Schulp

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Ansicht von oben und unten einer Sepiaschale, dem Auftriebsorgan und der inneren Schale eines Tintenfisches
Sepiaschale von Sepia officinalis (von links nach rechts: Ventral-, Dorsal- und Seitenansicht)
Gewöhnlicher Tintenfisch Sepia officinalis
Schildkröte mit Sepiaschale
Fossiler Sepiaschalenknochen der pliozänen Art Sepia rugulosa
Versteinerter Sepiaschalen-ähnlicher Gladius von Trachyteuthis

Sepiaschale, auch Tintenfischknochen genannt, ist eine harte, spröde innere Struktur (eine innere Schale), die bei allen Mitgliedern der Familie Sepiidae, allgemein bekannt als Tintenfische, innerhalb der Kopffüßer zu finden ist. In anderen Kopffüßerfamilien wird sie Gladius genannt.

Die Sepiaschale besteht hauptsächlich aus Aragonit. Es handelt sich um eine gekammerte, gasgefüllte Schale, die der Auftriebskontrolle dient; ihr Siphon ist stark modifiziert und befindet sich auf der Bauchseite der Schale. Die mikroskopische Struktur der Sepiaschale besteht aus schmalen Schichten, die durch zahlreiche aufrechte Säulen verbunden sind.

Je nach Art implodiert die Sepiaschale in einer Tiefe von 200 bis 600 Metern (660 bis 1.970 Fuß). Deshalb leben die meisten Tintenfischarten auf dem Meeresboden in flachem Wasser, meist auf dem Kontinentalschelf.

Der größte Tintenfisch ist der australische Riesentintenfisch, der zwischen der Oberfläche und einer maximalen Tiefe von 100 Metern lebt.

Der Schulp (mittelniederdeutsch schulp(e) ‚Muschel(schale)‘), lateinisch Os sepium („Sepiaknochen, Sepienbein“), oder Rückenschulp ist als „Rückenknochen“ ein kompressionsstabiler innerer Auftriebskörper der zu den Zehnarmigen Tintenfischen gehörenden Sepien. Stammesgeschichtlich ist er ein Innenskelett, zurückzuführen auf das Außenskelett beschalter Kopffüßer (Cephalopoda).

Schulpe (lateinisch Ossa sepia) finden sich oft als angeschwemmtes Treibgut an Meeresküsten, sie stammen von verendeten Sepien. Diese können auch fossilieren.

Fossilierter Schulp von Trachyteuthis hastiformis (Jura-Museum Eichstätt)

Menschliche Nutzung

In der Vergangenheit wurden Sepiaschalen zermahlen, um Polierpulver herzustellen, das von Goldschmieden verwendet wurde. Das Pulver wurde auch Zahnpasta beigemischt und als Antazidum für medizinische Zwecke oder als Absorptionsmittel verwendet. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden sie auch für künstlerische Schnitzarbeiten verwendet.

Heute werden Sepiaschalen üblicherweise als kalziumreiche Nahrungsergänzung für Käfigvögel, Chinchillas, Einsiedlerkrebse, Reptilien, Garnelen und Schnecken verwendet. Sie sind nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt.

Herstellung von Kalk

Als karbonatreicher biogener Rohstoff kann Sepiaschale für die Herstellung von Kalk verwendet werden.

Schmuckherstellung

Da die Sepiaschale hohen Temperaturen standhält und leicht zu bearbeiten ist, dient sie als Material für die Herstellung von Formen für kleine Metallgüsse zur Herstellung von Schmuck und kleinen skulpturalen Objekten.

Sie kann auch beim Zinngießen als Form verwendet werden.

