Herzkatheteruntersuchung
Die Herzkatheteruntersuchung, umgangssprachlich Herzkatheterisierung und auch „Herzkatheter“ genannt, ist eine minimalinvasive medizinische Untersuchung des Herzens über einen Katheter, der über venöse oder arterielle Adern der Leiste, der Ellenbeuge oder über das Handgelenk eingeführt wird. Je nach Untersuchungsziel werden unterschiedliche Stellen im Herzen bzw. in den Herzkranzgefäßen angesteuert. Die Lage des Zieles bestimmt auch die Wahl des Zugangs, man spricht vom Rechtsherzkatheter, wenn der Bereich des rechten Herzanteils untersucht werden soll, entsprechend vom Linksherzkatheter bei der Untersuchung des linken Herzanteils. Die Rechtsherzkatheteruntersuchung wird eher selten, die Linksherzkatheteruntersuchung häufiger durchgeführt, vor allem um bei der Koronarangiographie die Herzkranzgefäße sichtbar zu machen und möglicherweise im Rahmen einer Ballondilatation aufzudehnen. ⓘ
Die Rechtsherzkatheterisierung beim Menschen wurde zuerst 1929 von Werner Forßmann in einem Selbstversuch durchgeführt. Forßmann wurde hierfür einer der drei Nobelpreise für Medizin des Jahres 1956 verliehen. Zur klinischen Routinemaßnahme war diese Methode 1941 von den beiden anderen Preisträgern André Frédéric Cournand und Dickenson Richards ausgebaut worden. Die Linksherzkatheterisierung verbindet sich mit den Namen der Amerikaner Charles Dotter, Mason Sones, Melvin P. Judkins und der Deutschen Andreas Roland Grüntzig und Eberhard Zeitler. Auch die elektrophysiologische Untersuchung (EPU) des Herzens wird ähnlich wie ein Rechtsherzkatheter durchgeführt. ⓘ
Die Herzkatheterisierung (Herzkatheter) ist das Einführen eines Katheters in eine Kammer oder ein Gefäß des Herzens. Dies wird sowohl zu diagnostischen als auch zu interventionellen Zwecken durchgeführt. ⓘ
Ein gängiges Beispiel für eine Herzkatheteruntersuchung ist die Koronarkatheteruntersuchung, bei der die Herzkranzgefäße bei koronarer Herzkrankheit und Myokardinfarkten ("Herzinfarkt") katheterisiert werden. Katheterisierungen werden meist in speziellen Labors mit Durchleuchtung und hochbeweglichen Tischen durchgeführt. Diese "Katheterlabors" sind häufig mit Schränken mit Kathetern, Stents, Ballons usw. in verschiedenen Größen ausgestattet, um die Effizienz zu erhöhen. Monitore zeigen die Durchleuchtungsbilder, das Elektrokardiogramm (EKG), die Druckwellen und vieles mehr. ⓘ
Verwendet
Die Koronarangiographie ist ein diagnostisches Verfahren, das die Darstellung der Herzkranzgefäße ermöglicht. Mit Hilfe der Fluoroskopie werden die Lumen der Arterien in einer 2-D-Projektion sichtbar gemacht. Zeigen sich in diesen Arterien Verengungen oder Verstopfungen, so gibt es Techniken, um diese Arterien zu öffnen. Perkutane Koronarintervention ist ein Sammelbegriff für den Einsatz von mechanischen Stents, Ballons usw., um den Blutfluss in zuvor blockierten (oder verschlossenen) Gefäßen zu erhöhen. ⓘ
Die Messung des Drucks im Herzen ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt der Katheterisierung. Die Katheter sind flüssigkeitsgefüllte Leitungen, die den Druck außerhalb des Körpers an Druckwandler übertragen können. So kann der Druck in jedem Teil des Herzens gemessen werden, in den ein Katheter eingeführt werden kann. ⓘ
Die Messung des Blutflusses ist ebenfalls mit verschiedenen Methoden möglich. Am häufigsten wird der Blutfluss mit Hilfe des Fick-Prinzips und der Thermodilution geschätzt. Diese Methoden haben Nachteile, liefern aber invasive Schätzungen des Herzzeitvolumens, die für klinische Entscheidungen (z. B. kardiogener Schock, Herzinsuffizienz) zur Verbesserung des Zustands der Person herangezogen werden können. ⓘ
Die Herzkatheteruntersuchung kann als Teil eines Therapieschemas eingesetzt werden, um die Ergebnisse für Überlebende eines außerklinischen Herzstillstands zu verbessern. ⓘ
Die Herzkatheteruntersuchung erfordert häufig eine Durchleuchtung, um den Weg des Katheters beim Eintritt ins Herz oder in die Koronararterien sichtbar zu machen. Die Koronararterien werden als "epikardiale Gefäße" bezeichnet, da sie sich im Epikard, der äußersten Schicht des Herzens, befinden. Für die Durchleuchtung wird ein röntgendichtes Kontrastmittel benötigt, das in seltenen Fällen zu einer kontrastmittelinduzierten Nierenschädigung führen kann (siehe kontrastmittelinduzierte Nephropathie). Der Mensch ist während des Eingriffs ständig einer geringen Dosis ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die optimale Positionierung des Tisches zwischen Röntgenquelle und -empfänger und die Strahlungsüberwachung mittels Thermolumineszenz-Dosimetrie sind zwei wichtige Möglichkeiten, die Strahlenbelastung des Menschen zu reduzieren. Menschen mit bestimmten Komorbiditäten (Menschen, die an mehr als einer Krankheit gleichzeitig leiden) haben ein höheres Risiko für unerwünschte Ereignisse während der Herzkatheteruntersuchung. Zu diesen Begleiterkrankungen gehören Aortenaneurysma, Aortenstenose, ausgedehnte koronare Herzkrankheit mit drei Gefäßen, Diabetes, unkontrollierter Bluthochdruck, Fettleibigkeit, chronische Nierenerkrankungen und instabile Angina pectoris. ⓘ
Folgende Untersuchungsarten sind im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung üblich:
- Allgemein:
- Darstellung der Hämodynamik (des Blutflusses) durch eingespritzte Kontrastmittel
- Messung der Drücke, Sauerstoffsättigung und Temperatur im Herz und in den Gefäßen
- Messung der elektrischen Aktivitäten im Detail bei Erregungsstörungen
- Rechtsherzkatheter: Druck-, Sauerstoff- und Temperaturmessung im rechten Herzen und insbesondere in den Lungenarterien mit und ohne Belastung
- Linksherzkatheter
Es besteht darüber hinaus eine Reihe von Behandlungen, die mit Herzkatheteruntersuchung möglich sind:
- Besteht ein Verschluss oder eine Verengung der Herzkranzgefäße, z. B. angezeigt durch einen Myokardinfarkt, kann das betreffende Gefäß durch eine Ballondilatation, auch perkutane transluminale coronare Angioplastie, PTCA genannt, aufgeweitet werden.
- Ist eine Aufweitung nicht ausreichend, kann ein Röhrchen aus Metallgeflecht, ein sogenannter Stent, implantiert werden, das das Blutgefäß stützt. Der Stent wird dabei auf einem Ballonkatheter zusammengefaltet wie ein Herzkatheter an die verengte Stelle vorgeschoben und dann durch den Ballon aufgeweitet.
- Bei angeborenen Herzfehlern wie dem Vorkammerscheidewanddefekt, dem Ventrikelseptumdefekt oder den Klappenstenosen besteht heute die Möglichkeit, die Erkrankung in Abhängigkeit von der Fallgestaltung direkt während der Herzkatheteruntersuchung zu behandeln und somit eine offene Operation zu vermeiden.
- Implantation von Herzklappen (transfemoraler oder -apikaler kathetergestützter Klappenersatz „TAVI“)
- Implantation von Coils (Drahtspiralen) bei störenden zusätzlichen Gefäßverbindungen (MAPCAs).
- Ablation (Verödung von Gewebe) von zusätzlichen Erregerbahnen oder von verdicktem Herzmuskel bei HOCM (TASH). ⓘ
Linksherzkatheteruntersuchung
Die Linksherzkatheteruntersuchung (LHC) ist ein mehrdeutiger Begriff, der in einigen Fällen einer Klärung bedarf:
- LHC kann die Messung des Drucks auf der linken Herzseite bedeuten.
- LHC kann ein Synonym für Koronarangiographie sein. ⓘ
Diese Technik wird auch verwendet, um das Ausmaß des Verschlusses (oder der Blockade) in einer Koronararterie zu beurteilen, was oft als Prozentsatz des Verschlusses beschrieben wird. Ein dünner, flexibler Draht wird entweder in die Arteria femoralis oder in die Arteria radialis eingeführt und in Richtung Herz bis zur aufsteigenden Aorta vorgeschoben. Der radiale Zugang ist im Vergleich zum femoralen Zugang nicht mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. An diesem Punkt wird ein Katheter über den Draht in die aufsteigende Aorta geführt, wo er durch die Koronarostien in die Koronararterien manövriert werden kann. In dieser Position kann der interventionelle Kardiologe Kontrastmittel injizieren und den Fluss durch das Gefäß sichtbar machen. Falls erforderlich, kann der Arzt perkutane Koronarinterventionstechniken anwenden, einschließlich des Einsatzes eines Stents (entweder aus purem Metall oder mit Medikamenten), um das blockierte Gefäß zu öffnen und den Blutfluss wiederherzustellen. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Verschlüsse, die mehr als 70 % der Breite des Gefäßlumens ausmachen, einen Eingriff erfordern. In Fällen, in denen mehrere Gefäße verstopft sind (so genannte "Drei-Gefäß-Krankheit"), kann sich der interventionelle Kardiologe jedoch dafür entscheiden, den Patienten stattdessen an einen Herz-Thorax-Chirurgen zu überweisen, um eine koronare Bypass-Operation (CABG; siehe Koronare Bypass-Operation) durchzuführen. ⓘ
Rechtsherzkatheteruntersuchung
Die Rechtsherzkatheteruntersuchung (RHC) ermöglicht es dem Arzt, die Drücke innerhalb des Herzens (intrakardiale Drücke) zu bestimmen. Der Zugang zum Herzen erfolgt meist über die innere Jugularvene oder die Oberschenkelvene; Arterien werden nicht verwendet. In der Regel werden Werte für den rechten Vorhof, die rechte Herzkammer, die Lungenarterie und den Lungenkapillardruck ermittelt. Rechtsherzkatheteruntersuchungen ermöglichen dem Arzt auch die Schätzung des Herzzeitvolumens, d. h. der Blutmenge, die pro Minute aus dem Herzen fließt, und des Herzindexes, eines hämodynamischen Parameters, der das Herzzeitvolumen mit der Körpergröße des Patienten in Beziehung setzt. Das Herzzeitvolumen kann bestimmt werden, indem eine kleine Menge Kochsalzlösung (entweder gekühlt oder bei Raumtemperatur) in einem Bereich des Herzens freigesetzt und die Veränderung der Bluttemperatur über die Zeit in einem anderen Bereich des Herzens gemessen wird. ⓘ
Rechtsherzkatheteruntersuchungen werden häufig bei pulmonaler Hypertonie, Herzinsuffizienz und kardiogenem Schock durchgeführt. Der Pulmonalarterienkatheter kann platziert, verwendet und wieder entfernt werden, oder er kann platziert und für eine kontinuierliche Überwachung an Ort und Stelle belassen werden. Letzteres kann auf einer Intensivstation erfolgen, um häufige Messungen der hämodynamischen Parameter als Reaktion auf Interventionen zu ermöglichen. ⓘ
Parameter, die bei einer Rechtsherzkatheteruntersuchung ermittelt werden können:
- Rechtsatrialer Druck
- Rechtsventrikulärer Druck
- Pulmonalarteriendruck
- Pulmonal-kapillarer Keildruck
- Systemischer Gefäßwiderstand
- Pulmonalvaskulärer Widerstand
- Herzzeitvolumen
- Oxygenierung des Blutes ⓘ
Die Implantation eines CardioMEMS wird während einer Rechtsherzkatheteruntersuchung durchgeführt. Dieses Gerät wird in die Lungenarterie implantiert, um eine Echtzeitmessung des Drucks in der Lungenarterie im Laufe der Zeit zu ermöglichen. ⓘ
Koronarkatheterisierung
Die Koronarkatheterisierung ist ein invasiver Eingriff und birgt Risiken wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Tod. Wie bei jedem Verfahren sollten die Vorteile die Risiken überwiegen. Daher ist dieses Verfahren denjenigen vorbehalten, die Symptome einer schweren Herzerkrankung aufweisen, und wird niemals zu Screening-Zwecken eingesetzt. Andere, nicht-invasive Tests sind besser geeignet, wenn die Diagnose oder die Gewissheit der Diagnose nicht so eindeutig ist. ⓘ
Zu den Indikationen für eine Herzkatheteruntersuchung gehören folgende:
- Akute Koronarsyndrome: ST-Hebungs-MI (STEMI), Nicht-ST-Hebungs-MI (NSTEMI) und instabile Angina pectoris
- Bewertung der koronaren Herzkrankheit, wie sie durch folgende Faktoren angezeigt ist
- Abnormaler Stresstest
- Als Teil der präoperativen Untersuchung für andere kardiologische Eingriffe (z. B. Herzklappenersatz), da gleichzeitig eine koronare Bypass-Operation durchgeführt werden kann
- Risikostratifizierung für Operationen mit hohem kardialen Risiko (z. B. endovaskuläre Aneurysmareparatur)
- Anhaltende Brustschmerzen trotz medikamentöser Therapie, die vermutlich kardial bedingt sind
- Neu aufgetretene ungeklärte Herzinsuffizienz
- Überleben eines plötzlichen Herztodes oder gefährlicher Herzrhythmusstörungen
- Abklärung des Verdachts auf Prinzmetal-Angina (koronarer Gefäßspasmus) ⓘ
Eine Rechtsherzkatheteruntersuchung sollte zusammen mit Lungenfunktionstests und anderen Untersuchungen durchgeführt werden, um eine pulmonale Hypertonie zu bestätigen, bevor vasoaktive pharmakologische Behandlungen genehmigt und eingeleitet werden.
- zur Messung des intrakardialen und intravaskulären Blutdrucks
- zur Entnahme von Gewebeproben für eine Biopsie
- Injektion verschiedener Substanzen zur Messung des Blutflusses im Herzen; auch zum Nachweis und zur Quantifizierung des Vorhandenseins eines intrakardialen Shunts
- Injektion von Kontrastmitteln, um die Form der Herzgefäße und -kammern zu untersuchen und zu sehen, wie sie sich beim Schlagen des Herzens verändern ⓘ
Herzschrittmacher und Defibrillatoren
Die Platzierung interner Herzschrittmacher und Defibrillatoren erfolgt ebenfalls durch Katheterisierung. Eine Ausnahme bildet die Platzierung von Elektroden an der Außenfläche des Herzens (sogenannte epikardiale Elektroden). Ansonsten werden die Elektroden über das venöse System in das Herz eingeführt und dort dauerhaft belassen. In der Regel werden diese Geräte im linken oberen Brustkorb platziert und in die linke Vena subclavia eingeführt, und die Elektroden werden im rechten Vorhof, in der rechten Herzkammer und im Sinus coronarius (für die Stimulation der linken Herzkammer) platziert. ⓘ
Bewertung der Herzklappen
Die Echokardiographie ist eine nicht-invasive Methode zur Beurteilung der Herzklappen. Manchmal müssen jedoch die Druckgradienten der Klappen direkt gemessen werden, da die Echokardiographie für den Schweregrad einer Klappenerkrankung nicht eindeutig ist. Die invasive Beurteilung der Herzklappe kann mittels Katheterisierung erfolgen, indem ein Katheter über die Klappe gelegt wird und die Drücke auf beiden Seiten der Klappe gleichzeitig gemessen werden, um den Druckgradienten zu ermitteln. In Verbindung mit einer Rechtsherzkatheteruntersuchung kann die Klappenfläche geschätzt werden. Bei der Berechnung der Aortenklappenfläche kann z. B. die Gorlin-Gleichung zur Berechnung der Fläche verwendet werden, wenn das Herzzeitvolumen, der Druckgradient, die systolische Periode und die Herzfrequenz bekannt sind. ⓘ
Pulmonale Angiographie
Die Beurteilung des Blutflusses in der Lunge kann invasiv durch Katheterisierung erfolgen. Dabei wird ein Kontrastmittel in den Truncus pulmonalis, die linke oder rechte Pulmonalarterie oder einen Abschnitt der Pulmonalarterie injiziert. ⓘ
Bewertung des Shunts
Herzshunts können mittels Katheteruntersuchung untersucht werden. Unter Verwendung von Sauerstoff als Marker kann die Sauerstoffsättigung des Blutes an verschiedenen Stellen im und um das Herz herum gemessen werden. Bei einem Links-Rechts-Atriumseptumdefekt beispielsweise ist die Sauerstoffsättigung im rechten Vorhof, in der Herzkammer und in der Lungenarterie deutlich höher als die gemischte venöse Sauerstoffsättigung, die durch die Vermischung von sauerstoffreichem Blut aus der Lunge mit dem venösen Rückfluss zum Herzen entsteht. Mit Hilfe des Fick-Prinzips kann aus dem Verhältnis zwischen dem Blutfluss in der Lunge (Qp) und dem Systemkreislauf (Qs) das Verhältnis Qp:Qs berechnet werden. Eine Erhöhung des Qp:Qs-Verhältnisses über 1,5 bis 2,0 deutet darauf hin, dass ein hämodynamisch signifikanter Links-Rechts-Shunt vorliegt (d. h. der Blutfluss durch die Lunge ist 1,5 bis 2,0 Mal größer als der systemische Kreislauf). Dieses Verhältnis kann jedoch auch nicht-invasiv mit der Echokardiographie bewertet werden. ⓘ
Bei der Untersuchung auf einen Shunt wird häufig ein "Shunt-Lauf" durchgeführt, bei dem Blutproben aus der Vena cava superior (SVC), der Vena cava inferior (IVC), dem rechten Vorhof, der rechten Herzkammer, der Lungenarterie und dem arteriellen System entnommen werden. Abrupte Erhöhungen der Sauerstoffsättigung sprechen für einen Links-Rechts-Shunt, eine niedrigere als die normale systemische arterielle Sauerstoffsättigung für einen Rechts-Links-Shunt. Proben aus der SVC und IVC werden zur Berechnung der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung verwendet. ⓘ
Ventrikulographie
Durch Injektion von Kontrastmittel in den linken Ventrikel kann der Umriss des Ventrikels sowohl in der Systole als auch in der Diastole gemessen werden, um die Auswurffraktion (ein Marker für die Herzfunktion) zu bestimmen. Aufgrund der hohen Kontrastmittelmengen und Injektionsdrücke wird diese Untersuchung häufig nur dann durchgeführt, wenn andere, nicht-invasive Methoden nicht akzeptabel, nicht möglich oder widersprüchlich sind. ⓘ
Perkutaner Aortenklappenersatz
Die Fortschritte in der Herzkathetertechnik haben den Ersatz von Herzklappen über die Blutgefäße ermöglicht. Diese Methode ermöglicht einen Klappenersatz ohne Operation am offenen Herzen und kann bei Menschen durchgeführt werden, bei denen ein hohes Risiko für eine solche Operation besteht. ⓘ
Ballon-Septostomie
Mittels Katheter kann auch eine Ballonseptostomie durchgeführt werden, d. h. die Erweiterung eines Foramen ovale, eines offenen Foramen ovale (PFO) oder eines Vorhofseptumdefekts (ASD) mit Hilfe eines Ballonkatheters. Dies kann bei bestimmten angeborenen Herzerkrankungen durchgeführt werden, bei denen ein mechanischer Shunt erforderlich ist, um das Leben zu erhalten, wie z. B. bei Transposition der großen Gefäße. ⓘ
Alkohol-Septum-Ablation
Die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine Erkrankung, bei der das Myokard verdickt ist und den Blutfluss behindern kann. Wenn die Hämodynamik signifikant ist, kann dieser überschüssige Muskel entfernt werden, um die Durchblutung zu verbessern. Chirurgisch kann dies durch eine Septum-Myektomie erfolgen. Es kann jedoch auch durch Katheterisierung und durch Injektion von Ethanol zur Zerstörung des Gewebes in einer Alkohol-Septum-Ablation erfolgen. Dazu wird eine geeignete Septalarterie ausgewählt, die den gewünschten Bereich versorgt, und im Wesentlichen ein lokaler, kontrollierter Myokardinfarkt in diesem Bereich mit Ethanol verursacht. ⓘ
Komplikationen
Zu den Komplikationen der Herzkatheterisierung und der dabei verwendeten Instrumente gehören unter anderem:
- Tod
- Schlaganfall
- Herzinfarkt
- Ventrikuläre Ektopie und ventrikuläre Arrhythmien
- Herzbeutelerguss (Perikard)
- Blutungen: innere und äußere
- Infektion
- Verätzung durch Strahlung
- Kontrastmittelinduzierte Nephropathie durch Kontrastmittelverwendung ⓘ
Die Wahrscheinlichkeit dieser Risiken hängt von vielen Faktoren ab, u. a. von dem durchgeführten Verfahren, dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten, der Situation (elektiv oder notfallmäßig), der Medikation (z. B. Antikoagulation) und anderen Faktoren. ⓘ
Verfahren
"Herzkatheterisierung" ist ein allgemeiner Begriff für eine Gruppe von Verfahren. Der Zugang zum Herzen wird über eine periphere Arterie oder Vene hergestellt. In der Regel handelt es sich dabei um die Arteria radialis, die Vena jugularis interna und die Arteria femoralis/Venea. Jedes Blutgefäß hat seine Vor- und Nachteile. Sobald der Zugang geschaffen ist, werden Kunststoffkatheter (winzige Hohlschläuche) und flexible Drähte verwendet, um zum und um das Herz herum zu navigieren. Katheter gibt es in zahlreichen Formen, Längen, Durchmessern, Anzahl der Lumen und anderen besonderen Merkmalen wie Elektroden und Ballons. Sobald sie platziert sind, werden sie für Messungen oder Eingriffe verwendet. Die Bildgebung ist ein wichtiger Aspekt der Katheterisierung und umfasst in der Regel die Fluoroskopie, kann aber auch Formen der Echokardiographie (TTE, TEE, ICE) und des Ultraschalls (IVUS) umfassen. ⓘ
Für den Zugang wird die Seldinger-Technik verwendet, bei der das Gefäß mit einer Nadel punktiert, ein Draht durch die Nadel in das Gefäßlumen eingeführt und dann die Nadel gegen eine größere Kunststoffhülse ausgetauscht wird. Das Auffinden des Gefäßes mit einer Nadel kann schwierig sein, und sowohl Ultraschall als auch Fluoroskopie können bei der Suche und Bestätigung des Zugangs helfen. Schleusen haben in der Regel einen seitlichen Anschluss, über den Blut oder Injektionsflüssigkeiten/Medikamente entnommen werden können, und ein Endloch, über das Katheter, Drähte usw. koaxial in das Blutgefäß eingeführt werden können. ⓘ
Sobald der Zugang hergestellt ist, hängt es von dem jeweiligen Verfahren ab, was in das Gefäß eingeführt wird. Einige Katheter haben eine bestimmte Form und können eigentlich nur durch Einführen/Ziehen des Katheters in die Hülle und Drehen des Katheters manipuliert werden. Andere können interne Strukturen aufweisen, die eine interne Manipulation ermöglichen (z. B. bei der intrakardialen Echokardiographie). ⓘ
Wenn der Eingriff abgeschlossen ist, werden die Katheter entfernt und die Schleuse entfernt. Mit der Zeit heilt das in das Blutgefäß gegrabene Loch. Um die Blutstillung zu beschleunigen, können Gefäßverschlussgeräte eingesetzt werden. ⓘ
Ausrüstung
Für die Durchführung der zahlreichen möglichen Verfahren der Herzkatheterisierung ist eine umfangreiche Ausrüstung erforderlich. ⓘ
Allgemeines:
- Katheter
- Film- oder Digitalkamera
- Elektrokardiographie-Monitore
- Externer Defibrillator
- Fluoroskopie
- Druckmesswandler
- Schleusen ⓘ
Perkutane Koronarintervention:
- Koronarstents: Bare-Metal-Stent (BMS) und medikamentenbeschichteter Stent (DES)
- Angioplastie-Ballons
- Atherektomie-Laser und Rotationsgeräte
- Geräte zum Verschluss des linken Vorhofanhangs (Left Atrial Appendage Occlusion) ⓘ
Elektrophysiologie:
- Ablationskatheter: Radiofrequenz (RF) und Kryo
- Herzschrittmacher
- Defibrillatoren ⓘ
Geschichte
Die Geschichte der Herzkatheteruntersuchung geht auf Stephen Hales (1677-1761) und Claude Bernard (1813-1878) zurück, die sie beide an Tiermodellen anwendeten. Die klinische Anwendung der Herzkatheteruntersuchung beginnt mit Dr. Werner Forssmann im Jahr 1929, der einen Katheter in die Vene seines eigenen Unterarms einführte, ihn fluoroskopisch in seinen rechten Vorhof führte und eine Röntgenaufnahme davon machte. Doch selbst nach dieser Leistung wurde Forssmann wegen seiner unorthodoxen Methoden von der Krankenhausverwaltung seines Postens enthoben. Während des Zweiten Weltkriegs eröffnete André Frédéric Cournand, ein Arzt am NewYork-Presbyterian/Columbia, damals Columbia-Bellevue, das erste Katheterisierungslabor. Im Jahr 1956 erhielten Forssmann und Cournand gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entwicklung der Herzkatheteruntersuchung. Dr. Eugene A. Stead führte in den 1940er Jahren Forschungsarbeiten durch, die den Weg für die Herzkatheterisierung in den USA ebneten. ⓘ
Risiken und Komplikationen
Eine Herzkatheteruntersuchung ist nicht frei von möglichen Komplikationen. Bei einer Qualitätsuntersuchung über die deutschen Krankenhäuser im Jahre 2012 lag die gesamte (Regel-Untersuchungen ebenso wie auch Notfallinterventionen) In-Hospital-Letalität bei 1,1 % (4.622 Tote von 419.772 Patienten mit Koronarangiographie, ohne percutane Koronarintervention (PCI)). Bei Patienten mit zusätzlicher Intervention (Dilatation oder Stent) lag sie bei 2,7 % (7.666 Tote bei 286.000 Patienten). Die gesamte Komplikationsrate MACCE (Major Adverse Cardiac and Cerebrovascular Events = Große Herz- und Hirngefäßkomplikationen intra- postprozedural: Schlaganfall, Herzinfarkt, Tod) lag in der Gruppe ohne Intervention bei 1,3 %, in der Gruppe mit PCI bei 3,3 %. ⓘ
