Bandscheibe

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Bandscheibe beim Menschen

Die Bandscheibe oder Zwischenwirbelscheibe (lateinisch Discus intervertebralis) ist eine flexible, faserknorplige Bildung, die jeweils die Wirbelkörper zweier benachbarter Wirbel im Bereich zwischen zweitem Halswirbel und Kreuzbein verbindet. Sie bilden damit eine Knorpelhaft (Synchondrose) zwischen den Wirbelkörpern. Zwischen dem Schädel und dem ersten Halswirbel sowie zwischen dem ersten und dem zweiten Halswirbel gibt es keine Bandscheiben. Die Wirbelsäule des Menschen besitzt 23 Bandscheiben. Sie machen etwa 25 Prozent der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Ihre Höhe und Grundfläche wird zum Kreuzbein hin immer größer. Die Anzahl der Zwischenwirbelscheiben bei den übrigen Säugetieren variiert mit der Anzahl der Wirbel.

Bandscheibe
716 Intervertebral Disk.svg
Bandscheibe
Einzelheiten
Teil derWirbelsäule
SystemMuskuloskelettales System
FunktionFaserknorpelgelenk zwischen Wirbelkörpern
Bezeichnungen
LateinischDiscus intervertebralis
Anatomische Terminologie
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Aufbau

Halswirbel mit Bandscheibe

Bandscheiben bestehen aus einem äußeren Faserring, dem Anulus fibrosus disci intervertebralis, der einen inneren gelartigen Kern, den Nucleus pulposus, umgibt. Der Anulus fibrosus besteht aus mehreren Schichten (Laminae) von Faserknorpel, die sowohl aus Kollagen vom Typ I als auch vom Typ II bestehen. Der Typ I ist am Rand des Rings konzentriert, wo er eine höhere Festigkeit aufweist. Die steifen Lamellen können Druckkräften standhalten. Die faserige Bandscheibe enthält den Nucleus pulposus, der dazu beiträgt, den Druck gleichmäßig auf die Bandscheibe zu verteilen. Dadurch wird die Entstehung von Spannungskonzentrationen verhindert, die zu Schäden an den darunter liegenden Wirbeln oder deren Endplatten führen könnten. Der Nucleus pulposus enthält lose Fasern, die in einem Mucoprotein-Gel suspendiert sind. Der Bandscheibenkern wirkt wie ein Stoßdämpfer, der die Auswirkungen der Aktivitäten des Körpers abfängt und die beiden Wirbel voneinander trennt. Er ist das Überbleibsel des Notochords.

Zwischen jedem Wirbelpaar befindet sich eine Bandscheibe, mit Ausnahme des ersten Halswirbelsegments, des Atlas. Der Atlas ist ein Ring um die etwa kegelförmige Verlängerung der Achse (zweites Halswirbelsegment). Die Achse fungiert als Stütze, um die sich der Atlas drehen kann, so dass sich der Hals drehen lässt. In der menschlichen Wirbelsäule gibt es 23 Bandscheiben: 6 im Halsbereich (HWS), 12 im mittleren Rückenbereich (BWS) und 5 im unteren Rückenbereich (LWS) Die Bandscheiben werden nach dem darüber und darunter liegenden Wirbelkörper benannt. So wird zum Beispiel die Bandscheibe zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel als "C5-6" bezeichnet.

Entwicklung

Während der Entwicklung und bei der Geburt haben die Bandscheiben eine gewisse Gefäßversorgung der Knorpelendplatten und des Anulus fibrosus. Bei gesunden Erwachsenen verschlechtert sich diese schnell, so dass fast keine direkte Blutversorgung mehr vorhanden ist.

Zwischenwirbelraum

Der Bandscheibenraum wird auf einer Röntgenaufnahme üblicherweise als der Raum zwischen benachbarten Wirbeln definiert. Bei gesunden Patienten entspricht dies der Größe der Bandscheibe. Die Größe des Raums kann sich bei krankhaften Zuständen wie Diskitis (Entzündung der Bandscheibe) verändern.

Funktion

Die Bandscheibe dient als elastisches Druckpolster und ermöglicht die Beweglichkeit der Wirbelsäule. Die Wirbelsäulenabschnitte sind um so beweglicher, je größer das Verhältnis von Bandscheiben- zu Wirbelkörperhöhe ist. Im Bereich der Halswirbelsäule ist das Verhältnis mit 2:5 am höchsten, im Bereich der Lendenwirbelsäule mit 1:3 im mittleren Bereich und im Bereich der Brustwirbelsäule mit 1:5 am geringsten. Die Zwischenwirbelscheiben verteilen die auf die Wirbelsäule einwirkenden Kräfte gleichmäßig auf die gesamte Wirbelendplatte. Der Gallertkern fängt dabei etwa 75 %, der Faserring 25 % der Kräfte auf. Die Bandscheibe eines jungen Menschen kann Drücken bis zu 8 MPa standhalten. Druckmessungen in einer Bandscheibe während des Hebens eines Gewichts mit einer Masse von 20 kg ergaben, dass bei gebogenem Rücken ein Druck von bis zu 2,3 MPa auftreten kann. Wird der Bewegungsablauf so geändert, wie man es zum Beispiel in einer Rückenschule lernt, dann ist bei der gleichen Tätigkeit eine Reduktion des Drucks auf bis zu 1,7 MPa möglich.

