Harnsäure

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Harnsäure
Harnsäure Ketoform.svg
Uric acid3D.png
Fluorescent uric acid.JPG
Uratkristalle in polarisiertem Licht
Bezeichnungen
Bevorzugter IUPAC-Name
7,9-Dihydro-1H-purine-2,6,8(3H)-trione
Andere Bezeichnungen
2,6,8-Trioxypurin; 2,6,8-Trihydroxypurin; 2,6,8-Trioxopurin; 1H-Purin-2,6,8-trion
Bezeichner
3D-Modell (JSmol)
  • Lactam-Form: Interaktives Bild
  • Zwischenform: Interaktives Bild
  • Lactim-Form: Interaktives Bild
  • Urat-Monoanion: Interaktives Bild
3DMet
Beilstein-Referenz
156158
ChEBI
ChEMBL
ChemSpider
Arzneimittelbank
EC-Nummer
  • 200-720-7
IUPHAR/BPS
KEGG
MeSH Uric+Acid
PubChem CID
UNII
InChI
  • InChI=1S/C5H4N4O3/c10-3-1-2(7-4(11)6-1)8-5(12)9-3/h5,12H,(H,9,10)(H,7,8,11) ☒
    Schlüssel: DZGSAURIFGGOJK-UHFFFAOYSA-N ☒
SMILES
  • Lactam-Form: O=C1Nc2nc(=O)nc2C(=O)N1
  • Zwischenform: Oc0nc(O)nc1c0NC(=O)N1
  • Lactim-Form: Oc0nc(O)nc1c0N=C(O)N1
  • Urat-Monoanion: Oc0nc(O)nc1c0N=C([O-])N1
Eigenschaften
Chemische Formel
C5H4N4O3
Molare Masse 168,112 g-mol-1
Erscheinungsbild Weiße Kristalle
Schmelzpunkt 300 °C (572 °F; 573 K)
Löslichkeit in Wasser
6 mg/100 mL (bei 20 °C)
log P −1.107
Azidität (pKa) 5.6
Basizität (pKb) 8.4
Magnetische Suszeptibilität (χ)
-6,62×10-5 cm3 mol-1
Thermochemie
166,15 J K-1 mol-1 (bei 24,0 °C)
Std. molare
Entropie (So298)
173,2 J K-1 mol-1
Std. Bildungsenthalpie
Bildung fH298)
-619,69 bis -617,93 kJ mol-1
Std. Bildungsenthalpie
Verbrennung cH298)
-1921,2 bis -1919,56 kJ mol-1
Wenn nicht anders angegeben, gelten die Daten für Materialien im Standardzustand (bei 25 °C [77 °F], 100 kPa).
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Infobox Referenzen

Harnsäure ist eine heterocyclische Verbindung aus Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff mit der Formel C5H4N4O3. Sie bildet Ionen und Salze, die als Urate und Säureurate bekannt sind, wie z. B. Ammoniumsäureurat. Harnsäure ist ein Produkt des metabolischen Abbaus von Purinnukleotiden und ist ein normaler Bestandteil des Urins. Hohe Harnsäurekonzentrationen im Blut können zu Gicht führen und stehen in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Diabetes und der Bildung von Nierensteinen aus Ammoniumurat.

Strukturformel
Strukturformel der Harnsäure (Ketoform)
Ketoform der Harnsäure
Allgemeines
Name Harnsäure
Andere Namen
  • 2,6,8-Trihydroxypurin (Lactimform)
  • Purin-2,6,8(1H,3H,9H)-trion (Lactamform)
  • URIC ACID (INCI)
Summenformel C5H4N4O3
Kurzbeschreibung

geruchloser hellbeigefarbener Feststoff

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 69-93-2
EG-Nummer 200-720-7
ECHA-InfoCard 100.000.655
PubChem 1175
ChemSpider 1142
DrugBank DB08844
Eigenschaften
Molare Masse 168,11 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,89 g·cm−3

