Iliosakralgelenk
Iliosakralgelenk ⓘ | |
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Einzelheiten | |
Bezeichnungen | |
Lateinisch | articulatio sacroiliaca |
Anatomische Terminologie [Bearbeiten auf Wikidata] |
Das Iliosakralgelenk oder SI-Gelenk (SIJ) ist das Gelenk zwischen dem Kreuzbein und den Darmbeinknochen des Beckens, die durch starke Bänder verbunden sind. Beim Menschen stützt das Kreuzbein die Wirbelsäule und wird seinerseits von einem Darmbein auf jeder Seite gestützt. Das Gelenk ist stark und trägt das gesamte Gewicht des Oberkörpers. Es handelt sich um ein ebenes Gelenk mit unregelmäßigen Erhebungen und Vertiefungen, die eine Verzahnung der beiden Knochen bewirken. Der menschliche Körper hat zwei Iliosakralgelenke, eines auf der linken und eines auf der rechten Seite, die oft übereinstimmen, aber von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sind. ⓘ
Aufbau
Bei den Iliosakralgelenken handelt es sich um paarige C- oder L-förmige Gelenke, die zwischen den Ohrmuscheln des Kreuzbeins und des Darmbeins liegen und sich ein wenig bewegen können (2-18 Grad, was derzeit noch umstritten ist). Die Gelenke sind von zwei verschiedenen Knorpelarten bedeckt: die Kreuzbeinfläche besteht aus hyalinem Knorpel und die Darmbeinfläche aus Faserknorpel. Die Stabilität des Iliosakralgelenks wird hauptsächlich durch eine Kombination aus nur wenigen knöchernen Strukturen und sehr starken intrinsischen und extrinsischen Bändern gewährleistet. Der Gelenkspalt beträgt normalerweise 0,5 bis 4 mm. ⓘ
Mit zunehmendem Alter verändern sich die Eigenschaften des Iliosakralgelenks. Zu Beginn des Lebens sind die Oberflächen des Gelenks flach oder eben, aber wenn wir anfangen zu laufen, entwickeln die Iliosakralgelenke deutliche Winkelausrichtungen und verlieren ihre ebene oder flache Topographie. Außerdem entwickeln sie eine erhöhte Kante entlang der Iliakalfläche und eine Vertiefung entlang der Sakralfläche. Der Grat und die entsprechende Vertiefung erhöhen zusammen mit den sehr starken Bändern die Stabilität der Iliosakralgelenke und machen Verrenkungen sehr selten. Die Fossae lumbales laterales ("Venusgrübchen") entsprechen der oberflächlichen Topographie der Iliosakralgelenke. ⓘ
Bänder
Zu den Bändern des Iliosakralgelenks gehören die folgenden:
- Anteriores Iliosakralband
- Interossäres Iliosakralband
- Hinteres Iliosakralband
- Ligamentum sacrotuberosum
- Ligamentum sacrospinosum ⓘ
Das vordere Band ist eigentlich gar kein Band und stellt in den meisten Fällen nur eine leichte Verdickung der vorderen Gelenkkapsel dar. Das vordere Band ist dünn und nicht so gut ausgeprägt wie die hinteren Iliosakralbänder. ⓘ
Die hinteren Iliosakralbänder (SI-Bänder) lassen sich weiter in kurze (intrinsische) und lange (extrinsische) Bänder unterteilen. Die dorsalen interossären Bänder sind sehr starke Bänder. Sie sind oft stärker als der Knochen, so dass das Becken tatsächlich brechen kann, bevor das Band reißt. Zu den dorsalen Iliosakralbändern gehören sowohl lange als auch kurze Bänder. Die langen Bänder des dorsalen Iliosakralgelenks verlaufen schräg in vertikaler Richtung, während die kurzen (interossalen) Bänder senkrecht von kurz hinter den Gelenkflächen des Kreuzbeins zum Darmbein verlaufen und dafür sorgen, dass das Iliosakralgelenk nicht verrutscht oder sich öffnet. Die Ligamenta sacrotuberi und die Ligamenta sacrospinalis (auch als extrinsische Bänder des Iliosakralgelenks bezeichnet) begrenzen die Beugung des Kreuzbeins. ⓘ
