Dilemma

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Ein Dilemma (von altgriechisch διλήμματος dilēmmatos „aus zwei Sätzen bestehend“; spätgriechisch als Neutrum bzw. eigenes Wort δίλημμα dílemma „eine Schlussart, durch welche der Gegner von zwei Seiten, er mag zugeben oder nicht, gefangen wird“; Plural Dilemmata oder eingedeutscht Dilemmas), auch Zwickmühle, bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, die beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Es wird durch seine Ausweglosigkeit als paradox empfunden. Auch der Zwang zu einer Auswahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten kann ein Dilemma sein. Bei drei Möglichkeiten spricht man von einem Trilemma, bei mehr als drei Möglichkeiten von einem Polylemma. Die irrige Annahme, sich in einem Dilemma zu befinden, heißt Falsches Dilemma.

Cartoon, der William Ewart Gladstone in einem Dilemma zeigt - wenn er klettert, um dem Wachhund zu entkommen, wird er sich dem Zorn des Mannes aussetzen, aber wenn er sich fallen lässt, um dem Mann auszuweichen, wird der Hund ihn angreifen

Terminologie

Der Begriff Dilemma wird von Gabriel Nuchelmans auf Lorenzo Valla im 15. Jahrhundert zurückgeführt, und zwar in späteren Versionen seines Logiktextes, der traditionell Dialectica genannt wird. Valla behauptete, der Begriff sei die angemessene lateinische Entsprechung des griechischen dilemmaton. Nuchelmans argumentierte, dass seine wahrscheinliche Quelle ein Logiktext von Georg von Trebizond aus dem Jahr 1433 sei. Er kam auch zu dem Schluss, dass Valla im lateinischen Westen eine Art von Argumenten wieder eingeführt hatte, die nicht mehr verwendet worden war.

Vallas Neologismus setzte sich nicht sofort durch, da der etablierte lateinische Begriff complexio, der von Cicero verwendet wurde, bevorzugt wurde, wobei conversio auf die Umkehrung der dilemmatischen Argumentation angewendet wurde. Mit der Unterstützung von Juan Luis Vives wurde der Begriff Dilemma Ende des 16. Jahrhunderts jedoch weit verbreitet.

In der Form "Du musst entweder A oder B akzeptieren" - hier sind A und B Sätze, die jeweils zu einer weiteren Schlussfolgerung führen - und falsch angewandt, stellt das Dilemma eine falsche Dichotomie dar, d. h. einen Trugschluss. Im traditionellen Sprachgebrauch wird das Dilemma als "gehörnter Syllogismus" von der Sophistik unterschieden, die den lateinischen Namen cornutus erhielt. Die ursprüngliche Verwendung des Wortes horns im Englischen wird Nicholas Udall in seinem Buch Paraphrases von 1548 zugeschrieben, der den lateinischen Begriff cornuta interrogatio übersetzte.

Dilemmatische Argumente

Das Dilemma wird manchmal als rhetorisches Mittel verwendet. Seine Isolierung als Lehrbuchmaterial wird Hermogenes von Tarsus in seinem Werk Über die Erfindung zugeschrieben. C. S. Peirce definierte das dilemmatische Argument als jedes Argument, das sich auf die ausgeschlossene Mitte stützt.

In der Logik

In der Aussagenlogik wird das Dilemma auf eine Gruppe von Schlussfolgerungsregeln angewendet, die an sich gültig und nicht falsch sind. Sie haben jeweils drei Prämissen und umfassen das konstruktive Dilemma und das destruktive Dilemma. Solche Argumente können widerlegt werden, indem man zeigt, dass die disjunkte Prämisse - die "Hörner des Dilemmas" - in Wirklichkeit nicht gilt, weil sie eine falsche Dichotomie darstellt. Man wird aufgefordert, "A oder B" zu akzeptieren, aber zu zeigen, dass das nicht alles ist. Die erfolgreiche Unterminierung dieser Prämisse wird als "Flucht durch die Hörner des Dilemmas" bezeichnet.

In der Philosophie

Die dilemmatische Argumentation wird Melissus von Samos zugeschrieben, einem vorsokratischen Philosophen, dessen Werke nur bruchstückhaft überliefert sind, so dass die Ursprünge der Technik in der Philosophie unklar sind. Sie wurde bei Diodorus Cronus (gestorben um 284 v. Chr.) eingeführt. Die Paradoxa des Zenon von Elea wurden von Aristoteles in Form eines Dilemmas wiedergegeben, aber das könnte damit zusammenhängen, was Platon über den Stil des Zenon sagte.

Kontingenztabelle für die Auslösung (oder Nichtauslösung) eines Alarms für ein mögliches Erdbeben

Moralische und ethische Dilemmata

In Fällen, in denen zwei moralische Grundsätze unvereinbar zu sein scheinen, steht ein Akteur vor dem Dilemma, welchem Grundsatz er folgen soll. Diese Art der moralischen Fallstudie wird Cicero in Buch III seines De Officiis zugeschrieben. In der christlichen Tradition der Kasuistik wurde ein von Bartolomé de Medina im 16. Jahrhundert eingeführter Ansatz für eine abstrakte Rangfolge von Prinzipien mit dem Vorwurf des Laxismus behaftet, ebenso wie die Kasuistik selbst. Ein anderer Ansatz, der seine Wurzeln in der Rechtswissenschaft hat, besteht darin, den Schwerpunkt auf die Besonderheiten eines bestimmten Falles zu legen, d. h. auf die genaue Ausgestaltung des Dilemmas.

