Vaterunser

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Das Gebet des Herrn (Le Pater Noster), von James Tissot. Brooklyn Museum

Das Vaterunser, auch Vater Unser oder Pater Noster genannt, ist ein zentrales christliches Gebet, das Jesus laut Neuem Testament als die Art zu beten lehrte:

Betet also so ...
Wenn Sie beten, sagen Sie ...

In den Evangelien sind zwei Versionen dieses Gebets überliefert: eine längere Form im Rahmen der Bergpredigt im Matthäusevangelium und eine kürzere Form im Lukasevangelium, als "einer seiner Jünger zu ihm sagte: 'Herr, lehre uns zu beten, wie Johannes seine Jünger lehrte'". Was das Vorhandensein der beiden Fassungen angeht, so haben einige vorgeschlagen, dass beide ursprünglich waren, die matthäische Fassung, die von Jesus zu Beginn seines Dienstes in Galiläa gesprochen wurde, und die lukanische Fassung ein Jahr später, "sehr wahrscheinlich in Judäa".

Die ersten drei der sieben Bitten bei Matthäus richten sich an Gott; die anderen vier beziehen sich auf menschliche Bedürfnisse und Anliegen. Allein der Bericht des Matthäus enthält die Bitten "Dein Wille geschehe" und "Erlöse uns von dem Bösen" (oder "Befreie uns von dem Bösen"). Beide griechischen Originaltexte enthalten das Adjektiv epiousios, das in keiner anderen klassischen oder koin-griechischen Literatur vorkommt; obwohl es umstritten ist, ist "täglich" die gängigste englische Übersetzung dieses Wortes.

In den ersten Worten des Katechismus der Katholischen Kirche zu diesem Thema heißt es, dass es "wirklich die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums ist". Das Gebet wird von den meisten christlichen Konfessionen in ihren Gottesdiensten verwendet; mit wenigen Ausnahmen ist die liturgische Form die matthäische. Die Protestanten schließen das Gebet in der Regel mit einer Doxologie ab, einem späteren Zusatz, der in einigen Handschriften des Matthäus zu finden ist. Obwohl theologische Unterschiede und verschiedene Gottesdienstformen die Christen trennen, gibt es laut Clayton Schmit, Professor am Fuller Seminary, "ein Gefühl der Solidarität, wenn man weiß, dass Christen auf der ganzen Welt gemeinsam beten ... und diese Worte uns immer vereinen".

Tafel mit dem deutschen Text in der Paternosterkirche (Jerusalem)
Das Kuppelfresko der Lichtentaler Pfarrkirche zeigt die sieben Bitten des Vaterunsers

Das Vaterunser heißt auch

  • Pater noster oder Oratio Dominica (lateinisch, ‚Gebet des Herrn‘) in der Tradition der Westkirche
  • Gebet des Herrn oder Herrengebet in lutherischer Tradition
  • Unser Vater oder Unservater in den evangelisch-reformierten Kirchen, in der Neuapostolischen Kirche und vielen evangelischen Freikirchen

Texte

Neue Revidierte Standardfassung

Matthäus 6:9-13 (NRSV) Lukas 11:2-4 (NRSV)
Unser Vater im Himmel, Vater, [andere alte Autoritäten lesen Unser Vater im Himmel]
geheiligt werde dein Name. geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Reich komme.
[Dein Heiliger Geist komme über uns und reinige uns.]
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. (Andere alte Autoritäten fügen hinzu: Dein Wille geschehe, auf Erden wie im Himmel)
Unser tägliches Brot gib uns heute. [Oder unser Brot für morgen]. Unser tägliches Brot gib uns heute. [Oder unser Brot für morgen]
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben. und vergib uns unsere Sünden, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern.
Und führe uns nicht in die Zeit der Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [Oder vom Bösen] Und führe uns nicht in die Zeit der Versuchung. [Oder uns in Versuchung. Andere alte Autoritäten fügen hinzu, aber rette uns vor dem Bösen (oder vor dem Bösen)]
[Andere alte Autoritäten fügen in irgendeiner Form hinzu: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]

Beziehung zwischen dem matthäischen und dem lukanischen Text

In der Bibelkritik hat das Fehlen des Vaterunsers im Markusevangelium zusammen mit seinem Vorkommen im Matthäus- und Lukasevangelium Wissenschaftler, die die Zwei-Quellen-Hypothese akzeptieren (im Gegensatz zu anderen Dokumentenhypothesen), zu dem Schluss veranlasst, dass es sich wahrscheinlich um ein ursprüngliches Logion von Q handelt.

Marianus Pale Hera hält es für unwahrscheinlich, dass eines der beiden Evangelien das andere als Quelle verwendet hat, und hält es für möglich, dass sie "zwei Versionen des Vaterunsers bewahren, die in zwei verschiedenen Gemeinschaften verwendet wurden: die matthäische in einer jüdischen christlichen Gemeinschaft und die lukanische in einer heidenchristlichen Gemeinschaft".

Wenn einer der beiden Evangelisten auf dem anderen aufbaute, schreibt Joachim Jeremias dem Lukas den Vorrang zu, weil "in der Frühzeit, bevor die Formulierungen feststanden, die liturgischen Texte ausgearbeitet, erweitert und bereichert wurden". Andererseits sehen Michael Goulder, Thomas J. Mosbo und Ken Olson die kürzere lukanische Fassung als eine Überarbeitung des matthäischen Textes an, bei der unnötige Formulierungen und Wiederholungen entfernt wurden.

Die matthäische Fassung hat die lukanische im allgemeinen christlichen Sprachgebrauch vollständig verdrängt, Die folgenden Überlegungen basieren auf der matthäischen Fassung.

Griechischer Originaltext und syrische und lateinische Übersetzungen

Liturgische Texte: Griechisch, Syrisch, Lateinisch

Das Vaterunser (lateinischer liturgischer Text) mit gregorianischem Gesangskommentar

Griechische Texte

Liturgischer Text Codex Vaticanus Text Didache-Text
πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς πατερ ημων ο εν τοις ουρανοις πατερ ημων ο εν τω ουρανω
ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου αγιασθητω το ονομα σου αγιασθητω το ονομα σου
ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου ελθετω η βασιλεια σου ελθετω η βασιλεια σου
γενηθήτω τὸ θέλημά σου ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ τῆς γῆς γενηθητω το θελημα σου ως εν ουρανω και επι γης γενηθητω το θελημα σου ως εν ουρανω και επι γης
τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον τον αρτον ημων τον επιουσιον δος ημιν σημερον τον αρτον ημων τον επιουσιον δος ημιν σημερον
καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφίεμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν και αφες ημιν τα οφειληματα ημων ως και ημεις αφηκαμεν τοις οφειλεταις ημων και αφες ημιν την οφειλην ημων ως και ημεις αφιεμεν τοις οφειλεταις ημων
καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ και μη εισενεγκης ημας εις πειρασμον αλλα ρυσαι ημας απο του πονηρου και μη εισενεγκης ημας εις πειρασμον αλλα ρυσαι ημας απο του πονηρου
ότι σοῦ ἐστιν ἡ βασιλεία καὶ ἡ δύναμις καὶ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας ἀμήν οτι σου εστιν η δυναμις και η δοξα εις τους αιωνας

Englische Fassungen

Vaterunser aus dem illuminierten Buch der Bergpredigt von 1845, gestaltet von Owen Jones.

Es gibt verschiedene englische Übersetzungen des Vaterunsers aus dem Griechischen oder Lateinischen, beginnend um 650 n. Chr. mit der Northumbrian-Übersetzung. Die drei bekanntesten sind die, die heute im liturgischen Gebrauch sind:

  • Die Übersetzung im Book of Common Prayer der Church of England von 1662
  • Die leicht modernisierte "traditionelle ökumenische" Form, die in der katholischen und (oft mit Doxologie) vielen protestantischen Kirchen verwendet wird
  • Die Übersetzung der ökumenischen englischsprachigen Liturgischen Konsultation (ELLC) von 1988

Die abschließende Doxologie ("Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit. Amen") wird von Protestanten oft am Ende des Gebets hinzugefügt. Das Book of Common Prayer (BCP) der Kirche von England von 1662 fügt die Doxologie in einigen Gottesdiensten hinzu, aber nicht in allen. Zum Beispiel wird die Doxologie im BCP von 1662 beim Morgen- und Abendgebet nicht verwendet, wenn ihr das Kyrie eleison vorausgeht. Ältere englische Bibelübersetzungen, die auf späten byzantinischen griechischen Manuskripten beruhen, enthalten die Doxologie, während sie in kritischen Ausgaben des Neuen Testaments, wie der der United Bible Societies, nicht enthalten ist. Er fehlt in den ältesten Handschriften und wird nicht als Teil des ursprünglichen Textes von Matthäus 6,9-13 angesehen.

