional übergeordnete Leitungsgremien aus. Leiter- bzw. Bischofsämter existieren im 13. Jahrhundert in Oberitalien und Österreich, im 14. Jahrhundert in Südfrankreich. Zudem wurden periodisch in der Provence und der Lombardei auch größere Versammlungen einberufen, die der internationalen Koordination dienten.

Im deutschen Sprachraum wurden die Waldenser in Ableitung des Namens Giovanni de Roncos oft als Rünkler bezeichnet. Ein besonders dichtes Netz an Versammlungszentren bestand im 13. Jahrhundert im österreichischen Donauraum. Der Begriff Waldenser (als Ableitung von Valdes) stellte ursprünglich eine Fremdbezeichnung dar und wurde von den Nachfahren des Valdes erst Anfang des 16. Jahrhunderts übernommen.

Regionale Entwicklungen

Waldenser in Österreich

Auch in Österreich gab es im 13. und 14. Jahrhundert waldensische Gemeinschaften. Nachweisbar sind sie hier seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ihr Hauptverbreitungsgebiet lag im südlichen Donauraum vom Salzkammergut bis zum Wienerwald. In diesem Gebiet fand die Inquisition erstmals etwa um 1260 in über vierzig waldensische Gemeinschaften statt, wovon viele mit halböffentlichen Versammlungszentren („Schulen“) ausgestattet waren.

Bis zum Einsetzen der Inquisition kann von einer Duldung der Nachbarn waldensischen Glaubens durch die katholische Mitbevölkerung ausgegangen werden. Die Inquisition ab etwa 1260 drängte die Waldenser in den Untergrund, es kam zu zahlreichen Hinrichtungen. Neuerlich verfolgt wurden die Waldenser 1311–1315 in den Gebieten um Steyr, St. Pölten, Wien und Krems sowie um etwa 1370 im Gebiet von Steyr, das als Hochburg des Waldensertums gesehen wird. Im Zuge der letztgenannten Verfolgungswelle kehrten einige hochrangige Mitglieder der Waldensergemeinde zum Katholizismus zurück und griffen ihre ehemaligen Mitbrüder in Pamphleten an. Unter dem Inquisitor Petrus Zwicker kam es von 1391 bis 1402 neuerlich zu schweren Verfolgungen, u. a. in Steyr, Enns, Hartberg (Steiermark), Ödenburg und Wien. 1397 wurden in Steyr zwischen 80 und 100 Waldenser verbrannt, woran dort ein 1997 errichtetes Denkmal erinnert. Im 15. Jahrhundert verlieren sich die Spuren der österreichischen Waldenser. Die Ursachen hierfür sind nicht geklärt. Vermutet wurde auch ein Aufgehen der österreichischen Waldenser im Hussitentum oder der durchschlagende Erfolg der Inquisition durch Petrus Zwicker.

Waldenser in der Schweiz

Im Jahre 1532 auf einer Synode in Chanforan bei Angrogna fanden die Waldenser den Anschluss an den Calvinismus, anschließend fanden sie Aufnahme bei den reformierten Städten. So entstanden die Waldensergemeinden außerhalb Italiens. Im Jahre 1689 zogen sie in der „Glorreichen Rückkehr“ mehrheitlich wieder in ihre Heimat, doch Spuren blieben zurück. Reformierte Auswanderer aus Italien in die Schweiz, darunter auch viele Waldenser, waren darauf angewiesen, ihre Gottesdienste in ihrer Sprache feiern zu können. So entstanden im 20. Jahrhundert Neugründungen verschiedener „Chiese valdesi“ oder „Chiese evangelice di lingua italiana“, die heute immer noch aktiv sind. Die meisten Gemeinden der Waldenser sind heute eingebettet in die jeweiligen reformierten Kantonalkirchen. Auch gibt es in reformierten Kreisen ein Waldenserkomitee sowie weitere Waldenser Unterstützungsorganisationen.

Beurteilung durch Protestanten

Einige frühe Protestanten fühlten sich mit den Waldensern geistig verwandt und schrieben positiv über sie. John Milton zum Beispiel schrieb in seinem Sonett "On the Late Massacre in Piedmont" über das Massaker und die Verfolgung der Waldenser im Jahr 1655.

