Trichterbrust
Pectus excavatum ⓘ | |
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Andere Namen | Trichterbrust, eingedellte Brust, eingesunkene Brust, konkave Brust, Brustloch |
Ein Beispiel für einen extrem schweren Fall von Pectus excavatum. | |
Fachgebiet | Orthopädie |
Beim Pectus excavatum handelt es sich um eine strukturelle Fehlbildung der vorderen Brustwand, bei der das Brustbein und der Rippenkorb abnormal geformt sind. Dies führt zu einem eingefallenen oder eingesunkenen Aussehen des Brustkorbs. Es kann entweder bei der Geburt vorhanden sein oder sich nach der Pubertät entwickeln. ⓘ
Pectus excavatum kann die Herz- und Atemfunktion beeinträchtigen und Schmerzen in Brust und Rücken verursachen. ⓘ
Betroffene können schwere negative psychosoziale Auswirkungen erfahren und vermeiden Aktivitäten, bei denen der Brustkorb exponiert ist. ⓘ
Klassifikation nach ICD-10 ⓘ | |
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Q67.6 | Pectus excavatum Angeborene Trichterbrust |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Als Trichterbrust (Pectus excavatum sive infundibulum) bezeichnet man eine Einsenkung der vorderen Wand des Brustkorbs. Der Bereich um das Brustbein ist dabei zur Wirbelsäule hin eingezogen. Die Trichterbrust geht mit Veränderungen in den Knorpelverbindungen zwischen Brustbein und Rippen einher. Die Trichterbrust (als Folge einer Rachitis) wird auch als Schusterbrust bezeichnet. ⓘ
Anzeichen und Symptome
Kennzeichnend für die Erkrankung ist ein eingesunkenes Brustbein. Die häufigste Form ist eine schalenförmige Einbuchtung, die das untere Ende des Brustbeins betrifft; eine breitere Einbuchtung, die die oberen Rippenknorpel betrifft, ist möglich. Die untersten Rippen können hervorstehen ("flared ribs"). Pectus excavatum-Defekte können symmetrisch oder asymmetrisch sein. ⓘ
Es können auch Brust- und Rückenschmerzen auftreten, die in der Regel muskuloskelettalen Ursprungs sind. ⓘ
In leichten Fällen ist die kardiorespiratorische Funktion normal, obwohl das Herz verlagert und/oder gedreht sein kann. In schweren Fällen kann der rechte Vorhof komprimiert sein, es kann ein Mitralklappenprolaps vorliegen, und die körperliche Leistungsfähigkeit kann aufgrund der verminderten Lungengrundkapazität eingeschränkt sein. ⓘ
Die psychologischen Symptome äußern sich in Gefühlen von Verlegenheit, sozialer Angst, Scham, eingeschränkter Aktivitäts- und Kommunikationsfähigkeit, Negativität, Intoleranz, Frustration und sogar Depression. ⓘ
Ursachen
Die Forscher sind sich über die Ursache des Pectus excavatum nicht sicher. Einige Forscher vertreten den Standpunkt, dass es sich um eine angeborene Störung (Geburtsfehler) handelt, die nicht genetisch bedingt ist. Andere gehen davon aus, dass es eine genetische Komponente gibt. Eine kleine Stichprobenuntersuchung ergab, dass zumindest in einigen Fällen 37 % der Personen ein betroffenes Familienmitglied ersten Grades haben. Seit 2012 wurden auch eine Reihe genetischer Marker für Pectus excavatum entdeckt. ⓘ
Jahrzehntelang glaubte man, dass ein Pectus excavatum durch ein Überwachsen des Rippenknorpels verursacht wird. Tatsächlich haben Menschen mit Pectus excavatum jedoch eher einen kürzeren als einen längeren Rippenknorpel im Verhältnis zur Rippenlänge. ⓘ
Ein Pectus excavatum kann auch bei anderen Erkrankungen auftreten, z. B. beim Noonan-Syndrom, Marfan-Syndrom und Loeys-Dietz-Syndrom sowie bei anderen Bindegewebserkrankungen wie dem Ehlers-Danlos-Syndrom. Viele Kinder mit spinaler Muskelatrophie entwickeln aufgrund ihrer Zwerchfellatmung einen Pectus excavatum. ⓘ
