Indoktrination

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Mitglieder der Hitlerjugend zeigen den Nazi-Gruß bei einer Kundgebung im Lustgarten in Berlin, 1933
Mädchen mit Zitaten des Vorsitzenden Mao (1968)

Indoktrination ist der Prozess, bei dem einer Person Ideen, Einstellungen, kognitive Strategien oder professionelle Methoden eingetrichtert werden (siehe Doktrin).

Der Mensch ist eine soziale Spezies, die unweigerlich durch den kulturellen Kontext geprägt wird. Daher ist ein gewisses Maß an Indoktrination in der Eltern-Kind-Beziehung implizit und hat eine wesentliche Funktion bei der Bildung stabiler Gemeinschaften mit gemeinsamen Werten.

Die genaue Abgrenzung zwischen Erziehung und Indoktrination liegt oft im Auge des Betrachters. Manche unterscheiden Indoktrination und Erziehung auf der Grundlage, dass von der indoktrinierten Person nicht erwartet wird, dass sie die gelernte Lehre hinterfragt oder kritisch hinterfragt. Als solcher kann der Begriff pejorativ oder als Modewort verwendet werden, oft im Zusammenhang mit politischen Meinungen, Theologie, religiösen Dogmen oder antireligiösen Überzeugungen. Das Wort selbst entstand in seiner ersten Form in den 1620er Jahren als endoctrinate, was so viel wie belehren oder unterrichten bedeutet, und wurde aus dem Französischen oder Lateinischen abgeleitet. Erst in den 1830er Jahren erhielt das Wort die Bedeutung, eine Idee oder Meinung zu vermitteln.

Der Begriff steht in engem Zusammenhang mit der Sozialisierung; im allgemeinen Sprachgebrauch wird Indoktrination jedoch häufig mit negativen Konnotationen in Verbindung gebracht, während Sozialisierung als allgemeiner Begriff fungiert, der keinen bestimmten Wert oder eine bestimmte Konnotation vermittelt (manche sehen in der Sozialisierung einen an sich positiven und notwendigen Beitrag zur sozialen Ordnung, andere sehen in der Sozialisierung in erster Linie ein Instrument der sozialen Unterdrückung). Fragen der Lehre (und der Indoktrination) sind in der menschlichen Gesellschaft schon seit der Antike umstritten und spaltend gewesen. Der Titus Lucretius Carus im ersten Jahrhundert v. Chr. zugeschriebene Ausspruch quod ali cibus est aliis fuat acre venenum (was für den einen Nahrung ist, ist für den anderen bitteres Gift) ist nach wie vor zutreffend.

Indoktrination (lateinisch doctrina ‚Belehrung‘) ist eine besonders vehemente, keinen Widerspruch und keine Diskussion zulassende Belehrung. Dies geschieht durch gezielte Manipulation von Menschen durch gesteuerte Auswahl von Informationen, um ideologische Absichten durchzusetzen oder Kritik auszuschalten.

Politischer Kontext

"Junge Pioniergarde der Ehre". Moskau, 1984

Im politischen Kontext wird die Indoktrination häufig als Instrument des Klassenkampfes analysiert, wobei die staatlichen Institutionen als "Verschwörer" zur Aufrechterhaltung des Status quo bezeichnet werden. Insbesondere das öffentliche Bildungssystem, die Polizei und die psychiatrischen Einrichtungen werden häufig als Mittel zur Befriedung der Öffentlichkeit angeführt. Im Extremfall kann ein ganzer Staat involviert sein. George Orwell hat in seinem Buch Nineteen Eighty-Four die expliziten, staatlich angeordneten Propagandainitiativen totalitärer Regime herausgestellt. Die Meinungen darüber, ob andere Regierungsformen weniger doktrinär sind oder lediglich die gleichen Ziele mit weniger offensichtlichen Methoden erreichen, gehen auseinander.

