Barnum-Effekt

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Der Barnum-Effekt, auch Forer-Effekt oder, seltener, Barnum-Forer-Effekt genannt, ist ein weit verbreitetes psychologisches Phänomen, bei dem Personen Beschreibungen ihrer Persönlichkeit, die angeblich speziell auf sie zugeschnitten sind, aber in Wirklichkeit vage und allgemein genug sind, um auf ein breites Spektrum von Menschen zuzutreffen, hohe Genauigkeitsbewertungen geben. Dieser Effekt kann eine teilweise Erklärung für die weit verbreitete Akzeptanz einiger paranormaler Überzeugungen und Praktiken wie Astrologie, Wahrsagerei, Aura-Lesen und einige Arten von Persönlichkeitstests liefern.

Diese Charakterisierungen werden von Praktikern oft als Betrugstechnik verwendet, um Opfer davon zu überzeugen, dass sie mit einer paranormalen Gabe ausgestattet sind. Da die Beurteilungsaussagen so vage sind, schreiben die Menschen ihnen ihre eigene Interpretation zu, wodurch die Aussage für sie "persönlich" wird. Außerdem akzeptieren Menschen eher negative Einschätzungen über sich selbst, wenn sie die Person, die die Einschätzung abgibt, als hochrangige Fachkraft wahrnehmen.

Der Forscher Bertram Forer nannte dies ursprünglich den "Trugschluss der persönlichen Validierung". Der Begriff "Barnum-Effekt" wurde 1956 vom Psychologen Paul Meehl in seinem Aufsatz "Wanted - A Good Cookbook" geprägt, weil er die vagen Persönlichkeitsbeschreibungen, die in bestimmten "pseudo-erfolgreichen" psychologischen Tests verwendet werden, mit denen des Schaustellers P. T. Barnum in Verbindung bringt.

Der Begriff wurde von Paul Meehl eingeführt und ist nach dem Zirkusgründer Phineas Taylor Barnum benannt. Dieser unterhielt ein großes Kuriositätenkabinett (Barnum’s American Museum), das „jedem Geschmack“ etwas bieten sollte („a little something for everybody“). Erste Forschungen zu diesem Phänomen hatten jedoch bereits in den 1920er und 1930er Jahren in Deutschland und Frankreich stattgefunden. Unter der Bezeichnung „Verifikationsphänomen“ wurden damals schon wesentliche Aspekte des Barnum-Effekts vorweggenommen.

Überblick

Der Barnum-Effekt tritt als Reaktion auf Aussagen auf, die als "Barnum-Aussagen" bezeichnet werden, d. h. allgemeine Charakterisierungen, die einer Person zugeschrieben werden, werden als für diese Person zutreffend empfunden, obwohl die Aussagen so verallgemeinert sind, dass sie auf fast jeden zutreffen könnten. Solche Techniken werden von Wahrsagern, Astrologen und anderen Praktizierenden eingesetzt, um die Kunden davon zu überzeugen, dass sie, die Praktizierenden, tatsächlich mit einer paranormalen Gabe ausgestattet sind. Der Effekt ist ein spezifisches Beispiel für das so genannte "Akzeptanzphänomen", das die allgemeine Tendenz der Menschen beschreibt, "fast jedes falsche Persönlichkeitsfeedback zu akzeptieren". Ein verwandtes und allgemeineres Phänomen ist das der subjektiven Validierung. Subjektive Validierung liegt vor, wenn zwei nicht zusammenhängende oder sogar zufällige Ereignisse als zusammenhängend wahrgenommen werden, weil ein Glaube, eine Erwartung oder eine Hypothese eine Beziehung erwartet. Beim Lesen eines Horoskops zum Beispiel suchen Menschen aktiv nach einer Übereinstimmung zwischen dem Inhalt und ihrer Wahrnehmung ihrer Persönlichkeit.

Frühe Forschung

1947 bat der Psychologe Ross Stagner eine Reihe von Personalleitern, einen Persönlichkeitstest durchzuführen. Nachdem sie den Test absolviert hatten, gab Stagner jedem von ihnen ein verallgemeinertes Feedback, das keinen Bezug zu ihren Testantworten hatte, sondern auf Horoskopen, graphologischen Analysen und Ähnlichem beruhte. Jeder der Manager wurde dann gefragt, wie zutreffend die Einschätzung seiner Person war. Mehr als die Hälfte bezeichnete die Einschätzung als zutreffend, und fast keiner bezeichnete sie als falsch.