Im byzantinischen Ritus spricht der Priester nach dem Vaterunser diese erweiterte Form der Doxologie: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit", und in beiden Fällen antworten die Betenden mit "Amen".

Im lateinischen Ritus hat die römisch-katholische Kirche die Doxologie nie an das Ende des Vaterunsers gehängt. Die Doxologie erscheint in der 1969 revidierten Messe des römischen Ritus. Nach dem Ende des Vaterunsers spricht der Priester ein Gebet, das als Embolie bekannt ist. In der offiziellen englischen ICEL-Übersetzung lautet die Embolie: "Erlöse uns, Herr, wir bitten dich, von allem Bösen, gewähre uns gnädig Frieden in unseren Tagen, damit wir mit Hilfe deiner Barmherzigkeit immer frei von Sünde und sicher vor aller Bedrängnis sind, während wir die selige Hoffnung und das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten". Damit wird die letzte Bitte "Erlöse uns von dem Bösen" vertieft. Das Volk antwortet darauf mit der Doxologie: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, jetzt und in Ewigkeit.

Die Übersetzer der King-James-Bibel von 1611 gingen davon aus, dass ein griechisches Manuskript, das sie besaßen, alt war, und übernahmen daher die Formulierung "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit" in das Vaterunser des Matthäusevangeliums. Die Verwendung der Doxologie im Englischen geht jedoch mindestens auf das Jahr 1549 zurück, und zwar auf das First Prayer Book von Edward VI, das von der Übersetzung des Neuen Testaments von William Tyndale im Jahr 1526 beeinflusst wurde. Spätere Forschungen haben gezeigt, dass die Aufnahme der Doxologie in neutestamentliche Manuskripte tatsächlich eine spätere Ergänzung war, die zum Teil auf der liturgischen Tradition des Ostens beruhte.

King James Version

Obwohl in Matthäus 6,12 von Schulden die Rede ist, verwenden die meisten älteren englischen Fassungen des Vaterunsers den Begriff Schuld, während die ökumenischen Fassungen oft den Begriff Sünden verwenden. Letztere Wahl könnte auf Lukas 11,4 zurückzuführen sein, wo das Wort Sünden verwendet wird, während die erste Wahl auf Matthäus 6,14 (unmittelbar nach dem Text des Gebets) zurückzuführen sein könnte, wo Jesus von Übertretungen spricht. Bereits im dritten Jahrhundert verwendete Origenes von Alexandria das Wort Übertretungen (παραπτώματα) in dem Gebet. Obwohl die lateinische Form, die traditionell in Westeuropa verwendet wurde, debita (Schulden) lautet, verwenden die meisten englischsprachigen Christen (mit Ausnahme der schottischen Presbyterianer und einiger anderer der niederländischen reformierten Tradition) trespasses (Schuld). Die Church of Scotland, die Presbyterian Church (U.S.A.), die Reformed Church in America sowie einige kongregationalistische Kirchen in der United Church of Christ folgen zum Beispiel der Version in Matthäus 6 in der King James Version, die im Gebet die Worte "debts" und "debtors" verwendet.

Alle diese Versionen basieren auf dem Text des von Jesus gesprochenen Gebets bei Matthäus und nicht bei Lukas:

Analyse

Das Vaterunser auf Griechisch

Der heilige Augustinus von Hippo gibt die folgende Analyse des Vaterunsers, die die Worte Jesu kurz davor im Matthäus-Evangelium näher erläutert: "Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet. Betet also auf diese Weise" (Mt 6,8-9):

Wir müssen Worte benutzen (wenn wir beten), um uns selbst daran zu erinnern, sorgfältig zu überlegen, worum wir bitten, und nicht, um zu glauben, wir könnten den Herrn belehren oder ihn überreden. Wenn wir sagen: "Geheiligt werde dein Name", erinnern wir uns daran, dass wir wünschen, dass sein Name, der in der Tat immer heilig ist, auch unter den Menschen als heilig angesehen wird. ...Aber das ist eine Hilfe für die Menschen, nicht für Gott. ...Und was unser Sprechen angeht: "Dein Reich komme", so wird es sicher kommen, ob wir es wollen oder nicht. Aber wir wecken unsere Sehnsucht nach dem Reich, damit es zu uns kommt und wir es verdienen können, dort zu herrschen. ...Wenn wir sagen: "Erlöse uns von dem Bösen", erinnern wir uns daran, dass wir noch nicht den Zustand der Seligkeit genießen, in dem wir kein Übel erleiden werden... Es war sehr angebracht, dass uns all diese Wahrheiten anvertraut wurden, damit wir sie in diesen Worten bedenken. Was auch immer wir sonst noch sagen wollen (Worte, die der Betende wählt, um sich seine Gesinnung zu verdeutlichen, oder die er einfach annimmt, um seine Gesinnung zu verstärken), wir sagen nichts, was nicht im Vaterunser enthalten ist, vorausgesetzt natürlich, wir beten in der richtigen und angemessenen Weise.

Dieser Auszug aus dem Augustinusbrief ist Teil des Leseoffiziums im katholischen Stundengebet.

Viele haben biblische Kommentare zum Vaterunser verfasst. Im Folgenden finden Sie einige Auszüge aus diesen Kommentaren.

Einleitung

Diese und die folgenden Unterüberschriften verwenden das Book of Common Prayer (BCP) von 1662 (siehe oben)

Vater unser, der du bist im Himmel

"Unser" zeigt an, dass das Gebet von einer Gruppe von Menschen gesprochen wird, die sich als Kinder Gottes betrachten und Gott ihren "Vater" nennen. "Im Himmel" weist darauf hin, dass der Vater, der angesprochen wird, sich von den menschlichen Vätern auf Erden unterscheidet.

Augustinus interpretiert "Himmel" (coelum, sky) in diesem Zusammenhang im Sinne von "in den Herzen der Gerechten, gleichsam in seinem heiligen Tempel".

Erste Petition

Geheiligt werde dein Name;

Der ehemalige Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, erklärt diesen Satz als eine Bitte, dass die Menschen Gottes Namen als heilig ansehen mögen, als etwas, das Ehrfurcht und Verehrung hervorruft, und dass sie ihn nicht trivialisieren, indem sie Gott zu einem Werkzeug für ihre Zwecke machen, um "andere Menschen herabzusetzen oder als eine Art Magie, um sich selbst sicher zu fühlen". Er fasst die Bedeutung dieses Satzes mit den Worten zusammen: "Versteht, worüber ihr redet, wenn ihr über Gott redet, das ist ernst, das ist die wunderbarste und erschreckendste Realität, die wir uns vorstellen können, wunderbarer und erschreckender, als wir es uns vorstellen können."

Zweite Petition

Dein Reich komme;

"Diese Bitte hat ihre Parallele in dem jüdischen Gebet: 'Möge er sein Reich aufrichten während deines Lebens und während deiner Tage.'" In den Evangelien spricht Jesus häufig von Gottes Reich, definiert den Begriff aber nie: "Er ging davon aus, dass dieses Konzept so vertraut war, dass es keiner Definition bedurfte." In Bezug auf die Frage, wie die Zuhörerschaft Jesu in den Evangelien ihn verstanden hätte, wendet sich G. E. Ladd dem hebräisch-biblischen Hintergrund des Begriffs zu: "Das hebräische Wort malkuth [...] bezieht sich in erster Linie auf eine Herrschaft, Herrschaft oder Herrschaft und erst in zweiter Linie auf den Bereich, über den eine Herrschaft ausgeübt wird. [...] Wenn malkuth von Gott gebraucht wird, bezieht es sich fast immer auf seine Autorität oder auf seine Herrschaft als himmlischer König." Diese Bitte zielt auf die vollkommene Errichtung der Herrschaft Gottes in der Welt in der Zukunft, ein Akt Gottes, der zur eschatologischen Ordnung des neuen Zeitalters führt.

