Verwesung

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Verwesung des Kadavers eines Wildschweins (Eber) im Zeitraffer

Verwesung ist der Prozess, bei dem die Organe und komplexen Moleküle von Tier- und Menschenkörpern mit der Zeit in einfache organische Stoffe zerfallen. Bei Wirbeltieren werden in der Regel fünf Verwesungsstadien unterschieden: frisch, aufgebläht, aktive Verwesung, fortgeschrittene Verwesung und trocken/skelettiert. Die Kenntnis der verschiedenen Zersetzungsstadien kann den Ermittlern bei der Bestimmung des Post-Mortem-Intervalls (PMI) helfen. Die Zersetzungsgeschwindigkeit menschlicher Überreste kann aufgrund von Umweltfaktoren und anderen Faktoren variieren. Zu den Umweltfaktoren gehören Temperatur, Feuchtigkeit und die Verfügbarkeit von Sauerstoff. Weitere Faktoren sind die Körpergröße, die Kleidung und die Todesursache.

Teil eines Unterkiefers eines verwesten Pflanzenfressers

Unter dem Begriff Verwesung wird eine Vielzahl an Prozessen zusammengefasst, die nach dem Tod eines Organismus oder nach dem Absterben von Teilen eines Organismus ablaufen. Die Bezeichnung Verwesung wird in der Regel im Zusammenhang mit tierischen Organismen (Aas, bzw. Leichname beim Menschen) gebraucht. Bei pflanzlichem Material spricht man von Verrottung, bei Lebensmitteln von Verderben. Im medizinischen Kontext gehört der Vorgang der Gewebsfäule zum Symptomenkomplex der Nekrosen.

Stadien und Merkmale

Die fünf Stadien der Zersetzung - frisch (auch Autolyse genannt), aufgebläht, aktive Verwesung, fortgeschrittene Verwesung und trocken/skelettiert - weisen spezifische Merkmale auf, anhand derer das jeweilige Stadium der Überreste bestimmt werden kann. Diese Stadien werden anhand einer experimentellen Studie über die Verwesung eines Schweinekadavers veranschaulicht.

1: Frisches Stadium

Frisch

In diesem Stadium sind die Überreste normalerweise unversehrt und frei von Insekten. Der Leichnam durchläuft die Stadien der Leichenstarre (Senkung der Körpertemperatur bis zum Erreichen der Umgebungstemperatur), der Totenstarre (vorübergehende Versteifung der Gliedmaßen aufgrund chemischer Veränderungen in der Muskulatur) und der Leichenflechte (Ansammlung von Blut auf der dem Boden am nächsten liegenden Körperseite).

Blähungen

2: Stadium der Blähungen

In diesem Stadium beginnen die Mikroorganismen im menschlichen Darm, das Körpergewebe zu verdauen, wobei sie Gase ausscheiden, die den Rumpf und die Gliedmaßen aufblähen, und übel riechende Chemikalien wie Putrescin und Cadaverin produzieren. Die Zellen in den Geweben brechen zusammen und setzen hydrolytische Enzyme frei, und die oberste Hautschicht kann sich lockern, was zu einem Abrutschen der Haut führt. Die Zersetzung des Magen-Darm-Trakts führt zu einer dunklen, übel riechenden Flüssigkeit, die als "Spülflüssigkeit" bezeichnet wird und aufgrund des Gasdrucks im Darm aus Nase und Mund herausgedrückt wird. Das Blähungsstadium ist durch eine Verschiebung der Bakterienpopulation von aeroben zu anaeroben Bakterienarten gekennzeichnet.

Aktive Verwesung

3: Aktives Verwesungsstadium

In diesem Stadium beginnt sich das Gewebe zu verflüssigen und die Haut zu schwärzen. Schmeißfliegen suchen mit Hilfe spezialisierter Geruchsrezeptoren schon früh nach verwesenden Leichen und legen ihre Eier in Körperöffnungen und offenen Wunden ab. Anhand der Größe und des Entwicklungsstadiums der Maden lässt sich die Mindestzeit seit dem Tod bestimmen. Die Insektenaktivität erfolgt in mehreren Wellen, und die Identifizierung der vorhandenen Insekten kann zusätzliche Informationen über das Postmortem-Intervall liefern. Es kann sich Adipocere oder Leichenwachs bilden, das die weitere Zersetzung hemmt.

Fortgeschrittene Verwesung

Bei fortgeschrittener Verwesung haben sich die meisten Überreste verfärbt und sind oft schwarz geworden. Die Verwesung, bei der Gewebe und Zellen zerfallen und sich verflüssigen, während der Körper verwest, ist fast abgeschlossen. Ein sich zersetzender menschlicher Körper in der Erde setzt schließlich 32 g Stickstoff, 10 g Phosphor, 4 g Kalium und 1 g Magnesium pro Kilogramm Körpertrockenmasse frei, wodurch sich die Chemie des Bodens in seiner Umgebung über Jahre hinweg verändern kann.