Die Ursachen der Trichterbrust sind unklar. Als Ursache wird weithin ein überschießendes Wachstum der Rippenknorpel angenommen; allerdings wird diese Annahme seit den 2010er Jahren in Zweifel gezogen. ⓘ
Pathophysiologie
Physiologisch werden ein erhöhter Druck in utero, Rachitis und ein erhöhter Zug auf das Brustbein aufgrund von Anomalien des Zwerchfells als spezifische Mechanismen postuliert. Da sich das Herz hinter dem Brustbein befindet und bei Personen mit Pectus excavatum sowohl in der radiologischen Bildgebung als auch bei Autopsien sichtbare Deformationen des Herzens festgestellt wurden, wurde die Hypothese aufgestellt, dass bei Personen mit Pectus excavatum eine Beeinträchtigung der Funktion des Herz-Kreislauf-Systems vorliegt. Während einige Studien eine verminderte kardiovaskuläre Funktion nachgewiesen haben, konnte auf der Grundlage neuerer physiologischer Tests wie der Echokardiographie kein Konsens über das Vorhandensein oder den Grad einer Beeinträchtigung der kardiovaskulären Funktion erzielt werden. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2016 ergab jedoch signifikante Hinweise darauf, dass die chirurgische Korrektur des Pectus excavatum die Herzleistung der Patienten verbessert. ⓘ
Diagnose
Der Verdacht auf Pectus excavatum ergibt sich zunächst aus der visuellen Untersuchung des vorderen Brustkorbs. Bei der Auskultation des Brustkorbs können ein verschobener Herzschlag und ein Klappenprolaps festgestellt werden. Während der Systole kann ein Herzgeräusch auftreten, das durch die Nähe zwischen Sternum und Pulmonalarterie verursacht wird. Die Lungengeräusche sind in der Regel deutlich, aber aufgrund der verminderten Basiskapazität der Lunge abgeschwächt. ⓘ
Es wurden viele Skalen entwickelt, um den Grad der Deformierung der Brustwand zu bestimmen. Bei den meisten dieser Skalen handelt es sich um Varianten, die den Abstand zwischen Brustbein und Wirbelsäule berücksichtigen. Ein solcher Index ist das Backer-Verhältnis, das den Schweregrad der Deformität auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen dem Durchmesser des Wirbelkörpers, der der xiphosternalen Verbindung am nächsten liegt, und dem Abstand zwischen der xiphosternalen Verbindung und dem nächstgelegenen Wirbelkörper bewertet. In jüngerer Zeit wird der Haller-Index auf der Grundlage von CT-Messungen verwendet. Ein Index über 3,25 wird häufig als schwerwiegend definiert. Der Haller-Index ist das Verhältnis zwischen dem horizontalen Abstand der Innenseite des Brustkorbs und dem kürzesten Abstand zwischen den Wirbeln und dem Sternum. ⓘ
Auch Röntgenaufnahmen des Brustkorbs sind für die Diagnose nützlich. Das Thoraxröntgenbild bei Pectus excavatum kann eine Trübung im rechten Lungenbereich zeigen, die fälschlicherweise für ein Infiltrat gehalten werden kann (wie bei einer Lungenentzündung). Einige Studien deuten auch darauf hin, dass der Haller-Index bei Personen, die keine Funktionseinschränkung haben, auf der Grundlage von Röntgenaufnahmen des Brustkorbs im Gegensatz zu CT-Scans berechnet werden kann. ⓘ
Das Pectus excavatum wird durch eine Reihe von Ausschlusskriterien von anderen Erkrankungen abgegrenzt. Ein Pectus carinatum wird durch die einfache Beobachtung eines Kollabierens des Brustbeins und nicht durch eine Vorwölbung ausgeschlossen. Eine Kyphoskoliose wird durch eine diagnostische Bildgebung der Wirbelsäule ausgeschlossen, wobei die Wirbelsäule beim Pectus excavatum in der Regel eine normale Struktur aufweist. ⓘ
Die Thoraxdeformität ist äußerlich sichtbar. Meist tritt sie bereits im ersten Lebensjahr auf, doch nimmt die Verformung bis zum Abschluss des Wachstums zu. Das komplette Ausmaß kann mittels CT sichtbar gemacht werden. Nach Folgeschäden wird mittels Lungenfunktionstest und EKG oder Echokardiografie gesucht. Zudem sollte die Wirbelsäule untersucht werden, z. B. durch Röntgen, um andere Krankheitsbilder auszuschließen. ⓘ
