Fontanelle
Fontanelle ⓘ | |
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Lateinisch | Fonticuli cranii |
Anatomische Terminologie [Bearbeiten auf Wikidata] |
Eine Fontanelle (oder Fontanel) (umgangssprachlich weicher Fleck) ist ein anatomisches Merkmal des menschlichen Säuglingsschädels, das aus weichen, membranartigen Lücken (Nähten) zwischen den Schädelknochen besteht, die die Schädeldecke eines Fötus oder eines Säuglings bilden. Fontanellen ermöglichen die Dehnung und Verformung des Neurokraniums sowohl während der Geburt als auch später, wenn sich das Gehirn schneller ausdehnt, als der umgebende Knochen wachsen kann. Die vorzeitige vollständige Verknöcherung der Nähte wird als Kraniosynostose bezeichnet. ⓘ
Nach dem Säuglingsalter wird die vordere Fontanelle als Bregma bezeichnet. ⓘ
Der Begriff Fontanelle (altfranz. „kleine Quelle“) wird heute vorwiegend als medizinisch-anatomischer Begriff gebraucht. Fontanelle bezeichnet dabei den noch nicht durch knöcherne oder knorpelige Strukturen umfassten Bereich des Schädels von Neugeborenen bzw. Säuglingen oder allgemeiner von neugeborenen Wirbeltieren. Sie ist eine fortlaufende Einheit aus inneren und äußeren häutigen Schichten am Schädel an Stellen ohne knöcherne oder knorpelige Schichten. Es sind Stellen, an denen mindestens drei Abdeckplatten des Schädels noch nicht vollständig aneinander angrenzen. ⓘ
Aufbau
Der neugeborene Mensch besitzt zwei unpaare Hauptfontanellen, die als große Fontanelle und kleine Fontanelle bezeichnet werden, sowie vier weitere, kleinere Fontanellen (jeweils paarige vordere und hintere Seitenfontanellen). ⓘ
Die rautenförmige große Fontanelle (Stirn-Fontanelle bzw. Fonticulus anterior) liegt dabei zentral auf dem Schädel. An dieser Stelle treffen jeweils die rechten und linken Stirnbeine (Ossa frontalia) sowie die Scheitelbeine (Ossa parietalia) bzw. Kranznaht (Sutura coronalis), Pfeilnaht (Sutura sagittalis) und Stirnnaht (Sutura frontalis) aufeinander (siehe auch Sutur). ⓘ
Die dreieckige kleine Fontanelle (Hinterhaupts-Fontanelle bzw. Fonticulus posterior) liegt am Hinterkopf, am Berührungspunkt der Scheitelbeine mit dem Hinterhauptsbein (Os occipitale) bzw. der Pfeilnaht mit der Lambdanaht (Sutura lambdoidea). ⓘ
Die hinteren Seitenfontanellen (Fonticulus mastoideus) liegen beiderseits des Kopfes zwischen dem Schläfen-, dem Scheitel- und dem Hinterhauptsbein. ⓘ
Die vorderen Seitenfontanellen (Fonticulus sphenoidalis) liegen ebenfalls beiderseits des Kopfes, zwischen Schläfen-, Stirn- und Scheitelbein sowie dem großen Keilbeinflügel. ⓘ
Die Fontanellen haben vor allem bei der Geburt eine wichtige Aufgabe: Gemeinsam mit der knorpeligen Auskleidung des Schädels ermöglichen sie durch Übereinanderschieben der Knochenplatten eine Deformation des Schädels während der Geburt und erleichtern damit den Durchtritt durch den Geburtskanal. Der endgültige Verschluss erfolgt bei der kleinen Fontanelle nach etwa zwei Monaten, bei der großen Fontanelle nach zwei Jahren. Die Seitenfontanellen schließen sich nach etwa einem Jahr. Bei verschiedenen Mangelerscheinungen, etwa Rachitis, dauert der Verschluss deutlich länger. Die vorzeitige Verknöcherung wird als Kraniosynostose (oder prämature Nahtsynostose) bezeichnet. Aufgrund der weichen Knochenplatten kann es in den ersten Lebensmonaten durch einseitige Lagerung des Säuglings zu einem asymmetrisch verformten Schädel (bzw. Plagiozephalie) oder zu einem flachen Hinterkopf (bzw. Brachycephalie) kommen, wobei der Plagiozephalus therapeutisch behandelt werden muss. ⓘ
Bei einigen Kindern mit Down-Syndrom (Trisomie 21) kommt es zur Ausbildung einer weiteren Öffnung auf der Naht (Sutura sagittalis) zwischen der großen und der kleinen Fontanelle, die auch als 3. Fontanelle bezeichnet wird. ⓘ
Brachyzephale Hunderassen (v. a. Chihuahua und Yorkshire Terrier) neigen zu zeitlebens persistierenden Fontanellen im Bereich des Schädeldaches. ⓘ
Der Schädel eines Säuglings besteht aus fünf Hauptknochen: zwei Stirnknochen, zwei Scheitelknochen und einem Hinterhauptbein. Diese sind durch faserige Nähte miteinander verbunden, die Bewegungen ermöglichen, die die Geburt und das Wachstum des Gehirns erleichtern. ⓘ
Schließung
Beim Menschen verläuft der Verschluss der Fontanelle in folgender Reihenfolge:
- Die hintere Fontanelle schließt sich im Allgemeinen 2 bis 3 Monate nach der Geburt;
- Die sphenoidale Fontanelle schließt sich als nächste etwa 6 Monate nach der Geburt;
- Die mastoidale Fontanelle schließt sich als nächstes 6 bis 18 Monate nach der Geburt; und
