Totimpfstoff

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Inaktivierter Impfstoff
Soldiers receiving typhoid vaccinations (Reeve 036335), National Museum of Health and Medicine (5243638771).jpg
Typhusprophylaxe für Soldaten im Ersten Weltkrieg.
Andere NamenTotimpfstoff
FachgebietÖffentliches Gesundheitswesen, Immunologie, Familienmedizin, Allgemeinmedizin
VerwendungenPrävention von Infektionskrankheiten
HäufigkeitGeburt bis zum Erwachsenenalter
ErgebnisseEntwicklung einer aktiven Immunität bei Individuen; Beitrag zur Herdenimmunität
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Ein inaktivierter Impfstoff (oder abgetöteter Impfstoff) ist ein Impfstoff, der aus Viruspartikeln, Bakterien oder anderen Krankheitserregern besteht, die in einer Kultur gezüchtet und dann abgetötet wurden, um die krankheitserzeugende Kapazität zu zerstören. Im Gegensatz dazu werden bei Lebendimpfstoffen Erreger verwendet, die noch leben (aber fast immer abgeschwächt sind). Die Erreger für inaktivierte Impfstoffe werden unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet und abgetötet, um die Infektiosität zu verringern und so eine Infektion durch den Impfstoff zu verhindern.

Inaktivierte Impfstoffe wurden erstmals in den späten 1800er und frühen 1900er Jahren für Cholera, Pest und Typhus entwickelt. Heute gibt es inaktivierte Impfstoffe für viele Krankheitserreger, darunter Influenza, Polio (IPV), Tollwut, Hepatitis A und Keuchhusten.

Da inaktivierte Erreger in der Regel eine schwächere Reaktion des Immunsystems hervorrufen als lebende Erreger, können bei einigen Impfstoffen immunologische Adjuvantien und mehrere Auffrischungsimpfungen erforderlich sein, um eine wirksame Immunreaktion gegen den Erreger zu erzielen. Abgeschwächte Impfstoffe sind für allgemein gesunde Menschen oft vorzuziehen, da eine einzige Dosis oft sicher und sehr wirksam ist. Manche Menschen können jedoch keine abgeschwächten Impfstoffe einnehmen, weil der Erreger für sie ein zu großes Risiko darstellt (z. B. ältere Menschen oder Menschen mit Immunschwäche). Für diese Patienten kann ein inaktivierter Impfstoff Schutz bieten.

Ein Totimpfstoff ist ein Impfstoff, der nicht aus replikationsfähigen Pathogenen besteht, sondern aus abgetöteten Pathogenen oder einzelnen Bestandteilen, die auch künstlich erzeugt sein können.

Wirkungsweise

Totimpfstoffe können schnell abgebaut werden, so dass zur Vermittlung einer starken Immunreaktion mehrfach geimpft werden muss. Daher impft man nach der Erstimpfung wiederholt und in bestimmten Abständen (Auffrischungsimpfungen).

Bei der Grundimmunisierung werden von den B-Lymphozyten mittels T-Helferzellen (CD4+-T-Zellen) IgM-Antikörper mit niedriger Affinität gebildet. Der Anteil spezifischer IgG-Antikörper steigt danach kontinuierlich. T-Zellen bilden ein Immungedächtnis, bei erneuter Antigenpräsentation durch Auffrischungsimpfungen wird ein Booster-Effekt (stark beschleunigte Immunantwort) ermöglicht. Falls ein immunologisches Gedächtnis mittels T- und B-Zellen aufgebaut ist, kann eine Erkrankung mit denselben Antigenen verhindert werden.

Durch die Aktivierung der B-Lymphozyten sowie T-Helferzellen wird eine humorale Immunantwort erzeugt, nicht aber wie bei einer Lebendimpfung eine zelluläre.

Totimpfstoffe enthalten immunstimulierende Adjuvanzien – meistens Aluminiumadjuvanzien –, um die Immunreaktion gegenüber den in den Impfstoffen enthaltenen Antigenen ausreichend zu erhalten. Hierbei wird das Antigen an beispielsweise Aluminiumhydroxid, MF59 oder AS04 absorbiert. Früher enthielten Totimpfstoffe auch noch Konservierungsmittel wie Thiomersal oder Thimerfonat. Durch den technischen Fortschritt konnte die aseptische Fertigung so verbessert werden, dass Einzeldosisrezepturen wie Kinderimpfstoffe ohne Konservierungsstoffe hergestellt werden.