1948 gab der Psychologe Forer in einem als "klassisches Experiment" bezeichneten Versuch 39 seiner Psychologiestudenten einen Psychologietest - seinen so genannten "Diagnostic Interest Blank" - und teilte ihnen mit, dass sie auf der Grundlage ihrer Testergebnisse jeweils eine kurze Persönlichkeitsvignette erhalten würden. Eine Woche später gab Forer jedem Studenten eine angeblich individualisierte Vignette und bat jeden von ihnen, sie danach zu bewerten, wie gut sie auf ihn zutraf. In Wirklichkeit erhielt jeder Student dieselbe Vignette, die aus den folgenden Elementen bestand:

  1. Sie haben ein großes Bedürfnis danach, dass andere Menschen Sie mögen und bewundern.
  2. Sie neigen dazu, sich selbst gegenüber kritisch zu sein.
  3. Sie haben viele ungenutzte Fähigkeiten, die Sie nicht zu Ihrem Vorteil genutzt haben.
  4. Sie haben zwar einige persönliche Schwächen, sind aber im allgemeinen in der Lage, sie zu kompensieren.
  5. Ihre sexuelle Anpassung hat Ihnen Probleme bereitet.
  6. Äußerlich diszipliniert und selbstbeherrscht, neigen Sie innerlich dazu, besorgt und unsicher zu sein.
  7. Manchmal haben Sie ernsthafte Zweifel daran, ob Sie die richtige Entscheidung getroffen oder das Richtige getan haben.
  8. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Veränderung und Abwechslung und werden unzufrieden, wenn Sie durch Einschränkungen und Begrenzungen eingeengt werden.
  9. Sie sind stolz darauf, ein unabhängiger Denker zu sein, und akzeptieren die Aussagen anderer nicht ohne ausreichende Beweise.
  10. Sie haben es für unklug befunden, sich anderen gegenüber zu offen zu zeigen.
  11. Manchmal sind Sie extrovertiert, leutselig und gesellig, während Sie zu anderen Zeiten introvertiert, vorsichtig und zurückhaltend sind.
  12. Einige Ihrer Wünsche sind ziemlich unrealistisch.
  13. Sicherheit ist eines Ihrer Hauptziele im Leben.

Im Durchschnitt bewerteten die Studenten die Genauigkeit mit 4,30 auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 5 (ausgezeichnet). Erst nach Abgabe der Bewertungen stellte sich heraus, dass alle Studenten eine identische Vignette erhalten hatten, die Forer aus einem Astrologiebuch am Kiosk zusammengestellt hatte. Die Vignette enthielt Aussagen, die vage und allgemein genug waren, um auf die meisten Menschen zuzutreffen.

Forer schrieb den Effekt der Leichtgläubigkeit zu. Der Effekt soll das Pollyanna-Prinzip bestätigen, wonach Menschen dazu neigen, "positive Rückmeldungen häufiger zu verwenden oder zu akzeptieren als negative Rückmeldungen".

Faktoren, die den Effekt beeinflussen

Den Ergebnissen von Replikationsstudien zufolge sind zwei Faktoren für die Entstehung des Forer-Effekts wichtig. Der Inhalt der angebotenen Beschreibung ist wichtig, wobei insbesondere das Verhältnis von positiven zu negativen Eigenschaftsbewertungen zu beachten ist. Der andere wichtige Faktor ist, dass die Testperson der Ehrlichkeit der Person vertraut, die das Feedback gibt.

Der Effekt wird durchweg festgestellt, wenn die Bewertungsaussagen vage sind. Die Menschen sind in der Lage, ihre eigene Bedeutung in die Aussagen hineinzulesen, die sie erhalten, und so wird die Aussage für sie "persönlich". Die wirkungsvollsten Aussagen enthalten die Formulierung "manchmal", z. B. "Manchmal sind Sie sehr selbstsicher, und manchmal sind Sie nicht so selbstbewusst". Dieser Satz kann auf fast jeden zutreffen, und so kann jede Person eine "persönliche" Bedeutung darin lesen. Wenn man die Aussagen auf diese Weise vage hält, kann man in Replikationsstudien den Forer-Effekt beobachten.