Einige sehen das Kommen des Reiches Gottes als ein göttliches Geschenk, für das man beten muss, und nicht als eine menschliche Leistung. Andere glauben, dass das Reich Gottes durch die Hände der Gläubigen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, gefördert werden wird. Sie glauben, dass die Gebote Jesu, die Hungrigen zu speisen und die Bedürftigen zu bekleiden, die Saat des Reiches Gottes bereits auf Erden sichtbar machen (Lk 8,5-15; Mt 25,31-40).

Hilda C. Graef stellt fest, dass das griechische Wort basileia sowohl Königreich als auch Königtum bedeutet (d. h. Herrschaft, Herrschaft, Regieren usw.), dass aber das englische Wort kingdom diese doppelte Bedeutung verliert. Das Königtum fügt der Bitte eine psychologische Bedeutung hinzu: Man betet auch für den Zustand der Seele, in dem man dem Willen Gottes folgt.

Dritte Bitte

Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel:

Nach William Barclay ist dieser Satz ein Couplet mit der gleichen Bedeutung wie "Dein Reich komme". Barclay argumentiert: "Das Reich Gottes ist ein Zustand auf Erden, in dem Gottes Wille ebenso vollkommen getan wird wie im Himmel. ...Den Willen Gottes zu tun und im Reich Gottes zu sein, sind ein und dasselbe."

John Ortberg legt diesen Satz wie folgt aus: "Viele Menschen denken, unsere Aufgabe sei es, mein Ziel im Jenseits zu erreichen und dann auf der Stelle zu treten, bis wir alle hinausgeworfen werden und Gott zurückkommt und diesen Ort abfackelt. Aber Jesus hat nie jemandem - weder seinen Jüngern noch uns - gesagt, er solle beten: 'Holt mich hier raus, damit ich dort hinaufgehen kann'. Sein Gebet war: 'Mach, dass das da oben hierher kommt. Mach, dass die Dinge hier unten so laufen, wie sie oben laufen. Die Bitte "Dein Wille geschehe" ist Gottes Einladung, "mit ihm zusammen die Dinge hier unten so zu machen, wie sie oben sind."

Vierte Bitte

Gib uns heute unser tägliches [epiousios] Brot;

Wie bereits erwähnt, ist das ursprüngliche Wort ἐπιούσιος (epiousios), das gemeinhin als täglich bezeichnet wird, in der gesamten altgriechischen Literatur einzigartig für das Vaterunser. Das Wort ist fast ein hapax legomenon, das nur in den Fassungen des Vaterunsers bei Lukas und Matthäus vorkommt und nirgendwo sonst in anderen erhaltenen griechischen Texten. Während epiousios oft durch das Wort "täglich" ersetzt wird, beziehen sich alle anderen neutestamentlichen Übersetzungen aus dem Griechischen mit "täglich" auf hemeran (ἡμέραν, "der Tag"), das in diesem Sprachgebrauch nicht vorkommt.

Durch sprachliches Parsing übersetzt Hieronymus "ἐπιούσιον" (epiousios) im Matthäusevangelium mit "supersubstantialem", im Lukasevangelium jedoch mit "cotidianum" ("täglich"). Dieser weitreichende Unterschied in Bezug auf die Bedeutung von epiousios wird im aktuellen Katechismus der Katholischen Kirche ausführlich erörtert, indem sowohl ein umfassender Ansatz für die Tradition als auch ein wörtlicher für die Bedeutung gewählt wird: "Im zeitlichen Sinn ist dieses Wort eine pädagogische Wiederholung von 'heute', um uns im Vertrauen 'ohne Vorbehalt' zu bestätigen. Im qualitativen Sinn bedeutet es das, was zum Leben notwendig ist, und im weiteren Sinne alles Gute, das zum Leben ausreicht. Wörtlich genommen (epi-ousios: "über-essentiell"), bezieht es sich direkt auf das Brot des Lebens, den Leib Christi, die "Medizin der Unsterblichkeit", ohne die wir kein Leben in uns haben".

Epiousios wird in der Vulgata Matthäus 6,11 mit supersubstantialem übersetzt und dementsprechend in der Douay-Rheims-Bibel Matthäus 6,11 mit supersubstantial.

Barclay M. Newmans A Concise Greek-English Dictionary of the New Testament, das 2010 in einer überarbeiteten Ausgabe von den United Bible Societies veröffentlicht wurde, hat folgenden Eintrag:

ἐπι|ούσιος, ον (εἰμί) von zweifelhafter Bedeutung, für heute; für den kommenden Tag; notwendig für die Existenz.

Es leitet das Wort also von der Präposition ἐπί (epi) und dem Verb εἰμί (eimi) ab, von dem sich Wörter wie οὐσία (ousia) ableiten, deren Bedeutungsspektrum in A Greek-English Lexicon angegeben ist.

Fünfte Bitte

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern;

Die Presbyterianer und andere reformierte Kirchen neigen dazu, die Formulierung "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" zu verwenden. Römisch-katholische, lutherische, anglikanische und methodistische Kirchen verwenden eher die Formulierung "Schuld ... denen, die sich an uns versündigt haben". Die Form "debts" findet sich in der ersten englischen Bibelübersetzung von John Wycliffe aus dem Jahr 1395 (Wycliffes Schreibweise "dettis"). Die Version "trespasses" erscheint in der Übersetzung von William Tyndale aus dem Jahr 1526 (Tyndale schreibt "treaspases"). 1549 wurde im ersten Book of Common Prayer in englischer Sprache eine Fassung des Gebets mit "trespasses" verwendet. Dies wurde die "offizielle" Version, die in den anglikanischen Gemeinden verwendet wurde. In der King James Version von 1611, der speziell für die Kirche von England autorisierten Fassung, heißt es dagegen "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern".

Nach der Bitte um Brot weichen Matthäus und Lukas leicht voneinander ab. Matthäus fährt mit der Bitte fort, die Schulden zu vergeben, so wie die Menschen denjenigen vergeben haben, die Schulden bei ihnen haben. Lukas hingegen bittet in ähnlicher Weise um die Vergebung der Sünden, so wie die Schulden unter den Menschen vergeben werden. Das Wort "Schulden" (ὀφειλήματα) bedeutet nicht notwendigerweise finanzielle Verpflichtungen, wie die Verwendung der verbalen Form desselben Wortes (ὀφείλετε) in Passagen wie Römer 13:8 zeigt. Das aramäische Wort ḥôbâ kann "Schuld" oder "Sünde" bedeuten. Dieser Unterschied zwischen dem lukanischen und dem matthäischen Wortlaut könnte darauf zurückzuführen sein, dass die ursprüngliche Form des Gebets auf Aramäisch war. Die allgemein akzeptierte Interpretation lautet daher, dass die Bitte um Vergebung der Sünde und nicht um eine angebliche Anleihe bei Gott gerichtet ist. Die Bitte um Vergebung durch Gott war ein fester Bestandteil der jüdischen Gebete (z. B. der Bußpsalmen). Auch für den Einzelnen galt es als angemessen, anderen zu vergeben, so dass das in diesem Gebet zum Ausdruck gebrachte Gefühl zu jener Zeit weit verbreitet gewesen sein dürfte.

Anthony C. Deane, Kanoniker an der Kathedrale von Worcester, schlug vor, dass die Wahl des Wortes "ὀφειλήματα" (Schulden) anstelle von "ἁμαρτίας" (Sünden) ein Hinweis darauf ist, dass Möglichkeiten, Gutes zu tun, nicht genutzt wurden. Er verbindet dies mit dem Gleichnis von den Schafen und den Böcken (ebenfalls im Matthäus-Evangelium), in dem der Grund für die Verurteilung nicht ein Fehlverhalten im gewöhnlichen Sinne ist, sondern das Versäumnis, das Richtige zu tun, das Verpassen von Gelegenheiten, anderen Liebe zu zeigen.

"Wie wir vergeben ...". Die Abweichung zwischen den "Schulden" bei Matthäus und den "Sünden" bei Lukas ist relativ unbedeutend im Vergleich zur Wirkung der zweiten Hälfte dieser Aussage. Die Verse unmittelbar nach dem Vaterunser, Matthäus 6,14-15, zeigen, dass Jesus lehrt, dass die Vergebung unserer Sünden/Schulden (durch Gott) damit zusammenhängt, wie wir anderen vergeben, wie im Gleichnis vom unversöhnlichen Knecht, Matthäus 18,23-35, das Matthäus später wiedergibt. R. T. France kommentiert:

Es geht nicht so sehr darum, dass Vergebung eine Vorbedingung dafür ist, dass uns vergeben wird, sondern dass Vergebung kein einseitiger Prozess sein kann. Wie alle Gaben Gottes bringt sie Verantwortung mit sich; sie muss weitergegeben werden. Um Vergebung auf einer anderen Grundlage zu bitten, ist Heuchelei. Es steht natürlich außer Frage, dass unser Vergeben im Verhältnis zu dem steht, was uns vergeben wird, wie 18,23-35 deutlich macht.