Früher wurde behauptet, dass die Waldenser zuerst vom Apostel Paulus gelehrt wurden, der Spanien besuchte und dann angeblich ins Piemont weiterreiste. Während sich die katholische Kirche zur Zeit Konstantins (römischer Kaiser von 306 bis 337) in Exzessen erging - so die Erzählung - hielten die Waldenser an ihrem apostolischen Glauben der Armut und Frömmigkeit fest. Diese Behauptungen wurden im neunzehnten Jahrhundert widerlegt.

Es gab auch andere Behauptungen, wonach die Waldenser bereits vor den Aktivitäten von Peter Waldo im späten 12. In seiner Geschichte der Waadtländer Kirche (1859) zitiert Antoine Monastier Bernard, Abt von Foncald, der Ende des 12. Jahrhunderts schrieb, dass die Waldenser während des Pontifikats von Lucius entstanden seien. Monastier geht davon aus, dass Bernard Lucius II. meint, der von 1144 bis 1145 im Amt war, und schließt daraus, dass die Waldenser bereits vor 1145 aktiv waren. Bernard sagt auch, dass derselbe Papst Lucius sie als Ketzer verurteilte, aber sie wurden von Papst Lucius III im Jahr 1184 verurteilt.

Monastier sagt auch, dass Eberard de Béthune, der 1210 schrieb (obwohl Monastier das Jahr 1160 angibt), behauptete, dass der Name Vaudois "Talbewohner" oder diejenigen, die "in einem Tal des Kummers und der Tränen wohnen", bedeute und vor der Zeit von Peter Waldo in Gebrauch war.

Die Waldenser tauchen in den Theorien des baptistischen Sukzessionismus und des Landmarkismus auf, die von einer angeblich kontinuierlichen Tradition von Praktiken und Überzeugungen seit Johannes dem Täufer ausgehen.

Einige Geschichtsschreiber vermuten, dass der Glaube der Waldenser von Missionaren der frühen Kirche stammt und dass ihre Geschichte ihren Ursprung im apostolischen Zeitalter haben könnte, obwohl diese Idee selbst auf den baptistischen Sukzessionismus zurückgeht, eine Idee, die bei einigen Kirchenhistorikern des 19. Jahrhunderts sehr beliebt war, aber von modernen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet weitgehend abgelehnt wurde. Der römische Inquisitor Reinerus Sacho, der um 1230 schrieb, hielt die Sekte der Waadtländer für sehr alt und damit für Jahrhunderte vor Waldo. Einigen frühen täuferischen Quellen zufolge gibt es auch Berichte über Paulizianer, Petrobusianer und Pasaginier sowie über die Waldenser in den Alpen, die den Samstag als Tag des Herrn hielten. Einige täuferische und baptistische Autoren haben die Waldenser als Beispiel für frühere Christen angeführt, die nicht zur katholischen Kirche gehörten und deren Glauben sie als ähnlich wie ihren eigenen interpretierten. Im 17. bis 19. Jahrhundert brachten niederländische und deutsche mennonitische Autoren wie van Braght, Martyrs Mirror (1660) und Steven Blaupot ten Cate, Geschiedkundig onderzoek (1844), die täuferischen Ursprünge mit den Waldensern in Verbindung. Auch baptistische Autoren wie John L. Waller brachten ihre Ursprünge mit den Waldensern in Verbindung. James Aitken Wylie (1808-1890) glaubte ebenfalls, dass die Waldenser den apostolischen Glauben und seine Praktiken während des Mittelalters bewahrten.

Noch später lehrte die Siebenten-Tags-Adventistin Ellen G. White, dass die Waldenser während des großen Glaubensabfalls der katholischen Kirche die biblische Wahrheit bewahrten. Sie behauptete, dass die Waldenser den Siebenten-Tags-Sabbat hielten, eine weit verbreitete Missionstätigkeit ausübten und in Europa "die Saat der Reformation" säten. Trotz der Behauptung, dass die Waldenser die Sabbatruhe einhielten, haben Historiker wie Emilio Comba, Giorgio Spini und Gabriel Audisio nachgewiesen, dass die Verwirrung entweder auf den Namen der Schuhe zurückzuführen ist, die ihre Wanderprediger trugen, oder auf den Vorwurf, sie hielten den Hexensabbat ab, wie die Inquisitoren Ketzer im Allgemeinen anklagten.

Der Wissenschaftler Michael W. Homer bringt den Glauben an einen uralten Ursprung der Waldenser mit drei Pfarrern aus dem 17. Jahrhundert in Verbindung, Jean-Paul Perrin von der Reformierten Kirche Frankreichs und den Waldenserpastoren Pierre Gilles und Jean Léger, die behaupteten, die Waldenser seien Nachfahren des Urchristentums.