Für die Elastizität der Bandscheiben wurde ein Youngscher Modul von 6,0 MPa gemessen. Im Vergleich dazu haben Silikonkautschuke je nach Zusammensetzung einen Wert zwischen 0,3 bis 30 MPa. Bei der Streckgrenze von 11 MPa, bei der noch keine bleibenden Verformungen entstehen, wird das Bandscheibenmaterial um 32 % gedehnt. Durch exzentrische Belastung wird die Bandscheibe elastisch verformt, wobei sich der Gallertkern zur weniger belasteten Seite verlagert. Die Faserarchitektur des Faserrings begrenzt den Umgebungsumfang zwischen den Wirbeln und wirkt insbesondere Verdrehungen entgegen. Der Quellungsdruck der Gallertkerne hält auch das vordere und hintere Längsband unter Spannung und unterstützt dadurch deren Bremswirkung.

Die Bandscheibe hat die Aufgabe, die Wirbel voneinander zu trennen, und bildet die Oberfläche für das stoßdämpfende Gel des Gallertkerns (Nucleus pulposus). Der Nucleus pulposus der Bandscheibe hat die Aufgabe, bei Druckbelastungen den hydraulischen Druck in alle Richtungen innerhalb jeder Bandscheibe zu verteilen. Der Nucleus pulposus besteht aus großen vakuolierten Notochordzellen, kleinen chondrozytenähnlichen Zellen, Kollagenfibrillen und Aggrecan, einem Proteoglykan, das durch Bindung an Hyaluronan aggregiert. An jedes Aggrecan-Molekül sind Glykosaminoglykan (GAG)-Ketten aus Chondroitinsulfat und Keratansulfat gebunden. Eine Erhöhung der Menge an negativ geladenem Aggrecan erhöht den onkotischen Druck, was zu einer Verschiebung der extrazellulären Flüssigkeit von der Außenseite in das Innere des Nucleus pulposus führt. Die Menge der Glykosaminoglykane (und damit des Wassers) nimmt mit dem Alter und der Degeneration ab.

Klinische Bedeutung

Alles, was von der Bandscheibe ausgeht, kann als diskogen bezeichnet werden, insbesondere wenn es sich bei den damit verbundenen Schmerzen um diskogene Schmerzen handelt.

Bandscheibenvorfall

Stadien des Bandscheibenvorfalls

Zu einem Bandscheibenvorfall, auch als Bandscheibenvorfall bezeichnet, kommt es, wenn ein unausgewogener mechanischer Druck den Anulus fibrosus so stark verformt, dass ein Teil des Kerns hervortritt. Dies kann bei körperlichen Höchstleistungen, bei Traumata oder als Folge einer chronischen Verschlechterung (typischerweise in Verbindung mit einer schlechten Körperhaltung) geschehen und wurde mit einer Propionbacterium acnes-Infektion in Verbindung gebracht. Sowohl der deformierte Anulus als auch das gelartige Material des Nucleus pulposus können seitlich oder nach hinten gedrückt werden, wodurch die lokale Muskelfunktion gestört und Druck auf den nahe gelegenen Nerv ausgeübt wird. Dies kann zu den typischen Symptomen einer Nervenwurzeleinklemmung führen, die zwischen Parästhesien, Taubheitsgefühlen, chronischen und/oder akuten Schmerzen entweder lokal oder entlang des Dermatoms, das von dem eingeklemmten Nerv versorgt wird, sowie einem Verlust des Muskeltonus und einer verminderten homöostatischen Leistung variieren können. Die Bandscheibe ist nicht physisch verrutscht, sondern wölbt sich vor, meist nur in eine Richtung.

Eine andere Art von Bandscheibenvorfall, nämlich der des Nucleus pulposus, kann durch die Bildung von Schmorl-Knoten an der Bandscheibe entstehen. Dies wird als vertikaler Bandscheibenvorfall bezeichnet.

Bei einer Aufbaustörung der Deckplatten während des Wachstums kann Material der Bandscheibe in die Spongiosa des Wirbelkörpers eindringen (Schmorl-Knötchen bei der Scheuermann-Krankheit). Ab einem Alter von 30 Jahren kommt es durch degenerative Prozesse zu einer veränderten Zusammensetzung der Matrix und damit zu einer verminderten Wasserbindung. Dabei entstehen Risse und Spalten, die bei Druckbelastung zur Vorwölbung oder gar zum Durchtreten von Material des Gallertkerns durch den Anulus fibrosus führen können. Dies wird als Bandscheibenprotrusion beziehungsweise Bandscheibenvorfall bezeichnet. Der Verschleiß der Bandscheibe führt zu reaktiven Veränderungen des Knochengewebes der angrenzenden Wirbel (Osteochondrosis intervertebralis, Spondylosis deformans).