Behandlung
In leichten Fällen erfordert Pectus excavatum keine korrigierenden Maßnahmen. Die Behandlung schwerer Fälle kann entweder invasive oder nicht-invasive Techniken oder eine Kombination aus beidem umfassen. Vor einer Operation werden in der Regel mehrere Untersuchungen durchgeführt. Dazu gehören unter anderem eine Computertomographie, Lungenfunktionstests und kardiologische Untersuchungen (z. B. Auskultation und EKGs). Nach einer CT-Aufnahme wird der Haller-Index gemessen. Der Haller-Index des Patienten wird berechnet, indem das Verhältnis zwischen dem transversalen Durchmesser (dem horizontalen Abstand der Innenseite des Brustkorbs) und dem anteroposterioren Durchmesser (dem kürzesten Abstand zwischen den Wirbeln und dem Brustbein) ermittelt wird. Ein Haller-Index von mehr als 3,25 gilt im Allgemeinen als schwer, während ein normaler Brustkorb einen Index von 2,5 aufweist. Die kardiopulmonalen Tests dienen zur Bestimmung der Lungenkapazität und zur Überprüfung auf Herzgeräusche. ⓘ
Konservative Behandlung
Eine weitere konservative Behandlung besteht im Einsatz einer Orthese in Kombination mit durchzuführenden Körperübungen, ähnlich wie zur Behandlung der Kielbrust mit einer Kielbrustorthese, In Einzelfällen kann es zu einer Überkorrektur kommen, die einer weiteren Behandlung bedarf. Orthese, Körperübungen und Saugglocke werden auch in einer kombinierten Behandlung eingesetzt, allerdings ohne wissenschaftlichen Nachweis von Wirksamkeit oder Risiken einer solchen Behandlung. ⓘ
Die Brustwand ist elastisch und versteift sich mit zunehmendem Alter. Es wurden nicht-chirurgische Behandlungen entwickelt, die darauf abzielen, den Zustand des Pectus excavatum allmählich zu lindern, indem die Elastizität der Brustwand, einschließlich der Rippenknorpel, vor allem bei jungen Patienten genutzt wird. ⓘ
Bewegung
Körperliche Bewegung spielt bei der konservativen Behandlung des Pectus excavatum eine wichtige Rolle, wird jedoch nicht als Mittel zur alleinigen Behebung des Leidens angesehen. Sie wird eingesetzt, um das Fortschreiten eines leichten oder mittelschweren Pectus excavatum aufzuhalten oder zu verlangsamen und als ergänzende Behandlung, um eine schlechte Körperhaltung zu verbessern, Sekundärkomplikationen zu vermeiden und einen Rückfall nach der Behandlung zu verhindern. ⓘ
Die Übungen zielen darauf ab, die Körperhaltung zu verbessern, die Rücken- und Brustmuskulatur zu stärken und die körperliche Belastbarkeit zu erhöhen, wobei im Idealfall auch die Ausdehnung des Brustkorbs verbessert wird. Zu den Pektusübungen gehören Übungen zur Tiefenatmung und zum Anhalten des Atems sowie ein Krafttraining für die Rücken- und Brustmuskulatur. Zusätzlich werden aerobe Übungen zur Verbesserung der kardiopulmonalen Funktion eingesetzt. ⓘ
Vakuumglocke
Eine Alternative zur Operation, die Vakuumglocke, wurde 2006 beschrieben; das Verfahren wird auch als Saugnapfbehandlung bezeichnet. Sie besteht aus einem schalenförmigen Gerät, das über die eingesunkene Stelle gestülpt wird; die Luft wird dann mit einer Handpumpe abgesaugt. Der dadurch entstehende Unterdruck hebt das Brustbein nach oben, wodurch sich die Schwere der Deformierung verringert. Diese Methode wurde als Alternative zur Operation in weniger schweren Fällen vorgeschlagen. Sobald der Defekt visuell verschwunden ist, muss die Vakuumglocke zwei weitere Jahre lang verwendet werden, um eine möglicherweise dauerhafte Korrektur zu erreichen. Die Behandlung in Kombination mit krankengymnastischen Übungen wird von einigen als "vielversprechende und nützliche Alternative" zur Operation angesehen, sofern der Brustkorb flexibel ist; die Dauer der erforderlichen Behandlung hängt nachweislich "direkt mit dem Alter, dem Schweregrad und der Häufigkeit der Anwendung" zusammen. Langzeitergebnisse liegen noch nicht vor. ⓘ