Schmelzpunkt

> 300 °C

pKS-Wert

5,75

Löslichkeit

wenig in Wasser

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine GHS-Piktogramme
H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Harnsäure (klinisch geläufige Abkürzung: „HS“, jedoch nicht zu verwechseln mit Harnstoff) ist das Endprodukt des Nukleinsäureabbaus (hier: Abbau von Purinbasen) vieler Tierarten, zum Beispiel bei Reptilien, Vögeln, Affen und Menschen. Bei Reptilien und Vögeln werden auch Aminosäuren zu Harnsäure abgebaut. Die Salze der Harnsäure heißen Urate.

Chemie

Harnsäure wurde erstmals 1776 von dem schwedischen Chemiker Carl Wilhelm Scheele aus Nierensteinen isoliert. Im Jahr 1882 synthetisierte der ukrainische Chemiker Iwan Horbaczewski erstmals Harnsäure durch Schmelzen von Harnstoff mit Glycin.

Harnsäure weist eine Lactam-Lactim-Tautomerie auf (oft auch als Keto-Enol-Tautomerie bezeichnet). Obwohl man davon ausgeht, dass die Lactimform ein gewisses Maß an Aromatizität aufweist, kristallisiert Harnsäure in der Lactamform, wobei die Computerchemie auch darauf hinweist, dass dieses Tautomer das stabilste ist. Harnsäure ist eine diprotische Säure mit pKa1 = 5,4 und pKa2 = 10,3, d. h. bei physiologischem pH-Wert liegt sie überwiegend als monoionisches Urat-Ion vor.

Tautomere von Harnsäure und Urat
Harnsäure Ketoform.svg
Equilibrium2.svg
Harnsäure Enolform.svg pKa1
Equilibrium2.svg
Urat.svg
Lactam-Form Lactim-Form Urat-Ion

Wasserlöslichkeit

Im Allgemeinen ist die Wasserlöslichkeit der Harnsäure und ihrer Alkali- und Erdalkalisalze eher gering. Alle diese Salze sind in heißem Wasser besser löslich als in kaltem, so dass sie leicht umkristallisiert werden können. Diese geringe Löslichkeit ist für die Ätiologie der Gicht von Bedeutung. Die Löslichkeit der Säure und ihrer Salze in Ethanol ist sehr gering oder vernachlässigbar. In Ethanol-Wasser-Gemischen liegen die Löslichkeiten irgendwo zwischen den Endwerten für reines Ethanol und reines Wasser.

{class="wikitable sortable"

|+ Löslichkeit von Uratsalzen (Gramm Wasser pro Gramm der Verbindung) ! data-sort-type="text" | Verbindung ! data-sort-type="Zahl" | Kaltes Wasser ! data-sort-type="Zahl" | Kochendes Wasser |- | Harnsäure | 15,000 | 2,000 |- | Ammoniumhydrogenurat | - | 1,600 |- | Lithiumhydrogenurat | 370 | 39 |- | Natriumhydrogenurat | 1,175 | 124 |- | Kaliumhydrogenurat | 790 | 75 |- | Magnesiumdihydrogendiurat | 3,750 | 160 |- | Calciumdihydrogendiurat | 603 | 276 |- | Dinatriumurat | 77 | - |- | Dikaliumurat | 44 | 35 |- | Kalziumurat | 1,500 | 1,440 |- | Strontiumurat | 4,300 | 1,790 |- | Bariumurat | 7,900 | 2,700 |}

Die angegebenen Zahlen geben an, welche Masse an Wasser erforderlich ist, um eine Masseneinheit der angegebenen Verbindung zu lösen. Je niedriger die Zahl, desto löslicher ist die Substanz in dem betreffenden Lösungsmittel.