Im Recht

In der Rechtswissenschaft hat Valentin Jeutner argumentiert, dass der Begriff "Rechtsdilemma" als Kunstbegriff verwendet werden könnte, um eine Situation zu beschreiben, in der ein Rechtssubjekt mit zwei oder mehr Rechtsnormen konfrontiert ist, die es nicht gleichzeitig einhalten kann.

Beispiele sind widersprüchliche Verträge, bei denen eine Klausel eine andere direkt negiert, oder Konflikte zwischen grundlegenden (z.B. verfassungsrechtlichen) Rechtsnormen. Leibniz' Dissertation De casibus perplexis (Die verwirrenden Fälle) von 1666 ist eine frühe Studie über widersprüchliche Rechtsverhältnisse. Im innerstaatlichen Recht wurde argumentiert, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht mit einem rechtlichen Dilemma konfrontiert war, als es im Zusammenhang mit einem Verfahren zum deutschen Luftsicherheitsgesetz feststellte, ob ein Regierungsbeamter vorsätzlich unschuldige Zivilisten töten durfte, indem er ein entführtes Flugzeug abschoss, das andernfalls in ein Fußballstadion gestürzt wäre und Zehntausende getötet hätte.

Im Bereich des internationalen Rechts wurde behauptet, dass der Internationale Gerichtshof in seinem Nuklearwaffen-Gutachten von 1996 vor einem rechtlichen Dilemma stand. Er sah sich mit der Frage konfrontiert, ob in einem extremen Fall von Selbstverteidigung das Recht eines Staates auf Selbstverteidigung oder das allgemeine völkerrechtliche Verbot von Atomwaffen Vorrang haben sollte.

Typen

Das positive Dilemma (auch konstruktives Dilemma) führt bei jeder gewählten Entscheidung zu demselben Ergebnis.

In der Schreibweise der Booleschen Algebra lässt sich dies wie folgt darstellen:

(In Worten: p führt zu q; r führt zu q; p oder r führt zu q.)

Beispiel: Zwei verschiedene Therapiemethoden, die jeweils zur Genesung führen. Egal welche Methode gewählt wird – Patient wird gesund.

Das negative Dilemma (auch destruktives Dilemma) zerstört sich durch die Unmöglichkeit einer Entscheidung selbst.

(In Worten: p führt zu q; p führt zu r; aus nicht-q oder nicht-r folgt nicht-p.)

Beispiel: Zwei Patienten und nur eine Dosis des Gegenmittels für deren Krankheit. Jetzt ist die Frage bzw. das Dilemma: Wem gibt man das Gegenmittel und wen lässt man sterben? (Vgl. Triage.)

Beispiele

Ein klassisches Dilemma: Johann Heinrich Füssli: Odysseus zwischen Skylla und Charybdis, um 1794/96, Aargauer Kunsthaus Aarau

Gefangenendilemma

Ein klassisches Beispiel aus der Philosophiegeschichte ist das „Gefangenendilemma“ (Original: Prisoner’s dilemma): Ein Staatsanwalt schlägt zwei getrennt voneinander einsitzenden Untersuchungshäftlingen einen Handel vor. Ihnen wurde bereits eine kleinere Straftat nachgewiesen, aber eine weitere gemeinschaftlich verübte wird ihnen vorgeworfen. Schweigen beide, werden sie nur für die nachgewiesene Straftat bestraft (z. B. ein Jahr). Gesteht aber einer die bislang nicht nachweisbare Haupttat, so geht er zur Belohnung straffrei aus, während der andere eine weitaus höhere Strafe erhält (z. B. zehn Jahre). Gestehen beide, dann erhalten beide eine hohe Strafe (z. B. fünf Jahre).

Das Paradoxe ist die Divergenz zwischen individueller und sozialer Rationalität: Es ist sozial rational, wenn beide Gefangene schweigen (und nur je ein Jahr absitzen müssen). Individuell rational ist es dagegen für jeden der beiden Gefangenen, ein Geständnis abzulegen, unabhängig davon, wie der andere sich entscheidet. Wenn der andere gesteht, ist es besser, auch zu gestehen. Wenn der andere schweigt, ist es auch besser, zu gestehen. Aufsummiert erhalten beide zusammen eine Strafe von zehn Jahren.

Rational ist diese Strategie aber auch individuell nur bei einmaligem Aufeinandertreffen. Wenn die zwei Beteiligten voraussichtlich mehrmals in die gleiche Situation kommen, kann es sinnvoll sein, sich kooperativ zu verhalten und so dem Anderen einen Grund zu geben, dies ebenfalls zu tun. Das zeigte unter anderem eine Computersimulation, in der die Strategie Tit for Tat gewann.

Das Gefangenendilemma existiert in einer Vielzahl von Abwandlungen; die zugrundeliegende Systematik hat unter anderem auch in den Wirtschaftswissenschaften Bedeutung erlangt als Erklärungsmodell in der Duopol- und Spieltheorie. Sie liefert dort einen Beitrag zu Verständnis und Vorhersage des Preissetzungsverhaltens von zwei (konkurrierenden) Anbietern.

Buridans Esel

Ein Dilemma kann sich auch daraus ergeben, dass man bei der Wahl zwischen zwei positiven Möglichkeiten keine wählen kann, weil die Wahlnotwendigkeit ein Ergebnis unmöglich macht. Klassisches Beispiel ist dabei das Dilemma von Buridans Esel, der zwischen zwei exakt gleichen Heuhaufen stand und verhungerte, da er sich mangels einleuchtenden Grundes, entweder vom linken oder vom rechten zu fressen, für keinen der beiden entscheiden konnte.

Trolley-Problem

Eine Straßenbahn (engl. trolley) ist außer Kontrolle geraten und droht, fünf Personen zu überrollen. Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten?