Essigsäureanhydrid

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Essigsäureanhydrid
Essigsäureanhydrid
Essigsäureanhydrid
Bezeichnungen
Bevorzugte IUPAC-Bezeichnung
Essigsäureanhydrid
Systematische IUPAC-Bezeichnung
Ethansäureanhydrid
Andere Bezeichnungen
Ethanoylethanoat
Essigsäureanhydrid
Acetylacetat
Acetyloxid
Essigoxid
Bezeichner
3D-Modell (JSmol)
ChEBI
ChEMBL
ChemSpider
EC-Nummer
  • 203-564-8
PubChem CID
RTECS-Nummer
  • AK1925000
UNII
UN-Nummer 1715
InChI
  • InChI=1S/C4H6O3/c1-3(5)7-4(2)6/h1-2H3 check
    Schlüssel: WFDIJRYMOXRFFG-UHFFFAOYSA-N check
  • InChI=1/C4H6O3/c1-3(5)7-4(2)6/h1-2H3
    Schlüssel: WFDIJRYMOXRFFG-UHFFFAOYAH
SMILES
  • O=C(OC(=O)C)C
  • CC(=O)OC(=O)C
Eigenschaften
Chemische Formel
C4H6O3
Molekulare Masse 102,089 g-mol-1
Erscheinungsbild farblose Flüssigkeit
Dichte 1,082 g cm-3, flüssig
Schmelzpunkt -73,1 °C (-99,6 °F; 200,1 K)
Siedepunkt 139,8 °C (283,6 °F; 412,9 K)
Löslichkeit in Wasser
2,6 g/100 mL, siehe Text
Dampfdruck 4 mmHg (20 °C)
Magnetische Suszeptibilität (χ)
-52,8-10-6 cm3/mol
1.3901
Thermochemie
Std. Enthalpie der
Bildung fH298)
-624,4 kJ-mol-1
Pharmakologie
Rechtlicher Status
  • AU: S6 (Gift)
  • CA: Liste VI
Gefahren
GHS-Kennzeichnung:
Piktogramme
GHS02: EntflammbarGHS05: ÄtzendGHS07: Ausrufezeichen
Signalwort
Gefahr
Gefahrenhinweise
H226, H302, H314, H332
Sicherheitshinweise
P210, P233, P240, P241, P242, P243, P260, P261, P264, P270, P271, P280, P301+P312, P301+P330+P331, P303+P361+P353, P304+P312, P304+P340, P305+P351+P338, P310, P312, P321, P330, P363, P370+P378, P403+P235, P405, P501
NFPA 704 (Feuerdiamant)
3
2
1
W
Flammpunkt 49 °C (120 °F; 322 K)
Selbstentzündung
temperatur
316 °C (601 °F; 589 K)
Explosionsgrenzen 2.7–10.3%
Tödliche Dosis oder Konzentration (LD, LC):
LC50 (mittlere Konzentration)
1000 ppm (Ratte, 4 Std.)
NIOSH (US-Grenzwerte für Gesundheitsgefährdung):
PEL (Zulässig)
TWA 5 ppm (20 mg/m3)
REL (Empfohlen)
C 5 ppm (20 mg/m3)
IDLH (Unmittelbare Gefahr)
200 ppm
Sicherheitsdatenblatt (SDS) ICSC 0209
Verwandte Verbindungen
Verwandte Säureanhydride
Propionsäureanhydrid
Verwandte Verbindungen
Essigsäure
Acetylchlorid
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Daten auf Materialien in ihrem Standardzustand (bei 25 °C [77 °F], 100 kPa).
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Infobox Referenzen

Essigsäureanhydrid oder Ethansäureanhydrid ist eine chemische Verbindung mit der Formel (CH3CO)2O. Es ist das einfachste isolierbare Anhydrid einer Carbonsäure und wird häufig als Reagenz in der organischen Synthese verwendet. Es ist eine farblose Flüssigkeit, die stark nach Essigsäure riecht, die sich bei der Reaktion mit Luftfeuchtigkeit bildet.

Essigsäureanhydrid (Acetanhydrid), auch Ac2O abgekürzt, ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Säureanhydride mit der Summenformel C4H6O3. Sie ist ein Essigsäurederivat, das durch die Kondensation zweier Essigsäuremoleküle entsteht. Dabei verbinden sich die Carboxygruppen zweier Moleküle Essigsäure unter Eliminierung von Wasser.