Eine im Journal of Pediatric Surgery veröffentlichte Studie eines einzigen Zentrums ergab, dass die Vakuumglockentherapie bei zwanzig Prozent der Patienten zu einer ausgezeichneten Korrektur führte, aber "kein Ersatz für das Nuss-Verfahren ist, mit dem bei 90 Prozent der Patienten ein ausgezeichnetes Ergebnis erzielt werden kann". Zu den Variablen, die ein ausgezeichnetes Ergebnis vorhersagen, gehören Alter ≤ 11 Jahre, Brustwandtiefe ≤ 1,5 cm, Brustwandflexibilität und Verwendung der Vakuumglocke über 12 aufeinander folgende Monate. ⓘ
In einem Artikel der Zeitschrift Interactive Cardiovascular and Thoracic Surgery wird festgestellt, dass die Behandlung mit der Vakuumglocke eine sichere Methode zur nicht-operativen Korrektur der Deformität ist. Die Behandlung hat nachweislich höhere Erfolgsraten bei Patienten, die früher vorgestellt werden, eine leichte und/oder symmetrische Deformität, eine flexible Brustwand und eine fehlende Rippenerweiterung haben. ⓘ
Die Vakuumglocke kann auch zur Vorbereitung auf eine Operation eingesetzt werden. ⓘ
Orthesen
Der brasilianische Orthopäde Sydney Haje entwickelte ein nicht-chirurgisches Protokoll zur Behandlung des Pectus carinatum und des Pectus excavatum. Bei dieser Methode wird eine Kompressionsorthese getragen und ein Übungsprotokoll befolgt. ⓘ
Leichte Fälle wurden Berichten zufolge auch mit korsettartigen orthopädischen Stützwesten und Übungen behandelt. ⓘ
Thoraxchirurgie
Der beste chirurgische Ansatz zur Korrektur des Pectus excavatum ist umstritten. Für den Chirurgen ist es wichtig, den geeigneten operativen Ansatz auf der Grundlage der individuellen Merkmale des Patienten zu wählen. Es hat sich gezeigt, dass eine chirurgische Korrektur alle funktionellen Symptome beheben kann, die bei dieser Erkrankung auftreten können, wie z. B. Atemprobleme oder Herzgeräusche, vorausgesetzt, es sind nicht bereits dauerhafte Schäden durch einen extrem schweren Fall entstanden. Die chirurgische Korrektur des Pectus excavatum verbessert nachweislich die kardiovaskuläre Funktion erheblich; ob sie auch die Lungenfunktion verbessern kann, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Eine der beliebtesten Techniken zur Behebung des Pectus excavatum ist heute die minimalinvasive Operation, auch bekannt als MIRPE- oder Nuss-Technik. ⓘ
Magnetisches Mini-Mover-Verfahren
Das magnetische Mini-Mover-Verfahren (3MP) ist ein minimalinvasives Verfahren zur Korrektur des Pectus excavatum, bei dem das Brustbein mit Hilfe von zwei Magneten wieder an den Rest des Brustkorbs und des Brustkorbs angepasst wird. Ein Magnet wird 1 cm in den Körper des Patienten am unteren Ende des Brustbeins eingeführt, der andere wird außen an einer individuell angepassten Klammer angebracht. Diese beiden Magnete erzeugen etwa 0,04 Tesla (T), um das Brustbein über mehrere Jahre hinweg langsam nach außen zu bewegen. Das maximale Magnetfeld, das gefahrlos auf den Körper einwirken kann, beträgt etwa 4 T, so dass diese Technik aus magnetischer Sicht sicher ist. Die Hauptvorteile der 3MP-Technik bestehen darin, dass sie kostengünstiger ist als größere chirurgische Eingriffe wie das Nuss-Verfahren und dass sie postoperativ wesentlich weniger Schmerzen verursacht. ⓘ