Biochemie

Xanthinoxidase (bei Säugetieren hauptsächlich als Xanthindehydrogenase und selten als Oxidase) ist ein Enzym, das die Bildung von Harnsäure aus Xanthin und Hypoxanthin katalysiert, die wiederum aus anderen Purinen gebildet werden. Xanthinoxidase ist ein großes Enzym, dessen aktives Zentrum aus dem Metall Molybdän besteht, das an Schwefel und Sauerstoff gebunden ist. In den Zellen kann Xanthinoxidase als Xanthin-Dehydrogenase und Xanthin-Oxireduktase vorkommen, die auch aus Rindermilch und Milzextrakten gereinigt wurde. Harnsäure wird unter hypoxischen Bedingungen (geringe Sauerstoffsättigung) freigesetzt.

Genetische und physiologische Vielfalt

Primaten. Beim Menschen und anderen Menschenaffen ist Harnsäure (eigentlich Hydrogenurat-Ionen) das letzte Oxidationsprodukt (Abbauprodukt) des Purinstoffwechsels und wird mit dem Urin ausgeschieden, während bei den meisten anderen Säugetieren das Enzym Uricase die Harnsäure weiter zu Allantoin oxidiert. Der Verlust der Uricase bei höheren Primaten geht einher mit dem Verlust der Fähigkeit, Ascorbinsäure zu synthetisieren, was zu der Vermutung führt, dass Urat bei diesen Tierarten Ascorbat teilweise ersetzen kann. Sowohl Harnsäure als auch Ascorbinsäure sind starke Reduktionsmittel (Elektronendonatoren) und starke Antioxidantien. Beim Menschen stammt mehr als die Hälfte der antioxidativen Kapazität des Blutplasmas von Hydrogenurat-Ionen.

Der Mensch. Der normale Konzentrationsbereich von Harnsäure (oder Hydrogenurat-Ionen) im menschlichen Blut liegt bei Männern bei 25 bis 80 mg/L und bei Frauen bei 15 bis 60 mg/L (zu leicht abweichenden Werten siehe unten). Ein Mensch kann Serumwerte von bis zu 96 mg/L haben, ohne an Gicht zu leiden. Beim Menschen werden etwa 70 % der täglichen Harnsäure über die Nieren ausgeschieden, und bei 5-25 % der Menschen führt eine gestörte Nierenausscheidung zu einer Hyperurikämie. Die normale Ausscheidung von Harnsäure im Urin beträgt 270 bis 360 mg pro Tag (Konzentration von 270 bis 360 mg/L, wenn ein Liter Urin pro Tag produziert wird - höher als die Löslichkeit der Harnsäure, da sie in Form von gelösten sauren Uraten vorliegt). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK562201/

Hunde. Der Dalmatiner hat einen genetischen Defekt in der Harnsäureaufnahme durch Leber und Nieren, was zu einer verminderten Umwandlung in Allantoin führt, so dass diese Rasse Harnsäure und nicht Allantoin mit dem Urin ausscheidet.

Vögel und Reptilien. Bei Vögeln und Reptilien sowie bei einigen wüstenbewohnenden Säugetieren (z. B. der Kängururatte) ist Harnsäure ebenfalls das Endprodukt des Purinstoffwechsels, wird aber als Trockenmasse mit dem Kot ausgeschieden. Dabei handelt es sich um einen komplexen Stoffwechselweg, der im Vergleich zur Verarbeitung anderer stickstoffhaltiger Abfälle wie Harnstoff (aus dem Harnstoffzyklus) oder Ammoniak energetisch kostspielig ist, aber den Vorteil hat, dass er den Wasserverlust verringert und eine Dehydrierung verhindert.

Wirbellose Tiere. Platynereis dumerilii, ein mariner Polychaeta-Wurm, verwendet Harnsäure als Sexualpheromon. Das Weibchen dieser Art gibt während der Paarung Harnsäure ins Wasser ab, um die Männchen zur Abgabe von Spermien zu veranlassen.

