Kleinbären
Procyoniden | |
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Von oben links nach unten rechts: Waschbär (Procyon), Ringelschwanz (Bassariscus), Südamerikanischer Nasenbär (Nasua), Nördlicher Olingo (Bassaricyon), Kinkajou (Potos) | |
Wissenschaftliche Klassifizierung | |
Königreich: | Tierwelt (Animalia) |
Stamm: | Chordata |
Klasse: | Säugetiere |
Ordnung: | Fleischfresser |
Überfamilie: | Musteloidea |
Familie: | Procyonidae Gray, 1825 |
Typusgattung | |
Procyon Storr, 1780
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Gattungen | |
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Die Procyonidae sind eine Neuweltfamilie der Ordnung Carnivora. Sie umfasst die Waschbären, Ringelschwänze, Nasenbären, Kinkajous, Olingos und Olinguitos. Procyoniden bewohnen ein breites Spektrum an Lebensräumen und sind im Allgemeinen Allesfresser. ⓘ
Kleinbären ⓘ | ||||||||||||
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Waschbär (Procyon lotor) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Procyonidae | ||||||||||||
Gray, 1825 |
Die Kleinbären (Procyonidae) sind eine Säugetierfamilie der hundeartigen Raubtiere (Canoidea). Es gehören 14 Arten zu dieser Familie, die alle in den gemäßigten oder tropischen Zonen Amerikas leben. ⓘ
Merkmale
Procyoniden sind relativ kleine Tiere mit im Allgemeinen schlanken Körpern und langen Schwänzen, wobei der gemeine Waschbär eher korpulent ist. ⓘ
Aufgrund ihres allgemeinen Körperbaus werden die Procyonidae im Volksmund oft als kleinere Cousins der Bärenfamilie angesehen. Dies zeigt sich auch in ihren deutschen Namen: Ein Waschbär wird Waschbär genannt, weil er sein Futter vor dem Fressen "wäscht", ein Nasenbär ist ein Nasenbär und ein Kinkajou ist ein Honigbär. Das Niederländische folgt diesem Beispiel und bezeichnet die Tiere als Wasbeer, Neusbeer bzw. Rollstaartbeer. Heute geht man jedoch davon aus, dass die Procyoniden eher mit den Musteliden als mit den Bären verwandt sind. ⓘ
Aufgrund ihrer omnivoren Ernährung haben die Procyoniden einige der Anpassungen an die Fleischfresserei verloren, die bei ihren fleischfressenden Verwandten zu finden sind. Sie verfügen zwar über fleischfressende Zähne, doch sind diese bei den meisten Arten, insbesondere bei den Waschbären, nur schwach entwickelt. Abgesehen vom Kinkajou haben die Procyoniden die Zahnformel:
Gebiss ⓘ |
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3.1.4.2 |
3.1.4.2 |
mit insgesamt 40 Zähnen. Der Kinkajou hat einen Prämolar weniger in jeder Reihe:
Gebiss ⓘ |
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3.1.3.2 |
3.1.3.2 |
Insgesamt sind es 36 Zähne. ⓘ
Sie sind meist Einzelgänger; die Mütter ziehen in der Regel bis zu vier Jungtiere allein auf. ⓘ
Kleinbären vermitteln gestaltlich zwischen den Mardern und den echten Bären. Es sind kleine bis mittelgroße Säugetiere, die eine Kopfrumpflänge von 30 bis 67 Zentimeter und ein Gewicht von 1 bis 12 Kilogramm erreichen. Der Schwanz ist bei allen Arten lang und meist geringelt. Ihr Fell ist braun oder grau gefärbt, einige Arten haben auffällige Gesichtszeichnungen. Das Gesicht ist eher kurz und breit, die Ohren sind klein und aufgerichtet, sie können zugespitzt oder abgerundet sein. Alle Füße enden in fünf Zehen, die mit kurzen, gebogenen Krallen versehen sind. Eine Art, der Wickelbär, hat einen Greifschwanz. ⓘ
Entwicklung