Die Erregerpartikel werden zerstört und können sich nicht teilen, aber die Erreger behalten einen Teil ihrer Integrität, um vom Immunsystem erkannt zu werden und eine adaptive Immunantwort hervorzurufen. Bei korrekter Herstellung ist der Impfstoff nicht infektiös, aber eine unsachgemäße Inaktivierung kann zu intakten und infektiösen Partikeln führen.

Inaktivierte Impfstoffe erzeugen in der Regel eine Immunantwort, die in erster Linie durch Antikörper vermittelt wird. Durch die gezielte Auswahl von Adjuvantien können inaktivierte Impfstoffe jedoch eine robustere zellvermittelte Immunreaktion hervorrufen.

Arten

Inaktivierte Impfstoffe beziehen sich oft auf Nicht-Lebendimpfstoffe. Sie werden je nach der Methode, die zur Inaktivierung des Erregers verwendet wird, weiter unterteilt:

  • Inaktivierte Ganzerreger-Impfstoffe werden hergestellt, indem ein ganzer Erreger mit Hilfe von Hitze, Chemikalien oder Strahlung "abgetötet" wird, obwohl nur Formaldehyd- und Beta-Propiolacton-Exposition bei Humanimpfstoffen weit verbreitet sind.
  • Bei der Herstellung von Untereinheiten-Impfstoffen werden die Antigene herausgefiltert, die das Immunsystem am besten zu einer Reaktion auf den Erreger anregen, während andere Bestandteile entfernt werden, die für die Replikation oder das Überleben des Erregers notwendig sind oder die unerwünschte Reaktionen hervorrufen können.
  • Split-Virus-Impfstoffe werden mit Hilfe eines Detergens hergestellt, das die Virushülle aufbricht. Diese Technik wird bei der Entwicklung vieler Grippeimpfstoffe eingesetzt.
  • Toxoidimpfstoffe werden durch Inaktivierung von Toxinen hergestellt, die von Bakterien produziert werden. Das Toxoid löst eine Immunreaktion gegen das Toxin aus.

Abgrenzung

Im Zuge der Impfstoffentwicklung werden unter anderem genbasierte Impfstoffe (DNA-Impfstoffe, RNA-Impfstoffe und virale Vektoren) untersucht. DNA-Impfstoffe bestehen meistens aus Plasmiden, die das Antigen codieren. Virale Vektoren basieren auf viralen Partikeln, die das Gen des Impfstoffs in eine Zelle einschleusen. Das RKI gibt an, dass COVID-19-Impfstoffe (mRNA- oder Vektorimpfstoffe) mit Totimpfstoffen insofern gleichgesetzt werden können, als sie keine Lebendimpfstoffe sind, da sie keine vermehrungsfähigen Viren enthalten.

Vorteile und Nachteile

Vorteile

  • Inaktivierte Erreger sind stabiler als lebende Erreger. Die höhere Stabilität erleichtert die Lagerung und den Transport von inaktivierten Impfstoffen.
  • Im Gegensatz zu abgeschwächten Lebendimpfstoffen können inaktivierte Impfstoffe nicht in eine virulente Form zurückkehren und Krankheiten verursachen. So gab es beispielsweise seltene Fälle, in denen die abgeschwächte Form des Poliovirus im oralen Polioimpfstoff (OPV) virulent wurde, was dazu führte, dass der inaktivierte Polioimpfstoff (IPV) den OPV in vielen Ländern mit kontrollierter Wildtyp-Polioübertragung ersetzte.
  • Im Gegensatz zu abgeschwächten Lebendimpfstoffen vermehren sich inaktivierte Impfstoffe nicht und sind für Personen mit geschwächtem Immunsystem nicht kontraindiziert.

Inaktivierte Ganzpartikelimpfstoffe – englisch inactivated vaccines, die klassischen Totimpfstoffe – werden durch Fixierung gereinigter Pathogene erzeugt. Beispiele für inaktivierte Impfstoffe sind der Choleraimpfstoff, der Hepatitis-A-Impfstoff, der Tollwutimpfstoff und der Polioimpfstoff.