Der Abbau der Harnsäure (1) bei Tieren verläuft über mehrere Zwischenstufen, abhängig vom Organismus. Eine Uricase (A) katalysiert den Abbau zu Allantoin (2), welches durch eine Allantoinase (B) zu Allantoinsäure (3) hydrolysiert wird. Nach Abspaltung von Glyoxylat (4) werden zwei Moleküle Harnstoff (5) gebildet, was eine Allantoicase (C) katalysiert. Harnstoff wird schließlich durch eine Urease (D) zu Ammoniak und Kohlenstoffdioxid hydrolysiert.

Im Organismus von Hominiden, also Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, entsteht Harnsäure als Abbauprodukt der Purinbasen und ist damit das Endprodukt des Purinstoffwechsels. Sie entsteht aus Hypoxanthin oder Xanthin durch das Enzym Xanthinoxidase. Harnsäure ist das endgültige Abbauprodukt der Purinnukleotide und wird zu etwa 75 % renal, also über die Niere, ausgeschieden. Daneben erfolgt auch eine Elimination über Speichel, Schweiß oder die intestinale Sekretion, also über den Darm. Die tägliche Ausscheidung beträgt bis zu 1 g.

Bei anderen Säugetieren wird Harnsäure durch das Enzym Uricase in Allantoin umgewandelt.

Obwohl Hominiden Harnsäure nicht weiter abbauen können, besitzen sie in der Niere ein effektives Reabsorptionssystem in Form des Harnsäure/Anionentauschers URAT1. Aus diesem Grund haben sie fünf- bis zehnmal höhere Harnsäure-Spiegel im Serum als andere Säugetiere. Ein möglicher Grund für die hohen Harnsäurekonzentrationen im Blut könnte die antioxidative Wirkung sein.

Eine – nur andere Tiere betreffende – überwiegende Ausscheidung von überschüssigem Stickstoff über Harnsäure bezeichnet man als Uricotelie.

Genetik

Obwohl Lebensmittel wie Fleisch und Meeresfrüchte den Serumuratspiegel erhöhen können, ist die genetische Variation ein weitaus größerer Faktor für einen hohen Serumuratspiegel. Ein Teil der Menschen hat Mutationen in den Urattransportproteinen, die für die Ausscheidung von Harnsäure durch die Nieren verantwortlich sind. Bisher wurden Varianten in einer Reihe von Genen identifiziert, die mit dem Serumurat in Verbindung stehen: SLC2A9; ABCG2; SLC17A1; SLC22A11; SLC22A12; SLC16A9; GCKR; LRRC16A; und PDZK1. GLUT9, das durch das SLC2A9-Gen kodiert wird, transportiert bekanntermaßen sowohl Harnsäure als auch Fruktose.

Klinische Bedeutung und Forschung

Im menschlichen Blutplasma liegt der Referenzbereich für Harnsäure typischerweise bei 3,4-7,2 mg pro 100 ml (200-430 μmol/L) für Männer und 2,4-6,1 mg pro 100 ml für Frauen (140-360 μmol/L). Harnsäurekonzentrationen im Blutplasma, die über oder unter dem Normalbereich liegen, werden als Hyperurikämie bzw. Hypourikämie bezeichnet. Ebenso werden Harnsäurekonzentrationen im Urin, die über oder unter dem Normalbereich liegen, als Hyperurikosurie und Hypourikosurie bezeichnet. Der Harnsäurespiegel im Speichel kann mit dem Harnsäurespiegel im Blut in Verbindung gebracht werden.