Die Bänder des Iliosakralgelenks lockern sich während der Schwangerschaft durch das Hormon Relaxin; diese Lockerung ermöglicht zusammen mit der Lockerung der zugehörigen Schambeinfuge, dass sich die Beckengelenke während des Geburtsvorgangs weiten können. Die langen SI-Bänder können bei dünnen Personen auf Schmerzen ertastet und von einer Körperseite mit der anderen verglichen werden; die Zuverlässigkeit und Validität des Vergleichs der Bänder auf Schmerzen ist jedoch derzeit nicht erwiesen. Die Ligamenta interossea sind sehr kurz und verlaufen senkrecht von der Darmbeinfläche zum Kreuzbein; sie verhindern, dass sich die Ohrmuschelflächen abduzieren oder öffnen/verengen. ⓘ
Funktion
Wie bei den meisten Gelenken der unteren Extremitäten besteht eine der Funktionen des Iliosakralgelenks in der Stoßdämpfung für die Wirbelsäule (abhängig von der verfügbaren Bewegung des Iliosakralgelenks) sowie in der Umwandlung des Drehmoments, so dass die in der unteren Extremität stattfindenden Querdrehungen auf die Wirbelsäule übertragen werden können. Wie alle Gelenke der unteren Extremitäten verfügt auch das Iliosakralgelenk über einen "Selbstsperrmechanismus" (bei dem das Gelenk seine kongruenteste Position einnimmt oder einnimmt, auch "close pack position" genannt), der für die Stabilität während der Abstoßphase des Gehens sorgt. Das Gelenk verriegelt sich auf einer Seite (bzw. wird eng gepackt), wenn das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagert wird, und über das Becken wird das Körpergewicht vom Kreuzbein auf den Hüftknochen übertragen. ⓘ
Die Bewegungen des Iliosakralgelenks
- Anteriore Innominatkippung beider Hüftknochen auf dem Kreuzbein (bei der sich die linke und die rechte Seite als Einheit bewegen)
- Hintere Innominatkippung beider Hüftknochen am Kreuzbein (wobei sich links und rechts als Einheit bewegen)
- Anteriore Innominatkippung eines Hüftknochens, während der gegenüberliegende Hüftknochen am Kreuzbein nach hinten kippt (antagonistische Innominatkippung), die beim Gehen auftritt
- Sakralflexion (oder Nutation) Bewegungen des Kreuzbeins treten gleichzeitig mit Bewegungen des Darmbeins auf, so dass man bei der Beschreibung dieser Bewegungen als isolierte Bewegungen vorsichtig sein muss.
- Sakralextension (oder Gegennutation). ⓘ
Die Iliosakralgelenke sind wie alle Wirbelsäulengelenke (mit Ausnahme der Atlas-Axialgelenke) bikondyläre Gelenke, d. h. die Bewegung der einen Seite entspricht einer entsprechenden Bewegung der anderen Seite. ⓘ
Klinische Bedeutung
Entzündung und Funktionsstörung
Iliosakralentzündung bedeutet eine Entzündung eines oder beider Iliosakralgelenke und ist eine Ursache für Schmerzen im unteren Rückenbereich. Bei einer Iliosakralentzündung kann der Betroffene je nach Ausmaß der Entzündung Schmerzen im unteren Rücken, im Gesäß oder im Oberschenkel verspüren. ⓘ
Häufige mechanische Probleme des Iliosakralgelenks werden oft als Iliosakralgelenksdysfunktion (auch SI-Gelenkdysfunktion; SIJD) bezeichnet. Eine Iliosakralgelenksdysfunktion bezieht sich im Allgemeinen auf Schmerzen im Bereich des Iliosakralgelenks, die durch eine abnorme Bewegung des Iliosakralgelenks verursacht werden - entweder durch zu viel oder zu wenig Bewegung. Typischerweise kommt es zu einer Entzündung des Iliosakralgelenks, der Sakroiliitis. ⓘ
Anzeichen und Symptome
Nachfolgend finden Sie Anzeichen und Symptome, die mit einem Problem des Iliosakralgelenks (SIJ) in Verbindung gebracht werden können:
- Eine mechanische Iliosakralgelenk-Dysfunktion verursacht in der Regel einen dumpfen, einseitigen Schmerz im unteren Rückenbereich.
- Oft handelt es sich um einen leichten bis mäßigen Schmerz im Bereich des Grübchens oder der hinteren oberen Darmbeinstachel (PSIS).
