Capsaicin
Namen | |
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Aussprache | /kæpˈseɪɪsɪn/ |
Bevorzugter IUPAC-Name
(6E)-N-[(4-Hydroxy-3-methoxyphenyl)methyl]-8-methylnon-6-enamid | |
Andere Bezeichnungen
(E)-N-(4-Hydroxy-3-methoxybenzyl)-8-methylnon-6-enamid
8-Methyl-N-vanillyl-trans-6-nonenamid trans-8-Methyl-N-vanillylnon-6-enamid (E)-Capsaicin Capsaicin Capsicin CPS | |
Bezeichner | |
3D-Modell (JSmol)
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Beilstein-Referenz
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2816484 |
ChEBI | |
ChEMBL | |
ChemSpider | |
Arzneimittelbank | |
EC-Nummer |
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IUPHAR/BPS
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KEGG | |
PubChem CID
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UNII | |
InChI
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SMILES
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Eigenschaften | |
Chemische Formel
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C18H27NO3 |
Molekulare Masse | 305,418 g-mol-1 |
Erscheinungsbild | kristallines weißes Pulver |
Geruch | Leicht flüchtig und stechend |
Schmelzpunkt | 62 bis 65 °C (144 bis 149 °F; 335 bis 338 K) |
Siedepunkt | 210 bis 220 °C (410 bis 428 °F; 483 bis 493 K) 0,01 Torr |
Löslichkeit in Wasser
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0,0013 g/100 mL |
Löslichkeit |
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Dampfdruck | 1,32×10-8 mm Hg bei 25 °C |
UV-vis (λmax) | 280 nm |
Struktur | |
Kristallstruktur
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Monoklin |
Pharmakologie | |
ATC-Code
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M02AB01 (WER) N01BX04 (WER) |
Lizenz-Daten |
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Gefahren | |
GHS-Kennzeichnung: | |
Piktogramme
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Signalwort
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Gefahr |
Gefahrenhinweise
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H301, H302, H315, H318 |
Sicherheitshinweise
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P264, P270, P280, P301+P310, P301+P312, P302+P352, P305+P351+P338, P310, P321, P330, P332+P313, P362, P405, P501 |
NFPA 704 (Feuerdiamant) | |
Sicherheitsdatenblatt (SDS) | |
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Daten auf Materialien im Standardzustand (bei 25 °C [77 °F], 100 kPa).
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Infobox Referenzen
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Capsaicin ⓘ | |
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Wärme | Über Spitzenwert |
Scoville-Skala | 16.000.000 SHU |
Capsaicin (8-Methyl-N-vanillyl-6-nonenamid) (/kæpˈseɪɪsɪn/) ist ein aktiver Bestandteil von Chilischoten, d. h. Pflanzen der Gattung Capsicum. Es ist ein chemischer Reizstoff für Säugetiere, einschließlich des Menschen, und erzeugt in jedem Gewebe, mit dem es in Berührung kommt, ein brennendes Gefühl. Capsaicin und mehrere verwandte Alkaloide werden als Capsaicinoide bezeichnet und als sekundäre Stoffwechselprodukte von Chilischoten produziert, wahrscheinlich als Abschreckungsmittel gegen bestimmte Säugetiere und Pilze. Reines Capsaicin ist eine hydrophobe, farblose, stark scharfe, kristalline bis wachsartige feste Verbindung. ⓘ
Strukturformel ⓘ | |||||||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||||||
Name | Capsaicin | ||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C18H27NO3 | ||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
farblose Kristalle | ||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | |||||||||||||||||||
ATC-Code | |||||||||||||||||||
Eigenschaften | |||||||||||||||||||
Molare Masse | 305,41 g·mol−1 | ||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | ||||||||||||||||||
Schmelzpunkt |
65–66 °C | ||||||||||||||||||
Siedepunkt |
210–220 °C bei 1,3Pa | ||||||||||||||||||
Löslichkeit |
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Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten |
47,2 mg·kg−1 (LD50, Maus, oral) | ||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Capsaicin (abgekürzt CPS) ist ein in verschiedenen Paprika-Arten natürlich vorkommendes Alkaloid, das bei Säugetieren durch Wirkung auf spezifische Rezeptoren einen Hitze- oder Schärfereiz und damit verbunden die Freisetzung von Neuropeptiden wie Substanz P hervorruft. Chemisch ist Capsaicin ein Fettsäureamid, genauer das Vanillylamid der Fettsäure trans-8-Methyl-6-nonensäure. Capsaicin ist lipophil (fettlöslich). ⓘ