Religiöser Kontext

Religiöse Indoktrination, die ursprüngliche Bedeutung von Indoktrination, bezieht sich auf einen Prozess der Vermittlung von Lehren auf autoritative Weise, wie beim Katechismus. Die meisten religiösen Gruppen unter den Offenbarungsreligionen unterweisen neue Mitglieder in den Grundsätzen der Religion; dies wird heute von den Religionen selbst in der Regel nicht mehr als Indoktrination bezeichnet, zum Teil wegen der negativen Konnotationen, die das Wort angenommen hat. Mysteriöse Religionen verlangen eine Zeit der Indoktrination, bevor sie Zugang zu esoterischem Wissen gewähren. (vgl. Informationssicherheit)

Ein betendes Kind

Als pejorativer Begriff bedeutet Indoktrination, dass Menschen gewaltsam oder unter Zwang dazu gebracht werden, auf der Grundlage einer bestimmten Ideologie zu handeln und zu denken. Einige säkulare Kritiker sind der Meinung, dass alle Religionen ihre Anhänger wie Kinder indoktrinieren, und dieser Vorwurf wird im Falle des religiösen Extremismus erhoben. Sekten wie Scientology setzen Persönlichkeitstests und Gruppenzwang ein, um neue Mitglieder zu indoktrinieren. In einigen Religionen gibt es Verpflichtungszeremonien für Kinder bis 13 Jahre, wie Bar Mitzvah, Konfirmation und Shichi-Go-San. Im Buddhismus werden die Jungen im Tempel ermutigt, dem Glauben zu folgen, solange sie noch jung sind. Einige Religionskritiker, wie Richard Dawkins, behaupten, dass Kinder religiöser Eltern oft unfair indoktriniert werden.

Indoktrination kann jedoch auch in nichtreligiösen oder antireligiösen Kontexten stattfinden, und das geschieht auch häufig. Im 20. Jahrhundert führten beispielsweise die ehemalige Sozialistische Volksrepublik Albanien und die ehemalige UdSSR Programme zur staatlich geförderten atheistischen Indoktrination ein, um den staatlichen Atheismus, insbesondere den marxistisch-leninistischen Atheismus, in der Bevölkerung zu fördern. Sabrina P. Ramet, Professorin für Politikwissenschaft, dokumentierte, dass "Kinder vom Kindergarten an mit einer aggressiven Form des Atheismus indoktriniert [wurden]" und "Eltern, die zu Hause religiöse Praktiken ausüben, zu denunzieren". Nach dem Tod von Albaniens Staatschef Enver Hoxha im Jahr 1985 nahm sein Nachfolger Ramiz Alia jedoch eine relativ tolerante Haltung gegenüber der Religionsausübung ein und bezeichnete sie als "persönliche und familiäre Angelegenheit". Emigrierte Geistliche durften 1988 wieder in das Land einreisen und Gottesdienste abhalten. Mutter Teresa, eine ethnische Albanerin, besuchte 1989 Tirana, wo sie vom Außenminister und von der Witwe Hoxhas empfangen wurde. Im Dezember 1990 wurde das Verbot der Religionsausübung offiziell aufgehoben, so dass Tausende von Christen an den Weihnachtsgottesdiensten teilnehmen konnten (siehe Religionsfreiheit in Albanien).

In ähnlicher Weise wurde in der ehemaligen Sowjetunion "der naturwissenschaftliche Unterricht [in] den sowjetischen Schulen [als] Mittel zur atheistischen Indoktrination genutzt", wobei die Lehrer angewiesen wurden, ihren Unterricht "so vorzubereiten, dass sie jederzeit eine antireligiöse Erziehung durchführen", um den staatlich sanktionierten marxistisch-leninistischen Werten zu entsprechen. Im Jahr 1997, mehrere Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, verabschiedete die russische Regierung jedoch ein Gesetz, das die Religion als wichtig für die russische Geschichte anerkennt und das orthodoxe Christentum (russisch: Православие Pravoslaviye), die traditionelle und größte Religion Russlands, zu einem Teil des "historischen Erbes" Russlands erklärt.