- Der Schmerz kann sich bei Tätigkeiten wie dem Aufstehen aus einer sitzenden Position oder dem Anheben des Knies in Richtung Brust beim Treppensteigen verschlimmern und stechend werden.
- Die Schmerzen treten typischerweise auf der einen oder anderen Seite auf (einseitiger PSIS-Schmerz), können aber gelegentlich auch beidseitig sein.
- Wenn die Schmerzen bei einer Iliosakralgelenk-Dysfunktion stark sind (was selten vorkommt), können sie in die Hüfte, die Leiste und gelegentlich in das Bein ausstrahlen, aber nur selten strahlen sie unter das Knie.
- Die Schmerzen können vom Iliosakralgelenk in das Gesäß oder die Rückseite des Oberschenkels und selten in den Fuß ausstrahlen.
- Schmerzen und Steifheit im unteren Rückenbereich, oft einseitig, die bei längerem Sitzen oder Gehen zunehmen.
- Beim Geschlechtsverkehr können Schmerzen auftreten, die jedoch nicht spezifisch für Probleme mit dem Iliosakralgelenk sind.
Die Dysfunktion des Iliosakralgelenks wird mit provokativen und nicht-provokativen Manövern getestet. Zu den nicht provokativen Iliosakralgelenk-Untersuchungsmanövern gehören der Gillet-Test, der Kniebeugungstest in Bauchlage, der Test im langen Sitzen in Rückenlage, der Stehbeugungstest und der Sitzbeugungstest. Es gibt keine Belege dafür, dass diese Mobilitätsmanöver des Iliosakralgelenks Bewegungsanomalien aufdecken. ⓘ
Angesichts der inhärenten technischen Beschränkungen der sichtbaren und tastbaren Zeichen dieser Iliosakralgelenksbeweglichkeitsmanöver wurde eine andere breite Kategorie klinischer Zeichen beschrieben, die so genannten Provokationsmanöver. Diese Manöver zielen darauf ab, Schmerzen zu reproduzieren oder zu verstärken, die vom Iliosakralgelenk ausgehen. Wenn die Provokationsmanöver Schmerzen entlang des typischen Bereichs reproduzieren, besteht der Verdacht auf eine Funktionsstörung des Iliosakralgelenks. Allerdings ist kein einzelner Test sehr zuverlässig bei der Diagnose einer Iliosakralgelenksdysfunktion. Schwäche, Taubheit oder der Verlust eines entsprechenden Reflexes können auf eine Schädigung des Nervensystems hinweisen. ⓘ
Der derzeitige Goldstandard für die Diagnose einer Iliosakralgelenksdysfunktion, die vom Gelenk ausgeht, ist die Iliosakralgelenksinjektion, die unter Fluoroskopie- oder CT-Führung mit einer Lokalanästhesielösung bestätigt wird. Die Diagnose wird bestätigt, wenn der Patient über eine signifikante Veränderung der Schmerzlinderung berichtet und die diagnostische Injektion bei zwei separaten Besuchen durchgeführt wird. In veröffentlichten Studien wurde eine mindestens 75-prozentige Veränderung der Schmerzlinderung festgestellt, bevor eine Reaktion als positiv angesehen und das Iliosakralgelenk als Schmerzquelle betrachtet wird. ⓘ
Schwangerschaft
Die hormonellen Veränderungen während der Menstruation, der Schwangerschaft und der Stillzeit können die Integrität des Bandapparates um das Iliosakralgelenk beeinträchtigen, weshalb Frauen in den Tagen vor ihrer Periode oft die größten Schmerzen haben. Während der Schwangerschaft werden weibliche Hormone ausgeschüttet, die eine Entspannung des Bindegewebes im Körper bewirken. Diese Entspannung ist notwendig, damit sich das weibliche Becken während der Geburt ausreichend dehnen kann, um die Geburt zu ermöglichen. Diese Dehnung führt zu Veränderungen an den Iliosakralgelenken und macht sie übermäßig beweglich. Im Laufe der Jahre können diese Veränderungen schließlich zu einer Abnutzungsarthrose führen. Je mehr Schwangerschaften eine Frau hat, desto größer ist erwartungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass sie Probleme mit dem Iliosakralgelenk bekommt. Während der Schwangerschaft kann es zu Mikrorissen und kleinen Gasansammlungen im Gelenk kommen. [Dieser Absatz muss zitiert werden] ⓘ