Natürliche Funktion
Eine Möglichkeit der Entstehung der Capsaicinproduktion ist ein evolutionärer Vorteil, der sich auf die Fortpflanzung und Verbreitung des Erbguts bezieht, denn Capsaicinoide sind nur für Säugetiere scharf, nicht aber für Vögel, deren Nervenzellen etwas anders aufgebaut sind. Hierin liegt ein wichtiger Selektionsfaktor für die Pflanzen: Indem sie Säugetiere abschrecken, werden ihre Früchte vermehrt von Vögeln gefressen. Vögel legen im Durchschnitt weitere Strecken zurück als Säugetiere und können die Samen der Pflanze dadurch effektiver verbreiten. Zudem zermahlen die Vögel beim Verzehr der Früchte die Samen nicht, wie es Säugetiere beim Kauen tun. Die Samen werden also unverdaut wieder ausgeschieden und zudem noch durch den Vogelkot gedüngt. ⓘ
Eine weitere Möglichkeit wurde von den Ökologen und Evolutionsbiologen Joshua J. Tewksbury und Douglas Levey beschrieben. Diese untersuchten die Verbreitung der Pflanzen in Bolivien und besonders die Konzentration der in den Chilischoten vorhandenen Capsaicinoide im Zusammenhang mit den ökologischen Gegebenheiten im Verbreitungsgebiet und stellten einen direkten Zusammenhang zwischen dem Pilzbefallrisiko und dem Vorkommen der Schnabelkerfen fest. So besitzen die Chilischoten in den Gegenden mit einem erhöhten Befallsrisiko für Pilze, insbesondere der Gattung Fusarium, einen erhöhten Gehalt des fungiziden Capsaicins, wodurch ein Überleben der Früchte auch in diesen Gegenden gewährleistet wird. Dies ist eine Folge der Selektion, da nur Früchte mit einem erhöhten Capsaicingehalt überleben können. Andere Arten, deren Capsaicingehalt nicht so hoch ist, setzen sich dagegen nur in Gegenden mit einem geringeren Befallsrisiko durch. Einen weiteren Zusammenhang stellten die Evolutionsbiologen mit den im Verbreitungsraum vorhandenen Schnabelkerfen fest. So waren die Chilifrüchte der Pflanzen in einem Areal mit einem erhöhten Vorkommen der Insekten, welche die Früchte bei der Nahrungssuche anstechen und damit den Schimmelpilzen den Weg ins Innere der Früchte ebnen, besonders scharf. Das Vorhandensein nur dieser scharfen, eben mit einem erhöhten Capsaicingehalt ausgestatteten Früchte ist eine direkte Folge der Selektion, da hier nur Pflanzen mit einem wirksamen Schutz gegen den Befall der Schimmelpilze überlebensfähig sind. So dient das Capsaicin nicht nur dem Abschrecken von Fraßfeinden, sondern auch dem Schutz der Früchte und deren Samen gegen Schimmelpilze sowie der eigentlichen Verbreitung durch Vögel. ⓘ
Capsaicin ist in großen Mengen im Plazentagewebe (das die Samen enthält), in den inneren Membranen und in geringerem Maße in den anderen fleischigen Teilen der Früchte von Pflanzen der Gattung Capsicum enthalten. Die Samen selbst produzieren kein Capsaicin, obwohl die höchste Capsaicin-Konzentration im weißen Mark der Innenwand zu finden ist, an dem die Samen befestigt sind. ⓘ
Das Vanillotoxin-haltige Gift einer bestimmten Vogelspinnenart (Psalmopoeus cambridgei, auch bekannt als Trinidad Chevron Tarantula) aktiviert den gleichen Schmerzweg wie Capsaicin, ein Beispiel für einen gemeinsamen Weg der pflanzlichen und tierischen Abwehr von Säugetieren. ⓘ
Verwendungen
Lebensmittel
Aufgrund des brennenden Gefühls, das Capsaicin bei Kontakt mit den Schleimhäuten hervorruft, wird es häufig in Lebensmitteln verwendet, um ihnen zusätzliche Schärfe zu verleihen, meist in Form von Gewürzen wie Chilipulver und Paprika. In hohen Konzentrationen kann Capsaicin auch eine brennende Wirkung auf andere empfindliche Bereiche wie Haut oder Augen haben. Der Schärfegrad eines Lebensmittels wird häufig anhand der Scoville-Skala gemessen. ⓘ
Seit langem besteht eine Nachfrage nach Capsaicin-gewürzten Produkten wie Chilipfeffer und scharfen Saucen wie Tabasco-Sauce und mexikanischer Salsa. Die Einnahme von Capsaicin führt häufig zu angenehmen und sogar euphorischen Wirkungen. Der Volksmund unter den selbsternannten "Chiliheads" führt dies auf die schmerzstimulierende Freisetzung von Endorphinen zurück, ein anderer Mechanismus als die lokale Überlastung der Rezeptoren, die Capsaicin als topisches Analgetikum wirksam macht. ⓘ
Forschung und pharmazeutische Verwendung
Capsaicin wird als Analgetikum in topischen Salben und Hautpflastern zur Schmerzlinderung verwendet, in der Regel in Konzentrationen zwischen 0,025 % und 0,1 %. Es kann in Cremeform zur vorübergehenden Linderung von leichten Muskel- und Gelenkschmerzen im Zusammenhang mit Arthritis, Rückenschmerzen, Zerrungen und Verstauchungen angewendet werden, häufig in Verbindung mit anderen Rubefazien. ⓘ