Hohe Harnsäure

Die Hyperurikämie (hoher Harnsäurespiegel), die Gicht auslöst, hat verschiedene mögliche Ursachen:

  • Die Ernährung kann ein Faktor sein. Ein hoher Verzehr von Purin, Maissirup mit hohem Fructosegehalt und Saccharose kann den Harnsäurespiegel erhöhen.
  • Die Serumharnsäure kann durch eine verminderte Ausscheidung über die Nieren erhöht sein.
  • Fasten oder schnelle Gewichtsabnahme können den Harnsäurespiegel vorübergehend erhöhen.
  • Bestimmte Medikamente, wie z. B. Thiaziddiuretika, können den Harnsäurespiegel im Blut erhöhen, da sie die Ausscheidung über die Nieren beeinträchtigen.
  • Tumorlyse-Syndrom, eine metabolische Komplikation bei bestimmten Krebsarten oder Chemotherapie, die auf die Freisetzung von Nukleobasen und Kalium in das Plasma zurückzuführen ist.

Gicht

Eine 2011 in den Vereinigten Staaten durchgeführte Umfrage ergab, dass 3,9 % der Bevölkerung an Gicht erkrankt waren, während 21,4 % eine Hyperurikämie aufwiesen, ohne Symptome zu haben.

Ein Überschuss an Harnsäure im Blut kann Gicht auslösen, einen schmerzhaften Zustand, der durch nadelförmige Harnsäurekristalle entsteht, die sich in Gelenken, Kapillaren, Haut und anderen Geweben ablagern. Gicht kann bei einem Serumharnsäurespiegel von nur 6 mg pro 100 mL (357 μmol/L) auftreten, aber eine Person kann auch Serumwerte von 9,6 mg pro 100 mL (565 μmol/L) haben, ohne an Gicht zu leiden.

Beim Menschen werden Purine in Harnsäure umgewandelt, die dann über den Urin ausgeschieden wird. Der Verzehr großer Mengen einiger purinreicher Lebensmittel, insbesondere von Fleisch und Meeresfrüchten, erhöht das Gichtrisiko. Zu den purinreichen Lebensmitteln gehören Leber, Niere und Bries sowie bestimmte Arten von Meeresfrüchten wie Sardellen, Hering, Sardinen, Muscheln, Jakobsmuscheln, Forelle, Schellfisch, Makrele und Thunfisch. Ein mäßiger Verzehr von purinreichem Gemüse wird jedoch nicht mit einem erhöhten Gichtrisiko in Verbindung gebracht.

Eine Behandlungsmethode für Gicht im 19. Jahrhundert war die Verabreichung von Lithiumsalzen; Lithiumurat ist besser löslich. Heute wird die Entzündung während der Anfälle eher mit NSAR, Colchizin oder Kortikosteroiden behandelt, und der Uratspiegel wird mit Allopurinol kontrolliert. Allopurinol, das die Xanthinoxidase schwach hemmt, ist ein Analogon von Hypoxanthin, das von der Xanthinoxidoreduktase an der 2-Position hydroxyliert wird und Oxipurinol ergibt.

Tumor-Lyse-Syndrom

Beim Tumorlyse-Syndrom, einer Notfallsituation, die bei Blutkrebs auftreten kann, kommt es zu hohen Harnsäurespiegeln im Blut, wenn Tumorzellen entweder spontan oder nach einer Chemotherapie ihren Inhalt in das Blut abgeben. Das Tumorlysesyndrom kann zu einer akuten Nierenschädigung führen, wenn sich Harnsäurekristalle in den Nieren ablagern. Die Behandlung umfasst eine Hyperhydratation zur Verdünnung und Ausscheidung der Harnsäure über den Urin, Rasburicase zur Verringerung der schwerlöslichen Harnsäure im Blut oder Allopurinol zur Hemmung des Purinkatabolismus, der die Harnsäurekonzentration erhöht.