Fossilien von Procyoniden, von denen man früher annahm, dass sie zur Gattung Bassariscus gehören, zu der auch der moderne Ringelschwanz und die Kakadu gehören, wurden im Miozän vor etwa 20 Millionen Jahren (Ma) gefunden. Es wird vermutet, dass die frühen Procyoniden ein Ableger der Caniden waren, die sich an eine eher omnivore Ernährung anpassten. Die jüngste Entwicklung der Procyoniden konzentrierte sich auf Mittelamerika (wo ihre Vielfalt am größten ist); sie drangen im Rahmen des Großen Amerikanischen Austauschs, der vor etwa 7,3 Mio. Jahren im späten Miozän begann, mit dem Auftreten von Cyonasua in das ehemals isolierte Südamerika ein. ⓘ
Genetische Studien haben gezeigt, dass die Kinkajous eine Schwestergruppe zu allen anderen heute lebenden Procyoniden sind; sie spalteten sich vor etwa 22,6 Mio. Jahren ab. Die Kladen, die zu Nasenbären und Olingos einerseits und zu Ringelschwänzen und Waschbären andererseits führen, trennten sich vor etwa 17,7 Ma. Die Divergenz zwischen Olingos und Nasenbären fand schätzungsweise vor etwa 10,2 Mio. Jahren statt, etwa zur gleichen Zeit, als sich Ringelschwänze und Waschbären trennten. ⓘ
Klassifizierung
In der Vergangenheit herrschte erhebliche Unsicherheit über die korrekte Klassifizierung mehrerer Mitglieder. Der Rote Panda wurde früher in diese Familie eingeordnet, wird aber jetzt aufgrund molekularbiologischer Studien in eine eigene Familie, die Ailuridae, eingeordnet. Der Status der verschiedenen Olingos war umstritten: Einige betrachteten sie alle als Unterarten von Bassaricyon gabbii, bevor DNA-Sequenzdaten das Gegenteil bewiesen. ⓘ
Das unten links abgebildete traditionelle Klassifizierungsschema geht der jüngsten Revolution in unserem Verständnis der Procyoniden-Phylogenie auf der Grundlage von Gensequenzanalysen voraus. Diese veraltete Klassifizierung fasst Kinkajous und Olingos aufgrund morphologischer Ähnlichkeiten zusammen, von denen man heute weiß, dass sie ein Beispiel für parallele Evolution sind; ebenso werden Nasenbären als am engsten mit Waschbären verwandt dargestellt, obwohl sie in Wirklichkeit den Olingos am nächsten stehen. Unten rechts ist ein Kladogramm dargestellt, das die Ergebnisse der jüngsten molekularen Studien aus dem Jahr 2013 zeigt. Die Gattung Nasuella wurde in diesen Studien nicht berücksichtigt, aber in einer separaten Studie wurde festgestellt, dass sie innerhalb von Nasua nistet. ⓘ
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- FAMILIE PROCYONIDAE
- Unterfamilie Procyoninae (neun Arten in vier Gattungen)
- Stamm Procyonini
- Untertribus Procyonina
- Waschbären, Procyon
- Krabbenfressender Waschbär, Procyon cancrivorus
- Cozumel-Waschbär, Procyon pygmaeus
- Gewöhnlicher Waschbär, Procyon lotor
- Waschbären, Procyon
- Untertribus Nasuina
- Nasua
- Südamerikanischer Nasenbär oder Ringschwanz-Nasenbär, Nasua nasua
- Weißnasen-Nasenbär, Nasua narica
- Nasuella
- Westlicher Bergnasenbär, Nasuella olivacea
- Östlicher Bergnasenbär, Nasuella meridensis
- Nasua
- Untertribus Procyonina
- Stamm Bassariscini
- Bassariscus
- Ringelschwanz, Bassariscus astutus
- Kakadusdistel, Bassariscus sumichrasti
- Bassariscus
- Stamm Procyonini
- Unterfamilie Potosinae (fünf Arten in zwei Gattungen)
- Potos
- Kinkajou, Potos flavus
- Bassaricyon
- Nördlicher Olingo oder Gabbi's Olingo, Bassaricyon gabbii
- Östlicher Tiefland-Olingo, Bassaricyon alleni
- Westlicher Tiefland-Olingo, Bassaricyon medius
- Olinguito, Bassaricyon neblina ⓘ
- Potos
- Unterfamilie Procyoninae (neun Arten in vier Gattungen)
Phylogenie
Mehrere neuere molekulare Studien haben die stammesgeschichtlichen Beziehungen zwischen den Procyoniden geklärt, wie im folgenden Kladogramm dargestellt. ⓘ
ⓘProcyonidae |
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Ausgestorbene Taxa
Nachfolgend finden Sie eine Liste der ausgestorbenen Taxa (viele davon sind fossile Gattungen und Arten) in alphabetischer Reihenfolge unter ihren jeweiligen Unterfamilien.