Sechste Bitte

Und führe uns nicht in Versuchung,

Die vorletzte Bitte des Gebets - sich nicht von Gott in den peirasmos führen zu lassen - wird sehr unterschiedlich interpretiert. Die Bandbreite der Bedeutungen des griechischen Wortes "πειρασμός" (peirasmos) wird in den griechischen Lexika des Neuen Testaments erläutert. In verschiedenen Kontexten kann es Versuchung, Prüfung, Versuch, Experiment bedeuten. Obwohl die traditionelle englische Übersetzung das Wort "temptation" (Versuchung) verwendet und Carl Jung davon ausging, dass Gott die Menschen tatsächlich in die Irre führt, interpretieren Christen die Bitte im Allgemeinen so, dass sie nicht im Widerspruch zu Jakobus 1:13-14 steht: "Wenn jemand versucht wird, soll er nicht sagen: 'Ich werde von Gott versucht'; denn Gott kann nicht mit Bösem versucht werden, und er selbst versucht niemanden. Aber jeder wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde gelockt und verführt wird." Einige sehen in der Bitte einen eschatologischen Appell gegen ein ungünstiges Jüngstes Gericht, eine Theorie, die durch die Verwendung des Wortes "peirasmos" in diesem Sinne in Offenbarung 3,10 unterstützt wird. Andere sehen darin eine Bitte gegen harte Prüfungen, die an anderer Stelle in der Schrift beschrieben werden, wie z. B. die von Hiob. Es wird auch gelesen als: "Lass uns nicht in Versuchung geraten (durch uns selbst, durch andere, durch Satan)". Da er kurz nach der Bitte um das tägliche Brot (d. h. um materiellen Lebensunterhalt) folgt, wird er auch als Hinweis darauf verstanden, sich nicht von den gegebenen materiellen Vergnügungen verführen zu lassen. Eine ähnliche Formulierung erscheint in Matthäus 26:41 und Lukas 22:40 im Zusammenhang mit dem Gebet Jesu in Gethsemane.

Joseph Smith, der Gründer der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, verwendete in einer Übersetzung der Heiligen Schrift, die vor seinem Tod nicht mehr fertiggestellt wurde, den Satz: "Und wir lassen uns nicht in Versuchung führen".

In einem Gespräch mit dem italienischen Fernsehsender TV2000 am 6. Dezember 2017 kommentierte Papst Franziskus, dass die damalige italienische Formulierung dieser Bitte (ähnlich der traditionellen englischen) eine schlechte Übersetzung sei. Er sagte, "die Franzosen" (d.h. die französische Bischofskonferenz) hätten die Bitte in "Lass uns nicht in/auf Versuchung fallen" geändert. Er bezog sich dabei auf die 2017 geänderte neue französische Version Et ne nous laisse pas entrer en tentation ("Lass uns nicht in Versuchung geraten"), sprach aber in Anlehnung an die spanische Übersetzung No nos dejes caer en la tentación ("Lass uns nicht in Versuchung geraten"), die er vor seiner Wahl zum Papst in Argentinien zu rezitieren gewöhnt war. Er erklärte: "Ich bin derjenige, der fällt; es ist nicht er [Gott], der mich in die Versuchung stößt, um dann zu sehen, wie ich gefallen bin". Der anglikanische Theologe Ian Paul sagte, dass ein solcher Vorschlag "in eine theologische Debatte über die Natur des Bösen" eintrete.

Im Januar 2018 lehnte die Deutsche Bischofskonferenz nach "eingehender Prüfung" jede Umformulierung ihrer Übersetzung des Vaterunsers ab.

Im November 2018 verabschiedete die italienische Bischofskonferenz eine neue Ausgabe des Messale Romano, der italienischen Übersetzung des Römischen Messbuchs. Eine der Änderungen, die gegenüber der älteren Ausgabe (1983) vorgenommen wurden, bestand darin, diese Bitte als non abbandonarci alla tentazione ("lass uns nicht der Versuchung überlassen") wiederzugeben. Die italienischsprachige Union der methodistischen und waldensischen Kirchen behält ihre Übersetzung der Bitte bei: non esporci alla tentazione ("setze uns nicht der Versuchung aus").

Im Mai 2019 genehmigte Papst Franziskus offiziell eine Änderung der sechsten Petition, indem er "Führe uns nicht in Versuchung" durch "Lass uns nicht in Versuchung fallen" ersetzte.

Siebte Petition

Aber erlöse uns vom Bösen:

Übersetzungen und Gelehrte sind sich uneins darüber, ob sich das letzte Wort hier auf das Böse" im Allgemeinen oder auf den Bösen" (den Teufel) im Besonderen bezieht. Sowohl im griechischen Original als auch in der lateinischen Übersetzung könnte das Wort entweder im Neutrum (das Böse im Allgemeinen) oder im Maskulinum (der Böse) stehen. Die Version des Gebets bei Matthäus erscheint in der Bergpredigt, in deren früheren Teilen der Begriff für das allgemeine Böse verwendet wird. Spätere Abschnitte bei Matthäus beziehen sich auf den Teufel, wenn es um ähnliche Themen geht. In allen bekannten aramäischen Quellen wird der Teufel jedoch nie als der Böse bezeichnet. Johannes Calvin akzeptierte zwar die unklare Bedeutung des Begriffs, vertrat aber die Auffassung, dass es kaum einen wirklichen Unterschied zwischen den beiden Auslegungen gibt und die Frage daher keine wirkliche Bedeutung hat. Ähnliche Ausdrücke finden sich in Johannes 17,15 und Thessalonicher 3,3.

Doxologie

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit,
für immer und ewig. Amen.

Inhalt

Die Doxologie, die dem Gebet im Englischen manchmal beigefügt wird, ähnelt einer Passage in 1. Chronik 29,11 - "Dein, Herr, ist die Größe und die Macht und die Herrlichkeit und der Sieg und die Majestät, denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, ist dein. Dein ist das Reich, HERR, und du bist erhaben über alles." Er ähnelt auch dem Lobgesang auf den babylonischen König Nebukadnezar in Daniel 2,37: "Du, König, König der Könige, dem der Gott des Himmels das Reich und die Kraft und die Macht und die Herrlichkeit gegeben hat."

Die Doxologie wurde im Zusammenhang mit der letzten Bitte gedeutet: "Erlöse uns von dem Bösen". Das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit gehören dem Vater, nicht unserem Widersacher, der dem unterworfen ist, dem Christus das Reich übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft, Macht und Kraft zerstört hat (1 Korinther 15,24). Das Gebet endet und beginnt mit der Vision Gottes im Himmel, in der Majestät seines Namens und seines Reiches und in der Vollkommenheit seines Willens und seiner Absichten.

Ursprung

Die Doxologie ist weder in der lukanischen Fassung des Vaterunsers noch in den frühesten Handschriften (Papyrus oder Pergament) des Matthäus, die den alexandrinischen Text repräsentieren, enthalten, obwohl sie in den Handschriften, die den späteren byzantinischen Text repräsentieren, vorhanden ist. Die meisten Gelehrten halten ihn nicht für einen Teil des ursprünglichen Matthäus-Textes. Der Codex Washingtonianus, der eine Doxologie (im bekannten Text) hinzufügt, stammt aus dem frühen fünften oder späten vierten Jahrhundert. Neue Übersetzungen lassen ihn im Allgemeinen weg, außer in einer Fußnote.

Die Didache, die im Allgemeinen als Text aus dem ersten Jahrhundert angesehen wird, hat eine Doxologie, "denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit", als Abschluss des Vaterunsers (Didache, 8:2). C. Clifton Black betrachtet die Didache zwar als einen Text des "frühen zweiten Jahrhunderts", hält die darin enthaltene Doxologie jedoch für den "frühesten zusätzlichen Schluss, den wir finden können". Zu einer längeren Version bemerkt Black: "Ihr frühestes Auftauchen könnte im Diatessaron des Tatian sein, einer Harmonie der vier Evangelien aus dem zweiten Jahrhundert". Die ersten drei Ausgaben des UBS-Textes zitierten das Diatessaron für die Aufnahme der bekannten Doxologie in Matthäus 6,13, aber in den späteren Ausgaben wird das Diatessaron zitiert, um sie auszuschließen. Die Apostolischen Konstitutionen fügten dem Anfang der Formel in der Didache "das Reich" hinzu und begründeten damit die heute bekannte Doxologie.