Struktur und Eigenschaften

Essigsäureanhydrid in einer Glasflasche

Essigsäureanhydrid ist, wie die meisten Säureanhydride, ein flexibles Molekül mit einer nicht planaren Struktur. Die pi-Bindung durch den zentralen Sauerstoff bietet eine sehr schwache Resonanzstabilisierung im Vergleich zu der Dipol-Dipol-Abstoßung zwischen den beiden Carbonylsauerstoffen. Die Energiebarrieren für die Bindungsrotation zwischen den einzelnen optimalen aplanaren Konformationen sind recht niedrig.

Wie bei den meisten Säureanhydriden ist das Carbonylkohlenstoffatom des Essigsäureanhydrids elektrophil, da die Abgangsgruppe ein Carboxylat ist. Die innere Asymmetrie kann zu der starken Elektrophilie von Essigsäureanhydrid beitragen, da die asymmetrische Geometrie eine Seite eines Carbonylkohlenstoffatoms reaktiver macht als die andere und dadurch die Elektropositivität eines Carbonylkohlenstoffatoms tendenziell auf eine Seite verlagert (siehe Elektronendichtediagramm).

Herstellung

Essigsäureanhydrid wurde erstmals 1852 von dem französischen Chemiker Charles Frédéric Gerhardt (1816-1856) durch Erhitzen von Kaliumacetat mit Benzoylchlorid synthetisiert.

Essigsäureanhydrid wird durch Carbonylierung von Methylacetat hergestellt:

CH3CO2CH3 + CO → (CH3CO)2O

Das Essigsäureanhydrid-Verfahren von Tennessee Eastman beinhaltet die Umwandlung von Methylacetat in Methyliodid und ein Acetatsalz. Durch Carbonylierung des Methyljodids entsteht Acetyljodid, das mit Acetatsalzen oder Essigsäure zum Produkt reagiert. Als Katalysator wird Rhodiumchlorid in Gegenwart von Lithiumjodid verwendet. Da Essigsäureanhydrid in Wasser nicht stabil ist, wird die Umsetzung unter wasserfreien Bedingungen durchgeführt.

In abnehmendem Maße wird Essigsäureanhydrid auch durch die Reaktion von Keten (Ethenon) mit Essigsäure bei 45-55 °C und niedrigem Druck (0,05-0,2 bar) hergestellt.

H2C=C=O + CH3COOH → (CH3CO)2O (ΔH = -63 kJ/mol)

Der Weg von Essigsäure zu Essigsäureanhydrid über Keten wurde 1922 von Wacker Chemie entwickelt, als der Bedarf an Essigsäureanhydrid durch die Herstellung von Celluloseacetat stieg.

Aufgrund seiner geringen Kosten wird Essigsäureanhydrid für die Verwendung in Forschungslabors in der Regel gekauft und nicht selbst hergestellt.

Die großtechnische Herstellung erfolgt durch Dehydratisierung (Wasserabspaltung) von Essigsäure bei 800 °C:

Dehydratisierung von Essigsäure zu Essigsäureanhydrid ⓘ

Bei der Synthese ist eine rasche Abkühlung und Trennung der Produkte notwendig, da andernfalls die Rückreaktion zu Essigsäure ablaufen kann.

Ein Teil des Produktstroms wird mit Methanol wieder zum Methylacetat umgesetzt und wieder in den Prozess zurückgegeben. Die Synthese des Essigsäureanhydrids erfordert daher nur CO und Methanol. Als Katalysator dienen vor allem Rhodium- und Iridium-Komplexe. Die Umsetzung findet bei erhöhtem CO-Druck und Temperaturen um 200 °C statt.

Reaktionen

Essigsäureanhydrid ist ein vielseitiges Reagenz für Acetylierungen, d. h. die Einführung von Acetylgruppen in organische Substrate. Bei diesen Umsetzungen wird Essigsäureanhydrid als Quelle von CH3CO+ betrachtet.

Acetylierung von Alkoholen und Aminen

Alkohole und Amine lassen sich leicht acetylieren. Bei der Reaktion von Essigsäureanhydrid mit Ethanol entsteht beispielsweise Ethylacetat:

(CH3CO)2O + CH3CH2OH → CH3CO2CH2CH3 + CH3COOH

Häufig wird eine Base wie Pyridin als Katalysator hinzugefügt. In speziellen Anwendungen haben sich auch Lewis-saure Scandium-Salze als wirksame Katalysatoren erwiesen.

