Verseifung

Aus besserwiki.de

Unter Verseifung (lat. Saponifikation) versteht man im engeren Sinn die Hydrolyse eines Esters durch die wässrige Lösung eines Hydroxids, wie z. B. durch Natriumhydroxid, oder durch spezielle Enzyme, die Esterasen. Sie ist im Gegensatz zur sauren Esterhydrolyse (der Rückreaktion der Veresterung) nahezu irreversibel, da an der Carbonsäure das für die Veresterung nötige Proton fehlt. Als Produkte der Reaktion entstehen der Alkohol und das Salz der Säure (Carboxylat-Ion), aus denen der Ester bestand. Im erweiterten Sinn wird jede Hydrolyse als Verseifung bezeichnet.

Die Verseifung ist ein Prozess, bei dem Fette, Öle oder Lipide durch die Einwirkung von wässrigem Alkali (z. B. NaOH) in Seife und Alkohol umgewandelt werden. Seifen sind Salze von Fettsäuren, die ihrerseits Carbonsäuren mit langen Kohlenstoffketten sind. Eine typische Seife ist Natriumoleat.

Verseifung von Fetten

Pflanzliche Öle und tierische Fette sind die traditionellen Stoffe, die verseift werden. Diese fetthaltigen Stoffe, Triester, auch Triglyceride genannt, sind Gemische aus verschiedenen Fettsäuren. Triglyceride können entweder in einem ein- oder zweistufigen Verfahren in Seife umgewandelt werden. Beim traditionellen einstufigen Verfahren wird das Triglycerid mit einer starken Base (z. B. Lauge) behandelt, die die Esterbindung spaltet und Fettsäuresalze (Seifen) und Glycerin freisetzt. Dieses Verfahren ist auch die wichtigste industrielle Methode zur Herstellung von Glycerin. Bei einigen Seifenherstellungsmethoden wird das Glycerin in der Seife belassen. Falls erforderlich, können die Seifen durch Aussalzen mit Natriumchlorid ausgefällt werden.

Skelettformel von Stearin, einem Triglycerid, das durch Verseifung mit Natriumhydroxid in Glycerin und Seife umgewandelt wird.

Das Fett einer Leiche wird in Adipocere umgewandelt, das oft als "Grabwachs" bezeichnet wird. Dieser Prozess kommt häufiger vor, wenn die Menge des Fettgewebes hoch ist und die Zersetzungsstoffe nicht oder nur in geringem Maße vorhanden sind.

Ursprünglich bezeichnete die Verseifung lediglich die basische Esterhydrolyse von Triglyceriden, z. B. tierischen Fetten oder pflanzlichen Ölen, mit Laugen, ursprünglich Soda, heute vornehmlich Natronlauge oder Kalilauge, in der Seifensiederei. Dabei entstehen der dreiwertige Alkohol Glycerin und die jeweiligen Alkalisalze der in den Fetten verestert vorkommenden Fettsäuren. Die Salze der Fettsäuren werden Seifen genannt. Die Verseifung mit Natronlauge liefert Kernseife (eine Natriumseife), also Natriumsalze von Fettsäuren (R1 bis R3 = langkettige Alkylgruppe oder Alkenylgruppe von Fettsäuren):

Bei der Verseifung mit Kalilauge entsteht Schmierseife – eine Kaliumseife, also die Kaliumsalze von Fettsäuren.

Eine chemische Kennzahl in der Fettanalytik ist die Verseifungszahl.

Aus dem Verseifungsansatz kann durch Extraktion mit Kohlenwasserstoffen das sogenannte Unverseifbare, das vornehmlich aus Sterinen besteht, gewonnen werden.

Verseifungswerte

Die Verseifungszahl ist die Menge an Base, die erforderlich ist, um eine Fettprobe zu verseifen. Seifenhersteller formulieren ihre Rezepturen mit einem kleinen Laugenmangel, um die unbekannte Abweichung des Verseifungswertes zwischen ihrer Ölcharge und den Durchschnittswerten des Labors auszugleichen.

Mechanismus der Basenhydrolyse

Die Verseifung gehört zum Additions-Eliminierungs-Mechanismus.

Verseifung Mechanismus ⓘ

Das Hydroxidion (1) greift den Ester 2 nucleophil an. Es bildet sich ein Orthocarbonsäuremonoester-Anion 3. Das Alkoholat-Ion 5 wird unter Bildung einer Carbonsäure 4 abgespalten. Abschließend: Protonenübergang von der Carbonsäure auf das Alkoholat-Ion unter Bildung der Carboxylatgruppe in 6 und des Alkohols 7 (irreversibler Schritt der Verseifung). Wenn das Hydroxidion (1) aus der Natronlauge stammt, ist ein Natrium-Kation das Gegenion von 6, ausgehend von Kalilauge würde sich analog Kaliumsalz der Carbonsäure bilden.

Durch anschließende Zugabe einer stärkeren Säure, z. B. verdünnter Schwefelsäure, zu 6 entsteht durch Protonierung die entsprechende Carbonsäure. Diese Protonierung ist jedoch nicht Teil der eigentlichen Verseifungsreaktion.

Das Hydroxidanion des Salzes reagiert mit der Carbonylgruppe des Esters. Das unmittelbare Produkt wird als Orthoester bezeichnet.