Vielfältiger liturgischer Gebrauch

In der Göttlichen Liturgie des byzantinischen Ritus singt der Priester nach der letzten Zeile des Gebets die Doxologie: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, jetzt und immerdar und bis in Ewigkeit."

Die Hinzufügung einer Doxologie zum Vaterunser gehört nicht zur liturgischen Tradition des Römischen Ritus, und auch die lateinische Vulgata des heiligen Hieronymus enthält nicht die Doxologie, die in den späten griechischen Manuskripten erscheint. Sie wird jedoch seit 1970 in der Messordnung des Römischen Ritus rezitiert, und zwar nicht als Teil des Vaterunsers, sondern separat als Antwortakklamation nach der Embolie, die die siebte Bitte in der Perspektive der endgültigen Wiederkunft Christi entwickelt.

In den meisten anglikanischen Ausgaben des Book of Common Prayer endet das Vaterunser mit der Doxologie, es sei denn, es geht das Kyrie eleison voraus. Dies ist bei den täglichen Gottesdiensten Morgengebet (Mattins) und Abendgebet (Evensong) sowie bei einigen anderen Gottesdiensten der Fall.

Die große Mehrheit der protestantischen Kirchen schließt das Vaterunser mit der Doxologie ab.

Bebilderte Vaterunser-Erklärungen des Mittelalters

Ausgehend vom Kommentar des Augustinus zur Bergpredigt wurde das Vaterunser in sieben Bitten eingeteilt. Ein solches Vaterunser-Septenar wurde mit anderen Septenaren in Beziehung gesetzt: den Seligpreisungen, den Gaben des Hl. Geistes, den Tugenden, den sieben Leiden Christi, den sieben Lastern und anderen mehr.

Graphisch wurden die Septenare in sogenannten figurae dargestellt, Abbildungen, die in Form eines Rades (rota), eines Baumschematas (arbor), in tabellarischen Darstellungen (scalae) oder auch in der Anordnung einer Perlenschnur die Septenare auf einem Blatt übersichtlich geordnet darstellten. „Dem liegt die Auffassung zugrunde, die Schöpfung folge einer Ordnung.“

„Im Bereich bebilderter Vaterunser-Erklärungen ist die Rota die bevorzugte […] Figura.“ Die in ihnen vorgenommene Anordnung der Vaterunser-Bitten wird als Erzeugung einer „ordo“ verstanden, so dass „die Bitten – entsprechend dem Gedanken eines Aufstiegs – in entgegengesetzter Anordnung zum Bibeltext präsentiert sind.“

Die älteste Rota ist ein Blatt aus einem Lukas-Evangeliar, das ursprünglich aus der Benediktinerabtei von Wissembourg im Elsass stammt und sich jetzt in der Herzog-August-Bibliothek von Wolfenbüttel befindet. Rotas konnten in der Folge aber auch sehr stark ausgearbeitet werden und so umfangreiche Inhalte transportieren. Ein Beispiel dafür sind die „Dominicae orationis et quatuor temporum declaratio“. Diese Rota zeigt „einen Heilsweg, der mit den Bitten des Vaterunsers weg von den Lastern durch den Empfang der Geistesgaben hin zu den Tugenden und schließlich zu den Seligkeiten der Bergpredigt führt.“ „Der individuelle Heilsweg der Rota ist von dem übergeordneten Weg der Heilsgeschichte umrahmt.“

Arbores, die die sieben Bitten des Vaterunsers enthalten, sind erst ab Mitte des 14. Jahrhunderts bekannt. In den schematischen Darstellungen der Gebetsschnüre werden die Vaterunser-Bitten häufig mit Erläuterungen versehen.

Figurae jeglicher Form stellten mnemotechnische Hilfsmittel dar: „Darumb ist dies figur zu einer gedachtnüsz gemacht, das man dar ausz lerne und betracht.“ Rotae und arbores eigenen sich auch als Predigthilfe, zur Unterrichtung der Laien in Predigt und Unterricht; die Perlenschnüre waren vielfach eine Stütze im Gebet.

Eine Veränderung tritt mit dem Werk „Somme le Roi“ ein, in dem zum ersten Mal allegorische Darstellungen verwendet werden: Junge Frauen stehen für die Bitten des Vaterunsers. Mithilfe der Quellen des Hl. Geistes verhelfen sie Bäumen zu Wachstum und Gedeihen, die selbst wiederum für das Erlangen von Tugenden stehen.

Bebilderte Ausgaben eines Vaterunser-Zyklus gibt es dann mit den Blockbuchausgaben, so dem „Exercitium super Pater noster“. Hierbei „handelt es sich um die frühesten Beispiele, in denen jede einzelne Aussage des Gebets durch ein Bild ergänzt wird, das deren Inhalt in ausführlicher, allegorischer Darstellung erläutert.“ So entstand „eine ganz eigenständige, in sich geschlossene, allegorische Bilderzählung.“, „die den Betrachter anregt, jedes Bild für sich und die Holzschnittfolge insgesamt als zusammenhängende Erzählung zu lesen“, womit eine starke didaktische Absicht verbunden war.

Vaterunser-Zyklen aus der Reformationszeit

„Mit der Reformation … blieb zwar die Siebenteilung der Vaterunserbitten erhalten, die Zuordnung weiterer Septenare fand jedoch - auch auf Seiten der Gegenreformation - weitgehend ein Ende.“

Überliefert sind aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts Druckwerke zum Vaterunser von Daniel Hopfer, Hans Holbein d. J. und Lucas Cranach.

Dabei beziehen sich die motivgleichen Darstellungen von Holbein und Hopfer zum Teil auf biblische Szenen wie das Pfingstfest (dein Reich komme) oder das Kreuztragen Jesu (dein Wille geschehe). Andere Drucke sind realitätsnah auf Szenen aus der eigenen Gegenwart bezogen: die Speisung einer großen Menschenmenge mit Bierkrug und Haxe, die Begegnung Jesu mit den Gefolterten im Folterkeller, die Vernichtung von Leben durch Krieg, Feuer, Pest und Begierde sowie die Hoffnung auf Erlösung angesichts des Trauerns am offenen Grab.

Im Unterschied dazu sind die Stiche von Lucas Cranach im Geiste der Reformation noch deutlicher an der Bibel orientiert. Die Vaterunser-Aussagen werden durch biblische Szenen illustriert, sei es durch die Parabel des unbarmherzigen Dieners (vergib uns unsere Schuld) oder das Gleichnis von der kanaanäischen Frau, die um Erlösung vom Übel bittet. „Die Taten Christi zeigen auf, wie die Inhalte der einzelnen Bitten praktisch umgesetzt werden können. Die Illustrationen verdeutlichen die heilsgeschichtliche Bedeutung des Vaterunsers und haben lehrhaften, unterweisenden Charakter. Dies unterstreicht auch die Darstellung der Bitte „geheiligt werde dein Name“ durch eine Predigtszene.“

Expressionistischer Vaterunser-Zyklus von Max Pechstein

In den nachfolgenden Jahrhunderten findet das Vaterunser als Thema in der Kunst keine Beachtung. Erst infolge der Umbrüche des Ersten Weltkriegs fertigt Max Pechstein 1921 seine Holzdrucke zum Vaterunser an. Der harte Kontrast von Schwarz und Weiß, die eckigen Konturen des Expressionisten unterstreichen den appellativen Charakter der Bilder, die im Gegenwartsbezug der Szenen eine soziale Komponente aufweisen. So gibt es zu den Vaterunser-Bitten zum Thema Schuld und zum Thema Versuchung je zwei Bilder, was den aktuellen Problemen der Menschen der Nachkriegszeit Rechnung trägt.

Die Kombination von Text und Bild in intensiver szenischer Zuordnung führte zu einer intensiven religiösen Ausdruckskraft. Die zentrale Rolle Gottvaters wird dadurch unterstützt, dass die entsprechenden Bilder koloriert sind und der Doxologie mit drei Bildern mehr Raum gegeben wird.