Einige Autoren versuchen, das Glaubensbekenntnis der Waldenser aus der Reformationszeit bis ins Mittelalter (1120) zurückzudatieren, um ihre Behauptung einer antiken Lehre zu untermauern. In der aktuellen Geschichtsschreibung der Waldenser selbst wird jedoch behauptet, dass dieses Bekenntnis im Jahr 1531 verfasst wurde.

Die protestantische Theologie in Deutschland interessierte sich für das lehrmäßige Altertum und die apostolische Kontinuität, die im waldensischen Glauben zum Ausdruck kamen. Die große Unabhängigkeit der Gemeinschaften, die Laienpredigt, die freiwillige Armut und die strikte Befolgung der Bibel und ihrer frühen Übersetzung durch Peter Waldo wurden als Beweis für einen uralten Ursprung des Protestantismus als wahre Auslegung des Glaubens angeführt. Auch bloße antikatholische Stimmungen und Kontroversen, zum Beispiel im Kulturkampf, spielten eine Rolle. Heinrich Gottlieb Kreusslers Geschichte der Reformation von 1830 enthält eine Ballade über das Schicksal der Waldenser und zitiert Jean Légers [fr] Geschichte der Waldenser (1750) (verfasst mit Siegmund Jakob Baumgarten, herausgegeben von Johann Jacob Korn) als Beweis für einen frühen Ursprung der Waldenser. Die starke deutsch-protestantische Unterstützung für die waldensische Diasporagemeinde in Italien - führende Mitarbeiter der Gustavus-Adolphus-Union (GAW) rühmten sie als eine der interessantesten Kirchen überhaupt - beschränkte sich nicht auf eine theologische Faszination. Sie führte ab dem 17. Jahrhundert zu umfangreicher finanzieller Unterstützung, Darlehen, Austausch von Pfarrern und Gemeinden, Hilfsmissionen und politischen Interventionen für die italienischen Waldenser und ihre karitativen Bemühungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg trug die Evangelische Kirche in Deutschland auf der Grundlage ihrer Beziehungen zur Waldensergemeinschaft aktiv zu den Versöhnungsbemühungen mit Italien und Frankreich bei. Das GAW unterhält weiterhin Beziehungen zu den Waldensern in Italien.

Waldenser nach Regionen

Italien

Die Waldenserkirche in Mailand wurde 1949 unter Verwendung von Materialien aus der abgerissenen gotischen Kirche San Giovanni in Conca erbaut.

Nach vielen Jahrhunderten harter Verfolgung erlangten die Waldenser 1848 im Königreich Piemont-Sardinien im Zuge der liberalisierenden Reformen, die auf die Verabschiedung einer Verfassung (Statuto Albertino) durch Karl Albert von Sardinien folgten, die rechtliche Freiheit. In der Folge entwickelte und verbreitete sich die Waldenser-Evangelische Kirche, wie sie genannt wurde, auf der italienischen Halbinsel.

Durch den Bau von Schulen in einigen der ärmeren Regionen Italiens, einschließlich Siziliens, konnte die Waldenserkirche Konvertiten gewinnen. In der Stadt Grotte im Südwesten der Insel gibt es noch eine Waldenserkirche. Seit dem 17. Jahrhundert unterstützen deutsche Protestanten die Waldenser in Italien.

Während der Besetzung Norditaliens durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg setzten sich die italienischen Waldenser für die Rettung der von der Vernichtung bedrohten Juden ein und versteckten viele von ihnen in demselben Gebirgstal, in dem ihre eigenen waldensischen Vorfahren in früheren Generationen Zuflucht gefunden hatten.

Nach 1945 gab die Evangelische Kirche in Deutschland unter der Leitung von Theophil Wurm (der auch Bischof von Württemberg war) die Stuttgarter Schulderklärung ab und leistete einen aktiven Beitrag zu den Versöhnungsbemühungen mit Italien (und Frankreich) auf der Grundlage der Beziehungen zur Diaspora. Die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Savoyer Bürgerrechtserklärung 1948 wurden von leitenden Mitarbeitern der EKD genutzt, um die deutsch-italienische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu unterstützen. Eine äußerst fruchtbare Zusammenarbeit wurde auf Gemeindeebene aufgebaut, wobei Waldenserdelegierte beider Seiten Pionierarbeit leisteten. 1949 wurde Guglielmo Del Pesco (1889-1951), Moderator der Tavola Valdese (Waldenser-Runde), anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der waldensischen Auswanderung nach Deutschland wieder nach Maulbronn eingeladen. Er konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen, schickte aber A. Jalla, einen Lehrer, der nach 1945 voller Gehässigkeit und Hass gegen alles Deutsche gewesen sein soll, sich aber 1949 den Bemühungen um Versöhnung anschloss. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde 1950 die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft zwischen Ludwigsburg und der protestantischen Exklave Montbéliard unterzeichnet, die wiederum auf einer besonderen Verbindung der württembergischen Landeskirche beruht. Die deutsche Gustavus-Adolphus-Union unterstützt bis heute waldesianische Projekte und karitative Bemühungen in Italien.