Ihre Wirksamkeit ist auf jüngere Kinder in der frühen bis mittleren Pubertät beschränkt, da ältere Menschen weniger nachgiebige (flexible) Brustwände haben. Eine mögliche unerwünschte Wechselwirkung mit anderen medizinischen Geräten ist die mögliche Inaktivierung von künstlichen Herzschrittmachern, falls vorhanden. ⓘ
Ravitch-Technik
Die Ravitch-Technik ist ein invasiver Eingriff, der 1949 eingeführt und in den 1950er Jahren weiterentwickelt wurde. Dabei wird ein Einschnitt entlang des Brustkorbs vorgenommen, durch den der Knorpel entfernt und das Brustbein abgelöst wird. Unter dem Brustbein wird eine kleine Stange eingesetzt, um es in der gewünschten Position zu halten. Der Steg wird so lange implantiert, bis der Knorpel nachgewachsen ist, was in der Regel etwa sechs Monate dauert. Anschließend wird der Steg in einem einfachen ambulanten Eingriff entfernt; diese Technik ist also ein zweizeitiges Verfahren. ⓘ
Die Ravitch-Technik wird wegen des hohen Eingriffs nicht häufig angewandt. Sie wird häufiger bei älteren Menschen angewandt, wenn das Brustbein verkalkt ist, wenn die Deformität asymmetrisch ist oder wenn das weniger invasive Nuss-Verfahren erfolglos war. ⓘ
Nuss-Verfahren
Bei der sogenannten „Nuss-OP“, die erstmals 1998 von Donald Nuss beschrieben wurde, wird durch zwei kleine Schnitte an den Seiten unter den Achseln ein individuell ausgemessener und vorgebogener Metallbügel unter das Brustbein geschoben. Dieser drückt das eingesunkene Brustbein und die betroffenen Rippen nach außen. Der Bügel wird seitlich fixiert. In manchen Fällen werden auch zwei oder drei Bügel eingebracht. Das Ergebnis ist sofort sichtbar. ⓘ
Meist bleibt der Bügel für zwei bis drei Jahre im Körper und wird dann operativ entfernt; bei älteren Patienten ist eine längere Zeit erforderlich. Seit 1999 wird die Methode auch in Deutschland durchgeführt. Aufgrund der kleinen Narben ziehen viele Patienten diese Methode der offenen Methode nach Mark Michael Ravitch vor. ⓘ
Die minimalinvasive Trichterbrust-Korrekturmethode wurde von Rokitansky methodisch, unter anderem durch Kerbungen des Brustbeines, thorakoskopische Schlitzungen der Rippenknorpel und durch die Verwendung eines einstückigen Stützimplantates (Metallbügel), wo es zu keinem Metallabrieb im Körper kommt, weiterentwickelt. ⓘ
Im Jahr 1987 führte Donald Nuss vom Children's Hospital of The King's Daughters in Norfolk, Virginia, die erste minimal-invasive Reparatur des Pectus excavatum (MIRPE) durch und stellte sie viel später auf einer Konferenz im Jahr 1997 vor. ⓘ
Bei seinem Verfahren, das allgemein als Nuss-Verfahren bekannt ist, werden eine oder mehrere konkave Stahlstangen in den Brustkorb unterhalb des Brustbeins eingeführt. Die Stange wird in eine konvexe Position gekippt, so dass sie das Brustbein nach außen drückt und die Deformität korrigiert. Der Stab verbleibt in der Regel etwa zwei Jahre im Körper, obwohl viele Chirurgen inzwischen dazu übergehen, ihn bis zu fünf Jahre im Körper zu belassen. Wenn sich die Knochen verfestigt haben, wird der Steg in einer ambulanten Operation entfernt. Obwohl das Verfahren ursprünglich für jüngere Kinder (unter 10 Jahren) entwickelt wurde, deren Brustbein und Knorpel flexibler sind, gibt es erfolgreiche Nuss-Behandlungsserien bei Patienten im Teenageralter und in den Zwanzigern. Das Nuss-Verfahren ist ein zweizeitiges Verfahren. ⓘ
Robicsek-Technik