Zeitgenössische, abstrakt-meditative Vaterunser-Zyklen

Die Moderne verabschiedet sich vom Bezug auf konkrete Bibelstellen. Auch der Gegenwartsbezug auf individuelle Lebenssituationen fehlt. Zeitgenössische Vaterunser-Zyklen von Siegfried Angermüller, Henning Diers, Andreas Felger, Jörgen Habedank und Alois Plum benutzen in ihren Gemälden und Fenstern Farbe und Form als Ausdrucksmittel.

Siegfried Angermüller stellt das Vaterunser-Gebet mit Hilfe von archaischen Formen und symbolhaften, hellen, warmen Farben dar. Das vollkommene Rund des Göttlichen begegnet dem Kosmos, teilt sich als Brot mit. Die Spirale der Gewalt und weitere Elemente können ebenso wie die Farbzuweisung vom Betrachter ganz individuell interpretiert werden.

Henning Diers wendet bei seinen großformatigen Vaterunser-Bildern 2012 eine Mischtechnik mit Acryl, Lack, Öl an und benutzt – auch unter Verwendung von Blattgold – ein Farbspektrum von Gold-, Braun- und Grautönen. In abstrakten Darstellungen stellt er Gott ins Zentrum oder als Zielpunkt des Geschehens dar, verschenkt das tägliche Brot in vielerlei Formen, schüttet die Wogen der Vergebung über die Treppe der Schuld aus und verbindet das Reich Gottes mit der Kraft der Liebe, die Kraft Gottes mit der Zartheit der Natur und arbeitet wie Max Pechstein die Doxologie in mehreren Bildern aus.

Im Vaterunser-Zyklus von Andreas Felger beruhen die Bildzeichen „auf einem äußerst reduzierten Formvokabular, das einen Resonanzraum für subjektive Empfindungen und Deutungen bietet und zugleich so allgemein (verständlich) bleibt, dass jede und jeder angesprochen werden kann.“

Mit einer „Grundoffenheit für das Meditative im Bild“ illustriert Jörgen Habedank seine Bilder zum Vaterunser. In ihrer assoziativen Form- und Farbgebung bieten sie eine offene Interpretation an, die zu tieferem Verstehen und zu Meditation führt. Das Blau steht dabei genauso für den Gott des Kosmos wie das Gold für die Farbe seiner Kraft und Herrlichkeit. Wenige ikonographische Zitate wie das des Christus am Kreuz (dein Wille geschehe), des Brotes und der Hostie (Brotbitte) sowie das Schwarz-Weiß von Täter und Opfer (Vergebungsbitte) bieten eine Orientierung im Bild.

Die satten, opaken Fenster von Alois Plum in der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Kaiserslautern-Morlautern tragen Farben in symbolischer Bedeutung: Das Gold steht für das Göttliche, seine Einzigartigkeit, seine Schöpferkraft im Blau des Universums. Sie steht für eine Wirklichkeit, die hinter und über der Erde existiert und die in Kombination mit dem Rot der Liebe mit dieser Welt kommuniziert. Als einziges konkretes Element steht die Ähre im Braun der Erde für das tägliche Brot. Das dunkle Rot der Schuld ist begleitet vom umgebenden Lila der Vergebung. Ein schwarzer Weg, auch als Turm der Versuchung interpretierbar, verengt sich, führt ins Nichts. Aber hinter der Ausweglosigkeit leuchtet doch das Gold, ist Gott da. Schließlich mündet alles in das Fenster zur Doxologie, in dem zwölf Sterne gleichsam tanzen, ein Bezug zu den Verheißungen in der Offenbarung des Johannes.

Verwendung als Sprachvergleichsinstrument

Detail der Europa Polyglotta, die 1741 zusammen mit der Synopsis Universae Philologiae veröffentlicht wurde; die Karte zeigt den ersten Satz des Vaterunsers in 33 verschiedenen europäischen Sprachen

Im Zuge der Christianisierung wurde das Vaterunser als einer der ersten Texte in viele Sprachen übersetzt, lange bevor die gesamte Bibel in die jeweiligen Sprachen übersetzt wurde. Seit dem 16. Jahrhundert wurden Sammlungen von Übersetzungen des Gebets häufig für einen schnellen Sprachvergleich verwendet. Die erste derartige Sammlung mit 22 Versionen war Mithridates, de differentiis linguarum von Conrad Gessner (1555; der Titel bezieht sich auf Mithridates VI. von Pontus, der laut Plinius dem Älteren ein außergewöhnlicher Polyglott war).

Die Idee Gessners, Übersetzungen des Gebets zu sammeln, wurde von Autoren des 17. Jahrhunderts aufgegriffen, darunter Hieronymus Megiserus (1603) und Georg Pistorius (1621). Thomas Lüdeken veröffentlichte 1680 eine erweiterte Sammlung von 83 Fassungen des Gebets, davon drei in fiktiven philosophischen Sprachen. Lüdeken gibt als Quelle für die verwendeten exotischen Schriften Barnum Hagius an, während ihr wahrer (anonymer) Autor Andreas Müller war. Im Jahr 1700 wurde Lüdekens Sammlung von B. Mottus als Oratio dominica plus centum linguis versionibus aut characteribus reddita et expressa neu herausgegeben. Diese Ausgabe war vergleichsweise minderwertig, aber eine zweite, überarbeitete Ausgabe wurde 1715 von John Chamberlain veröffentlicht. Diese Ausgabe von 1715 wurde von Gottfried Hensel in seiner Synopsis Universae Philologiae (1741) verwendet, um "geographisch-polyglotte Karten" zu erstellen, auf denen der Beginn des Gebets in dem geographischen Gebiet verzeichnet war, in dem die jeweiligen Sprachen gesprochen wurden. Johann Ulrich Kraus veröffentlichte ebenfalls eine Sammlung mit mehr als 100 Einträgen.

Diese Sammlungen wurden bis weit ins 19. Jahrhundert hinein verbessert und erweitert; Johann Christoph Adelung und Johann Severin Vater veröffentlichten 1806-1817 das Gebet in "fast fünfhundert Sprachen und Dialekten".

Schriftproben, darunter auch das Vaterunser, wurden in 52 orientalischen Sprachen veröffentlicht, von denen die meisten zuvor nicht in solchen Sammlungen zu finden waren, von den Brüdern der Serampore-Mission übersetzt und 1818 in der dortigen Missionspresse gedruckt.

Vergleiche mit anderen Gebetstraditionen

Das Buch The Comprehensive New Testament von T.E. Clontz und J. Clontz weist auf Ähnlichkeiten zwischen Elementen des Vaterunsers und Ausdrücken in Schriften anderer Religionen hin, die so unterschiedlich sind wie das Dhammapada, das Gilgamesch-Epos, die Goldenen Verse und das ägyptische Totenbuch. Es werden insbesondere Parallelen in 1 Chronik erwähnt.

Rabbi Aron Mendes Chumaceiro sagt, dass fast alle Elemente des Gebets Entsprechungen in der jüdischen Bibel und den deuterokanonischen Büchern haben: der erste Teil in Jesaja 63 ("Schau herab vom Himmel und sieh, von deiner heiligen und schönen Wohnung... denn du bist unser Vater") und Hesekiel 36 ("Ich will die Heiligkeit meines großen Namens rechtfertigen... ") und 38 ("Ich will meine Größe und meine Heiligkeit zeigen und mich vor den Augen vieler Völker kundtun..."), der zweite Teil in Obadja 1 ("Retter werden auf den Berg Zion hinaufziehen, um über das Gebirge Esau zu herrschen, und das Königreich wird dem Herrn gehören") und 1 Samuel 3 ("...Es ist der Herr. Er soll tun, was ihm gut erscheint."), der dritte Teil in Sprüche 30 ("...gib mir zu essen von dem mir zugeteilten Brot..."), der vierte Teil in Sirach 28 ("Vergib deinem Nächsten, was er dir angetan hat, dann werden dir deine Sünden vergeben, wenn du betest."). "Erlöse uns von dem Bösen" kann mit Psalm 119 verglichen werden ("...lass keine Ungerechtigkeit über mich herrschen.").

Chumaceiro sagt, dass "Führe uns nicht in Versuchung" keine Entsprechung in der jüdischen Bibel/dem christlichen Alten Testament hat, weil die Vorstellung, dass Gott einen Menschen in Versuchung führt, der Gerechtigkeit und Liebe Gottes widerspricht. Das Wort "πειρασμός", das mit "Versuchung" übersetzt wird, kann jedoch auch mit "Prüfung" oder "Versuchung" übersetzt werden, was die Haltung des Herzens eines Menschen verdeutlicht, und im Alten Testament prüfte Gott Abraham und sagte zu David: "Geh und zähle Israel und Juda", eine Handlung, die David später als Sünde anerkannte; und die Prüfung von Hiob im Buch Hiob.