- Procyonidae J.E. Gray, 1825
- †Broilianinae Dehm, 1950
- †Broiliana Dehm, 1950
- †B. dehmi Beaumont & Mein, 1973
- †B. nobilis Dehm, 1950
- †Stromeriella Dehm, 1950
- †S. depressa Morlo, 1996
- †S. franconica Dehm, 1950
- †Broiliana Dehm, 1950
- Potosinae Trouessart, 1904
- †Parapotos J.A. Baskin, 2003
- †P. tedfordi J.A. Baskin, 2003
- †Parapotos J.A. Baskin, 2003
- Procyoninae J.E. Gray, 1825
- †Arctonasua J.A. Baskin, 1982
- †A. eurybates J.A. Baskin, 1982
- †A. fricki J.A. Baskin, 1982
- †A. floridana J.A. Baskin, 1982
- †A. gracilis J.A. Baskin, 1982
- †A. minima J.A. Baskin, 1982
- †Bassaricyonoides J.A. Baskin & Morea, 2003
- †B. stewartae J.A. Baskin & Morea, 2003
- †B. phyllismillerae J.A. Baskin & Morea, 2003
- Bassariscus Coues, 1887
- †B. antiquus Matthew & Cook, 1909
- †B. casei Hibbard, 1952
- †B. minimus J.A. Baskin, 2004
- †B. ogallalae Hibbard, 1933
- †B. parvus Hall, 1927
- †Chapalmalania Ameghino, 1908
- †C. altaefrontis Kraglievich & Olazábal, 1959
- †C. ortognatha Ameghino, 1908
- †Cyonasua Ameghino, 1885 [=Amphinasua Moreno & Mercerat, 1891; Brachynasua Ameghino & Kraglievich 1925; Pachynasua Ameghino, 1904]
- †C. argentina Ameghino 1885
- †C. argentinus (Burmeister, 1891)
- †C. brevirostris (Moreno & Mercerat, 1891) [=Amphinasua brevirostris Moreno & Mercerat, 1891]
- †C. clausa (Ameghino, 1904) [=Pachynasua clausa Ameghino, 1904]
- †C. groeberi Kraglievich & Reig, 1954 [=Amphinasua groeberi Cabrera, 1936]
- †C. longirostris (Rovereto, 1914)
- †C. lutaria (Cabrera, 1936) [=Amphinasua lutaria Cabrera, 1936]
- †C. meranii (Ameghino & Kraglievich 1925) [=Brachynasua meranii Ameghino & Kraglievich 1925]
- †C. pascuali Linares, 1981 [=Amphinasua pascuali Linares, 1981]
- †C. robusta (Rovereto, 1914)
- †Edaphocyon Wilson , 1960
- †E. lautus J.A. Baskin, 1982
- †E. palmeri J.A. Baskin & Morea, 2003
- †E. pointblankensis Wilson , 1960
- Nasua Storr, 1780
- †N. pronarica Dalquest, 1978
- †N. mastodonta Emmert & Short, 2018
- †N. nicaeensis Holl, 1829
- †Parahyaenodon Ameghino, 1904
- †P. argentinus Ameghino, 1904
- †Paranasua J.A. Baskin, 1982
- †P. biradica J.A. Baskin, 1982
- †Probassariscus Merriam, 1911
- †P. matthewi Merriam, 1911
- Procyon Storr, 1780
- †P. gipsoni Emmert & Short, 2018
- †P. megalokolos Emmert & Short, 2018
- †P. rexroadensis Hibbard, 1941
- †Protoprocyon Linares, 1981 [=Lichnocyon J.A. Baskin, 1982]
- †P. savagei Linares, 1981 [=Lichnocyon savagei J.A. Baskin, 1982]
- †Tetraprothomo Ameghino, 1908
- †T. argentinus Ameghino, 1908 ⓘ
- †Arctonasua J.A. Baskin, 1982
- †Broilianinae Dehm, 1950
Verbreitung und Lebensraum
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Kleinbären erstreckt sich vom südlichen Kanada bis ins nördliche Argentinien. Der Waschbär ist als Gefangenschaftsflüchtling mittlerweile auch in Europa verbreitet (auch in Deutschland). Kleinbären bewohnen eine Reihe von Habitaten, meist finden sie sich aber in Wäldern. ⓘ
Lebensweise
Mit Ausnahme der Nasenbären sind Kleinbären dämmerungs- oder nachtaktiv. Als Schlafplätze dienen ihnen üblicherweise Baumhöhlen oder Felsspalten. Sie sind Sohlengänger, die sich mit einem bärenartigen Gang fortbewegen, viele Arten können gut klettern und schwimmen. Sie leben einzelgängerisch oder in kleinen Gruppen. ⓘ
Kleinbären sind in der Regel Allesfresser, die aber eher pflanzliche Nahrung wie Früchte und Nüsse zu sich nehmen. Während Wickel- und Makibären fast reine Pflanzenfresser sind, nehmen die anderen Arten in unterschiedlichem Ausmaß auch tierische Nahrung wie Insekten, kleine Wirbeltiere, Eier und vieles mehr zu sich. ⓘ
Entwicklungsgeschichte
Die ältesten Kleinbären sind fossil aus dem Oligozän nachgewiesen. Die fossile Gattung Bavarictis war in Europa heimisch; von dort wanderten die Kleinbären über Asien und die Landbrücke der heutigen Beringstraße früh nach Nordamerika ein. In der Alten Welt starben sie aus, vermutlich wegen der Konkurrenz der Schleichkatzen, die die gleichen ökologischen Nischen einnehmen. ⓘ