1975 schloss sich die Waldenserkirche mit der Evangelisch-methodistischen Kirche in Italien zur Union der Waldenserkirchen und der methodistischen Kirchen zusammen. Sie hat 50.000 Mitglieder (45.000 Waldenser, davon 30.000 in Italien und etwa 15.000 verteilt auf Argentinien und Uruguay, sowie 5.000 Methodisten).

Die 1985 in Italien eingeführte Acht-Promille-Steuer (italienisch: otto per mille) hat der Waldensergemeinschaft sehr geholfen. Nach dem Acht-Promille-Gesetz können die Steuerzahler wählen, wem sie die obligatorischen 8 ‰ = 0,8 % ("Acht Promille") ihrer jährlichen Einkommensteuererklärung zukommen lassen. Sie können eine von Italien anerkannte organisierte Religion oder eine vom italienischen Staat betriebene Sozialhilfeeinrichtung wählen. Während die Waldenser nur etwa 25.000 Mitglieder haben, sind mehr als 600.000 Italiener bereit, die Waldensergemeinschaft und ihre karitativen Werke zu unterstützen. Die Ordination von Frauen und seit 2010 auch die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sind erlaubt.

Südamerika

Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag der italienischen Einwanderung in Colonia Valdense, Uruguay.

Die ersten waldensischen Siedler aus Italien kamen 1856 in Südamerika an. Seitdem gab es mehrere Wanderungsbewegungen, vor allem nach Argentinien, z. B. in die Stadt Jacinto Aráuz im südlichen Teil der Provinz La Pampa, wo sie um 1901 ankamen. Im Jahr 2016 zählt die Waldenserkirche vom Río de La Plata (die mit der Evangelischen Waldenserkirche eine Einheitskirche bildet) etwa 40 Gemeinden und 15.000 Mitglieder, die sich auf Uruguay und Argentinien verteilen.

Die uruguayische Stadt Colonia Valdense im Departement Colonia ist das Verwaltungszentrum der Waldenser-Evangelischen Kirche vom Río de la Plata. Im Jahr 1969 gründete die Kirche eine Mission im Barrio Nuevo, die samstags und sonntags eine Suppenküche für 500 arme Familien beherbergt. Die missionarische Tätigkeit hat zur Bekehrung neuer Menschen ohne waldensische Abstammung geführt, die als "Neu-Waldenser" bezeichnet werden.

Auch einige Waldenserfamilien aus Uruguay oder direkt aus Italien fanden eine Heimat in Brasilien. Dort schlossen sie sich schließlich den örtlichen protestantischen Kirchen an.

Vereinigte Staaten

Die Waldensische Presbyterianische Kirche in der Stadt Valdese, North Carolina. Diese Gemeinde gehört der Presbyterianischen Kirche (USA) an.

Seit der Kolonialzeit gab es Waldenser, die nach Amerika segelten, wie ihre Präsenz in New Jersey und Delaware zeigt. Viele Waldenser flohen vor der Verfolgung in ihrer Heimat in die tolerante niederländische Republik und überquerten den Atlantik, um in der Kolonie Neu-Niederlande neu anzufangen. 1670 gründeten sie auf Staten Island die erste Kirche in Nordamerika.