Reuben Bredenhof sagt, dass die verschiedenen Bitten des Vaterunsers sowie die dazugehörige Doxologie einen konzeptionellen und thematischen Hintergrund im alttestamentlichen Buch der Psalmen haben.

Andererseits sagt Andrew Wommack, dass das Vaterunser "technisch gesehen ... nicht einmal ein echtes neutestamentliches Gebet ist".

Im nachbiblischen jüdischen Gebet, insbesondere Kidduschin 81a (babylonisch). "Unser Vater, der du bist im Himmel" (אבינו שבשמים, Avinu shebashamayim) ist der Anfang vieler hebräischer Gebete. "Geheiligt werde dein Name" findet sich im Kaddisch wieder. "Führe uns nicht in Sünde" findet sich im "Morgensegen" des jüdischen Gebets wieder. Ein Segensspruch, der in einigen jüdischen Gemeinden nach dem abendlichen Schma gesprochen wird, enthält eine Formulierung, die dem Anfang des Vaterunsers sehr ähnlich ist: "Unser Gott im Himmel, heilige deinen Namen und richte dein Reich auf in Ewigkeit und herrsche über uns in alle Ewigkeit. Amen."

Chorwerke, Kantaten und Oratorien

Werke für Chor (und Orchester) im Stile einer Motette, einer Kantate oder eines Oratoriums stammen von

  • Johann Sebastian Bach: Kantate BWV 101
  • Max Baumann: Pater Noster op. 51 für gemischten Chor (1955)
  • Hans Georg Bertram: Vaterunserkantate (2002/2003)
  • Joachim Camerarius der Ältere: O Pater coelestis (16. Jh.)
  • Maurice Duruflé: Notre Père (1977)
  • Thomas Fortmann: Preghiera del Signore (1983)
  • Friedrich Theodor Fröhlich: Das Unser Vater (1832)
  • Gustav Gunsenheimer: Vater unser für vierstimmigen Männerchor a cappella
  • Hans Leo Haßler: Vater unser im Himmelreich 10 Fugen für 4-(5-)stimmigen Chor a cappella in: Psalmen und christliche Gesäng mit vier Stimmen auff die Melodeyen fugweiß componiert. (Nürnberg 1607)
  • Stefan Hippe: Vater unser für Sopran, Bariton, Harfe, Glockenspiel und Streichsextett (2001)
  • Gottfried August Homilius: Unser Vater in dem Himmel (1777)
  • Leoš Janáček: Otče náš (Vaterunser), Kantate für Tenor, Chor, Orgel und Harfe (1901)
  • Frank Martin: Notre Père, qui es aux cieux (Unser Vater in dem Himmel), einstimmiger Chor Nr. 10 aus dem Oratorium In terra pax (1944)
  • Lorenz Maierhofer: Vater unser Messe – kleine deutsche Messe für Chor, Soli, Orgel und Streicher (2008)
  • Giacomo Meyerbeer: Pater noster für vierstimmigen gemischten Chor a cappella
  • Otto Nicolai: Pater noster für achtstimmigen gemischten Chor a cappella
  • Arvo Pärt: Vater unser (2005)
  • Carlo Pedini: Pater noster für Tenor, Chor und Orchester (2000)
  • Sergei Rachmaninoff: Otče náš (Отче наш; Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomus, Op. 31, 1910)
  • Max Reger: Vater unser A cappella 12-stimmig in drei Chören, nachgelassenes unvollendetes Werk (1909), ergänzt von Karl Hasse (1956), eine weitere Ergänzung entstand 1991 durch Helmut Zapf im Auftrag des Rundfunkchors Berlin.
  • Heinrich Schütz: Vater unser aus Das Benedicite vor dem Essen (Zwölf geistliche Gesänge), SWV 429,2 (1657)
  • John Serry senior: Vater unser für Orgel und Chor (1992)
  • Clive Strutt: Armenian Paternoster (Hayr mer) (2015)
  • Pjotr Iljitsch Tschaikowski: Otče náš (Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomus op. 41 – 14 Nummern für gemischten Chor, 1878)
  • Giuseppe Verdi: O Padre nostro für fünfstimmigen gemischten Chor a cappella
  • Felix Woyrsch: Vater unser für gemischten Chor a cappella

In der Populärkultur

Wie andere Gebete auch, wurde das Vaterunser von Köchen verwendet, um ihre Rezepte vor der Verbreitung von Uhren zu timen. Ein Arbeitsschritt konnte zum Beispiel lauten: "Koche die Brühe drei Vaterunser lang".

Der amerikanische Songwriter und Arrangeur Brian Wilson vertonte den Text des Vaterunsers in einem ausgefeilten Close-Harmony-Arrangement, das lose auf Malottes Melodie basiert. Wilsons Gruppe, die Beach Boys, griffen das Stück im Laufe ihrer Karriere mehrfach auf, vor allem als B-Seite ihrer Single Little Saint Nick" von 1964. Die Band Yazoo verwendete das Gebet zusammen mit dem Text von "In My Room" auf dem Album Upstairs at Eric's.

Bilder

Versionen

Lukas 11

Das Vaterunser steht außerhalb der Feldrede (Lk 6,20–49 EU) und anderer lukanischer Parallelen zur Bergpredigt. Es ist als Antwort Jesu auf die Anfrage eines Jüngers überliefert: „Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte. Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.“ (Lk 11,1–4 EU). Davor wurde über Jesu Besuch bei den Schwestern Martha und Maria berichtet (Lk 10,38–42 EU). Dort wurde das Hören auf die Lehre Jesu als „das gute Teil“, das dem, der es erwählt, nicht weggenommen werden soll, der vielen „Sorge und Mühe“ gegenübergestellt, mit der Martha Jesus zu dienen sich bemüht. Demgemäß erscheint das Vaterunser als jener bessere Gottesdienst, den die Hörer der Lehre Jesu von ihm lernen können.

Wegen des situativen Rahmens und der Erwähnung der Johannesjünger wird die Lukasversion meist für ursprünglicher gehalten.

Vorgeschichte der beiden Versionen

Die Wir-Form des Vaterunsers legt nahe, dass es in Gemeinschaft gebetet wurde; dazu war dessen Auswendiglernen erforderlich. Dies wirft aber die Frage auf, warum es zwei Versionen gibt. Die Forschung neigt dazu, die kürzere Fassung bei Lukas für die ursprünglich von Jesus gelehrte zu halten. Die Erweiterungen der Matthäusfassung beruhen vielleicht auf folgenden Anliegen: Die feierliche Gottesanrede zu Beginn könnte aus liturgischen Gründen erfolgt sein. Die beiden zusätzlichen Bitten könnten dem Wunsch entsprungen sein, sich umfassend am Beten Jesu zu orientieren; die Bitten sind in ähnlicher Form als Gebete Jesu am Passionsabend berichtet: „Dein Wille geschehe“ betete Jesus in Getsemani (Lk 22,42 EU), und „bewahre sie vor dem Bösen“ bat Jesus im so genannten „hohepriesterlichen Gebet“ (Joh 17,15 EU).

Dass die Versionen bei Lukas und Matthäus auf eine gemeinsame Übersetzung ins Griechische zurückgehen, ergibt sich durch die übereinstimmende Verwendung des einzigartigen griechischen Wortes epiusios in der Brotbitte.

Da sich das Vaterunser bei Matthäus und Lukas, nicht aber bei Markus findet, wird es von der historisch-kritischen Forschung der hypothetischen Logienquelle Q zugeordnet. Deren älteste, anfangs mündlich überlieferten und von der Situation missionierender Wanderprediger geprägten Texte werden auf Christen zurückgeführt, die wohl noch selbst Jesus zu Lebzeiten begegnet sind.

Liturgie

Pater noster, volkstümlicher Wandschmuck, vor 1900 erschienen

Das Vaterunser erhielt früh einen festen Platz in der urchristlichen Gottesdienstliturgie. Gemäß der Didache 8,2f sollten Christen es auch privat dreimal am Tag beten.

In der katholischen Kirche ist das Vaterunser Bestandteil der heiligen Messe, des Stundengebets der Laudes und der Vesper sowie des Rosenkranzgebets. Auch in den evangelischen Kirchen in Deutschland gehört es als fester Bestandteil zum Gottesdienst. Die Kapitularien Karls des Großen ordneten an, dass jeder Christ es auswendig hersagen können sollte. Wer dies nicht vermochte, sollte nicht als Pate (Taufzeuge) zugelassen werden.