Die operative Entfernung eines Bandscheibenvorfalls wird als Nukleotomie bezeichnet, die Entfernung der gesamten Bandscheibe mit knöcherner Versteifung und Verbindung der benachbarten Wirbelkörper ist die Spondylodese. Daneben gibt es an der Hals- und Lendenwirbelsäule die Möglichkeit des Bandscheibenersatzes durch eine Bandscheibenprothese.

Degeneration

Mikroskopische Aufnahme eines Bandscheibenfragments mit degenerativem Faserknorpel mit Kernverlust und Chondrozytennestern, wie sie bei degenerativen Bandscheibenerkrankungen auftreten. HPS-Färbung.

Vor dem 40. Lebensjahr weisen etwa 25 % der Menschen Anzeichen einer Bandscheibendegeneration in einer oder mehreren Ebenen auf. Jenseits des 40. Lebensjahres zeigen sich bei mehr als 60 % der Menschen in der Magnetresonanztomographie (MRT) Anzeichen einer Bandscheibendegeneration in einer oder mehreren Ebenen. Diese degenerativen Veränderungen sind ein normaler Teil des Alterungsprozesses und stehen nicht in Zusammenhang mit Schmerzen.

3D Medical Animation still shot of Scoliosis
Medizinische 3D-Animation mit Standbild der Skoliose

Ein Effekt des Alterns und der Bandscheibendegeneration ist, dass der Nucleus pulposus zu dehydrieren beginnt und die Konzentration der Proteoglykane in der Matrix abnimmt, wodurch die Fähigkeit der Bandscheibe, Stöße zu absorbieren, eingeschränkt wird. Diese allgemeine Schrumpfung der Bandscheibe ist zum Teil für die allgemeine Abnahme der Körpergröße im Alter verantwortlich. Auch der Anulus fibrosus wird mit dem Alter schwächer und hat ein erhöhtes Risiko zu reißen. Darüber hinaus werden die Knorpelendplatten dünner, es bilden sich Risse und der subchondrale Knochen verödet. Da sich die Risse im Anulus fibrosus aufgrund von arthrotischen Knochen oder allgemeiner Degeneration bilden, kann der innere Nucleus pulposus austreten und Druck auf eine Reihe von Wirbelnerven ausüben. Ein Bandscheibenvorfall kann leichte bis starke Schmerzen wie Ischias verursachen, und die Behandlung von Bandscheibenvorfällen reicht von physikalischer Therapie bis hin zu chirurgischen Eingriffen (siehe auch: Bandscheibenarthroplastik). Zu den anderen Degenerationen der Wirbelsäule gehört die diffuse idiopathische Skeletthyperostose (DISH), d. h. die Verkalkung oder Verknöcherung der Bänder, die die Wirbel umgeben. Diese Degeneration führt zu einer Versteifung und manchmal sogar zu einer Verkrümmung der Lenden- und Lendenwirbelsäulenregion. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass langfristiges Laufen die altersbedingte Degeneration der lumbalen Bandscheiben abmildern kann.

Skoliose

Während diese bei manchen Menschen keine Schmerzen verursacht, kann sie bei anderen zu chronischen Schmerzen führen. Andere Wirbelsäulenerkrankungen können die Morphologie der Bandscheiben beeinträchtigen. So finden sich bei Patienten mit Skoliose häufig Kalkablagerungen (ektopische Verkalkung) in der Knorpelendplatte und manchmal in der Bandscheibe selbst. Bei Bandscheibenvorfällen wird auch ein höheres Maß an zellulärer Seneszenz festgestellt als bei nicht vorgefallenen Bandscheiben. Neben der Skoliose, der seitlichen S-Krümmung der Wirbelsäule, können die verschmolzenen Wirbel auch andere Anomalien aufweisen, wie z. B. die Kyphose (Rundrücken), die sich im Alter zeigt, oder die Lordose (Schiefrücken), die häufig bei Schwangerschaft und Übergewicht auftritt.

Etymologie

Das lateinische Wort anulus bedeutet "kleiner Ring"; es ist die Verkleinerungsform von anus ("Ring"). Auch die falsche Schreibweise Annulus ist üblich.

Zusätzliche Bilder

Evolutionäre Entwicklung

Ursprünglich waren Bandscheiben nur bei Säugetieren bekannt; Forscher gingen also davon aus, dass sich diese anatomische Besonderheit auch erst mit dem Aufkommen der Säugetiere entwickelt habe. Neuere Forschungen zeigten aber, dass bereits sehr frühe Wirbeltiere unterschiedlicher Arten Bandscheiben besessen haben. Die Säugetiere haben also die Bandscheiben nicht neu entwickelt, sondern sind die einzige Gruppe von Lebewesen, die die Bandscheiben bis heute behalten hat.