Capsaicin wird auch zur Linderung der Symptome peripherer Neuropathie eingesetzt, z. B. bei postherpetischer Neuralgie, die durch Gürtelrose verursacht wird. Ein transdermales Capsaicin-Pflaster (Qutenza) zur Behandlung dieser speziellen therapeutischen Indikation (Schmerzen durch postherpetische Neuralgie) wurde 2009 sowohl von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) als auch von der Europäischen Union als Therapeutikum zugelassen. Ein späterer Antrag bei der FDA für die Verwendung von Qutenza als Analgetikum bei HIV-Neuralgie wurde abgelehnt. Eine 2017 durchgeführte Überprüfung klinischer Studien von begrenzter Qualität ergab, dass hochdosiertes topisches Capsaicin (8 %) im Vergleich zur Kontrollgruppe (0,4 % Capsaicin) eine mäßige bis erhebliche Schmerzlinderung bei postherpetischer Neuralgie, HIV-Neuropathie und diabetischer Neuropathie bewirkt. ⓘ
Obwohl Capsaicin-Cremes zur Behandlung von Schuppenflechte eingesetzt wurden, um den Juckreiz zu lindern, ergab eine Überprüfung von sechs klinischen Studien mit topischem Capsaicin zur Behandlung von Juckreiz, dass die Wirkung nicht ausreichend belegt war. Capsaicin senkt den LDL-Cholesterinspiegel mäßig. ⓘ
Es liegen keine ausreichenden klinischen Nachweise vor, um die Rolle von eingenommenem Capsaicin bei verschiedenen menschlichen Erkrankungen, einschließlich Fettleibigkeit, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu bestimmen. ⓘ
Pfefferspray und Schädlinge
Capsaicinoide sind auch ein aktiver Bestandteil von Pfefferspray, das zur Bekämpfung von Unruhen und zur persönlichen Verteidigung eingesetzt wird. Wenn das Spray mit der Haut, insbesondere mit den Augen oder Schleimhäuten, in Berührung kommt, verursacht es bei den Betroffenen Schmerzen und Atembeschwerden. ⓘ
Capsaicin wird auch zur Abschreckung von Schädlingen, insbesondere von Säugetieren, eingesetzt. Zu den Zielscheiben von Capsaicin-Abwehrmitteln gehören Wühlmäuse, Rehe, Kaninchen, Eichhörnchen, Bären, Insekten und angreifende Hunde. Gemahlene oder zerstoßene getrocknete Chilischoten können in Vogelfutter verwendet werden, um Nagetiere abzuschrecken, wobei die Unempfindlichkeit der Vögel gegenüber Capsaicin ausgenutzt wird. Der Elephant Pepper Development Trust behauptet, dass die Verwendung von Chilischoten als Barrierepflanzen für afrikanische Landwirte ein nachhaltiges Mittel sein kann, um Elefanten davon abzuhalten, ihre Ernte zu fressen. ⓘ
In einem Artikel, der 2006 im Journal of Environmental Science and Health Part B veröffentlicht wurde, heißt es: "Obwohl Chilipfefferextrakt häufig als Bestandteil von Insektenschutzmitteln für Haushalt und Garten verwendet wird, ist nicht klar, dass die Capsaicinoid-Elemente des Extrakts für seine abweisende Wirkung verantwortlich sind". ⓘ
Das erste Pestizidprodukt, das ausschließlich Capsaicin als Wirkstoff verwendet, wurde 1962 beim US-Landwirtschaftsministerium zugelassen. ⓘ
Verwendung im Reitsport
Bei den Olympischen Spielen 2008 in China wurden vier Springreiter nach positivem Dopingtest ihrer Pferde auf das im Reitsport verbotene Capsaicin von den Spielen suspendiert, darunter auch der Deutsche Christian Ahlmann. Die Anwendung von Capsaicin an den Vorderbeinen der Pferde macht diese schmerzempfindlicher. Sie sind dadurch vorsichtiger beim Sprung über die Hindernisse und nehmen keine Hindernisberührung mehr in Kauf. Dies wird auch als „chemisches Barren“ bezeichnet und als Doping gewertet. ⓘ
Capsaicin ist im Pferdesport wegen seiner hypersensibilisierenden und schmerzlindernden Eigenschaften verboten. Bei den Springreitern der Olympischen Sommerspiele 2008 wurden vier Pferde positiv auf die Substanz getestet, was zur Disqualifizierung führte. ⓘ
Toxizität
Akute gesundheitliche Auswirkungen
Capsaicin ist ein starkes Reizmittel, das geeignete Schutzbrillen, Atemschutzmasken und den richtigen Umgang mit Gefahrstoffen erfordert. Capsaicin wirkt bei Hautkontakt (reizend, sensibilisierend), Augenkontakt (reizend), Verschlucken und Einatmen (lungenreizend, lungensensibilisierend). Die LD50 bei Mäusen beträgt 47,2 mg/kg. ⓘ
Schmerzhafte Expositionen gegenüber Capsaicin-haltigen Paprika gehören zu den häufigsten pflanzenbedingten Expositionen, die den Giftnotrufzentralen gemeldet werden. Sie verursachen brennende oder stechende Schmerzen auf der Haut und können, wenn sie in großen Mengen von Erwachsenen oder in kleinen Mengen von Kindern aufgenommen werden, zu Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und brennendem Durchfall führen. Eine Exposition der Augen führt zu starkem Tränenfluss, Schmerzen, Bindehautentzündung und Blepharospasmus. ⓘ