Auslegungen

Auslegungen des Vaterunsers sind seit Tertullian in vielfältiger Weise erschienen, so auch in Versform wie in einer bairischen Exegese des 12. Jahrhunderts im Versmaß des Septenar.

Vertonungen

Das Vaterunser wurde in der Christentumsgeschichte und der profanen Musikgeschichte oft und auf verschiedene Weisen musikalisch vertont.

Kirchenlieder

In der Liturgie werden unter anderem folgende Kompositionen und traditionelle Melodien verwendet:

  • Gregorianischer Choral, EG 186 und Gotteslob 589,2, entstanden um 590
  • Vater unser in dem Himmel, EG 187, Frankfurt am Main 1567, einstimmig, lutherisch
  • Vaterunser nach Missale Romanum, EG (Regionalteil Niedersachsen/Bremen) 659, lutherische Agende I
  • Vaterunser als liturgischer Wechselgesang: EG 783.8
  • Vater unser im Himmelreich: Melodie nach dem Tischsegen des Mönchs von Salzburg 1396, Text von Martin Luther 1539, EG 344
  • Vater unser, der du bist im Himmel: Neues Geistliches Lied von Ernst Arfken 1958, nach einem westindischen Calypso, EG 188.
  • Vater unser, der du bist im Himmel: Neues Geistliches Lied von Giorgio Moroder, GL 779, geschrieben für Stephan Braun und die Münchner Chorbuben.
  • Vater unser im Himmel: Neues Geistliches Lied von Peter Janssens aus „Wir haben einen Traum“ (1972)
  • Unser Vater: Neues Geistliches Lied von Christoph Zehendner, Musik: Hans Werner Scharnowski, 1994, WortLaute 57
  • Vater unser – Dein Reich komme: Neues Geistliches Lied von Paul F. Irmen, aus: „Gotteslob – Gebet- und Gesangbuch für das Bistum Aachen“, Aachen 2013.
Eine der gregorianischen Melodien des lateinischen Gebets des Herrn (toni Orationis Dominicae)
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Messgesang Vater unser
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Oper

  • Hugo Röhr: Das Vaterunser, UA 1904

Sonstige Instrumentalwerke

  • Mikalojus Konstantinas Čiurlionis:
    Andante sostenuto „Pater noster“ für Klavier, op. 17 Nr. 1 (1904)
  • Walter Steffens: Pater noster für Gitarre (1984)

Orchesterwerke

Kompositionen zum Vaterunser für symphonisches Orchester stammen von:

  • Leonard Bernstein (in Mass)
  • Peter Michael Braun: Das Vaterunser (2004)
  • Luigi Cherubini
  • Charles Gounod
  • Franz Liszt
  • Igor Strawinsky
  • Pjotr Iljitsch Tschaikowski
  • Giuseppe Verdi

Elektronische Musik

In der Klangsprache der elektronischen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts erklingt das Gebet bei E Nomine (1999).

Popularmusik

Volkslied- oder Schlager-artige Vertonungen stammen etwa von:

  • Albert Hay Malotte
  • Gotthilf Fischer
  • Hanne Haller.

In der Rock- und Popmusik wurde das Vaterunser vertont von:

  • 1981: Prince im Song Controversy seines gleichnamigen Albums Controversy
  • 1995: Christoph Zehendner und Hans Werner Scharnowski
  • 1999: Cliff Richard im Song Millennium Prayer, der Nummer Eins der britischen Singlecharts erreichte
  • 2003: Jochen Rieger
  • 2004: Söhne Mannheims
  • 2005: Christopher Tin im Song Baba Yetu

Siehe auch

Literatur

Exegese

  • Michael Brocke, Jacob J. Petuchowski, Walter Strolz: Das Vaterunser. Gemeinsames im Beten von Juden und Christen. Herder Verlag GmbH (1. Auflage 1974), 3. Auflage 1990, ISBN 3-451-17079-5.
  • Oscar Cullmann: Das Gebet im Neuen Testament. 2. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 978-3-16-146685-4.
  • Holger Finze-Michaelsen: Vater unser – unser Vater. Entdeckungen im Gebet Jesu. Biblisch-theologische Schwerpunkte 24, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-61581-7.
  • Emmet Fox: Das Vaterunser. 9. Auflage. Frick Verlag, 2005, ISBN 3-920780-75-2.
  • Joachim Jeremias: Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung. Calwer Verlag 1962.
  • Pinchas Lapide: Das Vaterunser – ein christliches oder ein jüdisches Gebet? In: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums 12, 1973, S. 5456–5461.
  • Gerhard Lohfink: Das Vaterunser neu ausgelegt. Verlag Urfeld, Bad Tölz 2007, ISBN 3-932857-32-1.
  • Eduard Lohse: Vater unser. Das Gebet der Christen. WBG, Darmstadt, 2010.
  • Ulrich Luz, Clemens Leonhard, Manfred Seitz: Art. Vaterunser I. Neues Testament II. Judentum III. Kirchengeschichtlich und praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 34 (2002), S. 504–529 (Überblick).
  • Marc Philonenko: Das Vaterunser. Vom Gebet Jesu zum Gebet der Jünger. UTB für Wissenschaft 2312, Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147694-8.
  • Helmut Thielicke: Das Gebet das die Welt umspannt. Reden über das Vaterunser aus den Jahren 1944/45. 2. Auflage. Brunnen-Verlag, Gießen 2008, ISBN 978-3-7655-3661-8.

Übersetzungen

  • Johann Christoph Adelung: Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde mit dem Vater Unser als Sprachprobe in beynahe fünfhundert Sprachen und Mundarten. Fünf Bände. Originalausgabe: Voss, Berlin 1806–1817; Reprint der Erstausgabe: Olms Verlag, 1970.

Theologie und Gebetspraxis

  • Eugen Biser: Glaubensbekenntnis und Vaterunser. Eine Neuauslegung. Patmos, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-69401-9.
  • Romano Guardini: Das Gebet des Herrn. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2000, ISBN 3-7867-8366-7.
  • Kerstin Hack: Online with God. Trainingskurs Gebet. Basierend auf dem Vaterunser, Down to Earth Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-935992-05-X.
  • Eva Harasta: Lob und Bitte. Eine systematisch-theologische Untersuchung über das Gebet. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2005, ISBN 3-7887-2113-8.
  • Reinhard Körner: Das Vaterunser. Spiritualität aus dem Gebet Jesu. Benno-Verlag, Leipzig 2002, ISBN 3-7462-1566-8.
  • Meinrad Limbeck: Von Jesus beten lernen. Das Vaterunser auf dem Hintergrund des Alten Testamentes. Religiöse Bildungsarbeit, Stuttgart 1980.
  • Gerhard Rödding: Das Vaterunser. Eine Brücke zu Gott. Quell, Gütersloh 2003, ISBN 3-579-03469-3 (127 S.).
  • Dietmar Rost, Joseph Machalke: Das Vaterunser den Kindern erzählt, mit Bildern von Heide Mayr-Pletschen. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg u. a. 1994, ISBN 3-7666-9513-4.
  • Reinhold Schneider: Das Vaterunser. Alsatia Verlag, Kolmar 1941.
  • Klaus J. Uhlmann: Unser Vater aus der Sicht eines Kindes. kju-verlag, 2006.
  • Klaus Völkers: Das Vaterunser. Quelle der Kraft. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1999, ISBN 3-7600-0904-2.
  • Gertrud Wasserzug: Vater Unser – Betrachtungen über das Gebet unseres Herrn. Schriftenmission Bibelheim Böblingen 1976.
  • Jürgen Werbick: Vater unser: Theologische Meditationen zur Einführung ins Christsein. Herder Verlag, Freiburg 2011, ISBN 978-3-451-33252-4.
  • Bernd Willmes, Josef Zmijewski, Karlheinz Diez: Gott als Vater in Bibel und Liturgie. Fuldaer Hochschulschriften 34. Knecht, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-7820-0842-1.
  • Gottfried Mühlhof (Hrsg.): Christliche Weisheit. Texte zum Vaterunser. Verlag Senging, Saldenburg 2006, ISBN 3-9810161-3-0.

Weblinks

Commons: Vaterunser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Pater noster – Quellen und Volltexte
Wikisource: Vaterunser – Quellen und Volltexte
Wiktionary: Vaterunser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelbelege und Anmerkungen