Atrophie

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Atrophie
Mouse with spinal muscular atrophy.jpg
Maus (rechts) mit spinaler Muskelatrophie
FachgebietPathologie
SymptomeVerlust von Körperzellen, Alterserscheinungen
ArtenMuskelatrophie, Drüsenatrophie
UrsachenSchlechte Ernährung, schlechte Durchblutung, Verlust der hormonellen Unterstützung, Verlust der Nervenversorgung des/der Zielorgane(s), übermäßige Apoptose von Zellen, unzureichende Bewegung, Alterung
RisikofaktorenHohes Alter, sitzender Lebensstil
PrognoseHängt von der Ursache ab

Unter Atrophie versteht man das teilweise oder vollständige Verkümmern eines Körperteils. Zu den Ursachen der Atrophie gehören Mutationen (die das Gen für den Aufbau des Organs zerstören können), schlechte Ernährung, schlechte Durchblutung, Verlust der hormonellen Unterstützung, Verlust der Nervenversorgung des Zielorgans, übermäßige Apoptose von Zellen und Nichtgebrauch, Bewegungsmangel oder Krankheiten, die dem Gewebe selbst innewohnen. In der medizinischen Praxis werden hormonelle und nervliche Einflüsse, die ein Organ oder einen Körperteil erhalten, als trophische Effekte bezeichnet. Ein verminderter trophischer Zustand der Muskulatur wird als Atrophie bezeichnet. Unter Atrophie versteht man die Verkleinerung einer Zelle, eines Organs oder eines Gewebes, nachdem es sein normales Wachstum erreicht hat. Im Gegensatz dazu ist Hypoplasie die Verringerung der Zellzahl eines Organs oder Gewebes, das noch nicht die normale Reife erreicht hat.

Atrophie ist der allgemeine physiologische Prozess der Resorption und des Abbaus von Geweben, der mit Apoptose einhergeht. Wenn sie als Folge einer Krankheit oder des Verlusts der trophischen Unterstützung durch andere Krankheiten auftritt, wird sie als pathologische Atrophie bezeichnet, obwohl sie auch Teil der normalen Körperentwicklung und Homöostase sein kann.

Formen von Atrophie

Grundsätzliche Formen der Atrophie: A: Normalzustand. B: Volumetrische Atrophie. C: Numerische Atrophie. D Volumetrische und numerische Atrophie.

Atrophie kann durch Volumen- bzw. Größenabnahme der Zellen (einfache oder volumetrische Atrophie; Hypotrophie) oder durch Abnahme der Zellzahl (numerische Atrophie; Hypoplasie) zustande kommen. Das Gegenteil einer Atrophie ist eine Hypertrophie bzw. Hyperplasie.

Eine Atrophie kann natürlicherweise (physiologisch) oder krankhaft (pathologisch) sein. Physiologische Formen einer Atrophie sind:

  • Altersatrophie: Im Alter nehmen alle funktionalen (parenchymatösen) Zellen an Volumen ab, was insbesondere im Gehirn und Herz sehr ausgeprägt sein kann. Bei gleichzeitigem Vorhandensein von Lipofuszin spricht man wegen der bräunlicheren Farbe der Organe von der braunen Atrophie.
  • Involutionsatrophie: Bestimmte Organe werden in bestimmten Lebensabschnitten nicht mehr oder nicht mehr so stark benötigt und bilden sich deswegen zurück. Der Thymus beispielsweise bildet sich beim Erwachsenen fast vollständig zurück.

Dagegen kennt man verschiedene Pathologieformen aufgrund von krankhaften Prozessen:

  • Inaktivitätsatrophie: Sie tritt bei fehlender Beanspruchung eines Organes auf, zum Beispiel bei einem eingegipsten Bein.
  • trophoneurotische/nervale Atrophie: Bei Schädigung eines Nervs atrophiert der von ihm (nicht mehr) versorgte Muskel.
  • vaskuläre Atrophie: Gelangen durch die Blutgefäße nicht genügend Sauerstoff und Nährstoffe zu den Zellen, können diese atrophieren. Bedingung ist, dass diese unzureichende Versorgung sich langsam entwickelt (zum Beispiel eine sich über Monate verengende Nierenarterie). Im Unterschied dazu sterben Zellen bei einem plötzlichen Versorgungsproblem (z. B. Herzinfarkt) ab.
  • Druckatrophie: Drücken beispielsweise Tumoren auf umgebendes Gewebe können benachbarte Zellen atrophieren und dem wachsenden Tumor Platz machen.
  • endokrine Atrophie: Wegen endokiner Signale kommt es zur Atrophie, zum Beispiel bei Cortison-Therapie.
  • Atrophie der Haut („Hautverdünnung“) als möglicher Nebenwirkung bei Glucocorticoid-Behandlung des Atopischen Ekzems
  • wegen Nahrungsmangel: Es kommt zu einer generalisierten Atrophie besonders des Fettgewebes und der Muskulatur. Ursachen können Mangelernährung, eine Störung der Aufnahme oder eine konsumierende Krankheit (Tumor etc.) sein. Im Falle von Mangelernährung nennt man die Erkrankung Marasmus, im Falle einer konsumierenden Erkrankung Kachexie.