Innere Struktur

Die Mikrostruktur der Sepiaschale besteht aus zwei Komponenten, horizontalen Septen und vertikalen Säulen. Beide Komponenten bestehen überwiegend aus Aragonit. Die horizontalen Septen unterteilen den Septenknochen in einzelne Kammern. Diese Kammern werden von den vertikalen Pfeilern gestützt, die eine gewellte Struktur aufweisen. Die Dicke dieser Säulen variiert von Art zu Art, ist aber in der Regel nur wenige Mikrometer dick. Die horizontalen Septen sind in der Regel dicker als die vertikalen Säulen und bestehen aus einer doppellagigen Struktur. Die obere Schicht der Septen und Wände besteht aus vertikal ausgerichteten Kristallen, während die untere Schicht aus Nanostäbchen besteht, die gegeneinander verdreht sind und so eine "Sperrholz"-Struktur bilden. Insgesamt führt diese gekammerte Mikrostruktur dazu, dass der Sepiaschalenknochen eine Porosität von über 90 % seines Volumens aufweist.

3D-Visualisierung eines Sepia-Kuttelknochens durch industrielle Mikro-Computertomographie
Flug durch die entsprechenden tomographischen Bildstapel

Das Hauptmaterial des Schulps ist Aragonit (chemisch ein Calciumcarbonat, also Kalk). Mikroskopisch besteht der Schulp aus dünnen Aragonitplatten, die über zahlreiche Minisäulen gegeneinander abgestützt sind. Die Ausbildung der feinen Kalkstrukturen wird ermöglicht, indem die mineralischen Komponenten an formgebenden Chitinstrukturen angelagert werden (insofern der Schmetterlingsschuppe nicht unähnlich). Die Calcifizierung erfolgt insbesondere bei erhöhtem Kohlenstoffdioxid (CO2)-Partialdruck im Meerwasser. Der Aufbau des Schulps erfolgt bei jungen Sepien relativ zeitkonstant, sodass das Abzählen der Lamellen altersabhängige Untersuchungen ermöglicht; ein fester Zeitbezug (wie ein Tag pro Lamelle) besteht jedoch nicht.

Mechanische Eigenschaften

Die Sepiaschale wurde aufgrund ihrer Fähigkeit, gleichzeitig leicht, steif und widerstandsfähig gegen Beschädigungen zu sein, eingehend untersucht. Diese Kombination mechanischer Eigenschaften hat zur Erforschung biomimetischer Keramikschäume geführt, die von der Sepiaschale inspiriert sind. Darüber hinaus wurde Sepiaschale aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften als Gerüst in Supraleitern und bei der Gewebezüchtung eingesetzt. Das geringe Gewicht der Sepiaschale ergibt sich aus ihrer hohen Porosität (über 90 % des Volumens). Die Steifigkeit der Sepiaschale ergibt sich aus der Zusammensetzung der Kammerstruktur aus etwa 95 % Aragonit (einem steifen Material) und 5 % organischem Material. Da die Steifigkeit eines Verbundmaterials von dem Material mit dem größten Volumenanteil dominiert wird, ist auch die Sepiaschale steif. Die spezifische Steifigkeit der Sepiaschale einer Spezies wurde mit bis zu 8,4 [(MN)m/kg] gemessen. Die faszinierendste Eigenschaft der Sepiaschale ist ihre Fähigkeit, Schäden zu tolerieren, da Aragonit ein sprödes Material ist. Die hohe Schadenstoleranz kann mit der einzigartigen Mikrostruktur der Sepiaschale in Verbindung gebracht werden.

Der Verformungsprozess

Aufgrund der marinen Lebensweise der Tintenfische muss die Sepiaschale in der Lage sein, sowohl großen Druckkräften aus dem Wasser standzuhalten als auch ein plötzliches Versagen zu vermeiden. Die Sepiaschale einiger Arten weist unter Druck eine spezifische Energie auf, die mit der einiger moderner Schaumstoffe aus nachgiebigeren Materialien wie Metallen und Polymeren vergleichbar ist. Die hohe Energieabsorption ist das Ergebnis mehrerer Faktoren.