Nachteile

  • Inaktivierte Impfstoffe haben im Vergleich zu abgeschwächten Lebendimpfstoffen eine geringere Fähigkeit, eine robuste Immunreaktion für eine lang anhaltende Immunität zu erzeugen. Adjuvantien und Auffrischungsimpfungen sind häufig erforderlich, um eine schützende Immunität zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.
  • Für die Herstellung von abgetöteten Ganzorganismusimpfstoffen müssen die Erreger kultiviert und inaktiviert werden. Dieser Prozess verlangsamt die Impfstoffproduktion im Vergleich zu genetischen Impfstoffen.

Eigenschaften

Im Gegensatz zu Totimpfstoffen bestehen Lebendimpfstoffe aus Erregern, die noch replizieren können oder zumindest infizieren (z. B. Pockenimpfstoffe) können.

Unterschiedliche Totimpfstoffe können simultan oder nacheinander verabreicht werden, für letzteres muss kein Mindestabstand – auch zu Lebendimpfstoffen – eingehalten werden. Dennoch wird in der Literatur grundsätzlich eine gleichzeitige Gabe von Lebend- und Totimpfstoffen bevorzugt, anstatt zuerst mit einem Lebendimpfstoff und Tage später mit einem Totimpfstoff zu impfen. Da Lebendimpfstoffe Interferon induzieren können, würde dies eine weitere Infektion unterdrücken und damit die Wirkung der Totimpfstoffe schmälern. Generell sollte man so lange mit einer erneuten Impfung warten, bis die entsprechende Symptomatik im (seltenen) Fall einer akuten Impfreaktion abgeklungen ist.

Einteilung der Totimpfstoffe

Als Totimpfstoffe werden Toxoide, inaktivierte Pathogene (Ganzpartikelimpfstoffe), Konjugatimpfstoffe, Spaltimpfstoffe und Untereinheitimpfstoffe verwendet. Ein Grenzfall zwischen Totimpfstoffen und Lebendimpfstoffen bildet das Modified-Vaccinia-Ankara-Virus, welches zwar Zellen im Geimpften infizieren kann, jedoch nicht in diesen Zellen repliziert wird.

Spaltimpfstoffe

Spaltimpfstoffe werden durch Fixierung und Auflösung der Lipiddoppelschicht mit Tensiden oder polaren organischen Lösungsmitteln erzeugt. Beispiele für Spaltimpfstoffe sind manche Influenzaimpfstoffe.

Konjugatimpfstoffe

Konjugatimpfstoffe gehören zu den Untereinheitenimpfstoffen und bestehen aus einem gereinigten Antigen, das anschließend an ein weiteres Trägermolekül gekoppelt wird. Als Trägermoleküle werden das Toxoid des Diphtherietoxins, das Toxoid des Tetanustoxins oder das Kapselmaterial von Neisseria meningitidis verwendet. Ein Beispiel für eine Impfung mit einem Konjugatimpfstoff ist die HIB-Impfung, manche Pneumokokkenimpfstoffe und manche Meningokokkenimpfstoffe.

Peptidimpfstoffe

Peptidimpfstoffe sind meistens per Peptidsynthese erzeugte Peptide.

Toxoidimpfstoffe

Toxoidimpfstoffe werden durch Fixierung von Toxinen erzeugt. Das Toxin verliert dabei seine Toxizität, jedoch ist die Veränderung gering genug, damit eine Immunreaktion erzeugt wird, die auch gegen das nicht-fixierte Toxin im Falle einer späteren Infektion wirkt. Beispiele für Toxoidimpfstoffe sind der Diphtherieimpfstoff, der Pertussisimpfstoff und der Tetanusimpfstoff sowie der kombinierte DTP-Impfstoff.

Schwangerschaft und Stillzeit

Nach aktuellen Empfehlungen des in Deutschland dafür zuständigen Robert Koch-Instituts können fällige Impfungen mit Totimpfstoffen den werdenden Müttern im zweiten und dritten Drittel der Schwangerschaft bedenkenlos verabreicht werden, insbesondere eine Impfung gegen Influenza oder Keuchhusten wird empfohlen. Im ersten Drittel sollten zum Ausschluss jeglichen Risikos für das Kind dagegen nur diejenigen Totstoff-Impfungen vorgenommen werden, die individuell dringend indiziert sind. In der anschließenden Stillzeit sind Impfungen mit Totimpfstoffen generell ohne Beschränkungen möglich.