Hydrogencarbonate
Bezeichnungen | |
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Systematischer IUPAC-Name
Hydroxidodioxidocarbonat(1-) | |
Andere Namen
Hydrogencarbonat
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Bezeichner | |
3D-Modell (JSmol)
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3DMet | |
Beilstein-Referenz
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3903504 |
ChEBI | |
ChEMBL | |
ChemSpider | |
Gmelin-Referenz
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49249 |
KEGG | |
PubChem CID
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UNII | |
InChI
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SMILES
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Eigenschaften | |
Chemische Formel
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HCO- 3 |
Molekulare Masse | 61,0168 g mol-1 |
log P | −0.82 |
Azidität (pKa) | 10.3 |
Basizität (pKb) | 7.7 |
Konjugierte Säure | Kohlensäure |
Konjugierte Base | Karbonat |
Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Daten auf Materialien im Standardzustand (bei 25 °C [77 °F], 100 kPa).
Infobox Referenzen
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In der anorganischen Chemie ist Bicarbonat (IUPAC-empfohlene Nomenklatur: Hydrogencarbonat) eine Zwischenform bei der Deprotonierung von Kohlensäure. Es handelt sich um ein mehratomiges Anion mit der chemischen Formel HCO-
3. ⓘ
Bicarbonat spielt eine entscheidende biochemische Rolle im physiologischen pH-Puffersystem. ⓘ
Der Begriff "Bicarbonat" wurde 1814 von dem englischen Chemiker William Hyde Wollaston geprägt. Der Name lebt als Trivialname weiter. ⓘ
Hydrogencarbonate, auch saure Carbonate oder veraltet Bicarbonate, sind die Salze der Kohlensäure, die durch einfache Neutralisation dieser Säure mit einer Base entstehen. Oft wird auch das Anion dieser Salze, das Hydrogencarbonat-Ion (HCO3−), verkürzt als Hydrogencarbonat (oder Bicarbonat) bezeichnet. Wird durch weitere Basen-Zugabe auch die zweite Säurefunktion (Carboxygruppe) neutralisiert, so erhält man Carbonate. ⓘ
Infolgedessen haben gelöste Hydrogencarbonat-Ionen aufgrund ihres Potenzials, sowohl jeweils ein Proton abzugeben (Protonendonator) als auch wieder aufzunehmen (Protonenakzeptor), eine wichtige physiologische Bedeutung als Bestandteil des Kohlensäure-Bicarbonat-Systems und somit kapazitativ größtem Anteil der Blutpuffer-Systeme bei der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes von Säugetieren. ⓘ
Wichtige Hydrogencarbonate sind das Natriumhydrogencarbonat (Natron, Bullrich-Salz – NaHCO3), das Ammoniumhydrogencarbonat (Hirschhornsalz – NH4HCO3) und das Calciumhydrogencarbonat („Carbonathärte“ des Wassers – Ca(HCO3)2). ⓘ
Chemische Eigenschaften
Das Bicarbonat-Ion (Hydrogencarbonat-Ion) ist ein Anion mit der empirischen Formel HCO-
3 und einer Molekülmasse von 61,01 Dalton; es besteht aus einem zentralen Kohlenstoffatom, das von drei Sauerstoffatomen in einer trigonal-planaren Anordnung umgeben ist, wobei ein Wasserstoffatom an eines der Sauerstoffatome gebunden ist. Es ist isoelektronisch mit Salpetersäure HNO
3. Das Bicarbonat-Ion trägt eine negative formale Ladung und ist eine amphiprotische Spezies, die sowohl saure als auch basische Eigenschaften besitzt. Es ist sowohl die konjugierte Base der Kohlensäure H
2CO
3, als auch die konjugierte Säure von CO2-
3, dem Carbonat-Ion, wie diese Gleichgewichtsreaktionen zeigen:
- CO2-
3 + 2 H2O ⇌ HCO-
3 + H2O + OH- ⇌ H2CO3 + 2 OH- ⓘ
- H2CO3 + 2 H2O ⇌ HCO-
3 + H3O+ + H2O ⇌ CO2-
3 + 2 H3O+. ⓘ