1965 entwickelte Francis Robicsek am Charlotte Memorial Hospital, dem heutigen Carolinas Medical Center in Charlotte, North Carolina, das Robicsek-Verfahren. Das Verfahren wird jedes Mal individuell auf das Ausmaß und die Lage der Deformität des Patienten zugeschnitten. Die Operation beginnt mit einem maximal 4-6 Zentimeter langen Schnitt am Brustbein. Anschließend wird der große Brustmuskel (Pectoralis major) vom Brustbein abgelöst. Anhand der oberen Begrenzung der Sternumvertiefung werden die deformierten Knorpel nacheinander mit scharfen und stumpfen Schnitten entfernt. Die untere Spitze des Brustbeins wird dann mit einer Handtuchklammer gefasst und durch stumpfes Abschneiden von Gewebeverbindungen mit dem Herzbeutel und dem Brustfell befreit. Das Sternum wird dann mit Gewalt nach vorne in eine korrigierte Position gebogen. Um das Sternum aufrecht zu halten, wird ein Stück Netz unter das mobilisierte Sternum gelegt und unter mäßiger Spannung beidseitig an den Rippenstümpfen vernäht. Die Pectoralis-Muskeln werden vor dem Brustbein zusammengeführt und die Wunde wird verschlossen. Das Robicsek-Verfahren ist ein einzeitiger Eingriff (nur eine Operation). ⓘ
Der angebliche Vorteil dieser Technik besteht darin, dass sie weniger invasiv ist als die Ravitch-Technik, aber Kritiker haben darauf hingewiesen, dass die Rückfallquote aufgrund des Gedächtnisphänomens von Knorpel und Knochen hoch sein kann. ⓘ
Taulinoplastik
Im Jahr 2016 veröffentlichte Carlos Bardají, ein Kinderchirurg aus Barcelona, zusammen mit Lluís Cassou, einem Biomedizintechniker, eine Arbeit, in der ein extrathorakales chirurgisches Verfahren zur Korrektur des Pectus excavatum, die Taulinoplastik, beschrieben wurde. Für diesen Eingriff wurden ein speziell konzipiertes Implantat und eine Zugvorrichtung entwickelt. ⓘ
Bei der Taulinoplastik wird an der tiefsten Stelle des Defekts ein kleines Loch in das Brustbein gebohrt und eine Doppelschraube in das Loch getrieben. Dann wird ein Implantat aus rostfreiem Stahl unter der Haut auf dem Brustbein und den Rippen platziert, zentriert über der Doppelschraube. Anschließend wird das Brustbein mit Hilfe von Zuginstrumenten an der Doppelschraube angehoben, wobei das Implantat und die Rippen als Zugmittel dienen. Anschließend wird das Implantat mit zusätzlichen Schrauben auf dem Sternum befestigt, um das Sternum in der gewünschten Position zu halten. Optional kann ein rostfreier Stahldraht um das Implantat und die Rippen gewickelt werden, um das Implantat zusätzlich zu sichern. ⓘ
Wie bei der Nuss-Operation ist auch bei der Taulinoplastik nach einigen Jahren ein Folgeeingriff erforderlich, um die implantierten Teile zu entfernen, sobald das Brustbein seine neue Position dauerhaft eingenommen hat. ⓘ
Das Implantat und die dazugehörige Hardware, die bei der Taulinoplastik verwendet werden, sind ein geschütztes Produkt von Ventura Medical Technologies und werden als Operationskit unter dem Markennamen Pectus UP vermarktet. ⓘ
Die Taulinoplastik wurde als Alternative zum Nuss-Verfahren entwickelt, bei dem die Risiken und Nachteile eines Eingriffs am Brustkorb entfallen. Insbesondere haben die Patienten in der Regel kürzere Operations- und Erholungszeiten und weniger postoperative Schmerzen als beim Nuss-Verfahren. ⓘ
Mittels Krankengymnastik kann die Fehlhaltung korrigiert werden, die Trichterbrust jedoch nicht. Folgeschäden kann man eingrenzen oder gar verhindern, indem die Rückenmuskulatur trainiert wird, um der Fehlbelastung der Bandscheiben entgegenzuwirken. ⓘ
Die Indikation zur operativen Korrektur der Trichterbrust ergibt sich aus der psychischen und körperlichen Beeinträchtigung durch die Fehlbildung. Die vorgeschlagenen Maßnahmen können auf einen Umbau der Brustwand (Nuss, Ravitch) oder die bloße Korrektur eines ästhetischen Defekts (3D-Implantat nach Maß) zielen. Operationen nach Nuss oder Ravitch werden in der Regel durch Kinderchirurgen oder Thoraxchirurgen ausgeführt, 3D-Implantate auch durch plastische Chirurgen. ⓘ