Acetylierung von aromatischen Ringen

Aromatische Ringe werden mit Essigsäureanhydrid acetyliert. In der Regel werden saure Katalysatoren verwendet, um die Reaktion zu beschleunigen. Beispiele hierfür sind die Umwandlung von Benzol in Acetophenon und von Ferrocen in Acetylferrocen:

(C5H5)2Fe + (CH3CO)2O → (C5H5)Fe(C5H4COCH3) + CH3CO2H

Herstellung von anderen Säureanhydriden

Dicarbonsäuren werden bei der Behandlung mit Essigsäureanhydrid in die Anhydride umgewandelt. Es wird auch für die Herstellung von gemischten Anhydriden verwendet, z. B. mit Salpetersäure, Acetylnitrat.

Vorläufer für Geminale Diacetate

Aldehyde reagieren mit Essigsäureanhydrid in Gegenwart eines sauren Katalysators zu Geminaldiacetaten. Ein früherer industrieller Weg zu Vinylacetat führte über das Zwischenprodukt Ethylidendiacetat, das Geminale Diacetat, das aus Acetaldehyd und Essigsäureanhydrid gewonnen wird:

CH3CHO + (CH3CO)2O → (CH3CO2)2CHCH3

Chemische Eigenschaften

So wie andere Säureanhydride lässt sich auch Essigsäureanhydrid mit Alkoholen zu den entsprechenden Estern und mit Ammoniak bzw. mit Aminen zum entsprechenden Amid umsetzen.

Beim Einbringen in Wasser löst sich die Verbindung zunächst und wird dann durch Hydrolyse zu Essigsäure gespalten. Die Spaltung erfolgt in heißem Wasser wesentlich schneller als in kaltem Wasser und ist basen- bzw. säurekatalysiert. In kaltem Wasser beträgt die Löslichkeit 13,6 %.

Verwendung

Essigsäureanhydrid ist das kommerziell wichtigste aliphatische Anhydrid. Rund eine Million Tonnen werden pro Jahr produziert. Dabei wird es hauptsächlich für die Umsetzung mit Alkoholen zu Acetaten verwendet. Häufige Einsatzgebiete sind die Herstellung von Celluloseacetat, N-Acetyl-4-aminophenol (Paracetamol) und Acetylsalicylsäure sowie zur Absolutierung von Eisessig. Es ist zudem unabdingbar bei der Herstellung von Heroin, weswegen in vielen Ländern versucht wird, durch die Kontrolle des Zugangs zu Essigsäureanhydrid die Herstellung dieser halbsynthetischen Droge einzudämmen. Im Grundstoffüberwachungsgesetz ist es in der Kategorie 2 aufgelistet, somit sind Herstellung, Ein-, Ausfuhr und Handel ab einer Menge von 100 Liter registrierungspflichtig.

In der Synthesechemie wird Essigsäureanhydrid oft auch zum Aufbau von Schutzgruppen genutzt, das einen Alkohol in einen weniger reaktiven Ester überführt.

Diacetylperoxid, welches als Radikalbildner bei Polymerisationsreaktionen eingesetzt wird, lässt sich aus Essigsäureanhydrid und Natriummetaborat-peroxidhydrat herstellen.

Im Gemisch mit Schwefelsäure (9 Teile Essigsäureanhydrid auf 1 Teil Schwefelsäure) wird es zur Acetolyse verwendet.

Ferner wird Essigsäureanhydrid zur Acetylierung von Holz verwendet, eine Holzmodifikation zur Verbesserung der Eigenschaften (u. A. Feuchtigkeitsresistenz) von Nadelhölzern.

In der Stärkeindustrie ist Essigsäureanhydrid eine gängige Acetylierungsverbindung, die zur Herstellung von modifizierter Stärke verwendet wird (E1414, E1420, E1422).

Rechtlicher Status

Aufgrund seiner Verwendung für die Synthese von Heroin durch Diacetylierung von Morphin ist Essigsäureanhydrid in den USA auf der DEA-Liste II der Ausgangsstoffe aufgeführt und in vielen anderen Ländern verboten.

Sicherheit

Essigsäureanhydrid ist eine reizende und brennbare Flüssigkeit. Aufgrund seiner Reaktivität gegenüber Wasser und Alkohol werden Schaum oder Kohlendioxid zur Brandbekämpfung bevorzugt. Die Dämpfe von Essigsäureanhydrid sind gesundheitsschädlich.

Eigenschaften

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Essigsäureanhydrid bildet entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei 49 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2,0 Vol.‑% (85 g/m³) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 10,2 Vol.‑% (430 g/m³) als obere Explosionsgrenze (OEG). Entsprechend der Dampfdruckfunktion ergibt sich ein unterer Explosionspunkt von 46 °C. Der maximale Explosionsdruck beträgt 7 bar. Die Grenzspaltweite wurde mit 1,17 mm bestimmt. Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA. Die Zündtemperatur beträgt 330 °C. Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T2.