Justitia
Justitia (lateinisch: iustitia) ist die Göttin der Gerechtigkeit. Während sie in der alten römischen Mythologie für die ausgleichende Gerechtigkeit steht und damit in Darstellung und Wesen eng mit der Aequitas verwandt ist, wird sie seit der augusteischen Zeit im Rahmen der Interpretatio Romana mit den griechischen mythischen Prosopopoiieen Dike und Themis vermengt. Themis verkörpert bei den antiken Griechen eher die durch althergebrachte, göttliche Ordnung bestehende Gerechtigkeit, Dike dagegen eher die strafende, rächende Gerechtigkeit. Diese letztere Zuschreibung wirkt in das christliche Mittelalter und die Neuzeit nach, wo die Justitia in Kunst und Literatur für die strafende Gerechtigkeit oder das Rechtswesen steht. ⓘ
Lady Justice (lateinisch: Iustitia) ist eine allegorische Personifikation der moralischen Kraft in Rechtssystemen. Ihre Attribute sind eine Waage, ein Schwert und manchmal eine Augenbinde. Sie erscheint oft als Paar mit Prudentia. ⓘ
Die Göttin Justitia
Der Ursprung von Lady Justice war Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit in der römischen Mythologie. Justitia wurde von Kaiser Augustus eingeführt und war somit keine sehr alte Gottheit im römischen Pantheon. ⓘ
Gerechtigkeit war eine der Tugenden, die Kaiser Augustus in seinem clipeus virtutis feierte, und Kaiser Tiberius errichtete in Rom einen Tempel der Iustitia. Iustitia wurde zu einem Symbol für die Tugend der Gerechtigkeit, mit der jeder Kaiser sein Regime in Verbindung bringen wollte; Kaiser Vespasian prägte Münzen mit dem Bild der Göttin, die auf einem Thron namens Iustitia Augusta sitzt, und viele Kaiser nach ihm benutzten das Bild der Göttin, um sich selbst als Beschützer der Gerechtigkeit zu verkünden. ⓘ
Obwohl sie offiziell als Göttin bezeichnet wurde und über einen eigenen Tempel und ein Kultheiligtum in Rom verfügte, wurde sie offenbar von Anfang an eher als künstlerische, symbolische Personifikation denn als tatsächliche Gottheit mit religiöser Bedeutung angesehen. ⓘ
Darstellung
Die Personifizierung der Gerechtigkeit, die die Waage ausbalanciert, geht auf die Göttin Maat und später Isis im alten Ägypten zurück. Die hellenischen Gottheiten Themis und Dike waren später Göttinnen der Gerechtigkeit. Themis war die Verkörperung der göttlichen Ordnung, des Gesetzes und der Sitte, in ihrem Aspekt als Personifizierung der göttlichen Gerechtigkeit des Gesetzes. ⓘ
Waage
Lady Justice wird meist mit einer Waage dargestellt, die sie in der Regel an einer Hand aufhängt und mit der sie die Stärke der Befürworter und Gegner eines Falles misst. ⓘ
Die griechische Göttin Dike wird mit einer Waage dargestellt. ⓘ
Bacchylides, Fragment 5 (trans. Campbell, Bd. Griechische Lyrik IV) (griechische Lyrik um 5 v. Chr.):
Wenn ein Gott die Waage der Dike (Gerechtigkeit) in der Hand gehalten hätte. ⓘ
Die Waage steht für das Abwägen von Beweisen, und der Waage fehlt ein Fundament, um zu verdeutlichen, dass die Beweise auf sich selbst gestellt sein sollten. ⓘ
Augenbinde
Seit dem 16. Jahrhundert wird die Göttin der Gerechtigkeit oft mit einer Augenbinde abgebildet. Ursprünglich war die Augenbinde ein satirischer Zusatz, der zeigen sollte, dass die Gerechtigkeit blind für das Unrecht ist, das ihr widerfährt. Im Laufe der Zeit wurde sie jedoch umgedeutet und steht heute für Unparteilichkeit, für das Ideal, dass die Gerechtigkeit ohne Rücksicht auf Reichtum, Macht oder einen anderen Status angewendet werden sollte. Auf den frühesten römischen Münzen wurde Justitia mit dem Schwert in der einen und der Waage in der anderen Hand, aber mit unbedeckten Augen dargestellt. Erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts wird Justitia üblicherweise als "blind" dargestellt. Die erste bekannte Darstellung der blinden Justitia ist die Statue von Hans Gieng von 1543 auf dem Gerechtigkeitsbrunnen in Bern. ⓘ