Muskeldysbalancen, Traumata (z. B. Stürze auf das Gesäß) und hormonelle Veränderungen können zu einer Funktionsstörung des Iliosakralgelenks führen. Schmerzen des Iliosakralgelenks können sich an der Vorderseite bemerkbar machen, müssen jedoch von Schmerzen im Hüftgelenk unterschieden werden. ⓘ
Man geht davon aus, dass Frauen häufiger an Iliosakralgelenksschmerzen leiden als Männer, was vor allem auf strukturelle und hormonelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist, doch gibt es bisher keine glaubwürdigen Beweise, die diese Annahme bestätigen. Aufgrund der weiblichen Anatomie kann oft ein Sakralsegment weniger mit dem Becken verriegelt werden, was die Instabilität erhöhen kann. ⓘ
Zusätzliche Bilder
Iliosakralgelenk. Tiefe Dissektion. Serieller Querschnitt. ⓘ
Anatomie
Das Iliosakralgelenk ist ein straffes, wenig bewegliches Gelenk (Amphiarthrose) mit einer engen Gelenkhöhle. Es wird aus der Gelenkfläche am Os sacrum (Kreuzbein) und am Os ilium (Darmbein) gebildet. Daraus ergibt sich die deutschsprachige Bezeichnung Kreuz-Darmbein-Gelenk. Die beiden aneinanderstoßenden Gelenkflächen werden jeweils Facies auricularis genannt. Um diese Gelenkflächen stellt Faserknorpel (Ligamenta sacroiliaca interossea) die weitere Verbindung her. Aufgrund des (reibungsfrei gedachten) Gelenkspaltes können die Gelenkflächen des Iliosakralgelenks ausschließlich Normaldruckkräfte übertragen. Die Bänder (Ligamentum sacrotuberale, Lig. sacrospinale, Ligg. sacroiliaca anteriora, Ligg. sacroiliaca posteriora und Ligg. iliolumbalia) müssen alle weiteren Kräfte so weit kompensieren, dass die resultierende Kraft stets durch das momentane Bewegungszentrum des Gelenkes verläuft (statische Gleichgewichtsbedingung echter Diarthrosen). ⓘ
Bewegungen
Die geringen Bewegungen im Iliosakralgelenk finden nahezu ausschließlich in der Sagittalebene statt, sie werden als Nutation und Kontranutation bezeichnet. ⓘ
Durch eine Nutationsbewegung im Iliosakralgelenk und die damit verbundene Dehnung der Schambeinfuge vergrößert sich die Weite des Beckenrings, was eine praktische Bedeutung für den Durchtritt des Kopfes des Kindes bei der Geburt hat, unter der es zu einer hormonell gestützten Erweichung der Bänder kommt. Hierbei wird das Promontorium (lat. für „Vorgebirge“) des Kreuzbeins kaudoventral und das Steißbein kraniodorsal verlagert, wodurch der Sagittaldurchmesser (Conjugata recta) des Beckenausgangs größer und der Diameter conjugata des Beckeneingangs kleiner wird. Das Kreuzbein vollzieht damit eine Beugung (Flexion), das Darmbein eine Drehung (Rotation) mit Verlagerung des Darmbeinkamms (Crista iliaca) nach hinten (Retroversion, Ilium posterior). Die Achse der Rotationsbewegung liegt im Bereich der Ansatzstellen der Ligg. sacroiliaca interossea. ⓘ
Erkrankungen
Brüche und Verrenkungen des Kreuz-Darmbein-Gelenks können bei Stürzen, ruckartigen Bewegungen sowie Verdrehungen des Beckens auftreten. Akute und chronische Entzündungen sind möglich. Beim Morbus Bechterew sind sehr oft die Iliosakralgelenke betroffen. Die dabei häufig auftretende Entzündung des Kreuzbein-Darmbeingelenks (Sakroiliitis) ist ein diagnostisches Kriterium in der Frühdiagnose. ⓘ
Das Gelenk spielt auch in vielen alternativmedizinischen Richtungen eine besondere Rolle; beispielsweise in der manuellen Medizin, der Osteopathie, der Chiropraktik, der Craniosacralen Therapie und der Dorn-Therapie („Beckenblockade“). ⓘ
Das Gelenk kann von Arthrose betroffen sein, siehe Iliosakralgelenksarthrose. ⓘ