4: Fortgeschrittenes Verwesungsstadium

Trockene/skelettierte Überreste

Sobald die Blähungen aufgehört haben, fällt das weiche Gewebe der Überreste normalerweise in sich zusammen. Am Ende der aktiven Verwesung sind die Überreste oft ausgetrocknet und beginnen zu skelettieren.

5: Stadium der trockenen/skelettierten Überreste

Umweltfaktoren

Temperatur

Das Klima und die Temperatur, unter denen eine Leiche verwest, können einen großen Einfluss auf die Verwesungsgeschwindigkeit haben. Höhere Temperaturen beschleunigen den Verwesungsprozess, da sie die physiologischen Reaktionen im Körper nach dem Tod beschleunigen. Kältere Temperaturen verlangsamen die Verwesung. Auch die Verfügbarkeit von Sonnenlicht hat Einfluss auf die Temperatur und damit auf die Verwesung. Wenn mehr Sonnenlicht vorhanden ist, wird die Verwesung gefördert, während schattige Bereiche die Verwesung verlangsamen können.

Luftfeuchtigkeit

Der Feuchtigkeitsgehalt der Umgebung, in der eine Leiche verwest, wirkt sich ebenfalls auf die Zersetzungsgeschwindigkeit aus. Eine feuchte Umgebung beschleunigt die Zersetzung und beeinflusst die Bildung von Adipoceren. Im Gegensatz dazu trocknen trockenere Umgebungen schneller aus, zersetzen sich aber insgesamt langsamer.

Sauerstoffverfügbarkeit

Ob sich die Leiche in einer eher anaeroben oder aeroben Umgebung befindet, hat ebenfalls Einfluss auf die Zersetzungsgeschwindigkeit. Je mehr Sauerstoff vorhanden ist, desto schneller erfolgt die Zersetzung. Dies liegt daran, dass die für die Zersetzung erforderlichen Mikroorganismen Sauerstoff zum Leben benötigen und somit die Zersetzung erleichtern. Ein geringerer Sauerstoffgehalt hat den gegenteiligen Effekt.

Vergraben

Das Vergraben verzögert die Zersetzung, unter anderem, weil selbst einige Zentimeter Erde, die den Leichnam bedecken, Schmeißfliegen daran hindern, ihre Eier auf dem Leichnam abzulegen. Die Tiefe der Vergrabung beeinflusst die Zersetzungsgeschwindigkeit, da sie Zersetzer wie Aasfresser und Insekten abschreckt. Dadurch wird auch der verfügbare Sauerstoff reduziert und die Zersetzung behindert, da die Funktion der Mikroorganismen eingeschränkt wird. Der pH-Wert des Bodens ist ebenfalls ein Faktor für die Zersetzungsgeschwindigkeit, da er die Art der Zersetzer beeinflusst. Feuchtigkeit im Boden verlangsamt ebenfalls die Zersetzung, da sie den anaeroben Stoffwechsel fördert.

Nasse Umgebungen

Das Eintauchen in Wasser verlangsamt normalerweise die Zersetzung. Der Wärmeverlust ist im Wasser höher und die Zersetzung verläuft daher schneller. Kühle Temperaturen verlangsamen das bakterielle Wachstum. Sobald das Aufblähen beginnt, schwimmt der Körper in der Regel an die Oberfläche und wird Fliegen ausgesetzt. Aasfresser im Wasser, die je nach Ort variieren, tragen ebenfalls zur Verwesung bei. Zu den Faktoren, die die Zersetzung beeinflussen, gehören Wassertiefe, Temperatur, Gezeiten, Strömungen, Jahreszeiten, gelöster Sauerstoff, Geologie, Säuregehalt, Salzgehalt, Sedimentation sowie Insekten- und Aasfresseraktivität. Menschliche Überreste, die in Gewässern gefunden werden, sind oft unvollständig und schlecht erhalten, was die Untersuchung der Todesumstände erheblich erschwert.

Andere Faktoren

Körpergröße

Die Körpergröße ist ein wichtiger Faktor, der auch die Zersetzungsgeschwindigkeit beeinflusst. Eine größere Körpermasse und mehr Fett zersetzen sich schneller. Das liegt daran, dass sich das Fett nach dem Tod verflüssigt und einen großen Teil der Verwesung ausmacht. Menschen mit einem geringeren Fettanteil zersetzen sich langsamer. Dazu gehören kleinere Erwachsene und vor allem Kinder.

Kleidung

Kleidung und andere Bedeckungen wirken sich auf die Verwesungsgeschwindigkeit aus, weil sie den Körper vor äußeren Einflüssen wie Witterung und Erde schützen. Sie verlangsamt die Zersetzung, indem sie die Aasfresserei durch Tiere verzögert. Allerdings würde die Insektenaktivität zunehmen, da die Umhüllung mehr Wärme und Schutz vor der Sonne bietet, was ein ideales Umfeld für das Wachstum von Maden darstellt, die die organische Zersetzung fördern.