Anstelle des Janus-Ansatzes lassen viele Skulpturen die Augenbinde einfach ganz weg. So steht beispielsweise auf dem Old Bailey-Gerichtsgebäude in London eine Statue der Lady Justice ohne Augenbinde; in den Broschüren des Gerichtsgebäudes wird erklärt, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass die Lady Justice ursprünglich keine Augenbinde trug und dass ihre "jungfräuliche Gestalt" ihre Unparteilichkeit garantieren soll, was die Augenbinde überflüssig macht. Eine andere Variante besteht darin, eine Lady Justice mit verbundenen Augen als menschliche Waage darzustellen, die in jeder Hand konkurrierende Ansprüche abwägt. Ein Beispiel hierfür ist im Shelby County Courthouse in Memphis, Tennessee, zu sehen. ⓘ
Schwert
Das Schwert stand in der Antike für Autorität und vermittelte die Vorstellung, dass die Gerechtigkeit schnell und endgültig sein kann. ⓘ
Toga
Das griechisch-römische Kleidungsstück symbolisiert den Status der philosophischen Haltung, die Gerechtigkeit verkörpert. ⓘ
In Computersystemen
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Waage | |
Im Unicode | U+2696 ⚖ WAAGE |
In der Unicode-Version 4.1.0 wurde am Codepunkt U+2696 ein Waagensymbol eingeführt, das zur Darstellung der Waage der Gerechtigkeit verwendet werden kann. ⓘ
In der Kunst
Bildhauerei
Zentraler Strafgerichtshof oder Old Bailey, London, UK
Themis, vor dem Obersten Gerichtshof von Queensland, Brisbane, Queensland, Australien
Justitia im Gebäude des Obersten Gerichtshofs in Budapest, Ungarn.
Justitia, Teheraner Gerichtsgebäude, Teheran, Iran
Carl Spitzweg, 1857 ⓘ
Gemälde
Wappenkunde
Die Justitia und ihre Symbole werden in der Heraldik verwendet, insbesondere in den Wappen und Siegeln von Justizbehörden. ⓘ
Prudentia und Justitia als Unterstützer im Wappen von Landskrona ⓘ
Justitia hält eine Waage, $0,50 US-Fraktionswährung. ⓘ
Justitia in der römischen Mythologie
In der römischen Mythologie spielt sie nur an einer Stelle eine Rolle, und zwar im Mythos von den Weltaltern. Hier verlässt die mit Astraea identifizierte Justitia als Letzte der Himmlischen die von Verbrechen erfüllte Erde des Eisernen Zeitalters und kehrt in ihre überirdische Heimat zurück bzw. wird als Sternbild der Jungfrau an den Himmel versetzt. Eine direkte Entsprechung hat sie im griechischen Begriff der Dikaiosyne; iustitia wird von einigen Alten zu den Kardinaltugenden gezählt. ⓘ
Ikonographie
In der Antike entspricht ihre Darstellung derjenigen der Aequitas, d. h. ihre Attribute sind die Waage, mit deren Hilfe jedem das Seine zugemessen wird, und das Füllhorn, das den zu verteilenden Reichtum spendet. Die Formel „Jedem das Seine“ (suum cuique tribuere) geht auf Platons Politeia zurück, der sie von dem Dichter Simonides von Keos übernahm. Cicero prägte den Begriff derart entscheidend, dass er in der Rechtsphilosophie des Abendlandes bestimmend werden sollte. Solche Darstellungen der Justitia/Aequitas erscheinen vielfach auf Münzen der Kaiserzeit, wo sie als Teil der politischen Propaganda den Kaiser in seiner Rolle als Spender materieller Sicherheit versinnbildlichen, der niemanden bevorzugt (weshalb der Waagbalken stets in waagrechter Stellung gezeigt wird). Schon Augustus schrieb sich in seinem Tatenbericht Res Gestae iustitia als eine von vier Herrschertugenden zu – neben virtus („Mannhaftigkeit“), clementia „Milde“ und pietas („Frömmigkeit“). ⓘ
Wie andere Gottheiten wird sie häufig mit einem Diadem gezeigt, wie man auf einer Münze des Nero sieht, auf der Agrippina die Jüngere als Iustitia abgebildet ist. ⓘ
Heraldik
siehe Waage (Symbol) ⓘ