Behandlung nach der Exposition
Die wichtigste Behandlung besteht darin, sich von der Exposition zu entfernen. Kontaminierte Kleidung sollte vor der Verbrennung entfernt und in luftdichte Säcke verpackt werden, um eine Sekundärexposition zu verhindern. ⓘ
Bei äußerer Exposition ist das Baden der Schleimhautoberflächen, die mit Capsaicin in Berührung gekommen sind, mit öligen Verbindungen wie Pflanzenöl, Paraffinöl, Vaseline, Cremes oder Polyethylenglykol die wirksamste Methode, um die damit verbundenen Beschwerden zu lindern; da sowohl Öl als auch Capsaicin hydrophobe Kohlenwasserstoffe sind, wird das Capsaicin, das nicht bereits im Gewebe absorbiert wurde, in Lösung gebracht und leicht entfernt. Capsaicin kann auch mit Seife, Shampoo oder anderen Reinigungsmitteln von der Haut abgewaschen werden. Einfaches Wasser ist zur Entfernung von Capsaicin unwirksam. Capsaicin ist in Alkohol löslich, der zur Reinigung kontaminierter Gegenstände verwendet werden kann. ⓘ
Wenn Capsaicin eingenommen wird, ist kalte Milch ein wirksames Mittel, um das brennende Gefühl zu lindern (da Kaseine, ein in der Milch enthaltenes Protein, eine reinigende Wirkung auf Capsaicin haben), und Zuckerlösung (10 %) bei 20 °C ist fast ebenso wirksam. Das brennende Gefühl klingt über mehrere Stunden langsam ab, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. ⓘ
Capsaicin-induziertes Asthma kann mit oralen Antihistaminika oder Kortikosteroiden behandelt werden. ⓘ
Gewichtsverlust und -rückgewinnung
Bis 2007 gab es keine Belege dafür, dass eine Gewichtsabnahme direkt mit der Einnahme von Capsaicin zusammenhängt. Gut konzipierte klinische Studien wurden nicht durchgeführt, da die Schärfe von Capsaicin in den vorgeschriebenen Dosen die Probanden daran hinderte, sich an der Studie zu beteiligen. Eine Metaanalyse weiterer Studien aus dem Jahr 2014 ergab schwache Hinweise darauf, dass die Einnahme von Capsaicin vor einer Mahlzeit die verzehrte Nahrungsmenge geringfügig reduzieren und die Nahrungspräferenz in Richtung Kohlenhydrate lenken könnte. ⓘ
Magengeschwüre
Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2006 kam zu dem Schluss, dass Capsaicin die Symptome eines Magengeschwürs lindern kann und nicht die Ursache dafür ist. ⓘ
Mechanismus der Wirkung
Die brennenden und schmerzhaften Empfindungen, die mit Capsaicin in Verbindung gebracht werden, resultieren aus seiner chemischen Wechselwirkung mit sensorischen Neuronen. Als Mitglied der Vanilloid-Familie bindet Capsaicin an einen Rezeptor namens Vanilloid-Rezeptor-Subtyp 1 (TRPV1). Der 1997 erstmals klonierte TRPV1 ist ein Rezeptor vom Typ Ionenkanal. TRPV1, der auch durch Hitze, Protonen und physische Reibung stimuliert werden kann, lässt bei Aktivierung Kationen durch die Zellmembran passieren. Die daraus resultierende Depolarisierung des Neurons stimuliert es, dem Gehirn Signale zu geben. Durch die Bindung an den TRPV1-Rezeptor erzeugt das Capsaicin-Molekül ähnliche Empfindungen wie bei übermäßiger Hitze oder Abriebschäden, was erklärt, warum die Schärfe von Capsaicin als brennendes Gefühl beschrieben wird. ⓘ
Frühe Forschungen zeigten, dass Capsaicin im Vergleich zu anderen chemischen Agonisten einen lang anhaltenden Strom hervorruft, was auf die Beteiligung eines bedeutenden geschwindigkeitsbegrenzenden Faktors hindeutet. In der Folge wurde der TRPV1-Ionenkanal als Mitglied der Superfamilie der TRP-Ionenkanäle identifiziert und als solches nun als TRPV1 bezeichnet. Es gibt eine Reihe verschiedener TRP-Ionenkanäle, die nachweislich für unterschiedliche Temperaturbereiche empfindlich sind und wahrscheinlich für die Bandbreite des menschlichen Temperaturempfindens verantwortlich sind. Capsaicin verursacht also keine Verätzung oder gar eine direkte Gewebeschädigung, wenn Chilischoten die Quelle der Exposition sind. Man geht davon aus, dass die durch Capsaicin hervorgerufene Entzündung das Ergebnis einer Reaktion des Körpers auf die Erregung der Nerven ist. So wird beispielsweise angenommen, dass die Wirkungsweise von Capsaicin bei der Auslösung einer Bronchialverengung die Stimulation von C-Fasern beinhaltet, die in der Freisetzung von Neuropeptiden gipfelt. Im Wesentlichen entzündet der Körper das Gewebe wie bei einer Verbrennung oder Abschürfung, und die daraus resultierende Entzündung kann bei extremer Exposition zu Gewebeschäden führen, wie dies bei vielen Substanzen der Fall ist, die im Körper eine Entzündungsreaktion auslösen. ⓘ