Militär

Die anfängliche psychologische Vorbereitung von Soldaten während der Ausbildung wird (nicht abwertend) als Indoktrination bezeichnet.

Informationssicherheit

Im Bereich der Informationssicherheit ist die Indoktrination die anfängliche Einweisung und Anleitung, bevor eine Person Zugang zu geheimen Informationen erhält.

Charakteristik

Ein wesentliches Merkmal bzw. eine zentrale Methode der Indoktrination ist die Propaganda. Die Form der Informationsdarbietung ist hier einseitig verzerrt, die Gesamtheit der verfügbaren Informationen wird zensiert, die der Ideologie widersprechenden Angaben werden zurückgehalten, deren Äußerung mit diskreten Benachteiligungen oder konkreten Strafen bedroht.

Die Möglichkeiten, ein entsprechendes Informationsmonopol über eine große Menschenmenge zu erreichen, sind auffällig in Diktaturen gegeben. Aber auch eine unkontrollierte Monopol­isierung der Massenmedien und autoritäre, religiös oder politisch motivierte Erziehungs­formen können Indoktrination fördern. Dabei werden die (scheinbar) positiven Seiten des Systems überhöht, während kritische oder missliebige Informationen unterdrückt werden.

Indoktrination im pädagogischen Kontext

Geschichte

Die Abgrenzung zwischen Indoktrination und Erziehung ist ein historisches Produkt der Neuzeit. Bis ins Mittelalter, in dem Bildung vor Allem in religiösen Kontexten stattfand, wurden Indoktrination und Erziehung nahezu synonym verwendet. Spätestens seit der Aufklärung herrscht zumindest implizit das Verständnis vor, dass Indoktrination und Erziehung einander ausschließen. Der Begriff „Indoktrination“ selbst wurde erst in den 1960er Jahren in die deutsche Sprache übernommen, wo er als abwertender Begriff einerseits für die Schulungsarbeit der Alliierten verwendet wurde, andererseits aber auch die Erziehung im Nationalsozialismus bezeichnen sollte. In der pädagogischen Fachliteratur spielte der Begriff in der Folge eine untergeordnete Rolle, wurde aber ebenfalls vor Allem in Abgrenzung zu Erziehung verwendet. Indoktrination wurde primär als intentional bedingt oder als strukturelle Komponente schulischer Erziehung im Sinne eines heimlichen Lehrplans betrachtet. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde in der pädagogischen Diskussion Indoktrination vor allem zu Beschreibung geschlossener, totalitärer Gesellschaften genutzt.

Die Abgrenzung zwischen Indoktrination und Erziehung

Indoktrination hat in pädagogischen Kontexten heute eine klar negative Konnotation. Eine klare, systematische Unterscheidung zwischen Indoktrination und Erziehungen ist allerdings nicht ohne weiteres möglich. Heinz-Elmar Tenorth geht von einem graduellen Unterschied zwischen Indoktrination und Erziehung aus und sieht in jeder Pädagogik ein Risiko zur illegitimen Indoktrination. Auch Anette M. Stroß betont, dass Indoktrination ein alltäglicher Bestandteil pädagogischen Denkens sei, der nicht nur in totalitären Systemen, sondern eben auch in Demokratien zu finden sei. Johannes Drerup dagegen hält an einer prinzipiellen Unterscheidbarkeit von Erziehung und Indoktrination fest: Lernen sei einerseits niemals vollständig steuerbar, zweitens ließe sich Indoktrination anhand der jeweiligen Inhalte und Methoden unterscheiden und drittens gelte es auch, die Rechtfertigungen demokratischer Erziehung in den Blick zu nehmen. Der Fokus auf Methoden, Inhalte und Intentionen hinter Indoktrination wird auch von weiteren Autoren vorgeschlagen, ist aber ebenfalls umstritten.