Ein Bicarbonatsalz entsteht, wenn sich ein positiv geladenes Ion an die negativ geladenen Sauerstoffatome des Ions anlagert und eine ionische Verbindung bildet. Viele Bicarbonate sind bei Standardtemperatur und -druck in Wasser löslich; insbesondere Natriumbicarbonat trägt zum Gesamtgehalt an gelösten Feststoffen bei, einem gängigen Parameter zur Bewertung der Wasserqualität. ⓘ
Physiologische Rolle
Bikarbonat (HCO-
3) ist ein wichtiger Bestandteil des pH-Puffersystems des menschlichen Körpers (Aufrechterhaltung der Säure-Basen-Homöostase). 70-75 % des CO2 im Körper werden in Kohlensäure (H2CO3) umgewandelt, die die konjugierte Säure von HCO-
3 ist und sich schnell in diese umwandeln kann. ⓘ
Mit der Kohlensäure als zentraler Zwischenspezies bildet Bicarbonat - zusammen mit Wasser, Wasserstoffionen und Kohlendioxid - dieses Puffersystem, das in dem flüchtigen Gleichgewicht gehalten wird, das erforderlich ist, um sowohl sauren als auch basischen pH-Änderungen sofort zu widerstehen. Dies ist besonders wichtig für den Schutz der Gewebe des Zentralnervensystems, wo sich pH-Änderungen, die zu weit außerhalb des normalen Bereichs liegen, als katastrophal erweisen könnten (siehe Azidose oder Alkalose). Kürzlich wurde auch nachgewiesen, dass der zelluläre Bikarbonat-Stoffwechsel durch die mTORC1-Signalgebung reguliert werden kann. ⓘ
Darüber hinaus spielt Bikarbonat eine Schlüsselrolle im Verdauungssystem. Es hebt den internen pH-Wert des Magens an, nachdem die stark sauren Verdauungssäfte die Verdauung der Nahrung abgeschlossen haben. Bikarbonat reguliert auch den pH-Wert im Dünndarm. Es wird von der Bauchspeicheldrüse als Reaktion auf das Hormon Sekretin freigesetzt, um den sauren Speisebrei zu neutralisieren, der aus dem Magen in den Zwölffingerdarm gelangt. ⓘ
Bikarbonat in der Umwelt
Bikarbonat ist die vorherrschende Form des gelösten anorganischen Kohlenstoffs im Meerwasser und in den meisten Süßgewässern. Als solches ist es eine wichtige Senke im Kohlenstoffkreislauf. ⓘ
In der Süßwasserökologie wird durch die starke photosynthetische Aktivität von Süßwasserpflanzen bei Tageslicht gasförmiger Sauerstoff in das Wasser abgegeben und gleichzeitig werden Bikarbonat-Ionen produziert. Diese verschieben den pH-Wert nach oben, bis der Grad der Alkalität unter bestimmten Umständen für einige Organismen giftig werden kann oder andere chemische Bestandteile wie Ammoniak giftig machen kann. In der Dunkelheit, wenn keine Photosynthese stattfindet, wird durch die Atmungsprozesse Kohlendioxid freigesetzt, und es werden keine neuen Bicarbonat-Ionen gebildet, was zu einem raschen Absinken des pH-Wertes führt. ⓘ
Andere Verwendungen
Das gebräuchlichste Salz des Bicarbonat-Ions ist Natriumbicarbonat, NaHCO3, das allgemein als Backpulver bekannt ist. Wenn es erhitzt oder einer Säure wie Essigsäure (Essig) ausgesetzt wird, setzt Natriumbicarbonat Kohlendioxid frei. Dieses wird beim Backen als Treibmittel verwendet. ⓘ
Der Fluss von Bicarbonat-Ionen aus Gesteinen, die durch die Kohlensäure im Regenwasser verwittert sind, ist ein wichtiger Teil des Kohlenstoffkreislaufs. ⓘ
Ammoniumbicarbonat wird bei der Herstellung von Verdauungskeksen verwendet. ⓘ
Diagnostik
In der diagnostischen Medizin ist der Bikarbonatwert im Blut einer von mehreren Indikatoren für den Zustand der Säure-Basen-Physiologie im Körper. Er wird zusammen mit Kohlendioxid, Chlorid, Kalium und Natrium gemessen, um die Elektrolytwerte im Rahmen eines Elektrolyt-Panel-Tests (Current Procedural Terminology, CPT, Code 80051) zu bestimmen. ⓘ
Der Parameter Standard-Bicarbonatkonzentration (SBCe) ist die Bicarbonatkonzentration im Blut bei einem PaCO2 von 40 mmHg (5,33 kPa), voller Sauerstoffsättigung und 36 °C. ⓘ