- Die vordere Fontanelle schließt sich im Allgemeinen als letzte zwischen 12 und 18 Monaten. ⓘ
Klinische Bedeutung
Die Fontanelle kann pulsieren, und obwohl die genaue Ursache dafür nicht bekannt ist, ist dies normal und scheint ein Echo des Herzschlags zu sein, vielleicht über den arteriellen Puls in den Hirngefäßen oder in den Hirnhäuten. Diese pulsierende Wirkung hat dem weichen Fleck seinen Namen gegeben - Fontanelle ist dem altfranzösischen Wort fontenele entlehnt, das eine Verkleinerungsform von fontaine ist und "Quelle" bedeutet. Man geht davon aus, dass der Begriff "Quelle" in Anlehnung an die Delle in einem Felsen oder in der Erde verwendet wird, aus der eine Quelle entspringt. ⓘ
Eltern können sich Sorgen machen, dass ihr Kind an den Fontanellen verletzungsanfälliger sein könnte. Tatsächlich ist die Membran, die die Fontanellen bedeckt, äußerst zäh und schwer zu durchdringen, auch wenn sie umgangssprachlich als "weiche Stellen" bezeichnet werden. ⓘ
Die Fontanellen ermöglichen es, das Gehirn des Säuglings mit Ultraschall abzubilden. Sind sie geschlossen, ist der größte Teil des Gehirns für die Ultraschalluntersuchung unzugänglich, da der knöcherne Schädel eine akustische Barriere darstellt. ⓘ
Störungen
Vorwölbung
Eine stark gespannte oder vorgewölbte vordere Fontanelle deutet auf einen erhöhten intrakraniellen Druck hin. Ein erhöhter Schädeldruck bei Säuglingen kann dazu führen, dass sich die Fontanellen wölben oder der Kopf beginnt, sich abnormal zu vergrößern. Dies kann auftreten aufgrund von:
- Enzephalitis - Schwellung (Entzündung) des Gehirns, meist aufgrund von Infektionen
- Hydrozephalus - eine Flüssigkeitsansammlung im Schädel
- Meningitis - Infektion der Hirnhäute
- Schüttelbaby-Syndrom ⓘ
Eingesunken
Eine eingesunkene (auch "abgesenkte") Fontanelle deutet auf Dehydrierung oder Unterernährung hin. ⓘ
Vergrößert
Die Fontanellen können vergrößert sein, sich nur langsam oder gar nicht schließen, meist aufgrund von Ursachen wie
- Down-Syndrom
- Hydrozephalus
- Intrauterine Wachstumsbeschränkung (IUGR)
- Frühgeburt ⓘ
Seltenere Ursachen sind:
- Achondroplasie
- Apert-Syndrom
- Cleidokraniale Dysostose
- Kongenitale Röteln
- Neonatale Hypothyreose
- Osteogenese imperfecta
- Rachitis ⓘ
Dritte
Manchmal gibt es bei Neugeborenen neben der hinteren und vorderen Fontanelle eine dritte, größere Fontanelle. In einer Studie betrug die Häufigkeit dritter Fontanellen in einer unselektierten Population von Neugeborenen 6,3 %. Sie ist sehr häufig bei Down-Syndrom und einigen angeborenen Infektionen. Wenn sie vorhanden ist, sollte der Arzt ernsthafte Erkrankungen ausschließen, die mit der dritten Fontanelle in Zusammenhang stehen. ⓘ
Andere Tiere
Primaten
Bei Menschenaffen verschmelzen die Fontanellen bald nach der Geburt. Bei Schimpansen ist die vordere Fontanelle im Alter von 3 Monaten vollständig geschlossen. ⓘ
Hunde
Eines der schwerwiegenderen Probleme, von denen Hunde betroffen sein können, ist die so genannte "offene Fontanelle", die auftritt, wenn sich die Schädelknochen am oberen Ende des Kopfes nicht schließen. Dieses Problem tritt häufig in Verbindung mit einem Hydrozephalus auf, bei dem sich zu viel Flüssigkeit im und um das Gehirn befindet und Druck auf das Gehirn und das umliegende Gewebe ausübt. Oft erscheint der Kopf kuppelförmig, und die offene Fontanelle ist als "weicher Fleck" auf dem Kopf des Hundes zu erkennen. Die mit Flüssigkeit gefüllten Hohlräume im Gehirn, die so genannten Ventrikel, schwellen ebenfalls an. Der erhöhte Druck schädigt oder verhindert die Entwicklung von Hirngewebe. ⓘ
Nicht alle offenen Fontanellen sind mit einem Hydrocephalus verbunden. Bei vielen jungen Hunden sind die Schädelknochen bei der Geburt nicht verschmolzen, sondern schließen sich langsam über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten. Gelegentlich schließen sich diese Knochen nicht, aber der Hund ist noch gesund. In diesen Fällen müssen die Hundebesitzer jedoch sehr vorsichtig sein, da Verletzungen oder Stöße am Kopf des Tieres zu erheblichen Hirnschäden und Erkrankungen wie Epilepsie führen können. ⓘ
Eine offene Fontanelle, bekannt als "Molera", ist ein anerkanntes Merkmal der Rasse Chihuahua. Der Rassestandard des American Kennel Club besagt, dass der Schädel des Chihuahuas gewölbt sein sollte, mit oder ohne Molera. Der Standard der Fédération Cynologique Internationale (FCI) für den Chihuahua führt jedoch eine offene Fontanelle als Disqualifikation auf. ⓘ
Zusätzliche Bilder
Säuglingsschädel. ⓘ