Plastische Chirurgie
Implantate
Das Implantat ermöglicht die Behandlung des Pectus excavatum aus rein morphologischer Sicht. Es wird heute als Referenzverfahren eingesetzt, da es einfach, zuverlässig und minimalinvasiv ist und gleichzeitig ästhetisch ansprechende Ergebnisse liefert. Dieses Verfahren erhebt jedoch nicht den Anspruch, bestehende Herz- und Atemprobleme zu korrigieren, die in sehr seltenen Fällen durch den Pectus excavatum ausgelöst werden können. Bei weiblichen Patienten kann die möglicherweise daraus resultierende Asymmetrie der Brust durch dieses Verfahren teilweise oder vollständig korrigiert werden. ⓘ
Das Verfahren zur Herstellung eines Gipsmodells direkt auf der Haut des Brustkorbs der Patientin kann für die Planung der Implantate verwendet werden. Die Entwicklung der medizinischen Bildgebung und des CAD (computergestütztes Design) ermöglicht es heute, maßgeschneiderte 3D-Implantate direkt vom Brustkorb aus zu entwerfen, die daher viel präziser sind, sich leichter subkorporal einsetzen lassen und perfekt an die Form jedes Patienten angepasst sind. Die Implantate bestehen aus medizinischem Silikonkautschuk, der alterungsbeständig und unzerbrechlich ist (anders als das in Brustimplantaten verwendete Silikongel). Sie halten ein Leben lang (außer im Falle von Nebenwirkungen) und sind äußerlich nicht sichtbar. ⓘ
Die Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt und dauert etwa eine Stunde. Der Chirurg setzt einen etwa sieben Zentimeter langen Schnitt, bereitet den individuellen Platz in der Brust vor, setzt das Implantat tief unter dem Muskel ein und verschließt dann den Schnitt. Der postoperative Krankenhausaufenthalt beträgt in der Regel etwa drei Tage. ⓘ
Die Genesung nach dem Eingriff erfordert in der Regel nur eine leichte Schmerzlinderung. Nach dem Eingriff ist für einige Tage ein Verband und für einen Monat eine Kompressionsweste erforderlich. Nach einer Woche wird ein Kontrolltermin zur Punktion des Seroms durchgeführt. Wenn der Eingriff ohne größere Komplikationen verläuft, kann der Patient seine normalen Aktivitäten schnell wieder aufnehmen und nach 15 Tagen zur Arbeit gehen und nach drei Monaten wieder Sport treiben. ⓘ
Das Implantat verbleibt lebenslang, jedoch existieren noch keine langfristigen Resultate. Ebenso fehlen klinische Studien, die dieses Verfahren mit den älteren und etablierten Verfahren vergleichen, die ohne Implantat auskommen. ⓘ
Lipofilling
Bei der "Lipofilling"-Technik wird dem Patienten mit einer Spritze und einer großkalibrigen Nadel Fett entnommen (in der Regel am Bauch oder an den Oberschenkelaußenseiten), und die Fettzellen werden nach dem Zentrifugieren unter die Haut in die zu füllenden Hohlräume injiziert. Diese Technik wird vor allem zur Korrektur kleinerer Defekte eingesetzt, die nach einer konventionellen chirurgischen Behandlung fortbestehen können. ⓘ
Epidemiologie
Das Pectus excavatum tritt bei schätzungsweise 1 von 150 bis 1 von 1000 Geburten auf, wobei Männer überwiegen (Verhältnis von Männern zu Frauen 3:1). In 35 % bis 45 % der Fälle sind Familienmitglieder betroffen. ⓘ
Etymologie
Pectus excavatum kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "ausgehöhlter Brustkorb". Es wird manchmal auch als Hohlbrustsyndrom, Schustertruhe oder Trichterbrust bezeichnet. ⓘ
Gesellschaft