Lesch-Nyhan-Syndrom

Das Lesch-Nyhan-Syndrom, eine seltene Erbkrankheit, ist ebenfalls mit hohen Serumharnsäurespiegeln verbunden. Bei diesem Syndrom treten Spastik, unwillkürliche Bewegungen und kognitive Retardierung sowie Anzeichen von Gicht auf.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Eine Hyperurikämie kann die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

Typ-2-Diabetes

Hyperurikämie ist möglicherweise eher eine Folge der Insulinresistenz bei Diabetes als deren Vorstufe. Eine Studie zeigte, dass ein hoher Serumharnsäurespiegel unabhängig von Fettleibigkeit, Dyslipidämie und Bluthochdruck mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden ist. Eine Hyperurikämie wird mit Komponenten des metabolischen Syndroms in Verbindung gebracht, auch bei Kindern.

Bildung von Harnsäuresteinen

Nierensteine können sich durch Ablagerungen von Natriumurat-Mikrokristallen bilden.

Eine Sättigung des Harnsäurespiegels im Blut kann zu einer Form von Nierensteinen führen, wenn das Urat in der Niere kristallisiert. Diese Harnsäuresteine sind röntgendurchlässig, so dass sie auf einem einfachen Röntgenbild des Abdomens nicht zu sehen sind. Harnsäurekristalle können auch die Bildung von Kalziumoxalatsteinen fördern, indem sie als "Impfkristalle" wirken.

Niedrige Harnsäure

Ein niedriger Harnsäurespiegel (Hypourikämie) kann zahlreiche Ursachen haben. Eine geringe Zinkzufuhr mit der Nahrung führt zu niedrigeren Harnsäurespiegeln. Dieser Effekt kann bei Frauen, die orale Verhütungsmittel einnehmen, noch stärker ausgeprägt sein. Sevelamer, ein Medikament zur Vorbeugung von Hyperphosphatämie bei Menschen mit chronischem Nierenversagen, kann die Serumharnsäure deutlich senken.

Multiple Sklerose

Eine Metaanalyse von 10 Fall-Kontroll-Studien ergab, dass der Serumharnsäurespiegel von Patienten mit Multipler Sklerose im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen signifikant niedriger war, was möglicherweise auf einen diagnostischen Biomarker für Multiple Sklerose hinweist.

Normalisierung eines niedrigen Harnsäurespiegels

Die Korrektur eines niedrigen oder mangelhaften Zinkspiegels kann dazu beitragen, die Serumharnsäure zu erhöhen.

Struktur

Für die Harnsäure lässt sich eine Lactam-Lactim-Tautomerie formulieren:

Harnsäure Ketoform.svg Harnsäure Enolform.svg

Die Ketoform ist gegenüber dem heteroaromatischen 2,6,8-Trihydroxypurin bevorzugt.

Darstellung

Harnsäure kann in einer Traube-Synthese dargestellt werden. Durch Kondensation von Cyanessigsäureethylester 1 mit Harnstoff 2 entsteht Cyanacetylharnstoff 3, der sich unter basischen Bedingungen zu 6-Aminouracil 4 cyclisieren lässt. Über die Nitrosoverbindung 5 ist 5,6-Diaminouracil 6 zugänglich, das mit Chlorameisensäureethylester 7 zur Harnsäure 8 reagiert.

Synthese von Harnsäure ⓘ

Eigenschaften

Harnsäure bildet weiße, geruchlose Kristalle, die ab 300 °C schmelzen, und tritt in zwei tautomeren Formen auf (siehe Strukturformel). Harnsäure ist als schwache Säure nur schlecht in protoniertem Zustand (beispielsweise in Wasser), dagegen gut in basischen Medien löslich. Auch die Alkalisalze (besonders das Lithiumsalz) haben eine bessere Wasserlöslichkeit.

Biologische Bedeutung

Physikochemie

Harnsäure weist unterschiedliche Erscheinungsformen auf, reduzierte und oxidierte. Folglich kommt es auf das Milieu um die Harnsäure an, welcher Redox-Zustand vorliegt. Danach entscheidet sich auch, ob und wie lange mit einem Reaktionspartner eine Bindung eingegangen wird.