In einem klassischen Laborverfahren wird das Triglycerid Trimyristin durch Extraktion aus Muskatnuss mit Diethylether gewonnen. Die Verseifung zur Seife Natriummyristat erfolgt mit NaOH in Wasser. Die Behandlung der Seife mit Salzsäure ergibt Myristinsäure.

Verseifung von Fettsäuren

Die Reaktion von Fettsäuren mit Basen ist die andere Hauptmethode der Verseifung. In diesem Fall erfolgt die Reaktion durch Neutralisierung der Carbonsäure. Die Neutralisationsmethode wird zur Herstellung von Industrieseifen verwendet, z. B. von Seifen, die aus Magnesium, Übergangsmetallen und Aluminium gewonnen werden. Diese Methode ist ideal für die Herstellung von Seifen, die von einer einzigen Fettsäure abgeleitet sind, was zu Seifen mit vorhersehbaren physikalischen Eigenschaften führt, wie sie für viele technische Anwendungen erforderlich sind.

Anwendungen

Weiche versus harte Seife

Abhängig von der Art des bei der Herstellung verwendeten Alkalis haben Seifen unterschiedliche Eigenschaften. Natriumhydroxid (NaOH) ergibt "Hartseife"; Hartseifen können auch in Wasser verwendet werden, das Mg-, Cl- und Ca-Salze enthält. Im Gegensatz dazu sind Kaliumseifen (die mit KOH hergestellt werden) Weichseifen. Die Fettsäurequelle wirkt sich auch auf den Schmelzpunkt der Seife aus. Die meisten frühen Hartseifen wurden aus tierischen Fetten und aus Holzasche extrahiertem KOH hergestellt; sie waren weitgehend fest. Die meisten modernen Seifen werden jedoch aus mehrfach ungesättigten Triglyceriden wie Pflanzenölen hergestellt. Wie bei den Triglyceriden, aus denen sie gebildet werden, haben die Salze dieser Säuren schwächere zwischenmolekulare Kräfte und damit niedrigere Schmelzpunkte.

Lithiumseifen

Lithiumderivate von 12-Hydroxystearat und anderen Fettsäuren sind wichtige Bestandteile von Schmierfetten. In Fetten auf Lithiumbasis dienen Lithiumcarboxylate als Verdickungsmittel. Üblich sind auch "Komplexseifen", d. h. Kombinationen aus mehreren Säuresalzen, wie z. B. Azelainsäure oder Essigsäure.

Feuerlöscher

Brände von Speisefetten und -ölen (klassifiziert als Klasse K (USA) oder F (Australien/Europa/Asien)) brennen heißer als die meisten brennbaren Flüssigkeiten, so dass ein Standard-Feuerlöscher der Klasse B unwirksam ist. Solche Brände sollten mit einem nasschemischen Feuerlöscher gelöscht werden. Diese Feuerlöscher sind für das Löschen von Speisefetten und -ölen durch Verseifung ausgelegt. Das Löschmittel wandelt die brennende Substanz schnell in eine nicht brennbare Seife um.

Ölfarben

Detail von Madame X (Madame Pierre Gautreau), John Singer Sargent, 1884, zeigt die Verseifung im schwarzen Kleid.

Bei Ölgemälden kann es im Laufe der Zeit zu Verseifungen kommen, die sichtbare Schäden und Verformungen verursachen. Ölfarben bestehen aus Pigmentmolekülen, die in einem Ölbindemittel suspendiert sind. Als Pigmentmoleküle werden häufig Schwermetallsalze verwendet, wie z. B. in Bleiweiß, Mennige und Zinkweiß. Wenn diese Schwermetallsalze mit freien Fettsäuren im Ölmedium reagieren, können sich in einer Farbschicht Metallseifen bilden, die dann nach außen auf die Oberfläche des Gemäldes wandern können.

Die Verseifung in Ölgemälden wurde bereits 1912 beschrieben. Es wird angenommen, dass sie weit verbreitet ist und in vielen Werken aus dem 15. bis 20. Jahrhundert, in Werken unterschiedlicher geografischer Herkunft und in Werken, die auf verschiedenen Untergründen wie Leinwand, Papier, Holz und Kupfer gemalt wurden, beobachtet wurde. Chemische Analysen können zeigen, dass die Verseifung in den tieferen Schichten eines Gemäldes stattfindet, bevor Anzeichen auf der Oberfläche sichtbar sind, selbst bei Jahrhunderte alten Gemälden.

Die verseiften Bereiche können die Oberfläche des Gemäldes verformen, indem sie sichtbare Klumpen oder Vorsprünge bilden, die das Licht streuen können. Diese Seifenklumpen können nur an bestimmten Stellen des Gemäldes und nicht überall sichtbar sein. In John Singer Sargents berühmtem Porträt der Madame X beispielsweise treten die Klumpen nur an den schwärzesten Stellen auf, was darauf zurückzuführen sein kann, dass der Künstler in diesen Bereichen mehr Medium verwendet hat, um die Tendenz der schwarzen Pigmente, sich damit vollzusaugen, zu kompensieren. Der Prozess kann auch zu kreideweißen Ablagerungen auf der Oberfläche eines Gemäldes führen, eine Verformung, die oft als "Ausblühen" oder "Effloreszenz" bezeichnet wird, und kann auch dazu beitragen, dass bestimmte Farbschichten eines Ölgemäldes mit der Zeit transparenter werden.

Die Verseifung tritt nicht bei allen Ölgemälden auf, und viele Details sind nicht geklärt. Gegenwärtig ist die einzige bekannte Restaurierungsmethode die Retusche.