Capsaicin war maßgeblich an der Verleihung des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin 2021 beteiligt, da es zur Entdeckung von Temperatur- und Berührungsrezeptoren geführt hatte. ⓘ
Geschichte
Die Verbindung wurde erstmals 1816 von Christian Friedrich Bucholz (1770-1818) in unreiner Form extrahiert. Er nannte sie "Capsicin", nach der Gattung Capsicum, aus der sie extrahiert wurde. John Clough Thresh (1850-1932), der Capsaicin in fast reiner Form isoliert hatte, gab ihm 1876 den Namen "Capsaicin". Karl Micko isolierte Capsaicin in reiner Form im Jahr 1898. Die chemische Zusammensetzung von Capsaicin wurde erstmals 1919 von E. K. Nelson bestimmt, der auch die chemische Struktur von Capsaicin teilweise aufklärte. Capsaicin wurde erstmals 1930 von Ernst Spath und Stephen F. Darling synthetisiert. Im Jahr 1961 isolierten die japanischen Chemiker S. Kosuge und Y. Inagaki ähnliche Substanzen aus Chilischoten und nannten sie Capsaicinoide. ⓘ
1873 stellten der deutsche Pharmakologe Rudolf Buchheim (1820-1879) und 1878 der ungarische Arzt Endre Hőgyes fest, dass "Capsicol" (teilweise gereinigtes Capsaicin) bei Kontakt mit den Schleimhäuten ein brennendes Gefühl hervorruft und die Magensäuresekretion erhöht. ⓘ
Vorkommen und Vertreter
Die am häufigsten vorkommenden Capsaicinoide sind Capsaicin (69%), Dihydrocapsaicin (22%), Nordihydrocapsaicin (7%), Homocapsaicin (1%) und Homodihydrocapsaicin (1%). ⓘ
Capsaicin und Dihydrocapsaicin (beide 16,0 Millionen SHU) sind die schärfsten Capsaicinoide. Nordihydrocapsaicin (9,1 Mio. SHU), Homocapsaicin und Homodihydrocapsaicin (beide 8,6 Mio. SHU) sind etwa halb so scharf. ⓘ
Es gibt sechs natürliche Capsaicinoide (Tabelle unten). Obwohl Vanillylamid der n-Nonansäure (Nonivamid, VNA, auch PAVA) für die meisten Anwendungen synthetisch hergestellt wird, kommt es natürlich in Capsicum-Arten vor. ⓘ
Name des Capsaicinoids | Abkürzung | Typisch relativ Menge |
Scoville Wärmeeinheiten |
Chemische Struktur ⓘ |
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Capsaicin | C | 69% | 16,000,000 | |
Dihydrocapsaicin | DHC | 22% | 16,000,000 | |
Nordihydrocapsaicin | NDHC | 7% | 9,100,000 | |
Homocapsaicin | HC | 1% | 8,600,000 | |
Homodihydrocapsaicin | HDHC | 1% | 8,600,000 | |
Nonivamid | PAVA | 9,200,000 |
Capsaicin ist in verschiedenen Arten der Gattung Capsicum (Paprika) aus der Familie der Nachtschattengewächse Solanaceae in Anteilen von 0,3 bis 0,5 % enthalten. Es findet sich vorwiegend in den Früchten der Capsicum-Pflanzen; diese oft als Paprika- oder Chilischoten bezeichneten Früchte sind botanisch Beeren. Capsaicin und andere aus Capsicum gewonnene, Schärfeempfinden auslösende Stoffe werden als Capsaicinoide bezeichnet. ⓘ
Capsaicinoide
Die Capsaicinoide Capsaicin und Dihydrocapsaicin sind die beiden Hauptscharfstoffe in Chilischoten. Beide Substanzen sind nach der Scoville-Skala fast doppelt so scharf wie die in geringerer Menge vorhandenen Capsaicinoide Nordihydrocapsaicin, Homocapsaicin und Homodihydrocapsaicin. ⓘ
Capsaicinoid | Abkürzung | Anteil | Scoville-Einheiten | Strukturformel ⓘ |
---|---|---|---|---|
Capsaicin | C | 12–78 % | 16.000.000 | |
Dihydrocapsaicin | DHC | 9–66 % | 16.000.000 | |
Nordihydrocapsaicin | NDHC | 0–30 % | 9.100.000 | |
Homocapsaicin | HC | 1 % | 8.600.000 | |
Homodihydrocapsaicin | HDHC | 0–22 % | 8.600.000 | |
Nonivamid | PAVA | synthetisch | 9.200.000 |
Synthetische Analoga
Als synthetischer Ersatz steht Pseudocapsaicin (INN: Nonivamid) zur Verfügung. Ein weiteres Capsaicin-Analogon ist Capsazepin, das als spezifischer Capsaicin-Antagonist eingesetzt wird. ⓘ
Biosynthese
In Pflanzen wird Capsaicin durch mehrstufige enzymatisch katalysierte Reaktionen gebildet, die mit den proteinogenen Aminosäuren Leucin oder Valin (Verzweigtkettige Aminosäuren, BCAA) auf der einen Seite und Phenylalanin auf der Anderen beginnen. Die BCAAs werden zu Fettsäuren synthetisiert. Die beteiligten Enzyme finden sich bei der Gemüsepaprika hauptsächlich in der Plazenta und den äußeren epidermalen Zellschichten der Früchte. Im letzten Schritt der Synthese wird von dem Enzym Capsaicin-Synthase aus 8-Methyl-6-nonensäure und Vanillylamid Capsaicin gebildet. ⓘ
Geschichte