Bikarbonat-Verbindungen
- Natriumbicarbonat
- Kaliumbicarbonat
- Cäsiumbicarbonat
- Magnesiumbicarbonat
- Calciumbicarbonat
- Ammoniumbikarbonat
- Kohlensäure ⓘ
Eigenschaften von Hydrogencarbonaten
Der Aggregatzustand ist wie bei Carbonaten fest, weil zwischen den Hydrogencarbonat-Ionen und Kationen Ionenbindungen vorliegen und sich dadurch regelmäßige Ionengitter formieren. Hydrogencarbonate sind farblos und erscheinen in Pulverform weiß, soweit nicht das Kation eine Farbe einbringt. Hydrogencarbonate sind geruchlose Stoffe. Die meist löslichen Hydrogencarbonate bilden mit Wasser elektrisch leitfähige Lösungen, weil sie neben den Kationen frei bewegliche, hydratisierte Hydrogencarbonat-Anionen bilden. Hydrogencarbonat ist amphoter. ⓘ
Zersetzung: Oberhalb einer Temperatur von 50 °C zerfällt Hydrogencarbonat; unter anderem entstehen Wasser und Kohlenstoffdioxid. ⓘ
Die Hydrogencarbonate der Erdalkalimetalle (Calcium, Magnesium, Barium, Strontium) sind zwar in Wasser gut löslich, stehen aber über das Dissoziationsgleichgewicht der Kohlensäure in Beziehung zu den entsprechenden Carbonaten, die durchweg schwer löslich sind. Um das Löslichkeitsprodukt der Carbonate nicht zu überschreiten, muss der pH-Wert hinreichend niedrig sein, was durch die Anwesenheit einer Mindestkonzentration an freier Kohlensäure, somit an gelöstem Kohlendioxid, gewährleistet ist. Diese bezeichnet man als zugehörige Kohlensäure. Entweicht sie aus dem Wasser oder wird sie in Seen durch Photosynthese verbraucht, so scheiden sich die Carbonate teilweise in kristalliner Form ab (Kesselstein, Seekreide) ⓘ
Es ist folglich (unter normalen Bedingungen) nicht möglich, die Hydrogencarbonate der Erdalkalien als Feststoff herzustellen. Beim Einengen der Lösungen werden immer die Carbonate gebildet. ⓘ
Reaktionen von Hydrogencarbonaten
Hydrogencarbonationen reagieren als eine schwache Base mit Wasser zu Hydroxidionen und unbeständiger Kohlensäure. Hierbei stellt sich ein chemisches Gleichgewicht ein, das überwiegend auf der linken Seite liegt, da der pKB-Wert von Hydrogencarbonationen mit 7,48 relativ groß ist.
Bei Zugabe einer stärkeren Säure wie z. B. Salzsäure zu Hydrogencarbonaten reagieren diese als schwache Base zu Kohlenstoffdioxid und Wasser:
Diese Reaktion ist mit organischen Säuren für Brausepulver von Bedeutung. ⓘ
Mit Calciumionen stellt sich ein Gleichgewicht mit schwerlöslichem Calciumcarbonat ein:
Dieses Gleichgewicht verschiebt sich beim Erwärmen stark auf die rechte Seite und ist für die Bildung von Kesselstein von Bedeutung. Beim Einleiten von Kohlenstoffdioxid in eine Calciumcarbonatsuspension verschiebt sich das Gleichgewicht unter Auflösen von Calciumcarbonat nach links. ⓘ
Vorkommen und Verwendung von Natriumhydrogencarbonat
Natriumhydrogencarbonat kommt als Mineral (Nahcolith) u. a. in den USA vor. Es findet in der Lebensmitteltechnik z. B. als Back- und Brausepulver Verwendung. In der Medizin wird es gegen Sodbrennen eingesetzt („Bullrichsalz“®). Natriumhydrogencarbonat ist auch Bestandteil von Feuerlöschpulver. ⓘ
Herstellung von Natriumhydrogencarbonat
- Natriumcarbonat, Kohlenstoffdioxid und Wasser reagieren zu Natriumhydrogencarbonat. ⓘ
Diese Reaktion muss unter Kühlung ablaufen. ⓘ
Verwendung von Ammoniumhydrogencarbonat
Hirschhornsalz wird beim Backen von Lebkuchen verwendet und zerfällt zu Ammoniak (NH3), Wasser und Kohlenstoffdioxid. Das im Handel erhältliche Salz besteht zumeist aus einer Mischung von Ammoniumhydrogencarbonat, Ammoniumcarbonat und Ammoniumcarbaminat. ⓘ