Personen sind eher bereit, negative Beurteilungen über sich selbst zu akzeptieren, wenn sie die Personen, die diese Beurteilungen abgeben, als hochrangige Fachleute wahrnehmen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Menschen mit autoritären oder neurotischen Persönlichkeiten oder mit einem überdurchschnittlich hohen Bedürfnis nach Anerkennung eher den Barnum-Effekt aufweisen.

Studien legen nahe, dass der Forer-Effekt universell ist - er wurde bei Menschen in vielen Kulturen und an vielen Orten beobachtet.

Spätere Studien haben ergeben, dass Probanden höhere Genauigkeitsbewertungen abgeben, wenn Folgendes zutrifft:

  • Die Versuchsperson glaubt, dass sich die Analyse nur auf sie selbst bezieht, und wendet daher ihre eigene Bedeutung auf die Aussagen an.
  • die Testperson glaubt an die Autorität des Bewerters.
  • Die Analyse listet hauptsächlich positive Eigenschaften auf.

Ausnutzung des Effekts

1977 schrieb Ray Hyman über die Art und Weise, wie Betrüger den Forer-Effekt ausnutzen, um sich einen Vorteil bei den Opfern (oder "Zielpersonen") zu verschaffen. Er stellte eine Liste von Faktoren auf, die diesen Betrügern helfen, ihre Beute zu täuschen. So ist es beispielsweise wahrscheinlicher, dass sie Erfolg haben, wenn sie eine gewisse Zuversicht ausstrahlen ("Wenn Sie so aussehen und sich so verhalten, als ob Sie an das glauben, was Sie tun, werden Sie den meisten Ihrer Opfer sogar eine schlechte Lektüre verkaufen können"), wenn sie "[m]it den neuesten statistischen Zusammenfassungen, Umfragen und Erhebungen kreativ umgehen", aus denen hervorgeht, "was die verschiedenen Untergruppen unserer Gesellschaft glauben, tun, wollen, sich Sorgen machen und so weiter", wenn sie "ein Gimmick wie eine Kristallkugel, Tarotkarten oder Handlesen" verwenden, wenn sie auf die Hinweise achten, die sich aus Details wie "Kleidung, Schmuck, Manierismen und Sprache" ergeben, wenn sie sich nicht scheuen, "sich aufzuspielen", und wenn sie Schmeicheleien verwenden.

Michael Birnbaum, Psychologieprofessor an der California State University, Fullerton, hat festgestellt, dass der Forer-Effekt von Zauberern und Hellsehern bei so genannten "Cold Readings" genutzt wird, ebenso wie von bestimmten Fernsehpersönlichkeiten, die psychoanalytisches Fachwissen für sich beanspruchen und behaupten, die psychologischen Probleme eines Gastes in wenigen Minuten diagnostizieren zu können. "Echte Psychologen sind über diese Praxis entsetzt", so Birnbaum, aber sie kritisieren sie in der Öffentlichkeit nicht nachdrücklich genug, so dass sie weiterhin mit einem Respekt behandelt wird, den sie nicht verdient. "Es ist bedauerlich, dass die akademische Psychologie der Cold-Reading-Technik nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat", schrieb Denis Dutton 1988, "zumal die weit verbreitete Praxis des erfolgreichen Cold Reading die Grundlage für einen Großteil des Glaubens an paranormale Kräfte bildet, der heute in der Gesellschaft zu finden ist." Während akademische Psychologen sich in ihren Studien auf Studenten konzentriert hatten, forderte Dutton eine "Analyse der tatsächlichen Techniken und Methoden, die von geübten Kaltlesern angewandt werden."