Der allgemeine Biosyntheseweg von Capsaicin und anderen Capsaicinoiden wurde in den 1960er Jahren von Bennett und Kirby sowie Leete und Louden aufgeklärt. In Radiomarkierungsstudien wurden Phenylalanin und Valin als Vorstufen von Capsaicin identifiziert. Enzyme des Phenylpropanoidwegs, Phenylalanin-Ammoniak-Lyase (PAL), Cinnamat-4-Hydroxylase (C4H), Kaffeesäure-O-Methyltransferase (COMT) und ihre Funktion in der Capsaicinoid-Biosynthese wurden später von Fujiwake et al. und Sukrasno und Yeoman identifiziert. Suzuki et al. sind für die Identifizierung von Leucin als einem weiteren Vorläufer des verzweigtkettigen Fettsäurewegs verantwortlich. 1999 wurde entdeckt, dass die Schärfe von Chilischoten mit höheren Transkriptionswerten von Schlüsselenzymen des Phenylpropanoidwegs, der Phenylalanin-Ammoniak-Lyase, der Cinnamat-4-Hydroxylase und der Kaffeesäure-O-Methyltransferase zusammenhängt. Ähnliche Studien ergaben hohe Transkriptionswerte in der Plazenta von Chilischoten mit hoher Schärfe von Genen, die für den verzweigtkettigen Fettsäureweg verantwortlich sind. ⓘ
Biosynthetischer Weg
Pflanzen, die ausschließlich zur Gattung Capsicum gehören, produzieren Capsaicinoide, die zu den Alkaloiden gehören. Es wird vermutet, dass Capsaicin im Interlocularseptum von Chilischoten synthetisiert wird und von dem Gen AT3 abhängt, das sich am Pun1-Lokus befindet und für eine mutmaßliche Acyltransferase kodiert. ⓘ
Die Biosynthese der Capsaicinoide erfolgt in den Drüsen der Paprikafrucht, wo die Capsaicin-Synthase Vanillylamin aus dem Phenylpropanoidweg mit einem Acyl-CoA-Anteil kondensiert, der über den verzweigten Fettsäureweg gebildet wird. ⓘ
Capsaicin ist das am häufigsten vorkommende Capsaicinoid in der Gattung Capsicum, aber es gibt mindestens zehn weitere Capsaicinoid-Varianten. Phenylalanin liefert die Vorstufe für den Phenylpropanoidweg, während Leucin oder Valin die Vorstufe für den verzweigtkettigen Fettsäureweg bilden. Zur Herstellung von Capsaicin wird 8-Methyl-6-nonenoyl-CoA über den verzweigtkettigen Fettsäureweg produziert und mit Vanillamin kondensiert. Andere Capsaicinoide werden durch die Kondensation von Vanillamin mit verschiedenen Acyl-CoA-Produkten aus dem verzweigtkettigen Fettsäureweg hergestellt, der eine Vielzahl von Acyl-CoA-Einheiten mit unterschiedlicher Kettenlänge und unterschiedlichem Grad der Ungesättigtheit erzeugen kann. Alle Kondensationsreaktionen zwischen den Produkten des Phenylpropanoid- und des verzweigtkettigen Fettsäurewegs werden durch die Capsaicin-Synthase vermittelt, um das Capsacinoid-Endprodukt herzustellen. ⓘ
Eigenschaften
Capsaicinoide sind farblos und relativ temperaturstabil, d. h. sie können durch Kochen oder Einfrieren nicht zersetzt werden. Capsaicinoide lösen sich in Ethanol und Fetten, aber nicht in Wasser. Sie haben eine antibakterielle und fungizide Wirkung und wirken daher konservierend. ⓘ
Capsaicinoide reizen die Nervenenden bestimmter Nozizeptoren, die normalerweise Schmerzreize bei Einwirkung von Hitze oder chemischer Reizung erkennen. Die Ähnlichkeit der Empfindung von „heiß“ und „scharf“ (engl. „hot“ oder „spicy“) ist bereits auf Rezeptorebene begründet: Capsaicin bindet an den TRP-Kanal TRPV1, der auch durch eine Erhöhung der Temperatur aktiviert wird. Von diesem Umstand leitet sich der Ausdruck „brennen“ ab. Den umgekehrten Effekt gibt es z. B. bei Einwirkung von geringen Konzentrationen von Menthol (Hustenbonbons), die scheinbar kühlen. Auf die schmerzhafte, subjektive Reizung durch Capsaicinoide reagiert der Organismus mit einer vermehrten Durchblutung des Gewebes und der Ausschüttung von Endorphinen, die ein Glücksgefühl auslösen – das sogenannte „Pepper-High“. ⓘ
Im August 2010 haben chinesische Forscher durch Studien an Ratten nachweisen können, dass Capsaicin entspannend auf die Blutgefäße wirkt und dadurch den Blutdruck senkt. Die kontinuierliche Aufnahme von Capsaicin durch die Nahrung bei den Versuchstieren hatte eine vermehrte Ausschüttung von Stickstoffmonoxid zur Folge. Stickstoffmonoxid ist wiederum bedeutend für die Blutzirkulation und für die Entspannung der Blutgefäße und wirkt so blutdrucksenkend. ⓘ
Messung des Capsaicin-Schärfegehalts
Die Schärfe von Chilischoten wird in Scoville-Einheiten (SHU = [engl.] Scoville Heat Units) gemessen. Die von Wilbur L. Scoville beschriebene Skala geht dabei von 0 SHU (keine Schärfe vorhanden) bis maximal 16 Millionen SHU (reines Capsaicin in kristalliner Form). Scoville bemisst die vorhandene Schärfe einer „Substanz“ (im engeren Sinn der Chili-Schote oder des Extraktes) durch ihre Neutralisierung. Das Mengenverhältnis des zur Verdünnung einer Substanz bis zur Neutralisation ihrer Schärfe unter die Wahrnehmbarkeitsgrenze benötigten Wassers zur Substanz selbst ergibt den Scoville-Wert. Braucht man z. B. 234.000 Tropfen Wasser, um einen Tropfen einer Sauce geschmacklich zu neutralisieren, dann hat die Sauce einen Schärfegrad von 234.000 SHU. Diese Maßeinteilung wird noch heute verwendet, auch wenn der Capsaicin-Gehalt durch die genauere HPLC-Methode bestimmt wird. ⓘ