Pathophysiologie

Unter bestimmten Bedingungen kann es zum erhöhten Anfall von Harnsäure im Organismus kommen. Der häufigste Grund ist eine unzureichende Harnsäureausscheidung über die Nieren. Wird dabei das Löslichkeitsprodukt überschritten, kann die Harnsäure in den ableitenden Harnwegen, in der Blutbahn und in bradytrophen Geweben ausfallen und abgelagert werden. Hierbei spielt auch der pH-Wert eine Rolle: Während die Harnsäure im Blut bei einem pH von 7,4 weitgehend dissoziiert und damit löslich ist, kristallisiert sie bei einem saureren pH leicht aus. Dieser wird z. B. im Urin oder in Geweben mit geringer Sauerstoffversorgung (und dadurch vermehrter Lactatbildung) erreicht.

Folge dieser Hyperurikämie können Urolithe (Harnsteine bei der Harnsäurelithiasis), Gicht und Harnsäureinfarkte sein. Das Natriumsalz der Harnsäure, Natriumurat, spielt dabei eine wesentliche Rolle, weil es sich dann als Kristalle (Gicht) oder Steine (Nierensteine) absetzt.

Bestimmte Faktoren erhöhen die Harnsäureproduktion oder die Harnsäuremenge im Organismus:

  • Ernährung:
    • Erhöhte Aufnahme Fructose-haltiger Lebensmittel (zuckerhaltige Getränke, Süßigkeiten, gezuckerte Frühstücksflocken etc.) assoziiert mit erhöhtem Risiko für Übergewicht, Gicht und Bluthochdruck
    • Erhöhte Aufnahme purinreicher Lebensmittel
    • Alkoholkonsum hemmt aufgrund des Ethanols die Harnsäureausscheidung
  • Erkrankungen:
    • Hämoblastosen
    • Glykogenosen
    • Lesch-Nyhan-Syndrom
    • Idiopathische Hyperkalzämie
    • Hypertriglyceridämie
    • Chronisches Nierenversagen (Niereninsuffizienz)
    • Akutes Tumorlyse-Syndrom
  • Begleiterscheinung verschiedener Therapieformen:

Die Bestimmung der Harnsäurekonzentration ist bei einer Tumortherapie mit Zytostatika oder ionisierenden Strahlen von großer Bedeutung. Werden größere Tumor- und Zellmassen zerstört, so steigt der Harnsäure-Gehalt im Blut rasch an, so dass es zu schweren Nierenschädigungen kommen kann. Durch regelmäßige Kontrolle muss die Tumortherapie so gesteuert werden, dass kritische Harnsäurespiegel nicht erreicht werden.

In einer großen epidemiologischen Untersuchung waren erhöhte Harnsäure-Spiegel in der Normalbevölkerung ein moderater Risikofaktor, im weiteren Verlauf an einer chronischen Nierenkrankheit zu erkranken.

Metabolisches Syndrom

Der Begründer der Pathologie, Giovanni Battista Morgagni (1682–1771; Professor in Padua), erkannte bereits im 18. Jahrhundert den Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit, Bluthochdruck und Gicht. In der „Erstbeschreibung“ des Metabolischen Syndroms (MetS) durch den Schweden E. Kylin 1923 wird neben der Erhöhung von Körpergewicht, Blutfetten und Blutzucker noch die Hyperurikämie erwähnt. In den aktuell gültigen Definitionen z. B. der International Diabetes Foundation (IDF) fehlt die Hyperurikämie. Eine zunehmende Zahl von Wissenschaftlern nimmt sie aber wieder in ihre Definition des MetS auf.

Nachweisreaktionen

Der Harnsäuregehalt lässt sich im Enzymtest durch Photometrie unter Verwendung der Uratoxidase und einer Absorption im Bereich von 290 nm messen.

Ein weiterer gebräuchlicher Nachweis erfolgt über das Eindampfen der Harnsäure mit konzentrierter Salpetersäure und Versetzen mit Ammoniak-Lösung in der Murexid-Probe.