Im späten 19. Jahrhundert wanderten viele Italiener, darunter auch Waldenser, in die Vereinigten Staaten aus. Sie gründeten Gemeinden in New York City, Boston, Chicago, Monett, Missouri, Galveston, Texas, Rochester, New York, Hunter, Utah, und Ogden, Utah. Die Gemeinde in Monett war eine der ersten, die 1875 in den Vereinigten Staaten von etwa 40 Siedlern gegründet wurde, die in den 1850er Jahren die ursprüngliche südamerikanische Siedlung in Uruguay gegründet hatten. Mit dem Ausbruch des uruguayischen Bürgerkriegs waren sie vor der Gewalt im uruguayischen Land geflohen und reisten zunächst zurück nach Europa, dann über den Nordatlantik nach New York und mit dem Zug in den Süden Missouris. Die Waldenser, die in der norditalienischen Region der Cottischen Alpen lebten, wanderten bis in die frühen 1900er Jahre nach Monett ein und vergrößerten die ursprüngliche Kolonie. 1893 gründeten sie eine weitere, größere Siedlung in Valdese, North Carolina. Die ersten Waldenser ließen sich 1893 in North Carolina nieder. Sowohl die Monett- als auch die Valdese-Gemeinde verwenden den Namen Waldensian Presbyterian Church.

Im Jahr 1853 verließ eine Gruppe von etwa 70 Waldensern, darunter Männer, Frauen und Kinder, ihre Heimat in den Piemont-Tälern und wanderte nach Pleasant Green, Hunter und Ogden, Utah, aus, nachdem sie von Lorenzo Snow zum Mormonentum bekehrt worden waren. Diese Waldenser behielten ihr kulturelles Erbe bei, während sie ihre Mischung aus mormonischem und waldensischem Glauben an ihre Nachkommen weitergaben. Ihre Nachkommen betrachten sich immer noch als Mormonen und Waldenser und haben sich im Laufe der Jahrzehnte gelegentlich getroffen, um beide Traditionen zu feiern.

Im Jahr 1906 wurden auf Initiative kirchlicher Kräfte in New York City waldensische Interessengruppen eingeladen, sich zu einer neuen Organisation zusammenzuschließen, der American Waldensian Aid Society (AWS), die organisiert wurde, "um Gelder zu sammeln und diese zur Unterstützung der Waldenserkirche in Italien und anderswo einzusetzen ... und um in den gesamten USA das Interesse an der Arbeit der genannten Kirche zu wecken und aufrechtzuerhalten." Heute besteht diese Organisation als American Waldensian Society weiter. Die Amerikanische Waldensergesellschaft feierte kürzlich ihr hundertjähriges Bestehen mit einer Konferenz und Feierlichkeiten in New York City.

In den 1920er Jahren gingen die meisten waldensischen Kirchen und Missionen aufgrund der kulturellen Assimilation der zweiten und dritten Generation in der Presbyterianischen Kirche auf.

Die Arbeit der American Waldensian Society wird heute in den Vereinigten Staaten fortgesetzt. Ziel der American Waldensian Society ist es, den Dialog und die Partnerschaft zwischen den Waldenser-Kirchen in Italien und Südamerika und den christlichen Kirchen in Nordamerika zu fördern, um eine überzeugende Vision des christlichen Zeugnisses der Waldenser für Nordamerika zu entwickeln. Auf diese Weise macht die Amerikanische Waldenser-Gesellschaft das zeitgenössische und historische Erbe bekannt, dem die waldensische Spiritualität verpflichtet ist: Sie erzählt die Geschichte, ermutigt zu "Kreuzungen" und bietet finanzielle Unterstützung an.

Die bekanntesten Waldenser-Kirchen in Amerika waren in New York, Monett, Missouri und in Valdese, North Carolina. Die Kirche in New York City wurde Mitte der 1990er Jahre aufgelöst.

Die American Waldensian Society unterstützt Kirchen, Organisationen und Familien bei der Förderung der waldensischen Geschichte und Kultur. Die Gesellschaft verbündet sich mit denjenigen, die sich für den Erhalt des tausendjährigen Erbes unter ihren Nachkommen einsetzen. So führen die Old Colony Players in Valdese, North Carolina, seit 45 Jahren das Freilichtspiel From this Day Forward auf, das die Geschichte der Waldenser und der Gründung von Valdese erzählt.

Die Waldenser-Presbyterianischen Kirchen in den Vereinigten Staaten und die Amerikanische Waldenser-Gesellschaft sind mit der in Italien ansässigen Waldenser-Evangelischen Kirche verbunden, aber im Gegensatz zu den südamerikanischen Waldenser-Gemeinschaften sind sie heute von der europäischen Organisation unabhängige Institutionen.