Extreme Schärfegrade beginnen bei ca. 100.000 SHU an (z. B. mit dem Zusatz „pepper enhanced extracts“). Durch Verwendung purer Habanero-Chilis sind bereits extrem scharfe Extrakte möglich (100.000 bis 350.000 SHU). Mit einer der schärfsten Chilisorten der Welt, den indischen Naga Jolokias mit einem empirischen Durchschnittswert von ca. 850.000 bis 1.050.000 SHU, sind rein pflanzlich hergestellte Würzextrakte und Quellprodukte herstellbar. ⓘ
Reines, näherungsweise kristallines Capsaicin (16 Mio. SHU; vgl. Blair’s 16 Million Reserve) herzustellen ist sehr aufwändig und das Produkt dementsprechend teuer. Der schärfste handelsübliche Extrakt der Welt (ausgenommen Sammlerstücke), Mad Dog 357 No.9 Plutonium, hat neun Millionen SHU. ⓘ
Analytik
Zur zuverlässigen qualitativen und quantitativen Bestimmung von Capsaicin kann nach angemessener Probenvorbereitung die Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie eingesetzt werden. Diese Methodik kann auch für Dopingkontrollen im Pferdesport verwendet werden. ⓘ
Verwendung und Umgang
Die durchblutungssteigernde Wirkung wird auch in der (Tier-)Medizin (etwa bei Wärmepflastern) eingesetzt. Vorsicht ist beim Kontakt der bloßen Haut mit Capsaicinoiden, zum Beispiel beim Verarbeiten von Chilischoten, geboten. Vor allem sollte man darauf achten, sich nach Kontakt mit den Händen nicht die Augen zu reiben. Daher ist es sinnvoll, Handschuhe zum Schutz der Haut zu tragen. ⓘ
Hat man scharfe Speisen zu sich genommen und das Brennen im Mund wird unerträglich, dann helfen ölhaltige und fetthaltige Emulsionen wie Joghurt, Milch und Käse. Auch (hochprozentige) alkoholische Getränke lindern das Schärfegefühl, da sich Capsaicin in Ethanol löst; da es aber praktisch unlöslich in kaltem Wasser ist, hat Wasser keinen lindernden Effekt. Im Gegenteil kann nach Spülen mit Wasser das Schmerzempfinden ansteigen, weil es die Capsaicinoide im Mundraum erneut aufwirbelt und verteilt. Festgestellt wurde auch, dass eine 10%ige Zuckerlösung genauso effektiv sein soll wie Milch. Zucker oder Tomatensaft in scharfen Speisen reduzieren die Schärfe ebenfalls. Brennen der Haut kann durch Einreiben mit Alkohol begrenzt werden. Bei Reizung empfindlicher Körperteile (Geschlechtsteile, Augen) hilft etwas Speiseöl. ⓘ
Die Produktion des Capsaicins findet vor allem in der Plazenta, dem hell orangefarbenen Teil der Beeren statt. Entgegen der weitverbreiteten Meinung enthalten die Samenkörner normalerweise kein Capsaicin, es kann aber aus der Plazenta eindiffundieren, die Konzentration ist abhängig vom Capsaicingehalt der Plazenta. Die Aussage, kleine Chilischoten seien besonders scharf, trifft nur begrenzt zu. Auch kann die Intensität bei Schoten der gleichen Sorte und sogar bei Schoten, die von derselben Pflanze zur selben Zeit geerntet wurden, variieren. ⓘ
Verwendung als Antibiotikum
Neben den direkten Wirkungen auf den Organismus hat Capsaicin auch antibiotische Eigenschaften. Die Abtötung von bakteriellen Krankheitserregern und Pilzen ist bestimmend für die desinfizierende Wirkung von Capsaicin. So wird in heißen und insbesondere in tropischen Regionen (z. B. Fernost, Afrika, Mittelamerika) zu vielen Speisen traditionell und gewohnheitsmäßig Cayennepfeffer ('Chili') hinzugefügt, um bakteriell bedingten Erkrankungen des Verdauungssystems vorzubeugen. ⓘ
Verwendung als Aromastoff
Obwohl Capsaicin eigentlich kein Aromastoff ist, da es keinen Geschmack hat, sondern nur die Schleimhäute reizt, regelt die Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 (Aromenverordnung) (Anhang III, Teil A) seine Verwendung. Als Reinsubstanz darf Capsaicin Lebensmitteln in keiner Form zugesetzt werden – als Extrakt der Chili-Schoten sind Capsaicinoide aber unbegrenzt erlaubt. In der Aromenindustrie gewöhnlich verwendete Chili-Extrakte haben einen natürlichen Capsaicinoidgehalt von ca. 6,6 % (= ca. 1.000.000 SHU). ⓘ
Verwendung in der Medizin