Das Versagen des Sepiaschaums erfolgt in drei verschiedenen Phasen: lokale Rissbildung, Rissausdehnung und Verdichtung. Die Rissbildung erfolgt in der Regel in der Mitte der vertikalen Wände in der Kammerstruktur des Sepiaschalens. Der Ort der Rissbildung wird durch die Welligkeit der gewellten Struktur der Wände bestimmt. Die Welligkeit der Wände in der Sepiaschale sorgt für ein optimales Gleichgewicht zwischen Steifigkeit und Sprödigkeit der Gesamtstruktur. Diese wellenförmige Struktur hemmt die Rissausbreitung und erhöht den für ein Versagen erforderlichen Energieeintrag. Nachdem die Wände des Sepiaschalens ausreichend beschädigt wurden, kommt es zu einem Prozess, der als Verdichtung bezeichnet wird, bei dem sich die Wände allmählich verdichten, während der Bruch fortgesetzt wird. Durch die fortgesetzte Rissbildung in den Wänden während der Verdichtung wird erhebliche Energie freigesetzt. Es wurde auch beobachtet, dass die horizontal geschichteten Kammern der Sepiaschale unter Druckspannungen nacheinander versagen. Während eine Kammer bricht und sich verdichtet, verformen sich die anderen Kammern erst, wenn die Scheidewand zwischen den Kammern durchstoßen wurde. Die Scheidewand ist aufgrund ihrer "Sperrholz"-Struktur wesentlich stärker als die vertikalen Wände, was die Gesamtenergie, die für ein vollständiges strukturelles Versagen des Sepiaschalens benötigt wird, weiter erhöht.

Funktion

Der Schulp wird durch Gaseinlagerung für den statischen Auftrieb genutzt. Er ist gekammert und je nach Bedarf teilweise gas- und teilweise flüssigkeitsgefüllt. Die Gasversorgung erfolgt aus der Lymphe über den Siphunculus, welcher ventral unter dem Schulp verläuft. Die lamelläre Konstruktion aus vielfach abgestützten Schichten macht den Schulp zu einem druckstabilen Auftriebskörper, dessen Inhalt und damit seine relative Dichte kontrolliert wird. Die Form des Schulps bestimmt, welche Meerestiefen von seinem Träger erreicht werden können und in welchen er sich länger aufhalten kann.

Phylogenese

Die ursprünglichen Kopffüßer waren beschalte Organismen (Papierboote und Ammoniten) mit einer gekammerten äußeren Schale, wie sie Nautilus noch heute besitzt. Diese Schale ist im Laufe der Evolution erst in den Körper eingelagert worden (Phragmokon der Coleoidea) und in späteren Schritten mehr und mehr reduziert worden. So besaßen die Belemniten noch eine große gekammerte innere Schale, die als Auftriebsorgan genutzt werden konnte und am hinteren Ende mit einem Rostrum beschwert war.

Diese gekammerte Schale existiert bei den Zehnarmigen Tintenfischen auch heute noch, allerdings in reduzierter Form. Während das Posthörnchen (Spirula spirula) noch einen deutlich gekammerten Phragmokon besitzt, ist der Schulp der Sepien (Sepiida) schon deutlich verkleinert, eine Kammerung ist jedoch unter dem Mikroskop noch zu erkennen.

Die Kalmare besitzen von der ursprünglichen Schale nur noch einen als Gladius bezeichneten flachen Chitinstab, der als inneres Skelettelement dient. Die Bezeichnung erfolgte aufgrund der Form der Struktur in Anlehnung an das römische Kurzschwert Gladius.

Bei den Achtarmigen Tintenfischen und dem Vampirtintenfisch sind die Hartteile der ursprünglichen Schale vollständig verschwunden.

Sepiaschale aus dem Tierhandel mit Klammer für einen Vogelkäfig

Wirtschaftliche Nutzung

Medizin

Bei der Wundbehandlung wird erwogen, vermahlene Schulpe zur topischen Unterstützung der Wundheilung einzusetzen.

Tierhandel

Der Schulp, früher auch als „Fischbein“ oder Sepia bezeichnet, wird im Tierhandel als Schnabelwetzstein für Käfigvögel und Kalklieferant für Reptilien (z. B. Landschildkröten) in der Terrarien- und Freilandhaltung angeboten.

Handwerk

Außerdem wird er von Steinmetzen verwendet, um angetrocknete Farbe von polierten Steinen zu entfernen, und dient als Material für Gussformen bei Goldschmiedearbeiten. Diese Schulpe stammen aus angeschwemmtem Treibgut oder aus Abfällen der Tintenfisch-Verarbeitung.

Landschildkröte mit Schulp