"Die Moral der Barnum-Demonstration", so Birnbaum, ist, dass "Selbstbestätigung keine Bestätigung ist. Lassen Sie sich nicht von einem Hellseher, einem Quacksalber-Psychotherapeuten oder einem falschen Wunderheiler täuschen, der diesen Trick bei Ihnen anwendet! Seien Sie skeptisch und fragen Sie nach Beweisen. Behalten Sie Ihr Geld in Ihrem Portemonnaie, Ihr Portemonnaie in Ihrer Tasche und Ihre Hand auf Ihrem Portemonnaie".

Forers Studie

Der US-amerikanische Psychologe Bertram R. Forer beschreibt ein 1948 durchgeführtes Experiment, in dem er seine Studenten einen Persönlichkeitstest absolvieren ließ. Anschließend händigte er jedem als Testergebnis eine persönliche Charakterbeschreibung aus und forderte sie dazu auf, den Wahrheitsgehalt dieser Auswertung auf einer Skala von 0 (poor „mangelhaft“) bis 5 (perfect „perfekt“) zu bewerten. Der Durchschnitt lag bei 4,26 Punkten, die Auswertung wurde also mehrheitlich als sehr gut zutreffend gewertet.

Tatsächlich hatte Forer den Test überhaupt nicht ausgewertet, sondern sämtlichen Teilnehmern als angebliches Ergebnis dieselbe folgende Charakterisierung (hier gekürzt) ausgehändigt, die er angelehnt an eine frühere Studie so konstruiert hatte, dass sie möglichst universell zutreffend sein sollte:

“You have a need for other people to like and admire you, and yet you tend to be critical of yourself. While you have some personality weaknesses you are generally able to compensate for them. You have considerable unused capacity that you have not turned to your advantage. Disciplined and self-controlled on the outside, you tend to be worrisome and insecure on the inside. At times you have serious doubts as to whether you have made the right decision or done the right thing. You prefer a certain amount of change and variety and become dissatisfied when hemmed in by restrictions and limitations. You also pride yourself as an independent thinker; and do not accept others’ statements without satisfactory proof. But you have found it unwise to be too frank in revealing yourself to others. At times you are extroverted, affable, and sociable, while at other times you are introverted, wary, and reserved. Some of your aspirations tend to be rather unrealistic.”

„Sie sind auf die Zuneigung und Bewunderung anderer angewiesen, neigen aber dennoch zu Selbstkritik. Ihre Persönlichkeit weist einige Schwächen auf, die Sie aber im Allgemeinen ausgleichen können. Beträchtliche Fähigkeiten lassen Sie brachliegen, statt sie zu Ihrem Vorteil zu nutzen. Äußerlich diszipliniert und selbstbeherrscht, neigen Sie dazu, sich innerlich ängstlich und unsicher zu fühlen. Mitunter zweifeln Sie stark an der Richtigkeit Ihres Tuns und Ihrer Entscheidungen. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung und sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden. Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin. Doch finden Sie es unklug, sich anderen allzu bereitwillig zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen, dann aber auch wieder introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Manche Ihrer Hoffnungen sind ziemlich unrealistisch.“

Der Test – mit dem gleichen Text – wurde seitdem oft wiederholt. Der Durchschnittswert der „trifft zu“-Bewertung lag dabei stets um 4.

Gauquelins Serienmörder-Experiment

Der französische Psychologe und Statistiker Michel Gauquelin untersuchte die Barnum-Eigenschaften pauschaler astrologischer Persönlichkeitsprofile. Dabei schickte er 1968 an 150 Personen, die er über ein Zeitungsinserat angeworben hatte, deren „ganz persönliches Horoskop“. Tatsächlich aber erhielt jede Person den gleichen Text, ein Persönlichkeitsprofil, das aus Textbausteinen eines der ersten Astrologie-Programme am Computer generiert wurde, dessen Texte der Astrologe André Barbault verfasst hatte. Zur Erstellung des Horoskops verwendete Gauquelin die Geburtsdaten des Serienmörders Marcel Petiot. Gauquelin bat die Versuchspersonen dann um die Beantwortung mehrerer Fragen, darunter der, ob sie in diesem Profil sich und ihre persönlichen Probleme wiedererkennen würden. 94 % der 150 Versuchspersonen bejahten diese Frage, 90 % fanden die Beschreibung sehr passend.

Weitere und ähnliche Beispiele finden sich in der Liste der klassischen Experimente in der Psychologie.