Todesursache

Auch die Todesursache kann die Zersetzungsgeschwindigkeit beeinflussen, vor allem indem sie sie beschleunigt. Tödliche Wunden wie Stichwunden oder andere Risswunden am Körper ziehen Insekten an, da sie einen guten Platz für die Eiablage bieten, und können so die Zersetzungsgeschwindigkeit erhöhen.

Experimentelle Analyse der Zersetzung auf Leichenfarmen

In Leichenfarmen wird die Verwesung des menschlichen Körpers untersucht, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Umwelt- und endogene Faktoren den Ablauf der Verwesungsphasen beeinflussen. Im Sommer können hohe Temperaturen die Verwesungsstadien beschleunigen: Wärme fördert den Abbau von organischem Material, und auch Bakterien wachsen in einer warmen Umgebung schneller, was die bakterielle Verdauung von Gewebe beschleunigt. Eine natürliche Mumifizierung, die normalerweise als Folge von Trockenheit angesehen wird, kann jedoch auftreten, wenn die Überreste intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Im Winter durchlaufen nicht alle Leichen das Aufblähungsstadium. Das Bakterienwachstum ist bei Temperaturen unter 4 °C stark reduziert. Leichenfarmen werden auch genutzt, um die Interaktionen von Insekten mit verwesenden Körpern zu untersuchen.

Biochemische Grundlagen

Verwesung wird durch saprotrophe Organismen, hauptsächlich durch Bakterien und Pilze, hervorgerufen. Enzyme, die diese Organismen abgeben, zersetzen komplexe organische Verbindungen in kleinere Einheiten, die dann unter Energiegewinn vollständig oxidiert werden. Aber auch Autolyse, also Zersetzung durch eigene, supravitale Enzyme, spielt eine Rolle.

Verwesung findet nur in Anwesenheit von Sauerstoff statt, ist also aerob. Die organischen Verbindungen werden dann hauptsächlich zu Wasser, Kohlenstoffdioxid, Harnstoff und Phosphat abgebaut. Unter Sauerstoffabschluss überwiegen dagegen Fäulnisprozesse. Entsprechend erfolgt der Zerfall eines größeren Organismus innerlich überwiegend durch Fäulnis, äußerlich durch Verwesung. In späteren Stadien der Zersetzung überwiegen Verwesungsprozesse, sofern genügend Sauerstoff zur Verfügung steht.

Verwesung und Ökologie

Im Gegensatz zur anaeroben Fäulnis sind an Verwesungsprozessen oft auch höhere Organismen beteiligt. Pflanzliche Überreste werden beispielsweise von Würmern, Asseln und Insektenlarven gefressen und zerkleinert und mikrobiellem Abbau dadurch besser zugänglich gemacht. Kadaver von Tieren werden oft zu großen Teilen von Insekten (zum Beispiel Aaskäfer, Ameisen, Speckkäfer) oder deren Larven (zum Beispiel Fliegenmaden) und Fadenwürmern gefressen. In Abhängigkeit von den herrschenden Umgebungsbedingungen bildet sich bei Verwesung eines größeren Organismus eine spezifische „Aasfauna“ heraus.

Die Verwesung in den oberen Bodenschichten führt zur Bildung von Humus, auch Kompostierung umfasst hauptsächlich Verwesungsprozesse.

Verwesungsdauer

Ein an der Luft liegender toter Körper verwest etwa doppelt so schnell wie eine im Wasser liegende Leiche und achtmal so schnell wie eine begrabene (Casper’sche Regel, durch die moderne Forensik überholt). Eine Wasserleiche bildet nach einiger Zeit durch chemische Reaktionen eine seifenartige Substanz aus, die die Körperform erhält und den Körper langsamer verwesen lässt. Dieses Phänomen einer sogenannten Wachsleiche ist auf einigen in feuchten Gebieten angesiedelten Friedhöfen zu einem großen Problem geworden, da die Verwesungszeit die vorgesehene Ruhezeit von ca. 30 Jahren zum Teil deutlich überschreitet.

Verwesungsstadien von an der Luft liegenden toten Körpern

Verstorbenes Liebespaar, Gemälde eines unbekannten oberrheinischen Künstlers, um 1470 (Straßburg, Frauenhausmuseum)
  • Beginnende Fäulnis
  • Fettartig
  • Käseartige Produkte
  • Ammoniakale Fäulnis
  • Beginnende Vertrocknung
  • Starke Vertrocknung
  • Skelettierung

In dieser Galerie wird der Verwesungsprozess eines im Freien liegenden toten Hausschweins gezeigt:

Gerüche

Verschiedene flüchtige und riechende Stoffe werden bei der Verwesung gebildet. Bei den Säugetieren werden unter anderem Cadaverin, Putrescin und andere biogene Amine gebildet. Bei der Verwesung des Menschen entstehen charakteristische Mischungen von riechenden Verbindungen, die unter anderem zur Auffindung von Leichen mit Hilfe von Leichen-Spürhunden verwendet werden.