Die nach Capsaicin-Applikation auf der Haut oder Schleimhaut veränderte Schmerzwahrnehmung wird durch einen Angriff an peripheren sensorischen C-Fasern der Nerven vermittelt und besteht aus zwei Phasen. Einer initialen Stimulierung der Neuronen mit Freisetzung von Substanz P und anderen Neuropeptiden (mit Irritation und Hyperästhesie) folgt eine längere refraktäre Phase. In dieser ist das Neuron nicht nur gegen eine erneute Capsaicinstimulation unempfindlich, sondern auch gegen andere schmerzauslösende Faktoren. Dadurch kommt es zu einer langanhaltenden Desensibilisierung gegenüber Schmerz. Das betrifft sowohl Haut wie Schleimhäute und ist von medizinischem Interesse. ⓘ
Capsaicin wird zu äußeren Anwendungen als Creme, Salbe und Pflaster verwendet. Indikationen sind Muskelschmerzen und Muskelverspannungen insbesondere im Bereich der Wirbelsäule. Capsicumextrakte werden auch bei Gelenkschmerzen, rheumatischen Beschwerden und neuropathischen Schmerzen angewendet. Unerwünschte Nebenwirkungen sind lokale Reaktionen wie Brennen und Hautrötung. ⓘ
In Kombination mit Kaolin (Tonerde), Wasser und Senföl wird Cayennepfeffer (Capsaicin beziehungsweise Capsaicinoide) in Form von Munari-Packungen (Italienische Packung) als Wärmetherapie bei Schmerzen und Verspannungen am Bewegungsapparat einzeln oder in Kombination mit Massage eingesetzt. ⓘ
Eine Meta-Analyse zeigte, dass Capsaicin gegenüber Placebo chronische Schmerzen neuropathischer und muskulärer Ursache signifikant senken kann. Die Senkung der Schmerzen von über 50 % hielt bei einem Teil der Patienten acht Wochen an. Es traten dabei auch Nebenwirkungen auf wie lokale Hautirritationen und Husten. ⓘ
Noch in der Entwicklungsphase befindet sich eine Kombination von Capsaicin mit einem Lokalanästhetikum. So ermöglicht Capsaicin den Zugang zur Zelle für das Betäubungsmittel, ohne dabei andere Empfindungen zu beeinträchtigen. ⓘ
Verwendung als Reizstoff
Der Chiliextrakt Oleoresin capsicum (OC) findet auch in Pfeffersprays Verwendung, wobei der Reizstoff als Waffe bei der Selbstverteidigung gegen Menschen und Tiere eingesetzt wird. In Nordamerika werden capsaicinoidhaltige Sprays zum Beispiel zur Verteidigung bei Angriffen durch dort verbreitete Braunbären empfohlen. ⓘ
Pfefferspray ist in Deutschland eine Waffe im Sinne des Waffengesetzes. Die Sprühdauer und Reichweite muss dabei begrenzt sein. Tierabwehrsprays dagegen unterliegen nicht dem Waffengesetz, und so müssen hier keine Beschränkungen wie Sprühdauer und Reichweite eingehalten werden. Tierabwehrsprays können frei erworben werden. ⓘ
Der medizinische Wirkmechanismus von Oleoresin capsicum beruht auf der Stimulation von Chemo-Nozizeptoren afferenter Nerven. Die Ausschüttung von Substanz P führt zu einer Membrandepolarisation durch den Einstrom von Natrium- und Calciumionen. ⓘ
Mögliche Wechselwirkungen zwischen Capsaicin und Drogen
Aktuelle Forschungen von John E. Mendelson am California Pacific Medical Center Research Institute zeigen Wechselwirkungen zwischen Capsaicin und Kokain, welche die Letalität von Kokain um ein Vielfaches erhöhen. In den durchgeführten Experimenten waren 10 mg/kg Capsaicin ausreichend, um die Letalität einer Dosis von 60 mg/kg Kokain von 13 auf 53 % zu heben. Diese 10 mg/kg verursachten auch einen Anstieg der Letalität von 53 auf 90 % bei einer Kokaindosis von 75 mg/kg. Mendelson weist darauf hin, dass damit Todesfälle von Menschen unter Drogeneinfluss, die mit Pfefferspray besprüht wurden, erklärt werden können. ⓘ
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete von drei Fällen aus Deutschland, in denen unter Drogeneinfluss stehende Menschen mit Pfefferspray besprüht wurden und kurz danach starben. Die Fälle bestärken die Kritikerstimmen, die schon lange die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Pfeffersprays anzweifeln. Die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU berichtet beispielsweise von 26 Verstorbenen zwischen 1993 und 1995 allein in Kalifornien, die vor ihrem Tod mit Pfefferspray besprüht wurden. Auch werden mögliche Wechselwirkungen mit anderen Psychopharmaka oder anderen Drogen diskutiert. Laut Spiegel hatten Behörden bei der Einführung von Pfeffersprays noch die Aussage getätigt, es eigne sich zum Einsatz gegen psychisch Kranke oder unter Drogen stehende Menschen. ⓘ
Im Kraftsport
Da die Verwendung von Capsaicin bei Menschen bisher nicht als Doping gilt, ist dessen Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel auch am Menschen (nach Ratten und Mäusen) getestet worden. Die Leistungsfähigkeit bei Wiederholungskniebeugen fiel bei Trainierten um hochsignifikante 19 % besser aus als bei einem ebenfalls im Magen ein Brennen verursachenden Placebo. ⓘ