Deutschland

Wappen von Neuhengstett, bis 1711 Le Bourcet

Große Gruppen von Waldensern und Hugenotten, die 1698 aus dem Piemont vertrieben wurden, fanden Aufnahme in Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel, Hessen-Homburg, Nassau-Dillenburg, Baden-Durlach und im Herzogtum Württemberg. Sie gründeten neue waldensische Siedlungen unter anderem in Rohrbach, Wembach und Hahn (heute Stadtteile von Ober-Ramstadt), Walldorf (heute Stadtteil von Mörfelden-Walldorf), Dornholzhausen (heute Stadtteil von Bad Homburg vor der Höhe), Gottstreu und Gewissenruh (heute Ortsteile der Gemeinde Wesertal), Charlottenberg (heute ein Ort in der Verbandsgemeinde Diez) und in mehreren Ortschaften im Herzogtum Württemberg, wo Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg den vertriebenen Waldensern die Ansiedelung erlaubte. Unter der Leitung des Pfarrers Henri Arnaud besiedelten die Vertriebenen eine abgelegene, durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkerte und menschenarme Gegend im Nordwesten des Herzogtums, nahe dem Ort Ötisheim im jetzigen Ortsteil Schönenberg, in dem sich heute im ehemaligen Wohnhaus von Henri Arnaud ein Waldensermuseum befindet. Die Waldenser legten dort bei ihrer Ankunft Sümpfe trocken und pflanzten unter anderem Kartoffeln an, die bis dahin bei den Einheimischen unbekannt waren. Somit hängt die Niederlassung der Waldenser in Süddeutschland unmittelbar mit der Verbreitung der Kartoffel zusammen. Der Einführung der Kartoffel wurde sogar eine Erinnerungstafel gewidmet, die in Schönenberg am Haus von Henri Arnaud angebracht ist.

Das Recht der freien Religionsausübung wurde den reformierten Waldensern ausdrücklich zugesichert. Die Gottesdienste wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert in einer okzitanischen Mundart gehalten. Obwohl sich die württembergische Siedlung als die dauerhaftere erwies, ging auch sie Anfang des 19. Jahrhunderts in der evangelisch-lutherischen Landeskirche auf.

Zwischen Pforzheim und Stuttgart erinnern heute noch Ortsnamen wie Pinache, Perouse, Corres, Sengach oder Serres an die alten Waldenseransiedlungen. Weiter nördlich finden sich Großvillars, das heute zu Oberderdingen gehört, oder Kleinvillars, das heute ein Stadtteil von Knittlingen ist und Dürrmenz (Waldenserstraße), Ortsteil von Mühlacker. Untermutschelbach, ehemals Teil der Gemeinde Mutschelbach und heute Ortsteil von Karlsbad, ist eine Waldensergemeinde. Auch Nordhausen (heute Ortsteil der Gemeinde Nordheim) als einziger Waldenserort der Region Heilbronn-Franken, Neuhengstett bei Calw sowie die Karlsruher Stadtteile Welschneureut und Palmbach sind aus Waldensersiedlungen entstanden; im letzteren erinnert der Waldenserweg an die Gründung 1701. Schon im Ortsbild mit seinen straßenseitigen Giebeln lässt sich die besondere Siedlungsstruktur der Waldenserdörfer noch heute in diesen Orten erkennen. Auch die französischen Familiennamen vieler Bewohner, wie Cordier, Gille, Roux, Granget, Conle, Common, Vallon, Jourdan, Jouvenal, Piston, Richardon, Servay, Talmon, Ayasse, Conte, Baral, Gay, Orcellet oder Salen erinnern noch an die Herkunft aus Savoyen. In Stuttgart existiert zudem eine von der Landeskirche unabhängige italienischsprachige Waldensergemeinde mit 90 Mitgliedern.

Arnauds-Brunnen in Perouse (Württemberg)

Gemeindenamen wie Pinache, Serres (beide heute Teil von Wiernsheim), Großvillars (Teil von Oberderdingen), Kleinvillars, Perouse weisen auf das französische Erbe hin; die letztgenannten Gemeinden liegen in der Nähe von Maulbronn und seinem UNESCO-Welterbe Kloster und Schule. Maulbronn war Schauplatz der Feierlichkeiten zum 250. Jahrestag der Auswanderung der Waldenser nach Deutschland, die auch eine wichtige Rolle bei der deutsch-italienischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg spielten.

Die Waldensergemeinschaft ist aktiv und hat verschiedene Vereine, die das spezifische Erbe pflegen und Beziehungen zu ihren Pendants in Italien und Südamerika unterhalten. Dazu gehört auch eine genaue Beobachtung der Ökumene, wobei die waldensisch geprägten Theologen einer stärkeren Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche eher skeptisch gegenüberstehen als andere.