Vergleichsweise häufig sind Probleme im Bereich der Gefäß-Punktions-Stelle. Hier kann es zu Nachblutungen oder zur Ausbildung von Gefäßanomalien (AV-Fistel, Aneurysma spurium) kommen. Sehr selten muss hier gefäßchirurgisch behandelt werden. ⓘ
Die durchschnittliche Strahlenbelastung beträgt für den Patienten ohne Intervention ca. 2.413 cGy*cm², bei Patienten mit Intervention ca. 5.100 cGy*cm² und liegt damit typischerweise deutlich unter dem Dosisreferenzwert (DRW) für Koronarangiographien bei Erwachsenen von 6.000 cGy*cm². Das Personal muss sich wegen der täglichen Belastung unter anderem mit Bleimänteln schützen. ⓘ
Kontrastmittel
Allergische Reaktionen auf das Kontrastmittel (Juckreiz der Haut, Schwellungen, Luftnot) kommen selten vor, können durch Gabe von entsprechenden Medikamenten aber sofort behandelt werden. Ist eine solche Kontrastmittelallergie im Vorfeld bekannt, werden die entsprechenden Medikamente prophylaktisch gegeben. ⓘ
Da das verwendete Röntgenkontrastmittel schädlich für die Nieren ist, sollte bei bestehender Einschränkung der Nierenleistung eine entsprechende Vorbereitung durchgeführt werden. Um die Belastung durch das Kontrastmittel zu minimieren, werden diese Patienten möglichst auf einer biplanen Anlage (zwei Röntgenröhren) mit der Möglichkeit zur Dokumentation von zwei Ansichten pro Kontrastmittelgabe untersucht. Eventuell wird auf ein Laevokardiogramm verzichtet. Die Notwendigkeit einer zeitweiligen oder dauerhaften Dialyse ist extrem selten. ⓘ
Bei Patienten mit einer Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose) kann das im Kontrastmittel enthaltene Jod zu einer Thyreotoxikose führen. Entsprechend wird vor der Untersuchung die Schilddrüse laborchemisch untersucht und es werden gegebenenfalls Medikamente vor und einige Tage nach der Untersuchung gegeben. ⓘ
Fallzahlen in Deutschland
Herzkatheteruntersuchungen zählen zu den häufigsten stationären Prozeduren im Gesundheitswesen. Im Jahr 2018 wurden ca. 1,16 Mio. Herzkatheteruntersuchungen in deutschen Krankenhäusern durchgeführt. Seit 2012 sind die Herzkatheteruntersuchungen jedes Jahr gestiegen. Während in 2012 noch ca. knapp 900.000 Untersuchungen im Herzkatheterlabor stattgefunden haben, hat sich die Zahl bis zum Jahr 2018 um mehr als 30 % gesteigert. ⓘ
Es werden sehr viele unterschiedliche Untersuchungen im Herzkatheterlabor durchgeführt. Im offiziellen Operationen- und Prozedurenschlüssel werden die Herzkatheteruntersuchungen in folgende Kategorien eingeteilt:
1–273 | Rechtsherz-Katheteruntersuchung ⓘ | |
1–274 | Transseptale Linksherz-Katheteruntersuchung | |
1–275 | Transarterielle Linksherz-Katheteruntersuchung | |
1–276 | Angiokardiographie als selbständige Maßnahme | |
1–277 | Herzkatheteruntersuchung bei funktionell/morphologisch univentrikulärem Herzen | |
1–279 | Andere diagnostische Katheteruntersuchung an Herz und Gefäßen |
Jeder dieser Prozedurenschlüssel enthält diverse Unterkategorien, welche die spezifische Therapie angibt. ⓘ
Historische Forschung
Herzkatheteruntersuchungen bei Pferden wurden zwischen 1861 und 1863 durch Étienne-Jules Marey und Auguste Chauveau entwickelt, die damit den Druckverlauf im schlagenden Herzen messen konnten. ⓘ