Der amerikanische Olympia-Schwimmer Cody Miller (geb. 1992) entschied sich gegen eine Behandlung des Pectus excavatum, obwohl er dadurch in seiner Lungenkapazität eingeschränkt war. Er hat 2016 eine Goldmedaille gewonnen. Der Schauspieler Joel Kinnaman unterzog sich vor den Dreharbeiten zu Altered Carbon einem chirurgischen Eingriff, bei dem zwei Metallstangen eingesetzt wurden, um das Brustbein nach außen zu drücken und so die Fehlbildung zu korrigieren. Der englische Komiker und Moderator Josh Widdicombe und der YouTuber/Streamer Ludwig Ahgren sind dafür bekannt, dass sie diese Krankheit haben. Zachary Woods ist ein weiterer beliebter amerikanischer Schauspieler, der an Pectus excavatum leidet, was in seiner Szene ohne Hemd in einer Folge von The Office (Staffel 8, Folge 12) zu sehen ist. ⓘ
Bei Tieren
Pectus excavatum kann auch bei Tieren auftreten, z. B. bei der Katzenrasse Munchkin. Einige Verfahren, die bei Tieren zur Behandlung des Pectus excavatum eingesetzt werden, wurden bei Menschen nicht angewandt, z. B. die Verwendung eines Gipses mit um das Brustbein gewickelten Nähten und die Verwendung von internen und externen Schienen. Diese Techniken werden im Allgemeinen bei unreifen Tieren mit flexiblem Knorpel angewendet. ⓘ
Häufigkeit
Die Inzidenz beträgt etwa 1 : 300 bis 1 : 400 Geburten. Jungen sind dreimal häufiger betroffen als Mädchen. Eine familiäre Häufung wird in 35 % der Fälle beobachtet. Die Trichterbrust tritt ebenfalls gehäuft beim Marfan-Syndrom, dem Poland-Syndrom und dem Fetalen Alkoholsyndrom auf. ⓘ
Folgen
Je nach Grad der Ausprägung können die Funktionen von Herz und Lunge beeinträchtigt sein, auch körperliche Fehlhaltungen treten auf. Dabei sind die Schultern meist nach vorne geneigt und hängen leicht, der Rücken weist eine Kyphose (Buckel) auf, der Bauch tritt hervor. Erhöhter Druck im Abdomen (Bauch) belastet die Cardia und kann eine chronische Refluxösophagitis zur Folge haben. ⓘ
Saugglocke
Mittels einer Saugglocke soll durch regelmäßige Anwendung der Brustkorb langsam angehoben werden. Diese Methode ist relativ neu, eine Langzeitstudie wurde in der Universitätsklinik in Jena durchgeführt. Diese Saugglocke muss täglich eine Stunde verwendet werden und das über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Anwender und die Herstellerfirma halten es für möglich, dass die Saugglocke die operative Behandlung in Zukunft für einige Patienten überflüssig machen kann. ⓘ
Die Dauer der Behandlung, die für eine Verringerung der Tiefe des Trichters erforderlich ist, hängt davon ab, wie alt der Patient ist, wie ausgeprägt die Symptome sind und wie häufig die Saugglocke verwendet wird. Ob allerdings ein durch eine Saugglockenbehandlung erzieltes Ergebnis langfristig bestehen bleibt, ist mangels Langzeitergebnissen noch nicht bekannt. ⓘ
Offene Operation
Die Techniken gehen auf Mark Ravitch oder Fritz Rehbein und Hans Hellmut Wernicke zurück. ⓘ
Bei der Operation wird der Brustkorb durch einen mehrere Zentimeter langen vertikalen Schnitt (bei Männern) oder horizontalen Schnitt (bei Frauen) geöffnet. Anschließend werden die deformierten Rippen vom Brustbein abgetrennt. Knorpelanteile der deformierten Rippen werden entfernt. Das Brustbein wird angesägt, danach angehoben und mit Metallbügeln fixiert. Danach wird der Brustkorb wieder geschlossen. ⓘ
Die in Erlangen von Hans Peter Hümmer weiterentwickelte Operation (Minimalisierte Erlanger Korrekturmethode, MEK) verzichtet weitestgehend auf das vollständige Abtrennen der Rippen. Stattdessen werden die Rippen am Ansatz zum Brustbein nur angekerbt. Mit dem Tensiometer wird dabei die Spannung gemessen, die zur Hebung des Brustbeins notwendig ist. Im Vergleich zu anderen Operationsmethoden wesentlich schonender, verkürzt dieses Verfahren die postoperative Liegezeit. Es ist das derzeit einzige, das Langzeitergebnisse nach mehreren Jahrzehnten vorweisen kann und sowohl bei symmetrischen als auch asymmetrischen Brustwanddeformitäten anwendbar ist. ⓘ