Wird das zurückgebildete Gewebe durch Fettgewebe ersetzt, spricht man von Vakatfettwucherung. Diese tritt insbesondere im Thymus des Erwachsenen auf.

Beispiele für eine Atrophie im Rahmen der normalen Entwicklung sind die Schrumpfung und Rückbildung der Thymusdrüse in der frühen Kindheit und der Mandeln in der Jugendzeit. Im Alter sind die Auswirkungen u. a. der Verlust von Zähnen und Haaren, die Ausdünnung der Haut, die zu Falten führt, die Schwächung der Muskeln, der Gewichtsverlust von Organen und die Verlangsamung der geistigen Aktivität.

Muskelatrophien

Eine Muskel- und Knochenatrophie mit Masseverlust und Kraftverlust kann nach längerer Immobilität auftreten, z. B. bei längerer Bettlägerigkeit oder wenn ein Körperteil eingegipst ist (Augen im Dunkeln, Beine im Bett usw.). Diese Art von Atrophie kann in der Regel durch Bewegung rückgängig gemacht werden, sofern sie nicht zu schwerwiegend ist.

Es gibt viele Krankheiten und Zustände, die einen Muskelschwund verursachen. So führen beispielsweise Krankheiten wie Krebs und AIDS zu einem Body-Wasting-Syndrom, der so genannten Kachexie, die sich durch einen starken Muskelschwund auszeichnet. Andere Syndrome oder Zustände, die zu einem Skelettmuskelschwund führen können, sind kongestive Herzinsuffizienz und Lebererkrankungen.

Im Laufe des Alterns nimmt die Fähigkeit, die Funktion und die Masse der Skelettmuskulatur zu erhalten, allmählich ab. Dieser Zustand wird als Sarkopenie bezeichnet und kann sich in seiner Pathophysiologie von der Atrophie unterscheiden. Die genaue Ursache der Sarkopenie ist zwar nicht bekannt, sie könnte jedoch durch eine Kombination aus einem allmählichen Versagen der Satellitenzellen, die zur Regeneration der Skelettmuskelfasern beitragen, und einer Abnahme der Empfindlichkeit für oder der Verfügbarkeit von kritischen sekretierten Wachstumsfaktoren, die für die Aufrechterhaltung der Muskelmasse und das Überleben der Satellitenzellen erforderlich sind, ausgelöst werden.

Dystrophien, Myositis und Erkrankungen der Motoneuronen

Eine pathologische Muskelatrophie kann bei Erkrankungen der motorischen Nerven oder des Muskelgewebes selbst auftreten. Beispiele für atrophierende Nervenkrankheiten sind die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit, Poliomyelitis, amyotrophe Lateralsklerose (ALS oder Lou-Gehrig-Krankheit) und das Guillain-Barré-Syndrom. Beispiele für atrophierende Muskelkrankheiten sind Muskeldystrophie, Myotonia congenita und myotone Dystrophie.

Veränderungen in der Expression von Na+-Kanal-Isoformen und eine spontane Aktivität im Muskel, die als Fibrillation bezeichnet wird, können ebenfalls zu Muskelschwund führen.

Der medizinische Begriff "schlaffe Gliedmaße" bezieht sich auf eine Extremität, bei der der Hauptnerv durchtrennt wurde, was zu einem vollständigen Fehlen von Beweglichkeit und Gefühl führt. Die Muskeln verkümmern bald durch Atrophie.

Drüsenatrophie

Die Nebennieren verkümmern bei längerer Einnahme von exogenen Glukokortikoiden wie Prednison. Eine Atrophie der Brüste kann bei längerem Östrogenabbau auftreten, wie bei Anorexia nervosa oder in der Menopause. Eine Hodenatrophie kann bei längerer Einnahme einer ausreichenden Menge exogener Sexualsteroide (entweder Androgene oder Östrogene) auftreten, die die Gonadotropinsekretion reduziert.

Vaginale Atrophie

Bei Frauen nach der Menopause werden die Wände der Vagina dünner (atrophische Vaginitis). Der Mechanismus für diesen altersbedingten Zustand ist noch nicht geklärt, obwohl es Theorien gibt, dass der Effekt durch den Rückgang des Östrogenspiegels verursacht wird. Diese Atrophie und die gleichzeitige Atrophie der Brüste stehen im Einklang mit der homöostatischen (normalen Entwicklungs-) Rolle der Atrophie im Allgemeinen, da der Körper nach der Menopause keine funktionelle biologische Notwendigkeit mehr hat, das Fortpflanzungssystem aufrechtzuerhalten, das er dauerhaft stillgelegt hat.

Forschung

Ein in der Erprobung befindliches Medikament schien die Art von Muskelschwund zu verhindern, die bei immobilen, bettlägerigen Patienten auftritt. Tests an Mäusen zeigten, dass es die Aktivität eines im Muskel vorhandenen Proteins blockierte, das am Muskelschwund beteiligt ist. Die Langzeitwirkung des Medikaments auf das Herz schließt jedoch eine routinemäßige Anwendung beim Menschen aus, und es wird nach anderen Medikamenten gesucht.